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Frankreich. Der DreyfuSprozeß vor dem Renner Kriegsgericht, welcher am 18. August beginnen soll, wird angeblich einen vollen Monat in Anspruch nehmen, da schon jetzt 200 Zeugen vorgeladen sind. ES scheint demnach, daß dem Wunsche deS CassationSrathS a. D. stattgegeben worden ist, der um seine Vernehmung in RenneS nach gesucht hat, da er eine lange Liste von Zeugen ausgestellt habe und wohl in der Lage sei, in dem Prozeß als Ankläger zu fungiren. Die französische Regierung soll einer Privatdcpesche der „Voss. Ztg." zufolge in Berlin Schritte gethan haben, um die Begnadigung der wegen Spionage ver- urtheilten Franzosen Deko! und Goldhurmer zu erwirken, da das Urtheil gegen den Spion Decrion festgestcllt hat, daß die beiden erstgenannten nur Opfer deS letzteren waren. Gegen den Kriegsminister Gallifet wird der Verdacht der Republikaner und Socialisten rege, welche befürchten, daß Gallifet mehr das Heer als die Institutionen der Republik Frankreich zu schützen beflissen sei. Die priesterfeindlichen Kundgebungen, die in der französischen Stadt Lille ausgebrochen sind, weil der des Mordes beschuldigte Pater Flamidien in Freiheit gesetzt worden ist, haben einen ernsteren Charakter an. genommen. Donnerstag Abend wurden die Fenster der Kirche Sainte Catherine eingeworfen, ebenso wurden auf das Waisenhaus St. Vincent de Paul Steine geschleudert. Die Polizei mußte mit dem Säbel auf die Manifestanten einhauen, deren Zahl 3» bis 4000 betrug. Vor der Erziehungsanstalt der Schulbrüder wurden die Polizisten mit Flaschen und anderen Dingen beworfen. Rußland. Zum Tode deS Großfürsten-Thronfolgers Georg von Rußland wird berichtet, daß in AbbaS-Tuman an der Stelle, wo der Prinz starb, ein Kreuz errichtet worden ist. Am Donnerstag wurde dort eine Seelenmesse ab gehalten, welcher der Großfürst Nikolai Michajlowitsch, die Spitzen der Behörden und eine große Volksmenge beiwohnten. Nachmittags wurde die Bevölkerung zu gelaffen, um an der in Marineuniform in einem provi sorischen Metallsarge ruhenden Leiche vorüberzuziehen. Wie die „Schles. Ztg." meldet, stürzte Prinz Georg am Sonntag früh bei einem Ausflug in die Berglandschast bei AbbaS-Tuman so unglücklich vom Rade, daß er nach heftigem Blutverlust an Ort und Stelle verschied. Bekanntlich haben die Finnländer durch den finn ländischen Staatssekretär General Procopä dem Zar eine zweite Petition unterbreiten lassen, worin das Manifest deS ZarS vom 15. Februar über die Zuweisung finnländischer Gesetzvorlagen an den Petersburger ReichS- rath als den Bestimmungen der finnischen Ver fassung widersprechend bezeichnet wurde. General ProcopS hat sich nun seiner Mission entledigt und die Petition dem Zar am 6. d. M. unterbreitet. Wie die „Nowoje Wremja" nunmehr meldet, hat der Zar auf diese Petition folgende Worte geschrieben: „Der Petition schenke ich keine Beachtung; das Petitioniren selbst finde ich taktlos, weil das Manifest nur Angelegenheiten von allgemein staatlicher Bedeutung, nicht speciell finnländischer Farbe berührt." Unterhaltungstheil. Die Rache eines Häßlichen. 23) Roman von M. Widdern. (Fortsetzung.) Man sah eS ihm an, die letzten zehn Minuten hatten ihn noch mehr erregt, als er sich so schon gefühlt. In der Thal machte er sich auch bereits Vorwürfe, nicht nach einmal Geduld gehabt zu haben. Dennoch kam rS ihm keinen Moment in den Sinn, den Kutscher wieder zurückrufen zu lassen. Er mußte eben dabei bleiben, was er verlangt. Und überdies: er wußte ja das Wohl der Familie seines rntassenen Bedienten lag wohlgeborgen in den Händen der gutherzigen und dabei energischen Frau Hinrichs. Damit tröstete er sich schließlich und wendete seine Gedanken wieder der Waldburger Angelegenheit und — seiner Rache zu. Er war vorhin, während er grübelnd dagesessen, zu dem Entschluß gekommen, persönlich das Gut aufzusuchen, um auf diese Weise den Brief seines Bruders zu beantworten. Und zwar wollte er das schon im Laufe des Vormittags thun. Wenn Herr von Stieler nun auch inzwischen nicht die Absicht nach Waldburg zu gehen aufgegeben, so bemächtigte sich jetzt doch seiner Seele die Ueberzeugung, daß es besser sei, er handle nicht im Impuls des Augenblicks, sondern lasse wenig stens ein paar Stunden vergehen, ehe er den Entschluß zur That werden ließ. Außerdem hatten seine Pläne aber auch noch eine zweite Aenderung erlitten — die nämlich — daß er jetzt allein vor seine Mutter treten und dieser sagen — zeigen wollte, auf welche Weise der „Häßliche" Vergeltung übe . . . * * * ES war ein wundervoller Nachmittag. Sommerlüfte wehten, und die ersten Rosen hauchten ihre süßen Düfte auS. Roth — gelb und weiß blüthen die schönsten aller Kinder Floras in jedem Garten und Gärtchen Spamer». In Spanien ist soeben erst die Gefahr einer CabinetS- krise überwunden, und gleich darauf ist eine neue Krise entstanden. Der Kriegsministcr hatte der Noth gehorchend darein gewilligt, daß einige Abzüge an seinem Budget vorgenommen wurden, und damit die Krisengefahr be schwichtigt. TagS darauf wurde in den CorteS der An trag auf Verkürzung der Civilliste der Königin-Regentin gestellt, nachdem schon während deS Krieges mit Amerika aus freiem Entschluß der Königin eine Herabsetzung der Civilliste erfolgt war. Der Ministerpräsident Silvela erklärte nun dem Antragsteller, daß die Civilliste nicht dem jeweiligen Monarchen, sondern der Monarchie gehöre und daß er sofort zurücktreten würde, falls die Königin- Regentin ein Anerbieten auf neuerliche Verminderung der Civilliste machen sollte. Nun kündigte aber Marie Christine unmittelbar nach jener CorteSsitzung an, daß sie zu Gunsten deS StaateS auf eine weitere Million Pesetas von der Civilliste verzichte. Der Rücktritt SilvelaS ist damit unabwendbar geworden. England. Die Spannung zwischen England und Trans vaal hat sich verschärft. ES liegen jetzt endlich klare Berichte darüber vor, daß Präsident Krüger den Aus ländern ein sofortiges Wahlrecht, wie eS von den eng lischen Kriegsfanatikern verlangt wird, nicht zu gewähren gewillt ist. Von England auS werden also aller Wahr scheinlichkeit nach kriegerische Unternehmungen eingeleitct werden. Auf eine Anfrage in Berlin, ob ein etwaiger Wunsch deS Präsidenten Krüger nach einer Intervention der Großmächte dort Gehör finden würde, ist officiös versichert worden, daß Deutschland kein Verlangen trage, zwischen England und Transvaal einzuschrciten oder ein aus die Einmischung der Großmächte gerichtetes Vorgehen anzuregen. Selbst im Copland erklärt man an allen oorurtheilsfreien Stellen, es wäre schändlich, wollte Eng land einen Krieg wegen der wenigen noch schwebenden Differenzen an Transvaal erklären. Ein Londoner Blatt meldet noch, daß am heutigen 14. Juli der Gouverneur von Capland, Milner, eine Art Staatsstreich ausführt, das Ministerium Schreiner entläßt und eine große Kund gebung zu Ehren der britischen KricgSpartei veranstaltet. Amerika. Der Kriegsminister Alger soll einer Privatmeldung zufolge nun doch von seinem Amte zurückgetreten sein, nachdem er Wochen lang dem diesbezüglichen Verlangen deS Präsidenten Mac Kinley entschiedensten Widerstand geleistet hatte. An seiner Stelle soll nun ein Kriegs mann von echtem Schrot und Korn das Portefeuille erhalten. Der neue Minister soll alsdann tausende uno abertausende von Freiwilligen nach den Philippinen werfen und auf die armen Tagalen so lange einschießen lassen, bis deren Unterwerfung erfolgt ist. Wenn die nöthigen Verstärkungen auf Luzon gelandet sind, dann werden die Tagalen freilich unterworfen, die Amerikaner aber gleichzeitig genöthigt werden, fortan stets ein ge waltiges Truppencontingent auf den Inseln stationirt zu halten, da der Haß der Eingeborenen gegen die Amerikaner dann noch zehnmal glühender sein wird, als er eS gegen die Spanier war. In den Vereinigten Staaten empfindet A—S —, so wie in denen der Umgegend der alten Stadt. Aber auch auf dem Gebiet des Waldburger Friedhofs hatten sich die Rosen zu ihrer vollen Pracht entfaltet. In besonderer Schöne zeigten sie sich jedoch auf der sauber gehaltenen Begräbnißstätte der Herr schaft. Trotzdem schauten die Augen Hermine von Waldburgs, die zwischen den dort liegenden Gräbern stand, achtlos über all' diese Pracht hinweg. Die Stirn der Sinnenden war umdüstert, und hin und wieder hob ein tiefer Athemzug ihre Brust. Hermine erschien merkwürdig ver ändert in der kurzen Zeit, seit wir ihr im Schloßgarten zuerst begegnet. Sie sah noch bleicher auS als damals, und ein Zug namenlosen Wehs zuckte um ihren Mund. Plötzlich glitt jedoch wieder Heller Sonnenschein über die nicht schönen aber interessanten und charakteristischen Züge. Unverzüglich eilte sie nach dem Eingang des Kirchhofs dorthin, wo soeben die kraftvolle Gestalt des Forstmannes, der heute wie zur Jagd gerüstet war, sichtbar wurde. „Hermine, liebe, theure Hermine!" rief ihr schon Herr von Bandelow zu. Dabei streckte er dem jungen Mädchen seine beiden Arme entgegen. Laut aufschluchzend hatte sich die Baroneß an Conrads Brust geworfen. Aber nur für Sekunden hielten sie sich so umschlungen, dann sandte Hermine einen ängstlichen Blick nach dem Eckfenster des Todtengräberhauses, aus dem der ganze Friedhof übersehen werden konnte. „Wir dürfen uns auch hier nicht gehen lassen, Conny," hauchte sie und löste sich rasch aus den sie umschlingenden Armen. Der Forstaffeffor stieß einen leisen Fluch aus, besann sich aber und führte die Geliebte zu der Begräbnißstätte ihres Geschlechts. Schon saßen sie da minutenlang eng an einander geschmiegt auf einer eisernen Bank, und noch war kein Wort zwischen ihnen gewechselt worden. Endlich rang es sich über die Lippen deS Mädchens: „Du hast natürlich meinen Brief von heute morgen erhalten, Conny, denn sonst wärst Du ja nicht hier. man keine große Freude über die Mac Kinleysche KriegS- lust und ist überzeugt, daß der Besitz der Philippinen die schweren Opfer nicht aufwiegen wird, die seinetwegen gebracht worden sind und noch weiter gebracht werden müssen. AuS Washington bringt die „D. W." folgende über London kommende Kabelmeldung: Die Amerikaner räumten Santiago de Cuba vor der Pest. Dir wahrscheinlich aus Hongkong eingeschleppte Epidemie trat erst in den letzten vierzehn Tagen auf, griff aber so schnell um sich, daß die commandirenden Generäle und die gesammte Garnison am 7. Juli aus der Stadt zog und auf den Hügeln Quartier nahm, nachdem tag« zuvor noch Major Heathwole, Obercommiffar der Vereinigten Staaten in Santiago, innerhalb drei Stunden der Krankheit erlegen. Auch unter den Truppen in Manzanillo ist die Pest ausgebrochen und es mußte auch diese Stadt unverzüglich geräumt werden. Aus dem Muldenthale. 'Waldenburg, 14. Juli. Ihre Durchlaucht Frau Erbprinzessin Lucie von Schönburg-Waldenburg nebst hoher Familie, I. I. D. D. dem Fürsten Otto Vietor, der Prinzessin Sophie und dem Prinzen Günther von Schönburg-Waldenburg, sind heute von Dresden abge reist, um längeren Aufenthalt auf den Ihrer Durchlaucht der Frau Erbprinzesfin gehörigen, in Rumänien gelegenen Gütern zu nehmen. *—- Der Vorstand des König!. Amtsgericht», Herr AmtsgerichtSrath Bamberg, tritt bi« 15. August e. Ferien urlaub an und wird während dieser Zeit von Herrn Assessor Or. Demmrich vertreten werden. *— In unserer Gegend hat in diesem Jahre da» Ungeziefer an den Obstbäumen überhand genommen. Besonders bemerkbar macht sich die Larve eines ZnE abstecherS, ferner der purpurrothe Apfelstecher, welcher die jungen Triebe anfrißt. An den Blättern verrichtet die Apfelminirmotte (^josa Olsrk«!!») ihr vernichtende» Werk. Auch die Schorfkrankhcit de« Kernobstes hat sich stark verbreitet. Bekannt sind die Rost- oder Schors flecke, die bei dieser Krankheit auf den Aepseln und Birnen entstehen, die Frucht unansehnlich machen und den Ertrag der Bäume vermindern. Abklopfen der Käfer frühmorgens, fowie Sammeln und Verbrennen der abgestochenen Zweige ist von Vortheil; da wo die Apfel- baumminirmotte stärker auftritt, kann man nur ein Zer drücken der in den Gängen befindlichen Thierchen vor nehmen. Ein Haupterforderniß aber ist eS, im Herbst oder Winter ein sorgfältiges Abkratzen oder Abbürsten der Rinde vorzunehmen, weil sich unter der alten Rinde das Ungeziefer sehr gern aufhält. Die Stämme müssen mit einem Kalkanstrich, dem man etwas Ofenruß bei geben kann, versehen werden. Gegen die Schorfkrankhcit ist die Bespritzung mit einer Lösung von Kupferzucker kalk-Pulver anzuwenden; hier ist c« nothwendig, vor beugend zu wirken und eine Bespritzung bereit» im Frühjahr anzuwenden, nur dann kann auf einen voll ständigen Erfolg gerechnet werden. Soll der deutsche Obstbau gedeihen und sollen die Millionen, welche gegen- wärtig noch für ausländisches Obst ins Ausland wandern, Was meinst Du nun zu dem allen?" „Daß ich durchaus nicht überrascht bin," entgegnete der junge Mann. „Was Dein Vater beabsichtigte, al» er vorgestern Abend zu Justizrath Horn sagte: „Er gedenke das Wappenschild der Waldburg neu zu ver golden" — wußte ich ja bereits. — E« kommt jetzt nur darauf an, wie Du zu handeln denkst — das heißt, ob Du mir den Eid der Treue halten willst, den Du mir — ungezwungen, mein theureS Mädchen, geschworen." Es lag tiefe Seelenangst in dem Blick des jungen Mannes, als er diese Wort sprach. Eine gleiche Seelen angst offenbarte sich aber auch in den schönen, dunklen Augen Herminrns, als sie, die Hände ineinander ver schlingend, mühsam hervorstieß: „Ich kann nicht ander«, Conny — wenigsten« wird mich keine Macht der Erde zwingen, Arno Wolken an den Altar zu folgen. — Sonst aber — Geliebter sonst." — „Sonst?!" fragte er in fast athemloser Spannung. Sie rang die Hände, und ihr ganzes Wesen zeugte in diesem Augenblick von der grenzenlosen Qual, welche ihr Inneres erfüllte. Eine Weile verharrte sie so — ein Bild tiefen, aber stummen Schmerze«. Dann raffte sie sich gewaltsam auf und flüsterte: „Ach, Conrad, ich glaube, die Bitten deS Vaters — die überredenden Worte meiner Großmutter, welche mir so haarscharf bewiesen, daß in meiner Hand allein da» Wohl und Wehe der WaldburgS liege, haben mich dazu vermocht, eine Nichtswürdigkeit ohne gleichen zu begehen. Nicht an Dir, Geliebter — nicht an Dir — aber —" „Ich verstehe Dich nicht," unterbrach der Forstaffeffor die Redende. „Willst Du mir nicht erzählen, waS vorgesallen und — zu welcher Handlungsweise Du Dich entschlossen hast. — Ich sage nicht wie Du: „zu welcher Nichtswürdigkeit" — weil ich fest überzeugt bin, daß Du zu einer solchen nicht fähig bist!" (Fortsetzung folgt.)