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Veröffentlichung eines geplanten Gesetzentwurfs wartet, bisher ist sie nicht erfolgt. Möglicherweise gelangt also diese in den inneren Dienst tief einschneidende Vorlage im Laufe der gegenwärtigen Session überhaupt nicht mehr an den Reichstag. Die Mission in Südschantung wird vom Prinzen Heinrich im Mai d. I. besucht werden. Ein deutscher Ingenieur erhielt telegraphische Nachricht, die erste Bahn in der neuen deutschen Kolonie zu vermessen und schleu nigst zu beginnen; die Zweigbahnen werden bald folgen. Ein Syndikat hat bereits begonnen, Kohlenlager anzu kaufen, deren Betrieb mit dem Frühjahr ausgenommen werden soll. Oesterreich-Ungar«. Alle österreichischen und ungarischen Blätter drücken über die Ernennung Koloman SzcllS zum ungari- scheu Ministerpräsidenten ihre Zustimmung auS zugleich mit der Erwartung, daß eS diesem hervorragenden Manne gelingen wird, die innerpolitischen Verhältnisse Ungarns wieder harmonisch auszugcstalten. Frankreich. Die Prätendenten lassen jetzt doch von sich hören. E» heißt, Herzog Philipp von Orleans, der Chef dcS Hauses, sei plötzlich in Brüssel eingetroffen und hege die Absicht, am Beisetzungstage FaurcS die französische Grenze zu überschreiten. Da Herzog Philipp nun als Prätendent aber nicht ernst zu nehmen ist, so hat auch sein angeblicher Plan, an dessen Ausführung er im Uebrigen selbstverständlich verhindert werden wird, nichts zu besagen. Prinz Henry von Orleans, der Vetter des Genannten, sucht sich gleichfalls wieder bemerklich zu machen. Einem Ausfrager hielt er Vortrag über die Pflichten eines französischen StaatSchefS und erklärte auf die Frage, ob er sich selber reif fühle für solche Mission: Ich stehe zur Verfügung. Mit seinem Vetter steht er noch immer auf gespanntem Fuß. Paris befindet sich in vollem Trauerschmuck. Alle Staatsgebäudc sind mit schwarzem Tuch behängt. Vor dem Eingang zum Kirchhof ist ein großer Katafalk errichtet, vor dem die Truppen und alle Theilnehmer an der Trauerfeier vorbeidefiliren werden. Rußland. Der Kaiser von Rußland wird sich in nächster Zeit zu längerem Aufenthalt nach Madeira begeben; so wird aus Petersburg gemeldet. Die portugiesische Insel Madeira ist in jüngster Zeit ein beliebter Kurort für Lungenkranke geworden. Daß der Zar ernstlich krank sei, wird aber in dem betr. Telegramm ausdrücklich in Abrede gestellt und erklärt, daß man aus diesem Reife plan nicht nothwendig habe zu schließen, die Gesundheit des Kaiser« sei erschüttert. Thatsache sei jedoch, daß die keineswegs sehr kräftige Constitution des Zaren der Schonung bedürfe. Amerika. In Washington nahm der Senat mit 219 gegen 34 Stimmen die Vorlage an, der zufolge 20 Millionen Dollars für die Abtretung der Philippinen an Spanien zu zahlen sind. Gleichzeitig wurde die Ent lassung von 16,000 Freiwilligen beschlossen, so daß das stehende Heer jetzt 110,000 Mann umfaßt. Unterhaltungstheil. „Es sah eine Linde ins tief- Thal." 11) Novelle von R. Litten. (Fortsetzung.) Er stutzt, auS seinen müden halbverschleierten Augen bricht ein Blitz, und tiefer neigt er den Kopf, heiße Worte in ihr Ohr flüsternd. Aber plötzlich, sie hat ihn kaum begriffen und sieht mit ihren ernsten Kinderaugen erstaunt in sein leiden schaftlich erregtes Gesicht, richtet er die schlanke Gestalt höher und zwingt den blasirten Ausdruck, der ihnen sonst eigen, in die Züge. In einem Seitenwege rauscht es wie von seidenen flatternden Gewändern und nun, wie hingeweht, steht Gräfin Lori vor den beiden. Sie ist athemlos wie von eiligem Lause. Heiße Röthe brennt auf ihren Wangen, ihre Locken sind gelöst, ihr Busen wogt, und ihre sonst so girrende Stimme klingt heiser, als sie hervorstößt: „Wir vermißten Dich bei der Frühstückstafel, Dina! Und auch Sie, Eberhard!" Ihre Stieftochter sieht sie überrascht an. Seit wann wurde ihre Abwesenheit denn überhaupt bemerkt? „Ich war im Walde, Mama, wie immer um diese Zeit," sagte sie einfach. „Verzeih, wenn ich mich ver spätete!" Das klingt so harmlos; aber warum huscht dunkle Purpurgluth über die Wangen des Mädchens, warum bebt ihre Stimme? Ein böser Zug entstellt das schöne Gesicht der Gräfin, sie bückt sich und zerrt am Saum ihres lichtblauen Kleides, welchen eine Baumwurzel ge faßt hält, daß der kostbare Spitzenbesatz in Fetzen reißt. „Und Sie, Baron, Sie leisteten meiner Tochter Ge sellschaft?" Er streicht mit der weißen ringgeschmückten Hand über den dunklen Schnurrbart, ein spöttisches Zucken seiner Lippen dabei verdeckend. Spanien. In Madrid fanden lärmende Kammersitzungen statt, in denen auch Seitens der Regierung der Vorwurf er hoben wurde, daß Amerika mehr fordere, al» ihm nach dem Protokoll zustehe. Die Abgeordneten der Linken schimpften gewaltig auf die spanischen Generale, die für die schmählichen Niederlagen verantwortlich zu machen seien. Graf AlmenoS schloß eine Rede mit der rhetorischen Frage: Weshalb ist keiner der Generale ge henkt worden? Asien. Der Sultan von Maskat widerrief die Abtretung einer Kohlenstation an Frankreich in Folge der Drohung de« englischen Admirals mit Beschießung. Die englischen Kriegsschiffe „Eclipse", „Sphinx" und „Redbreast" liegen im Hafen. Der Sultan ließ eine Proklamation, in der er den Widerruf und den Grund dafür mittheilt, öffentlich anschlagen und gab eine gleich lautende Erklärung auch im öffentlichen Durbar ab. Der französische Consul hat Protest erhoben. In Maskat herrscht völlige Ruhe. Von den Eingeborenen wurde die Proclamation beifällig ausgenommen. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 22. Februar. Wenn englische Zeitungen die Wahrheit berichten, so hat Professor Nernst in Göttingen für seine Erfindung eines neuen elektrischen GlühlichtS einen Preis erhalten, wie kein anderer Forscher vor ihm, nämlich über 5 Millionen Mark nach unserem Gelde, davon etwa 1'/« Million baar, den Rest in Actien jener Gesellschaft, die zur Ausbeutung seiner Er findung in England gebildet ist, und deren Papiere, ebenfalls nach jenen Zeitungen, mit übertriebenen Preisen bezahlt werden. Scheint das Honorar zu stimmen, so bleibt docb alles Weitere abzuwarten. Es wurde z. Z. berichtet, daß Professor Nernst's neue Glühkörper nicht nur erheblich helleres Licht geben, sondern auch weit weniger Kraft beanspruchen, mithin das elektrische Licht ganz außerordentlich verbilligen. Es wurde auch be hauptet, das Nernstlicht bedürfe einer Glasbirne nicht, wie das heutige elektrische Glühlicht; es sei ein etwa halbfingerlanger dicker Faden, der in die Leitung gebracht werde und dann das Licht ergebe, so daß also Billigkeit und Einfachheit verbunden wären. Wir wollen auch hier wieder ein Stück Behauptungen streichen, immer bleibt die Thatsache der Verbilligung dcS elektrischen Lichtes und der Gründung einer kapitalkräftigen Gesell- fchaft zur Ausbeutung der Erfindung bestehen. Für die Concurrenz zwischen Gasglühlicht und elektrischem Licht wird also nun eine neue Periode beginnen und in dem erneuten Kampfe liegt die Sache für die Elektricität günstiger, als bisher. Da es ja nur wenige Monate dauern kann, so empfiehlt es sich, bei Neuanlagen und Vertragsschlüssen zu warten. Die Kosten für Anlage und Betrieb werden, wenn sich die auf das Nernst-Licht gesetzten Hoffnungen nur einigermaßen erfüllen, ganz andere werden, als bisher. *— Ueber eine erfolgreiche Arbeit eines geborenen Waldenburgers berichtet die „Göttinger Ztg." in einem Referat über eine Sitzung des dortigen anthropologisch- „Nicht doch, Gräfin, so glücklich war ich nicht! Ich erinnerte mich heute nur, daß die Schloßsrau von Wellinghausen keine bindenden Gesetze für ihre Gäste hat und benutzte die letzte Stunde zu einer Entdeckungsreise hier im Park. Ihre neueste Laune, Lori, die Tuffstein grotte ist übrigens allerliebst, schade, daß ich nur durch das Fenster Einblick nehmen konnte. Wann werden Sie denn meinen profanen Händen den Schlüssel dazu anvertrauen? Soeben als ich das Glück hatte Comtesse zu begegnen, grübelte ich der Frage nach." Die Angeredete giebt keine Antwort, Sie ergreift seinen Arm — heftig, leidenschaftlich geschieht es — und schreitet der Stieftochter voran dem Schlosse zu. Wäre das jungfräuliche Grafenkind nicht so völlig im Banne der eigenen Gedanken gewesen, diese Stunde hätte es belehrt, warum sein Gefühl es so beharrlich von dieser Frau abstieß. Acht Tage waren vergangen. Blitze zuckten, Donner krachten, die Windsbraut fuhr heulend durch den Wald, aber mitten in dem Aufruhr der Natur, nur durch eine elende Bretterhütte, wie die Waldwärter sie aufzuschlagen pflegen, stand ein seliger Mann, ein glücklich lächelndes Mädchen im Arm. Er sah ihr ties in die Augen, dann stieß er einen Jubelruf aus. „Jetzt lächeln auch Deine Augen, Herzlieb! Wie schön Du bist, wie wunderschön! — Und Du liebst mich wirklich, Du holdselig Feeenkind, mein Waldmärchen, und willst mein sein, immer mein?" Sie sah ihn ernsthaft an. „Wäre ich denn jetzt hier, in Deinen Armen?" fragte sie leise. „Ich weiß ja selbst nicht," sagte sie träume risch weiter, „wie das so plötzlich über mich gekommen. Aber ich mochte mich wehren, soviel ich wollte, immer hörte ich Deine Stimme, immer sah ich Dein Antlitz vor mir. Und als Du vorhin, als der Blitz so zuckte und ich geblendet die Augen schloß, meinen Namen riefst und mir die Arme entgegen breitetest, da konnte ich naturwissenschaftlichen Vereins. Herr Professor Or. Merkel, Director der Göttinger anatomischen Anstalt, hielt darin einen Vortrag über einen 1200 Jahre alten Göttinger. Herr Or. Merkel hatte auf einem Gräber felde bei Göttingen in der Nähe von Rosdorf einen Schädel. auSgegraben und unter Beihilfe deS Herrn Bildhauer Eichler daselbst, eines Sohnes deS Herrn Bild hauer C. W. Eichler in Altstadtwaldenburg, die Weich- theilc dieses Schädels reconstruirt. Herrn Eichler kamen hierbei seine in der Töpferschule zu Altstadtwaldenburg seinerzeit erworbenen Kenntnisse in der Modellirkunst sehr zu statten. Das erwähnte Blatt berichtet weiter: „GS wurde ein GypSabguß deS Schädels hcrgestellt und auf diesem die in Plastilina nachgebilceten Weichtheile auf- getragen. Um aber ganz sicher zu gehen, daß die Ar- beit zu einem richtigen Ergebnisse führte, stellte Herr Prof. Merkel noch folgende Probe an. Er übergab dem Bildhauer einen Schädel auS der Blumenbach'schen Schädel sammlung, über dessen Herkunft dem Künstler keine Mit- theilung gemacht wurde, mit dem Auftrage, die Gesichts maske desselben nach den ausgestellten Regeln zu recon- struiren. Herr Eichler erklärte nach kurzer Zeit, daß das ein weibliches Gesicht gebe, und stellte aus Thon eine Gesichtsmaske her, welche in überraschender Weise die typischen Züge einer Australnegerin wiedergab, von welcher in der That der betreffende Schädel herstammte. Die einzelnen Stadien der Reproduction des Germanen schädels sind Photographisch festgehalten worden. Man konnte nach diesen Photographien die Arbeit des Künstler« genau verfolgen. Da die Niedersachsen zu jener Zeit den Bart rasirt, das Haupthaar lang herabwallend zu tragen pflegten, so wurde bei der Reproduction darauf Rücksicht genommen. Als die bis dahin verhüllte Büste des alten Rosdorfers (nicht „Göttingers") endlich unter allgemeiner Spannung enthüllt wurde, zeigten sich die markigen und festen, vielleicht etwas finsteren, trotzig kühnen Züge eines niedersächsischen Bauern, eine Ge sichtsbildung, wie sie ähnlich, vielleicht durch die fortge schrittene Cultur etwas gemildert und verfeinert, noch heutigen Tages unter der männlichen Landbevölkerung des Leinegaues nicht zu den Seltenheiten gehört." *— Nach dem Berichte über das Medizinalwesen im Königreiche Sachsen auf das Jahr 1897 sind an Lungen- Tuberkulose inSgesammt 7652 Personen — 52 weniger als im Vorjahre — gestorben. Es sind dies 8,2 Proc. der überhaupt Verstorbenen und 1,97 pro Mille der Be völkerung. In den großen Städten, in welchen bisher schon immer die Verluste durch die genannte Krankheit größer war.», als in den kleineren Städten und Dörfern, kamen auf 1000 Lebende 2,19, in den letzteren nur 1,83 Todesfälle. Da 1896 2,01 pro Mille der ge jammten Bevölkerung durch Lungentuberkulose verloren gingen, läßt sich gleichwie in den vorausgegangenen fünf Jahren auch im letzten Berichtsjahre eine Besserung in der Mortalität constatiren. *— In den letzten Jahren, seit 1892, haben die Ausgaben des sächsischen Landeslulturrathes infolge der Einrichtung der Controlle des Handels mit Futter- und Düngemitteln usw., der dadurch bedingten Vermehrung der Arbeitskräfte und Vergrößerung der Kanzleiräume nicht anders, ich mußte Dir folgen, meinen Kopf an Deinem Herzen betten. Ich weiß, Herbert, es ist nicht recht. Ein Mädchen soll sein Herz sorglich hüten, eS fragen und prüfen, ehe es dasselbe fortgiebt für immer, aber ich denke, in meinem Falle ist das anders. Denn siehst Du, Herbert, andere Herzen haben so vieles, waS sie lieben dürfen: Da ist die zärtliche Mutter, der Vater, wohl noch gar Geschwister und Gespielen, aber meins hatte niemand, keinen, der zu ihm gehörte. Immer mußte es schweigen, immer entbehren. Da lag es denn ganz still, wie schlafend, in der Brust, erst jetzt unter Deinem Blick ist es aufgewacht und will nun nicht länger schweigen. Gleich, als ich Dich zuerst erblickte, hier im Walde, pochte cs so laut, so seltsam, aber ich verstand cs noch nicht, erst jetzt kenne ich seine Sprache." Sie legte die zarte Hand auf ihr Herz. „Herbert! pocht eS dort drinnen immer, Herbert!" In den Augen des jungen Mannes schimmerten glänzende Tropfen, sie fielen auf das duftende braune Haar, welches seine Lippen berührten. „Gott Helse mir, daß ich Deiner werth bin, Engel!" murmelte er. Aber dann richtete sich der junge Mann auf, Glück und stolze Freude im Antlitz. „Und nun wollen wir uns kennen lernen, mein Lieb, wir wissen wenig von einander. Oder ich eigentlich nichts von Dir! Von meinem Leben, meinem alten Mütterchen daheim in der Mark, meinen Aussichten, Hoffnungen und Wünschen, habe ich meinem Waldmärchcn in den letzten acht Tagen, wo es mir so geduldig saß, genug geplaudert." Er lachte fröhlich aus. „Weißt Du, Dina, daß ich eigentlich von Dir nichts weiter als den Namen kenne? Nicht einmal gewiß weiß, ob Du auch die Oberförsters nichte bist, für welche ich Dich halte?" Sie sah ihn verwundert an. „OberförsterSikichte? Wie kommst Du darauf?" (Fortsetzung folgt.)