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imponirt haben, daß sie ihn später in ihren Diensten behielt. „Fürst Bismarck und Herr v. Tausch" überschreibt die „Rhein.-Westf. Ztg." eine Plauderei, in der folgendes erzählt wird: Vor etwa 10 Jahren war China in Berlin durch einen bezopften Mandarinen vertreten, der seine Schlitzäugelein gern auf die Jungfrauen der Nesi« denz warf und mehr bei diesen als in der hohen Politik Er folge zu erzielen suchte. Dieser treffliche Mensch, aber schlechte Musikant war einmal zu einer bestimmten Stunde nach dem Reichskanzlerpalais bestellt worden, da ihn Fürst Bismarck in einer sehr wichtigen Angelegenheit aus nahmsweise persönlich sprechen wollte. Der Chinese wußte die hohe Ehre zu schätzen und begab sich früh zeitig auf dm Weg. Das sollte sein Unglück werden. Er ging, da es noch zu früh war, um sich zum Reichs kanzler zu begeben, noch gemächlich unter den Linden spazieren, als er plötzlich vor sich ein paar Damenfüß- chen erblickte, wie er sie so klein seit dem Abschied von seiner Heimat nicht gesehen hatte. Zu den Füßchen ge hörte ein junges Mädchen, das nicht minder sein Ent zücken erregte. Er folgte ihr, wie im seligen Haschisch traum, Alles um sich her vergessend, insbesondere den deutschen Reichskanzler, der auf ihn wartete, wartete... Wer nicht kam, war der chinesische Gesandte. Man witterte dahinter politische Jntriguen und Herr v. Tausch wurde beauftragt, ganz diskret über den Zusammenhang Nachforschungen anzustcllen. Das gelang ihm nicht nur, sondern die Geschichte amüsirte ihn so, daß er sie am Biertisch erzählte, von wo sie dann, nachdem der chine sische Gesandte plötzlich abberusen worden war, in die Presse gelangte. Auf Herrn v. Tausch aber fuhr ob seiner Indiskretion ein rechtes Bismarcksches Donner wetter herab und er hatte es nur besonderer Fürsprache zu danken, daß ihn nicht damals bereits das Schicksal ereilte. Aus dieser wie aus ähnlichen Geschichten geht hervor, daß Fürst Bismarck Seitens der politischen Poli zei am allerwenigsten mit sich spaßen ließ. Der deutsche Kaufmann Haeßner, der vor den Thoren von Tanger ermordet worden ist, war Chef des Hauses, das für sich allein drei Vierteljahre deutschen Handels mit Marokko repräsentirt. Dank der Energie der deutschen Gesandtschaft hat das Haus zahlreiche und wichtige Geschäfte mit der marokkanischen Regierung ge macht, so zuletzt noch das Unternehmen der Münzprägung. Mngkand. Die Sorgen Englands sind durch die Haltung Amerikas in der cubanischen Frage nicht unerheblich ver mehrt worden. Man befürchtet, daß Amerika auch einmal bezüglich englischer Hoheitsgebiete eine ähnliche Stellung einnehmen könnte, wie es jetzt bezüglich CubaS geschieht und verhehlt sich nicht die schweren Verwickelungen, die bei solcher Eventualität unvermeidlich wären. Man ver sucht englischerseits deshalb auch alle Maßnahmen Ameri kas gegen Cuba rückgängig zu machen und ist dieserhalb in einen lebhaften Notenwechsel mit Madrid eingetreten. Neben dieser von Amerika ausgehenden Beunruhigung leidet England auch noch fortgesetzt an Beklemmungen wegen der südafrikanischen Republik Transvaal, sowie wegen seiner Zukunft in Egypten. Um aber das Maß voll zu machen, trägt auch Asien das Seine dazu bei, den Engländern das Leben zu verbittern. In Belutschi stan, das die Engländer im Jahre 1887 besetzten, ist eine schon seit einiger Zeit drohende Erhebung nunmehr auSgebrochen. Zweck des Ausstandes ist die Absetzung j des England ergebenen Fürsten und die Vereinigung des Landes mit Afghanistan. Die Lage ist eine sehr ernste. Bei dieser großen Reihe von Verdrießlichkeiten darf man es den Engländern beinahe nicht übel nehmen, wenn sie jede Gelegenheit bei den Haaren herbeiziehen, um gegen Deutschland eine Bosheit zu verüben. Merkwürdiger Weise muß dazu auch der Vorfall in Lourenzo Marquez hcrhalten. Wie erinnerlich wurde in dieser Hauptstadt der südostafrikanischen Colonie Portugals ein Sturm auf das deutsche Consulat verübt; wegen dieser Ausschreitung hat Portugal die deutsche Regierung bekanntlich sofort um Entschuldigung gebeten. Londoner Blätter verdäch tigen infolge davon die deutsche Asrikapolitik, für die sie Englands Wachsamkeit fordern, da Deutschland die Feind schaft der Boern gegen England zu nähren suche, um sich in den Besitz der Delagoa-Bai zu bringen. Dagegen ist es allgemein bekannt, daß gerade England mit Portugal wegen Abtretung der Küste unterhandelt und Deutsch land diesen Bemühungen bisher nichts in den Weg ge legt hat. Spanien. Die spanische Regierung hegt die Zuversicht, daß eine osficielle Unabhängigkeitserklärung bezüglich CubaS Seitens Amerikas nicht erfolgen werde. General Weyler hat erneute Weisungen erhalten, den Krieg gegen die Aufständischen mit aller Energie sortzusetzcn. Türker. Nun ist der russische Botschafter in Konstanti nopel, von dessen Audienz beim Sultan so hochbedeut same politische Entscheidungen erwartet worden waren, im Mdiz-Kiosk empfangen worden, ob aber davurch die Situation auch nur um Fingers Breite verrückt worden ist, erscheint recht unwahrscheinlich; im Gegentheil werden diejenigen wohl Recht behalten, die von vornherein sag ten, mit dem alten Schlendrian in der Türkei wird vor läufig noch nicht gebrochen, es müßten denn sehr bald noch ganz andere Unzuträglichkeiten und Calamitäten eintreten, als solche gegenwärtig bestehen. Der Grund dieses Zauderns liegt natürlich einzig und allein indxn Umstande, daß Rußland alles thut und seine ganze Auto rität dafür einsetzt, daß die Türkei in ihrem ungeschmä lerten Bestände erhalten bleibt, bis — nun bis einmal die Gelegenheit gekommen ist, wo Rußland den fetten Bissen trotz Oesterreich und England ganz für sich allein einheimsen kann. Der dertius ALuäsiis bei diesem Geduldsspiel der Mächte ist Sultan Abdul Hamid I!., der auf diese Weise Zeit und Gelegenheit gewinnt, sich und sein Volk durch seine Regierung weiter zu beglücken. Denn bestände unter den europäischen Mächten rückhalts loses Einvernehmen, wer weiß, wo der Gebieter aller Gläubigen dann schon wäre, in dem Kasernen umgürte ten Palast zu Stambul wohl ganz gewiß nicht mehr. Nach der Audienz beim Sultan versammelte der russische Botschafter die Vertreter der übrigen Mächte zu einer Conferenz in feinem Palais. Trotzdem über die dort geführten Verhandlungen und getroffenen Abmachungen Geheimhaltung vereinbart wurde, verlautet doch soviel, daß man zu irgendwelchen ernstlichen Schritten gegen die Türkei auch dann nicht geneigt sei, falls sich die Türkei den ihr empfohlenen Reformen widersetzen sollte. Aus dem MrUdenttzale ^Waldenburg, 22. December. Beim Herannahen des Jahreswechsels ist wiederum darauf aufmerksam zu machen, wie eS sich dringend empfiehlt, den Einkauf der Freimarken für Neujahrsbriefe nicht bis zum 31. Dec. zu verschieben, sondern schon früher zu bewirken, damit der Schalterverkehr an dem genannten Tage sich ord nungsgemäß abwickeln kann. Ebenso liegt cS im eigenen Interesse des Publikums, daß die NeujahrSbricfe früh zeitig zur Auflieferung gelangen, und daß nicht nur auf den Briefen nach Großstädten, sondern auch auf Briesen nach Mittelstädten die Wohnung des Empfängers ange geben werde. * — Gestern am 2l. d. mit dem früh 3 Uhr statt gehabten Eintritt der Sonne in das Zeichen des Stein bocks hat der Winter seine Herrschaft angetreten. Zu gleich ist der kürzeste Tag und die längste Nacht. Von nun an nehmen die Tage, wenn auch langsam, wieder zu. * — Wegen des 2. Weihnachtsfeiertages findet der nächste Wochenmarkt am Weihnachtsheiligenabcnd, den 24. d., statt. Der sogenannte „gute Dienstag" wird nächsten Dienstag, den 29. d., abgehalten. * — Von Neujahr ab ist das Detailrcisen nur für Wein, Nähmaschinen, Leinen und Wäsche erlaubt, für alles Ucbrige verboten. *— Die Feuerspritzen nachsehen! Es empfiehlt sich in jeder Gemeinde, sich zu versichern, ob nicht Wasser in den Spritzencylindern und Ventilen sich gesammelt hat. In vielen Fällen wird man sich überzeugen müssen, daß eine mehr oder weniger mächtige Eisschicht in den Ma schinen deren sofortige Inbetriebsetzung zur Unmöglichkeit macht. Austhauen mittelst Petroleum oder Spiritus, Austrscknen des Wassers mittelst Schwamm, Reinigung der die Bewegung versagenden Theile und Einfettung derselben mit flüssigem Glycerin ist das einzige Mittel, vor Schaden bewahrt zu bleiben. — Der Sparverein zu Zwickau hat dies Jahr 165,000 Mk. Spargelder aufgebracht, die jetzt unter die Mitglieder wieder vertheilt werden. Ein zweiter Spar verein hat 150,000 Mk. Spargelder ausgebracht. — Rath und Stadtverordnete in Zwickau haben be- schloffen, Ostern 1897 eine lateinlose Realschule zu be gründen. Dieselbe wird mit der Sexta beginnen, auf welche sich von Jahr zu Jahr die folgenden Klassen auf- bauen sollen. In der Voraussetzung, daß hierzu mini sterielle Genehmigung ertheilt wird und die nöthige Schülerzahl vorhanden ist, wird dann künftig in Zwickau eine Realschule neben dem Realgymnasium bestehen. — Der 57 Jahre alte Zimmerling August Haustein aus Oberplanitz verunglückte auf einem Reiusdorfer Steinkohlenwerke bei Zwickau dadurch schwer, daß er eine Bremse aufgestemmt ließ und bei offener Bremse den vollen Hunt in die abfallende Bahn einwieS. Seinen Fehler einsehend, wollte er nun schnell nach dem in den einige Minuten entfernten Fabrikställen eingestellt. Bei dem Klappen der Hausthür richtete sich Mar garethe wieder empor, starr und blaß wie ein Marmor bild und ebenso gefühl- und gedankenlos. Selbst der Schmerz war in ihrer völligen seelischen Vernichtung erstorben. Flüchtigen Schrittes ging sie hinaus und die Stadt zur Linken, die Fabrik zur Rechten lastend, verlor sie sich in dem scheinbar grenzenlosen Dunkel der Nacht. Nur einen Augenblick dachte Will daran, sie zu ver folgen, als er ihre Flucht entdeckte. Dann schickte er den Kutscher wieder fort, zündete sich eine Cigarette an und sagte: „Sie wird nach der Stadt gegangen sein; es ist bester, wenn man mich nicht mit ihr zusammen sieht. Die Pest über diese verrückten Weiber!" Und er streckte sich auf die Sophakisten, die noch die Spuren der Thränen Margarethes zeigten, und überlegte, ob und wie viel ihm dieses verwünschte Abenteuer bei Bertie und dem Baron schaden könne. XV. Das Glas mit der Limonade in der noch vor Schreck zitternden Hand, hatte Hella an die verschlossene Thür des Schlafzimmers geklopft und, als keine Antwort erfolgte, horchend das Ohr an das Schlüsselloch gelegt. Nichts regte sich. Gott sei Dank, sie hat sich zu Bett gelegt! dachte sie und ging nach ihrem Zimmer. Aber es litt sie doch nicht lange. Sie kehrte nach dem Wohn zimmer zurück. Dort lehnte der Baron in halb liegender Stellung auf einem Puff vor der nach Margarethes Boudoir führenden Thür. Mit einem unheimlich starren Aus druck blickten die rothumränderten Augen aus dem todt- bleichen Gesicht hervor, der starke, in jeder Lebenslage seiner mächtige Mann ein Bild namenloser Gebrochenheit. „Wolfgang, lieber Wolfgang, wo ist Margarethe? . . . was ist geschehen? kann ich nichts für Euch thun?" (Fortsetzung folgt.) Feuilleton. Auf irrem Pfade. Roman von Hans Dornseis. (Fortsetzung.) „Kein Unglück, Hoffeich! Wie kommst Du in diesem Wetter hierher? Wo ist Dein Wagen?" Ich komme zu Fuß, allein! Du wirst mich verstehen, Will — ich ertrug es nicht länger, dieses schmachvolle Sklavendasein ohne Liebe! und Achtung. Ich brach die Kette und flüchtete zu Dir — Du mein Bruder, mein Hort, mein Alles! Rette mich vor dem entsetzlichen Manne, laß mich an Deinem treuen Herzen wieder ge nesen . . .Will, beider Vergangenheit, die uns gemein sam war, bei der Liebe, die uns einst verband" — der Schluchzenden versagte die Stimme, schwankend richtete sie sich empor und streckte ihm flehend die Hände entgegen. Aber Will ergriff sie nicht. Er wich sogar einen Schritt zurück und starrte sie erschrocken an. „Margarethe, bist Du von Sinnen?" „Vielleicht" — und sie griff wieder nach dem Kopfe, in welchem es immer wilder hämmerte und glühte —, „aber ich that doch das Rechte. Ich konnte ihm nicht länger angehören. Ich floh — und das Herz und das Schicksal treiben mich zu Dir." Zum zweiten Male wich Will Jensen den ihm ent gegen strebenden Armen aus, er schob sogar einen Stuhl vor sich. Seine dunklen Angen erhielten einen bösen, kalten Glanz, das ganze schöne Gesicht verzerrte sich in Wuth und Angst. „Also davongelaufen, einfach durchgebrannt! Das ist ja der Helle Wahnwitz. Er knirschte mit den Zähnen. „Es ist unglaublich! — Aber Dir ging es zu gut! Wolfgang hätte Deine überspannten Romanidccn mit eiserner Faust niederdrücken sollen, anstatt Dich zu ver hätscheln. Ich wollte es ihm längst rathen. Thor, daß ich eS nicht gethan — aber wie kann man auch vermuthen, daß ein vernunftbegabtes Wesen sein Glück derartig mit Füßen treten könne? Weißt Du denn, was Du gethan hast? Du hastjDich selbst Deiner Ehre, Deiner gesellschaftlichen Stellung, Deines Reichthums beraubt, Du hast den Baron blamirt, daß er Dir nie mehr verzeihen kann. Und dazu willst Du noch mich in diese fatale Geschichte verwickeln? Ich danke dafür, auch noch meine Zukunft durch Deine Narrheiten ver nichten zu lasten! Was fällt Dir eigentlich ein, mich gewissermaßen durch diesen verrückten nächtlichen Uebcr- fall zu Deinem Mitschuldigen zu stempeln? Meinst Du, ich hätte Lust, mich von Deinem Mann fortjagen zu lasten oder mich mit ihm zu schießen, zum Gelächter der ganzen Provinz zu dienen, Frau von Rohr —" Er brach in ein grelles Wuthgelächtcr auS und schlug fluchend mit der Faust auf den Tisch. Um jedes dieser herzlosen, brutalen Worte, die so scharf gegen Will Jensens sonstige fein abgeschliffene Rede weise abstachen, bohrte sich wie ein glühender Stachel in Margarethens Herz. Eine ungeheure Nacht gähnte vor ihr auf, und grinsend, fratzenhaft in niedriger Selbst sucht und Wuth verzerrt, starrte ihr Ideal, von dem die trügende edle Maske abgefallen, ihr darauf entgegen. Wimmernd brach sie zusammen. „Ich bitte, erspare Dir und mir jede weitere Scene," fuhr Will in heftigem Tone, dem er vergeblich einen freundlichen Klang beizumischen suchte, fort. „Hier kannst Du natürlich nicht bleiben und in der Stadt eben so wenig. Auf die Gefahr hin, Hals und Beine zu brechen oder in einer Pfütze zu ertrinken, werde ich Dich selbst nach Liebenau zurückfahren — ja, das ist das Beste. Um des Geklatsches willen übersieht der Baron vielleicht Deinen verrückten Streich, und Du kannst ihm und Gott auf den Kniecn dafür danken. Mach Dich bereit, in zehn Minuten stehe ich mit dem Wagen vor der Thür." Mit zornigem Gemurmel, aus dem etwas wie „Teufel holen" hervorklang, ging er heraus. Sein Gefährt war