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schlissiger Reichseinnahmen zur Schulventilgung den zu ständigen Ausschüssen überwiesen. Der Bundesrath hat die Etatsberathungen zu Ende geführt. Die Forderungen für die Erhöhungen der Be amten- und Offiziecsbesoldungen, für die bekanntlich Pauschalsummen eingesetzt waren, sind der „Post" zu folge aus dem Etat gestrichen worden. Sie dürften nach weiterer Berathung im Bundesrathe später dem Reichs tage in Form eines Nachtragsetats zugehen. Die Interpellationen des Centrums und der Freisin nigen bezüglich Hamburger Enthüllungen und Duell wesen sowie Fall Brüsewitz werden erst am Montag zur Berathung kommen; und zwar wird die Centrumsinter pellation über die Enthüllungen an erster Stelle be sprochen werden. Die Centrumsinterpellation will Graf Hompesch begründen. Die Blätter fahren mit Mittheilungen über das an geblich im Falle Brüsewitz gefällte Urtheil fort. Dem gegenüber ist festzustellen, daß sämmtliche bezügliche An gaben auf Erfindung beruhen. Das Urtheil ist noch nicht bestätigt. Se. Durchlaucht Prinz Sizzo von Leutenberg, dem, wie ein in der „Gesetzsammlung für das Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt" veröffentlichter Erlaß Sr. Durch laucht des regierenden Fürsten Günther verfügt, unter Zustimmung der Agnaten der Sondershausener Linie Titel und Rang eines Prinzen von Schwarzburg ver liehen wurde, ist nicht, wie wir im politischen Theil unserer gestrigen Nummer fälschlich berichteten, der Sohn Sr.Durchlaucht des Fürsten Günther, sondern dessen Vetter. Frankreich. Das Cabinet Meline hat bei den jüngsten Kammer- beschlüfsen eine Erschütterung erfahren, die freilich noch nicht gleichbedeutend mit dem Sturze des Cabinets ist, immerhin aber ein Menedekel enthielt. Belgien. Obgleich die neue Militärvorlage die allgemeine Dienstpflicht garnicht im vollen Umfange forderte und hauptsächlich nur den Zweck verfolgte, durch Aussetzung eines höheren Soldes nicht gerade ausschließlich das schlimmste Gesindel für den Militärdienst zu gewinnen, so hat selbst dieses Gesetz nicht den Beifall der klerikalen Rechten finden können, wodurch heillose Verwirrung in den leitenden Kreisen entstanden ist. Nachdem wegen des ablehnenden Votums der Kammer der bisherige Kriegsminister sein Portefeuille zur Verfügung gestellt, findet sich kein General bereit, den vakanten Posten zu übernehmen. Unter diesen Umständen hat König Leopold einstweilen das Entlassungsgesuch des Kriegsministers noch nicht genehmigt. Die politische Lage ist dadurch aber so verwickelt geworden, daß der Rücktritt des ge- sammten Ministeriums sehr wahrscheinlich ist. Die De- putirtenkammer hat sich anläßlich der unsicheren Lage aus 8 Tage vertagt. Italien. Der päpstliche Unterhändler bei Menelik Herr Ma- earius beobachtet der Oeffentlichkeit gegenüber betreffs seiner Mission wie der Lage in Eritraea vollstes Still schweigen. Soviel man trotzdem erlauscht haben will, beruhen die Differenzen zwischen dem Negus und Italien auf der Regulirung der Abgrenzung der beiderseitigen Interessengebiete. Italien ist wohl bereit, eine Entschä digung für die Auslieferung der Gefangenen in Geld zu leisten, nicht aber wohl erworbenes Gebiet abzutreten. Die Lage ist daher als eine günstige leider noch keines wegs zu bezeichnen. Aus dem Umstande, daß die Dampserflotte einer Privatgesellschaft in Genua inspicirt wurde, um die erforderlichen Maßregeln zum Zweck der sofortigen Umwandelung der Schiffe für Truppenbeför derung festzustellen, schließt man wohl nicht mit Unrecht, daß die Regierung mit der Nothwendigkeit eines neuen afrikanischen Krieges rechnet.. Türkei. Die Mächte, Frankreich an der Spitze, lassen sich gegenwärtig die Regelung der finanziellen Miß- wirthschart in der Türkei ernstlich angelegen sein. Der französische Botschafter in Konstantinopel hatte be züglich eines diese Frage betreffenden Reorganisations planes eine längere Audienz beim Sultan, die aber re sultatlos verlaufen ist, da sich der Sultan nicht dazu verstehen mochte, die allerdings etwas weitgehende Be vormundung, welche ihm Herr Cambon in Aussicht stellte, anzuerkennen. Die neue Anleihe, welche der Türkei angeboten wird, falls sie das Project der Mächte annimmt, beläuft sich auf 15 Millionen Pfund. -Die NieLermetzelung von 100 Armeniern bei Cä- sarea in der asiatischen Türkei wird bestätigt; trotzdem werden die Armenier in Konstantinopel dahin verständigt, daß ihre Sicherheit keineswegs gefährdet sei und daß sie mit dem vollsten Vertrauen zur Regierung ihren Ge schäften nachgehen sollten. Aus dem MulSeuttzale *Wa1denburg, 12. November. Denjenigen unserer geehrten Leser, die sich für Musik und insbesondere für Kammermusik interessiren, möchten wir schon jetzt mit- theilen, daß Dienstag, den 24. d. M. abends im Saale des Theaterlokals zu Glauchau ein Concert der Herren Concertmeister A. Hilf (Geige), Kammermusikus I. Klengel (Cello), beide aus Leipzig und ganz hervor ragende Künstler, und Musikdirector R. Vollhardt aus Zwickau (Pianoforte), ebenfalls hervorragend auf seinem Instrument, stattfinden wird. Zum Vortrag werden ge langen: 1. Sonate für Pianoforte und Violine von R. Rubinstein Ii-woII; 2. Sonate für Pianoforte und Cello von F. Mendelssohn ll-äur; 3. Trio L äur von von F. Schubert. *— Die vom königlichen Ministerium des Innern unter dem 10. October d. I. erlassene Verordnung zur Ausführung des Gesetzes vom 28. März 1896, die Wahlen für die Zweite Kammer der Ständeversammlung betreffend, ist, wie das „Journal" nnttheilt, am Sonn abend zur Ausgabe gelangt. Gleichzeitig wird den be- theiligten Behörden durch das königliche Ministerium des Innern Mittheilung von der durch die letzte Volkszäh lung festgestellten Seelenzahl der einzelnen Orte zugehen. Diese Bekanntgabe der Bevölkerungsziffern bezeichnet nach Z 6 der gedachten Ausführungsverordnung den Zeit punkt, von welchem an durch die nach H 7 des neuen Wahlgesetzes zuständigen Behörden zur Abgrenzung der Wahlbezirke in Gemäßheit von Z 3 des Gesetzes, d. h. also in Orten von weniger als 3499 Seelen, zu ver- schreiten ist. Diese Abgrenzung der Wahlbezirke hat nunmehr in allen Wahlreisen des Landes zu erfolgen, auch in denjenigen, die voraussichtlich im nächsten Jahre noch nicht zur Wahl eines Abgeordneten zu verschreiten haben werden. Nachdem die von der obersten Regie rungsbehörde hinsichtlich der Ausführung des Wahlge setzes noch zu ertheilenden Directiven nunmehr vorliegen, ist für die sächsischen Behörden, denen die umfangreiche Aufgabe zufällt, die Bestimmungen des neuen Wahlge setzes in die Praxis überzuleiten und in richtiger Weise zu handhaben, eine weitere Veranlassung gegeben, sich ein möglichst genaues Bild der von ihnen bei Ausfüh rung des Wahlgesetzes zu entfaltenden Thätigkeit zu machen. *— In einem Vortrage der diesjährigen Hauptver sammlung des Sächsischen Landesverbandes der Gesell schaft für Verbreitung von Volksbildung in Plauen am 27. und 28. Juni wies Herr Professor Or. Ratzel- Leipzig auf das Mißverhältniß hin, welches zwischen den öffentlichen Leistungen für Schulen und andere Bildungs mittel und dem wirklichen Stand der Bildung in Deutschland bestehe. In dieser Beziehung falle dec Ver gleich des deutschen Volkes mit anderen Völkern, beson ders Engländern und Amerikanern, nicht zu Gunsten des ersteren aus. Auch auf dem Gebiete der Bildungsbe strebungen fehlte es ost allzusehr an Initiative und Aus dauer. Das Wirthshaussitzen und die sog. feinere Ge selligkeit hielten allzu Viele vom Lesen ab. Der geringe Absatz der Bücher und besseren Zeitschriften, der tiefe Stand der Volksbibliotheken, die schwache Opferwilligkeit für Bildungszwecke deuteten alle in dieser Richtung. Gerade in den höheren Schichten, besonders der Geburts- und Geldaristokratie, sei bei uns ost erstaunlich wenig geistige Empfänglichkeit und Theilnahme. *— Die sogenannte Bornaische Pserdekrankheit hat auch in hiesiger Gegend mehrfache Opfer gefordert. Merkwürdig ist, daß sie sich nur in den Ortschaften auf dem linken Muldenufer ausgebceitet hat; auf dieser Seite sind gegen 30 Fälle festgestellt ivorden. Auf dem jen seitigen Ufer ist nur ein Fall, und zwar in Oberwinkel, bekannt geworden. Jetzt ist die Krankheit, wie uns ver sichert wird, vollständig erloschen. *— In der Nacht zum 2. d. sind auf der fiscalischen Waldrnburg-St. Egidien-Lößnitzer Straße in den Fluren St. Egidien und Lichtenstein 1 Kastanienbaum und 10 Kirschbäume abgebrochen worden. Die kgl. Amtshaupt mannschaft Glauchau sichert Demjenigen, welcher den Ur heber dieses Baumfrevels dergestalt zur Anzeige bringt, daß derselbe bestraft werden kann, eine Belohnung von 20 Mk zu. *— Der Frau Erdmuthe »erw. Weise im benachbarten Reichenbach wurde noch nachträglich die Altersrente zu gesprochen. Gleichzeitig erhielt sie die freudige Mit theilung, daß ihr vom Jahre 1890 ab die Rentenbezüge in der Höhe von 614 Mk. nachgezahlt werden sollen. — Die städtische Gasanstalt in Glauchau erbrachte für das Rechnungsjahr 1895/96 einen Gesammtgewinn von Mk. 97,767. Das bedeutet ein Mehr gegen das Vorjahr von Mk. 4000. Feuilleton. Auf irrem Pfade. Roman von Hans Dornfels. (Fortsetzung.) „Liebe Hella . . ." Wolfgang runzelte die Stirn. „O, ich weiß schon", schmollte sie mit einer unmuthi- gen Bewegung der schön geformten Schultern, „darüber erträgst Du eben kein noch so warmes Wort. Du selbst hast aus Margarethe die Noli we tansssrs gemacht ... O ihr Männer! Da liest und hört man bei allen Gelegenheiten von den räthselhaften Tiefen des Frauen herzens — als ob in Euch nicht die gleichen und viel leicht noch dunklere Räthsel schlummerten!" Fast mit einem Anfluge von Mißtrauen sah Wolfgang zu ihr hinüber. Allein als er ihrem offenen, treuherzigen Blick begenete, begann er, dadurch ermuthigt, zögernd: „Es liegt noch etwas zwischen Margarethe und mir, was Du nicht vermuthen konntest. Du weißt, ich war ein wilder, toller Bursche, als ich mich damals, wie aus einem lebenslänglichen Gesängniß befreit, in das Getüm mel der Welt warf . . ." „Unser Bär," schaltete das Mädchen mit einem schalk haften Lächeln ein. „Sage: ein thörichter, leichtsinniger Knabe, der im fiebernden Begehren nach Allem, was ihn reizte, die Hände ausstreckte und, da sie leider mit Gold gefüllt waren — doch genug, damals lud ich eine schwere Schuld auf mich. Trotzdem sie in den Augen der Welt ge wöhnlich nicht allzu viel bedeutet, von Manchen wohl gar nur als ein interessantes Relief eines Lebemannes angesehen wird, trieb mich mein erwachtes Gewissen doch Jahre lang rastlos in der Welt umher, machte es mich zu jenem finsteren Sonderling, dem sich kein mensch liches Herz theilnehmend zu nähern wagte. Als ich um Margarethe warb, gestand ich ihr — nicht was auf mir lastete, wohl aber, wie entsetzlich schwer ich an dieser Last trug. Sie ließ mich auf Mitleid und An theil hoffen und mir war, als könne ich dadurch entsühnt werden . . , eine Täuschung wie alles Andere! Ich scheute mich, zu beginnen; Margarethe wich jeder An spielung ängstlich auS und hat nie danach geforscht. Nun aber däucht mir, sie habe von anderer Seite darüber erfahren, und dann wohl kaum die ungeschminkte Wahr heit ... ein heimliches Grauen leuchtet mir aus ihren Augen entgegen." Ein wenig blaß werdend fragte Hella betreten: „So schlimm war es . . . kannst Du es mir nicht anvertrauen?" „Nein, Kind! Nur meine Gattin darf die Erste sein, welcher ich beichte. Doch sie verlangt nicht danach, trotz dem sie wissen muß, wie sehr es mein Herz drängt, sich ihr zu offenbaren. Und schlimm, wie Du sagst? . . . das ist ein viel bedeutendes Wort. In den Kreisen, in denen ich damals verkehrte und die man die „große Welt," das lits nennt, gilt mein Handeln für etwas Selbstverständliches. Es hätte mir sogar eine Art Nim bus verliehen. Meine Ehre als Offizier und Gentleman blieb völlig unberührt; ja gerade diese äußerliche Ehre zwang mich, noch weiter zu gehen, als ich bereits den Abgrund vor mir sah. Leider läßt sich mit diesen aner zogenen Begriffen ein schuldbewußtes Gewissen nicht zum Schweigen bringen. MeinBlut ist zu schwerfällig dazu! So wurde ich ein einsamer, unglücklicher Mann und büße nun doppelt, denn ich habe das Wesen, das ich am meisten liebe in der Welt, weit, weit mehr als mich selbst in mein Elend mit hineingeriffen/' Er schwieg und zog mechanisch den Schlüsselbund her vor, um die Posttasche zu öffnen. Hella betrachtete ihn voll aufrichtigen Mitleides. Ihre frühere Abneigung war längst in das Gegentheil über gegangen. Auch sie hatte sich heftig gegen seine Vor mundschaft und die Uebersiedelung nach Liebenau ge sträubt, die ruhige Energie aber, mit welcher er seinen Willen durchsetzte, hatte ihrem kindlichen Trotzkopf schließ lich gewaltig imponirt, seine Großmuth, die ihr ein nicht unbedeutendes eigenes Vermögen sicherte — er zerriß die Schuldscheine Scherings —, sie gerührt. Unbefangener und praktischer veranlagt, als Margarethe, entdeckte sie bald den edlen Kern unter der wenn auch jetzt nicht mehr so schroffen, so doch noch immer wenig anmuthenden Außenseite, diese bis zu den kleinsten Dingen hinab sich erstreckende Fürsorge für seine Umgebung, diese prunklose, bescheidene Ritterlichkeit, die stets opferwillige Güte, die nie einen Dank zu begehren, die gradsinnige Ehrenhaftigkeit, die jeden Zweifel an ihm ausschließen mußte, das hochgespannte Pflichtgefühl . . . Alles in Allem: ein wahrer Mann, ein Charakter, das erkannte sie, wenn auch dem unerfahrenen Mädchengemüth noch manche Falte seines eigenthümlichen Wesens be deckt blieb. Anfangs sehr schüchtern — sie fürchtete noch immer den Bären —, versuchte sie ihm näher zu treten und er kam ihr mit so aufrichtiger Herzlichkeit und Freude ent gegen, daß sie ihn in kurzer Zeit wie einen älteren Bruder lieben lernte. Er schenkte ihr ein Pferd, ec- theilte ihr selbst Fahr- und Reitunterricht und nahm sie oft halbe Tage lang mit hinaus ins Feld. Er gab ihrem sehr regen Thätigkeits trieb Nahrung, indem er ihr die Oberaufsicht über verschiedene in das Frauengebiet fallende Wirthschaftszweige übertrug. Das machte sie glücklich und stolz zugleich. So wurde sie die eigentliche Haus frau von Liebenau und Wolfgangs guter Kamerad und Vertraute,- der einzige Mensch, dem der sonst so verschlossene Mann bisweilen sein Fühlen und Denken offenbarte. Ihre etwas burschikose Heiterkeit allein vermochte ein Lächeln auf sein ernstes Gesicht zu zaubern . . . und dies Lächeln, das ihr immer wie ein Sonnenblick in einer trüben Herbstlandschaft erschien, war die reinste, größte Freude des warmherzigen Mädchens. Ihr Leben Hütte sie für Wolfgang dahingegeben, weil sie fühlte, wie gern er das seine opferte. (Fortsetzung folgt.)