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Erscheint täglich mit K»«nahme »-r Legi riech Gönn- und Fefitagen. Annahme von Inseraten sür die nächster- scheinende Anmmer bis mittag« 12 Uhr. Ler Adonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 M?. 28 Pf. Einzelne Nrn. ö Pf. Inserate pro Z-ile 10 Pf., Eingef. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Obergass« 291 K. und Waldenburger Lnreiger. Filialen: in Mstadtwaldendurg der Herr - Kaufmann Otto Förster; in Kausun^» bei Herrn Fr. Janaschek; in Langenchurs dorf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Frau Kaufmann Max Härtig, Leipzigerstr 163; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Wolkenburg bei Herrn Ernst Rösche; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. Amtsblatt für den SLadtrath Zn Maldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Cnllnberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Donnerstag, Sen 8 October 1896 Wttterungsbericht, ausgenommen am 7. October, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 763 NW. rcducirt aus den Meeresspiegel. Thermometerstand -s- 17,!° 6. Morgens 8 Uhr 4 12 '.) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 54"/n. Thaupunkt -f- 6,. Grad. Windrichtung: Südwest. Daher Wittenlugsansstchteu für den 8. October: Halbheiter. "Waldenburg, 7. October 1896. Nun ist der Zar heil und wohlbehalten in seiner guten Stadt Paris angelangt und hat in der dortigen russischen Botschaft Wohnung genommen. Der Jubel der Bevölkerung kennt keine Grenzen. Man denkt gar- nicht daran, sich zu fragen, weshalb man denn eigentlich so toll vor Freude ist, die große Menge steht der Frage fern: Was bringt der Zar der französischen Republik? Man ruft das alte „Bive l'Empereur!" und kann sich in begeisterten Kundgebungen nicht genugthun. Dieser Tage schwang ein Pariser Wachtmeister auf einer Brücke mit wilder Gebärde seinen Säbel und stürzte sich dann mit dem Rufe: „ich sterbe sür den Zaren" in die Seine. Der arme Mann war geistesgestört und versinnbildlichte vortrefflich das zarentoll gewordene Frankreich, das in den goldenen Strom seiner Milliarden springt, einem Phantom zu Liebe. Es wäre keineswegs verwunderlich, wenn noch andere Unglückliche dem Beispiele des Schutz mannes folgten, derart erhitzt sind alle Köpfe. In den Irrenhäusern wimmelt es bereits von Leuten, die sich für den Zaren halten. Daß die Pariser Presse dem Zaren glühende Will- kommensartikel widmet, ist selbstverständlich. Die Sprache der meisten dieser Artikel beweist jedoch, daß auch in den Zeitungsredactionen bereits Siedehitze eingetreten ist; man sucht sich gegenwärtig durch die verwegensten Bil der und die unsinnigsten Metaphern in der Verherrlichung des Zarenpaares und der Darstellung der Gefühle Frank reichs für dasselbe zu überbieten. Mit Ausnahme der ruhigen und sachlichen Darlegung des amtlichen „Temps" besitzen die übrigen Zeitungsergüsse daher eigentlich nur ein pathologisches Interesse. Der „Figaro" dankte den russischen Gästen sür deren Besuch, weil er den Fran zosen Gelegenheit gebe, die Jntensivität des geistigen Lebens der französischen Nation zu ermessen. Sie ver söhnen uns mit uns selbst, indem sie uns zeigen, wie fest unser Glaube an die Zukunft des Vaterlandes in unsrer Seele wurzelt. Der „Soleil" nennt den Besuch des Kaiserpaares die Belohnung für die 25jährige Ar beit, durch welche Frankreich seine militärische Macht re- organisirt habe. „La Paix" sagt, Kaiser Nikolaus sei das lebendige Symbol der Alliance, welche aus Frank reich und Rußland einen souverainen Schiedsrichter des europäischen Friedens gemacht hat. „LÄutoritH" end lich ersaßt die Gelegenheit beim Schopfe und erklärt, der Besuch des Zaren erinnere Frankreich an seine Vergan genheit und bereite seine Zukunft vor. Die im Elysße für ven Kaiser errichtete Estrade sei eine Estrade des französischen Thrones, die Frage sei nur, ob Napoleon oder Philipp ihn besteigen werde. Besäße Frankreich heute einen ener gischen General, es brauchte kein Napoleon zu sein, ein Boulanger genügte, es würde ihm ein Leichtes sein, die Republik zum Königthum zurückzuführen. Privatmeldungen bringen noch eine Reihe andrer Preßstimmen, die kurz erwähnt zu werden verdienen. „Goulois" sagt: Inmitten unsres jubelnden Empfan ges mag wie Sterbeglockenfall der Name „Elsaß-Loth- ringen" leise ertönen, ein unwillkürlicher Widerhall un vergeßlicher Trauer. Trotzdem werden wir unsrem Gaste nicht als klagebedürftige Besiegte entgegentreten noch durch Kriegsruse und Vergeltungsgeschrei Frankreich ent ehren und Paris erniedrigen. Schmach dem, der ohne auf unsre Krieger und Waffen zu rechnen, unsre Thränen nn der fremden Fahne trocknen möchte und unsre Ver ehrung in flehentliche Bitten verwandelt. (?!) Schmach aber auch dem, der aus unsren Liebcshymncn eine Friedenshymne machen möchte. Nein, Majestät, so schließt „Gaulois" wörtlich, glauben Sie weder den Tollköpfen noch den Feiglingen. Für diese schlichten Herzen, die man die große Menge nennt, sind Sie, edler Zar, weder der Friede noch der Krieg; Sie sind dieses Seelenbe- >ürfniß, die Freundschaft. (!!) Die socialistischen Blätter chweigen zu den Zarensesten still und erklären, daß sie, solange der Zar Frankreichs Gast ist, an dieser Beobach tung festhalten werden. Politische Rundschau. Deutsches AeiA. Der Kaiser hörte am Dienstag in Hubertusstock den Vortag des Chefs des Militärkabinets. Die Kaiserin ist am Dienstag in Hubertusstock eingetroffen. Das Kaiseipaar wird dem Vernehmen nach am 21. October zum Besuch der Kaiserin Friedrich in Kronberg eintreffen. Der Kaiser verlieh dem Kardinal-Erzbischof von Capua Alphonse Capecelatro zu Neapel den Rothen Adlerorden erster Klasse in Brillanten, dem portugiesischen Gene ralgouverneur von Mozambique, Major Mousinho de Albuquerque, den Rothen Adlerorden zweiter Klaffe, dem Premierlieutenant a. D. und Compagnieführer in der Schutztruppe für Ostafrika Leue die Schwerter zum Kronenorden 4. Klaffe. Die „N. A. Ztg." stellt fest, das der Reichskanzler bereits durch Erlaß vom 1. October Or. Schröder- Poggelow von der Mitgliedschaft zum Kolonialrath ent bunden hat, nachdem er die Directorstelle in der deutschen Kolonialgesellschaft niedergelegt hatte. In Hubertusburg findet am Mittwoch ein Kronrath statt, an dem sämmtliche preußische Staatsminister theil nehmen werden. Dem Vernehmen der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge handelt es sich um die Feststellung der Arbeiten für die bevorstehende parlamentarische Session. Der ersten Staatsministerialsitzung ist bereits eine zweite unter dem Vorsitz des Fürsten Hohenlohe gefolgt. In den Sitzungen ist, wie verlautet, die Convertirungs- frage, sowie der Termin für die Zusammenberufung des preußischen Landtages zur Besprechung gelangt. Die Erwägungen werden in dem Kronrath zu Hubertusstock ihre Erledigung erfahren. Seit mehreren Tagen wurde die Nachricht verbreitet, der Zar beabsichtige, auf dem Rückwege von Darmstadt nach Petersburg einen dreitägigen Besuch bei dem deutschen Kaiserpaare in Potsdam zu machen. Wie nunmehr osfiziös bekannt gegeben wird, ist von einer derartigen Absicht des Zaren in den Berliner unterrichteten Kreisen nichts bekannt. Die Triplealliance Rußland, England, Frank reich ist nach einer Meldung der „Deutschen Warte" fest stehende Thatsache geworden. Sie umfaßt die folgenden Punkte, deren Ausführung der neue Dreibund rücksichts los in Angriff nehmen wird: Die Bildung einer christ lichen Zone, in der die Armenier Ruhe und Sicherheit finden können und die geographisch so gelegt werden soll, daß die Mächte die Aufrechterhaltung der Ordnung in derselben kontrolliren können. Diese Zone soll nach Vor gang der Balkanstaaten zu der Creirung eines armenischen Staates führen. Für die Sicherheit dieser Zone wird England, Frankreich und Rußland, und wenn thunlich, auch Italien als Beihelfer die nöthigen activen Schritte thun. Sollte der Sultan sich weigern, die Forderung der Mächte, nämlich Organisation einer gemischten Gen darmerie, Aufstellung eines verantwortlichen Ministeriums aus fähigen Männern, nicht aus Palastfavoriten, und die Einführung wirksamer Reformen anzunehmen, so oll entweder eine finanzielle Blockade der Türkei durch alle Gläubiger derselben ins Werk gesetzt oder aber eine Flottendemonstration und Occupa- tion von Smyrna und Salonica ausgeführt, oder selbst eine sofortige Forcirung der Dardanellen, falls neue Massacres stattfinden, unternommen werden. Eng land dringt auf sofortige Ausführung der letzteren Sti pulationen, noch ehe neue Blutbäder möglich werden. Eine endgültige Entscheidung ist jedoch nicht vor Beendi gung der Reise des Zaren, also nicht vor nächster Woche, zu erwarten. Der neue Kreuzer „Geier" ist endgültig als Ersatz schiff für das Kanonenboot „Iltis" für die ostasiatische Station bestimmt. Der Streik der Arbeiter der Staatsbahngesellschaft in Wien dauert ungeschwächt fort und gewinnt trotz der Ausglcichsverhandlungen, welche scheiterten, größere Aus dehnung. Frankreich. Das russische Kaiserpaar ist am Dienstag Mittag programmgemäß in Paris eingetroffen. Der Einzugin die Seinestadt erfolgte bei Hellem Sonnenschein und unter endlosem Jubel. Es wird berichtet: Eine Volksmenge von vielen Hunderttausenden hielt die Straßen nächst dem Ranelagh-Bahnhofe, sowie das Bois de Boulogne, die Champs Elisees, die Place de la Concorde und den Raum vor den Tuilerien besetzt. Die Polizei hatte sehr strenge Maßnahmen getroffen. Der Bahnhof war in weitem Umkreise abgesperrt; nur die mit Durchlaßkarten für die officiellen Tribünen versehenen Personen erhiel ten Zulaß zu demselben. Um 10 Uhr traf das Kaiser paar und Präsident Faure auf dem Bahnhofe ein. Bei der Einfahrt des Zuges wurde die russische Hymne, dann die Marseillaise angestimmt, während von dem „Hotel des Invalides" her Salutschüsse ertönten. Der Kaiser trug russische Uniform, die Kaiserin eine weihe Toilette. Nach der Begrüßung durch den Präsidenten des Ge meinderaths fand die Besichtigung der Ehrcncompagnie und die Vorstellung der Minister, sowie des Cardinals Richard statt. Das Kaiserpaar und Präsident Faure blieben zehn Minuten im Empfangssalon. Sodann be stiegen alle Drei einen vierspännigen Wagen, welcher auf der Fahrt von Kavallerie und Spahis escortirt wurde. Die Menge brach beim Erscheinen der Majestäten in brausende Hochrufe aus. Es herrscht prachtvolles Wetter. Kurz nach 11 Uhr kam der Zug in der russischen Bot schaft unter den begeisterten Zurufen des Publikums an. Präsident Faure verließ die Botschaft wieder um 11'/« Uhr. Der Zar sah etwas müde und angegriffen aus, doch konnte man bemerken, mit welcher Neugierde er um sich blickte und welchen starken Eindruck die Menge und der Anblick der Straßen auf ihn machten. Der Jubel des Volkes war ungeheuer; was die Menge schrie, war kaum zu unterscheiden. Ich glaube (wird der Voss. Ztg. gemeldet) hauptsächlich „vivo I' swxersur!" gehört zu haben, auch wurde nach französischem Brauche viel in die Hände geklatscht. Von vielen Fenstern und Balkonen wurden Blumen geworfen, die indeß nicht einmal die Soldatenreihen erreichten. Dem Frühstück in der russi schen Botschaft und dem Besuch der Botschaftskapelle folgte um 2 Uhr der osficielle Empfang des Zarenpaares durch den Präsidenten Faure im Elysee. Abends um 7 Uhr war Galatafel im Elysee, der sich die Festvor stellung in der Großen Oper anreihte. Die Beleuchtung