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dessen Eifer übel angebracht gewesen wäre. Andere Blätter lassen ihrem unberechtigten Groll gegen Deutsch land freien Lauf. So stellt z. B. „Daily Telegr." die Inschutznahme des Usurpators Said Chalid auf gleichen Fuß mit den Telegrammen des Kaisers an den Präsi denten Krüger, das man in England bekanntlich noch immer nicht verschmerzen kann. Es sei eine etwas auf fällige Verachtung der britischen Politik, so heißt es weiter, und eine nutzlose Kränkung des englischen National gefühls, ein erbitternder Zwischenfall rc. rc. Turke». Bezüglich der orientalischen Frage scheint sich nun auch England thatsächlich der Politik der übrigen Groß mächte angeschlossen zu haben, nachdem es eingesehen hat, daß die Verfolgung von Sonderinteressen in der Türkei zwecklos ist. Man kann nun zwar wieder von der Ein- müthigkeit Europas in der türkischen Frage reden, die für die Sicherheit des europäischen Friedens ganz ge wiß von schätzenswerther Bedeutung ist; in der Türkei selbst aber macht die Einmüthigkeit der Mächte lässiger, als wenn die eine oder die andere derselben mit be stimmten Forderungen auftritt und auf deren Erfüllung unter Androhung einer bewaffneten Intervention dringt. Es scheint denn auch, als hätte man sich an den zu ständigen Konstantinopeler Stellen schon vollkommen des Eindruckes der jüngsten Metzeleien entschlagen. Aus dem Mdiskiosk überstürzen sich die Erklärungen förm lich, welche Angaben über die volle Schuldsigkeit derhohen Pforte an den Armeniermorden enthalten; im Uebrigen aber scheint nun der Sultan auf seinen persönlichen Schur bedacht gewesen zu sein, bisher aber nichts Gründliches gethan zu haben, was der Wiederkehr blutiger Ruhe störungen vorzubeugen im Stande wäre. Diese Erkennt- niß hatte schon vor einigen Tagen sowohl den franzö sischen wie den deutschen Botschafter in Konstantinopel veranlaßt, dem Sultan ernste Vorstellungen zu machen. Dieselben haben wohl zu den schönsten Versprechungen, aber nicht zu Thaten geführt. Aus diesem Grunde haben sich die Konstantinopeler Vertreter sämmtlicher Mächte zu einem gemeinsamen Schritt bei der Pforte zusammengethan und den Entschluß gefaßt, dem Sultan in einem Memorandum eine Reihe von Reformvorschlägen zu unterbreiten und auf deren baldige Durchführung mit Nachdruck hinzuweisen. Verhaftungen von Jungtürken und Armeniern sind in den letzten Tagen wieder zahlreicher vorgekommen, offenbar hängen dieselben mit befürchteten Anschlägen auf das Leben des Sultans in Zusammenhang. Die Ge rüchte über blutige Metzeleien zwischen Studenten und türkischen Truppen in Stambul sind unbegründet. Der „Frkf. Ztg." wird aus Konstantinopel gemeldet: Stambul war gestern Nacht der Schauplatz blutiger Scenen. Die Sofias der Stambuler Ledresge verab redeten, in der Nacht behufs Demonstrationen in den Mdiz-Kiosk zu ziehen. Sie wurden von Truppen um zingelt, die eine große Menge Sofias tödteten, die übrigen aber zur Rückkehr zwangen. An den Hauptmoscheen wurden, wo das Volk die Waschungen vornimmt, fest genagelte Schashäute gefunden, aus denen mit rother Tinte aufreizende Proclamationen gegen die Christen und europäischen Souveräne geschrieben standen. Ans dem Mnldenthale "Waldenburg, 5. Octobcr. Ihre Durchlaucht Frau Lucie, verw. Erbprinzessin von Schönburg-Waldenburg hat Schloß Stein nach zehntägigem Aufenthalt dortselbst, in Begleitung ihrer Kinder, Ihrer Durchlauchten des Fürsten Otto Victor, der Prinzessin Sophie und des Prinzen Günther heute Mittag wieder verlassen und sich nach Dresden zurückbegeben. *— Im Saale des Schönburger Hofes erfolgte heute Vormittag 10 Uhr in feierlichem Actus die Einweisung des neuen Schuldirectors Herrn Schlund, seither Lehrer in Chemnitz, durch Herrn Bezirks-Schulinspector Schul- rath Lötzsch aus Glauchau; hierzu hatten sich die städti sche Behörde, die städtischen Collegien, die Mitglieder des Schulausschusses, das Lehrercollegium der hiesigen Bürgerschule, Einwohner der Stadt, sowie die Schüler der Klassen 1—3 der ^.-Abtheilung und der Klaffen 1 und 2 der Ü-Abtheilung der Bürgerschule eingefunden. Nach dem Oesange der ersten beiden Strophen des Liedes 286: „Dkl Herr ist meine Zuversicht" wies Herr Schul- rath Lötzsch in längerer Ansprache, der er das Bibelwort 1. Kor. 13, 13. „Nun aber bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größcste unter ihnen" zu Grunde gelegt hatte, Herrn Schlund unter Hinweis auf dessen confessionelles Gelöbniß und dessen Diensteid in sein neues Amt ein. Hierauf erfolgte der Gesang der Motette Psalm 100 von Markull. Alsdann nahm Herr Bürgermeister Kretschmer das Wort, um Herrn Schlund namens der Stadt zu begrüßen und herzlichen Wünschen Ausdruck zu geben. Herr Cantor ^hlig rief dem neuen Director im Namen des Lehrer kollegiums ein herzliches Willkommen entgegen und knüpfte die Hoffnung daran, daß das gemeinschaftliche Verhält- niß ein recht inniges werden möge Gott zur Ehre, der Gemeinde zum Wohle, dem Collegium zur Freude. Herr Oberpsarrer Harleß sprach im Namen der Kirchgemeinde und des Kirchenvorstandes einen herzlichen Wiükommen- und Segensgruß aus. Im Namen der Schulkinder sprachen der Schüler Meyer von der ersten Knabenklasse und die Schülerin Wildenhain von der ersten Mädchen klasse einen Willkommensgruß. Nach dem Gesänge des 7. Verses des eingangs genannten Liedes nahm Herr Schuldircctor Schlund das Wort, um zunächst seinen Dank auszusprechen für die Willkommensgrüße, die ihm entgegengebracht worden seien und ein herzliches „Grüß Gott" damit zu verbinden. Er bemerkte ferner, daß mit dem heutigen Tage ein Theil seines Lebens abgeschloffen hinter ihm liege, ein neues Feld der Thä- tigkeit thue sich seinem Blick auf. Es sei kein Wunder, wenn ein Zagen seine Seele beschleiche, aber fest und unerschütterlich sei sein Vertrauen auf Dessen Hilfe, der das Weltenschiff lenkt eingedenk des Zurufs eines Dieners seines Wortes: Ich will Dich segnen und Du sollst ein Segen sein. Alles zum Wohle unserer Schule, das solle sein Leitstern sein. Er werde sich bemühen, die Liebe und Achtung, die ihm heute unverdient entgegengebracht worden sei, auch zu verdienen. Redner wandte sich dann an seine Mitarbeiter und versprach unter Hinweis auf das Wort Pestalozzis: Wirke des Guten viel im Ver borgenen ohne Lobsucht, daß er in jeder Beziehung ihnen voran zu leuchten bestrebt sein werde, indem er sich den Worten des Herrn Cantor Uhlig anschließe: Im Wesent lichen die Einheit, im Unwesentlichen die Freiheit, im Ganzen aber die Liebe. So trete er denn seine neue Stellung in Gottes Namen an mit dem Wunsche, daß es dem Höchsten gefallen möge, in ihm der Gemeinde eine neue Segensquelle zu erschließen. Mit dem Schluß- verse des schon gedachten Liedes fand alsdann die er hebende Feier ihr Ende. *— Unsere beiden Sammlungen, und zwar diejenige für die Abgebrannten in Frauenstein, wie diejenige der Freien Waldloge zum Besten der Errichtung eines Asyls für Lungenkranke in der Sächsischen Schweiz, sind nun mehr geschlossen und die Beträge in Höhe von 95 Mk., beziehentlich 24 Mk. zur Absendung gelangt. Postquit tung darüber darüber liegt in unserer Expedition aus. Den edlen Gebern sagen wir auch an dieser Stelle herz lichen Dank. *— Höhere Brotpreise sind es, mit denen man für den kommenden Winter zu rechnen hat! Rußland und Nordamerika haben eine starke Mißernte in den Körner früchten gehabt und der dadurch herbeigeführte Ausfall ist so groß, daß auch die übrigen großen Getreideländer, wie Südamerika und die weiten Gebiete an der Donau, trotz ihrer befriedigenden Ernte diesen nicht decken kön nen. Bon den Getreidebörsen wird daher ein Steigen des Weizens wie des Roggens signalisirt und diese Er scheinung dürfte auch von anhaltender Wirkung sein. In einem Tage ist jetzt in Berlin der Mispel Weizen um 4'/» Mk. gestiegen. Am 8. August d. I. notirte man an den großen Stapelplätzen Weizen mit 138, heute mit 161 Mk., Roggen mit 110, jetzt mit 124'/r Mk. Es sind dies Preisbewegungen, die eine deutliche Sprache führen, und die Rückwirkung dieses Ausschlages wird sich sehr bald bei den Brotpreisen äußern. *— Das Gesetz, die ärztlichen Bezirksvereine betreffend, tritt nunmehr in Kraft. Zum Beitritt sind verflichtet alle innerhalb des Medicinalbezirks wohnenden und ihre Praxis ausübenden, mit Approbation versehenen Aerzte und diejenigen Aerzte und Wundärzte, welche bereits vor Verkündigung der Gewerbeordnung zur Praxis be rechtigt waren. Approbirte Aerzte und Wundärzte, welche ihre Praxis nicht oder nicht mehr ausüben, und die Herren Sanitätsoffiziere des Friedensstandes sind zum Beitritt berechtigt, aber nicht verpflichtet. *— Da die Altar- und Taufgeräthe, Altar- und Kanzelbekleidungen, wie einzelne bedauerliche Vorkomm- msse aus neuester Zeit bewiesen haben, nicht immer mit derjenigen Sorgfalt ausbewahrt werden, welche ihrem Werthe entspricht, macht das evangelische Landescon- sistorium die Kirchenvorstände auf ihre Pflicht, für Er haltung auch der Jnventarien Sorge zu tragen, in einer besonderen Verordnung aufmerksam. Das Landescon- sistorium empfiehlt da, wo diebes- und feuersichere Auf bewahrungsbehältnisse noch fehlen, solche aus Kosten der Kirchenärare zu beschaffen. Sollten durch Unterlassung solcher Sicherheitsmaßregeln Verluste oder Schäden ent stehen, so würden die Schuldigen im einzelnen Falle auch nach der Seite der Ersatzleistung verantwortlich zu machen sein. — Herr Privatier Johann Gottlob Lochmann in Glauchau feierte am 3. d. sein 50jähriges Bürger jubiläum. Seitens des Raths wurde er unter Aus händigung eines Beglückwunschungsdiploms durch Herrn Stadtrath Hinckelmann beglückwünscht. — Ein Polizeiwachtmeister aus Zwickau hatte von dort einen Gefangenen nach Bremen zu transportiren. Da der Gefangene in Bremen bekannt war, überließ ihm der Wachtmeister die Führung nach dem Gefängniß. Diesen Umstand benutzte der Gefangene. Anstatt auf dem directen Wege nach dem Gerichtsgebäude zu gehen, machte er einen Umweg. An einer Straßenecke ent wischte der Arrestant, obgleich ihm eine Hand auf den Rücken geschnallt war und der Polizeibeamte dicht hinter ihm her ging. Bald war der Gefangene den Augen des Beamten entschwunden. Der Polizeiwachtmeister hat sich sein Mißgeschick so zu Herzen genommen, daß er in einer Wirthschaft an der Langewieren in Bremen seinem Leben durch Erhängen ein Ende gemacht hat. — Am 20. Juli d. I. suchte die in Hartenstein wohnhafte 76 Jahre alte häusliche Arbeiterin Christiane Friederike Wilhelmine verw. Austel, geb. Sachse beim dortigen Bürgermeisteramte nachträglich um Vermittelung der Altersrente nach und erhielt dieselbe auch am 25. v. M. unter 614 Mark 10 Pf. Nachzahlung zuge sprochen. — Am Freitag Vormittag hat sich die Gattin des Oberlehrers Bretschneider in Rochlitz in einem Anfalle geistiger Störung drei Treppen hoch in den Hof hinab gestürzt, ist schwerverletzt aufgehoben worden, jedoch nach kurzer Zeit verstorben. Die unglückliche Frau ist seit wenigen Tagen erst aus einer Jrrenheilanstalt als ge nesen entlasten zu ihrem Gatten zurückgekehrt. Sie be gingen im Laufe dieser Woche das Fest ihrer silbernen Hochzeit. Aus dem Sachsenlande. — Auf dem thüringischen Städtetage war beschlosten worden, eine Petition an die einzelnen thüringischen Regierungen um Errichtung eines gemeinsamen Oberver waltungsgerichtes abgehen zu lasten. Die vom Ober bürgermeister Oßwald-Altenburg verfaßte Petition ist jetzt den thüringischen Regierungen zugestellt worden. — Auf Anregung des Schedewitzer Consumvereins werden die sächsischen Consum-, Producten- und Waaren- vertheilungsvereine gemeinsam an die Siaatsregierung eine Bittschrift gegen die schon an verschiedenen Orten eingeführte Umsatzsteuer richten. — Der Betrieb der Bahnhofswirthschaften zu Lunzenau soll vom 1. März 1897 ab und derjenige zu Bautzen, St. Egidien und Waldheim vom 1. April 1897 ab bis zum 31. März 1903 verpachtet werden. Pachtgcbote sind bis zum 17. October 1896 an die König!. General- direction der Sächs. Staatseisenbahnen einzusenden. — Der VI- Landessynode, welche heute Montag in Dresden zusammengetreten ist, werden verschiedene Kir chengesetzentwürfe vorgelegt werden, so der Entwurf eines Kirchengesetzes, eine Einschränkung des Besetzungsverfah rens bei geistlichen Stellen betreffend. Ein anderer Ent wurf enthält Bestimmungen bezüglich der Ausübung des Kirchenpatronats und der Kollatur über kirchliche Aemter. Weiter wird ein Gesetzentwurf erscheinen, welcher einige Abänderungen der Kirchenvorstands- und Synodalordnung vom 30. März 1864 betrifft. Zu möglichster Abkürzung der für das kirchliche Leben nachtheiligen Vakanzen soll ferner ein Gesetz geschaffen werden, welches sich auf die Dauer des Gnadengenusses der Hinterlastenen der evan gelisch-lutherischen Geistlichen bezieht. Ein anderer Gesetz entwurf betrifft die Verwaltung von Grundstücken geist licher Lehen im Falle der Verpachtung und einer die Festsetzung des Mindestbetrages des kirchendienstlichen Einkommens der Kirchschullehrer und anderer mit dem Kirchendienst beauftragter Personen. Außer diesen Be- rathungsgegenständen wird der Landessynode noch eine Vorlage zugehen, welche die weitere Regelung der finanziellen Lage der evangelisch-lutherischen Geistlichen behandelt. — Am 9. d. findet in Leipzig die gründende Ver sammlung der Deutschen Fleischerei-Berussgenossenschaft statt. Die Genoffenschaft soll am 1. Januar des näch sten Jahres ihre Thätigkeit aufnehmen. — In einer Buckskinsabrik in Crimmitschau haben am Freitag Nachmittag fast sämmtliche Weber und Webe rinnen wegen Lohnstreitigkeiten die Arbeit gekündigt. — An den Kabeleinlegungsarbeiten für das städtische Elektricitätswerk in Plane« t. B. wird mit vielem Fleiße gearbeitet. Hierdurch ist das an sich lebhafte Tief bauwesen daselbst noch beträchtlich vermehrt worden. Das Hochbauwesen wird dort so lebhaft betrieben, wie noch nie zuvor. Am 2. d. früh sind allein sieben Neubauten zu Wohnhäusern in Angriff genommen worden. Plauen hat alle Aussicht, in wenigen Jahren eine Bevölkerung von 100,000 Seelen zu haben, der Zuzug ist gegen wärtig ganz beträchtlich. — Am Donnerstag Vormittag 9 Uhr wurde im Bei sein von Mitgliedern des Aufsichtsrathes, des Directo- riums, eines Vertreters der Königl. Berginspection und einer Anzahl Beamten des Werkes der Spatenstich zu dem Schachte II! der Steinkohlen-Actien-Gesellschaft Bockwa-Hohndorf-Vereinigtfeld bei Lichtenstein gethan. Dieser Schacht wird nach seiner Vollendung eine Teufe von rund 900 m erhalten und somit der tiefste Kohlen- schacht Deutschlands werden und soll zur Erschließung des größten noch unverritzten Theiles der vorzüglichen Kohlenfelder der Gesellschaft dienen. — Bei der am 30. September am Lehrerinnenseminar in Callnberg stattgefundenen Aufnahmeprüfung sind von der nahezu doppelt vertretenen Anzahl Aspirantinnen 20 ausgenommen worden. — Von einem schweren Geschicke wurde die Familie des Stadtgutsbesitzers und Fabrikanten Ed. Fischer in Stollberg betroffen. Das fünfjährige Söhnchen des selben, das auf der Straße mit anderen Kindern spielte, kam plötzlich in's Zimmer gelaufen und fiel nach weni gen Athemzügen todt zu Boden. Die Section ergab,