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Staatskasse für die den Stadtgemeinden übertragenen staatlichen Geschäfte und Aufgaben eine angemessene Ver gütung zu leisten hat. Der Städtetag wird aufgefordert, in diesem Sinne bei der königlichen Staatsregierung und der Landesvertretung vorzugehen. Darauf wurde der Städtetag geschlossen. Dem Geh. Justizrath Prof. Planck in Göttingen ist als Anerkennung für seine hervorragende Mitwirkung bei Ausarbeitung und Fertigstellung des Bürgerlichen Ge setzbuches vom Kaiser der Charakter als Wirklicher Geh. Rath mit dem Prädicat Excellenz verliehen worden. In die Disziplinaruntersuchung gegen Dr. Peters dürfte jetzt ein schnellerer Gang kommen, nachdem der Aufenthalt aller Zeugen, besonders des Bischofs Tucker, festgestellt ist. Tucker weilt in Sansibar und ist voraus sichtlich dort schon vernommen worden. Or. Peters selbst hat kürzlich eine Vernehmung vor dem Geh. Rath Schwartzkoppen gehabt. Der Reichscommissar für die Pariser Weltausstel lung Or. Richter ist aus Süddeutschland nach Berlin zurückgekehrt. Die Leiter der kunstgewerblichen Anstalten der besuchten Städte Straßburg, Karlsruhe, Stuttgart, München und Nürnberg haben ihre Mitwirkung für die Vorbereitung der Ausstellung zur Verfügung gestellt und sind der Auffassung, daß man in Paris keine Massen güter ausstellen dürfe, vielmehr Industrie und Kunst nur durch die hervorragendsten Leistungen vertreten werden dürfen, vollständig beigetreten. Auch in den Kreisen der Industriellen Süddeutschlands ist, soweit sich das bisher beurtheilen läßt, ein lebhaftes Interesse für die Ausstel lung und volles Verständniß für die Bedeutung der Be theiligung Deutschlands vorhanden. Or. Richter will demnächst Dresden besuchen und später sich mit den Interessenten der großen Mittelpunkte der Industrie und des Handels- in Nord- und Westdeutschland in Verbin dung setzen. Zwischen der deutschen und russischen Regierung finden augenblicklich wegen der entstandenen Zoll schwierigkeiten Verhandlungen statt, welche von beiden Seiten in wohlwollendem Sinne geführt werden. Welches Ergebniß sie haben werden, muß abgewartet werden, doch werden die deutschen Interessen jedenfalls, wenn auch eine maßvolle, so doch auch eine feste Vertretung finden. Zu dem Zollstreit selbst verlautet officiös, daß gegen das von der russischen Regierung erlassene, die Umtarifirung einer Reihe von Jndustriegegenständen be treffende Zollzirkular sowohl der Zollbeirath als auch der Zentralverband deutscher Industrieller mit Eingaben beim Auswärtigen Amte vorstellig geworden sind. In den Eingaben wird ausgeführt, daß jene Tarifänderungen den Absatz gewisser Erzeugnisse der deutschen Industrie nach Rußland in einer für die Fabrikation und den Handel empfindlichen Weise beeinträchtigen und daß sie auch in grundsätzlicher Hinsicht zu Bedenken Anlaß geben. In den Eingaben wird gefordert, die deutsche Regierung möge dahin wirken, daß nicht durch einseitige Aenderun- gen der z. Z. des Vertragsabschlusses — von den Kampfmaßnahmen abgesehen — maßgebenden Zollpraxis die Verhältnisse zu Ungunsten Deutschlands verschoben werden. Feuilleton. Das Geheimnitz des Pavillons. Criminalnovelle von Theodor Hermann Lange. (Fortsetzung.) Die Leiche war schon zu sehr in Verwesung überge gangen. War ich belauscht worden, so war dies jedenfalls wäh rend der Ausgrabung geschehen. Die betreffende Person konnte erst nach meiner Abwesenheit den Garten betreten haben, und zwar mußte sie ihr Weg über die Mauer geführt haben. Unmöglich war das nicht, da aus der Mauer verschiedene Steine schon herausgefallen waren und somit ein Uebersteigen leicht bewerkstelligt werden konnte. Einer der Arbeiter schwang sich auch wirklich auf die Mauer, aber er entdeckte jenseits derselben nichts Auffälliges. Als er wieder herabsprang, stieß ich einen Schrei der Ueberraschung aus; ein Handschuh fiel zu Boden — und es konnte kein Zweifel sein — der Fuß des Arbeiters hatte ihn oben auf der Mauer berührt und mit hinabgerissen. Der Handschuh, ein feiner brauner Herrenhandschuh, war noch völlig neu und schien nur wenige Tage getragen zu sein. Ich überreichte ihn dem Assessor, der ihn prüfend betrachtete. Jedoch auch dieser Vorfall gab kein Licht. Trotzdem strenges Stillschweigen dem Arbeiter und dem Alten seitens des Assessors anbe fohlen war, enthielten doch schon einige Tage darauf die Zeitungen eingehende Berichte über dieses Vorkommniß, nur ließen diese, wohl mit Absicht, Zweifel über den Ort der That walten. Ich hatte daher glücklicherweise keine Belästigungen zu fürchten. — Die Untersuchung wurde eingeleitet und besonders der alte Kastellan einem scharfen Verhör unterworfen. Er sollte angeben, wer seit Jahresfrist den Park betreten habe. Der Alte konnte jedoch nur sehr dürftige Aus sagen machen, auch der Verwandte des früheren Besitzers, der den Pavillon vorübergehend bewohnt, war ihm nicht bekannt; aus den Meldebüchern der Charlottenburger Be- Die IX. Hauptversammlung des Evangelischen Bundes in Darmstadt sprach sich im Verlaufe ihrer Sitzung am Mittwoch gegen die Aufhebung des Jesuiten- gcsetzes aus und befürwortete, daß der Charfreitag als ein allgemeiner christlicher Feiertag erklärt werde. iOenerretrtz-Ung«rn. Die Ausgleichsvcrhandlungen zwischen Oesterreich und Ungarn werden jetzt auch offiziell als gescheitert bezeichnet. Ungarn hat es abgelehnt, seine Quote zu erhöhen. Die Parlamente werden sich demgemäß mit der Angelegenheit nicht mehr beschäftigen und auch ein neues Parlament wird vorerst ein Provisorium, nämlich die Verlängerung des Ausgleiches bis Ende 1898 be willigen müssen. Die Auflösung des Reichstages dürfte demnächst erfolgen. Die österreichische wie die ungarische Presse fahren fort, die politische Bedeutung der Tage von Orsowa zu beleuchten. Die Kulturthat am Eisernen Thor, heißt es, wird Europa ebenso würdigen, wie die Kulturthaten in Bosnien und der Herzegowina. Nicht geringere Be deutung aber wird der Entrevue der drei Herrscher, des Kaisers Franz Joseph und der Könige von Serbien und Rumänien beigelegt werden. Diese Eereigniffe sind eben- soviele Kundgebungen des Friedens. Es verlauret, daß sich Serbien sowohl als Rumänien offiziell dem Drei bunde anschließen werden. Streikunruhen werden aus Dux in Böhmen gemeldet. Im Dux-Offegger Kohlenwerke traten Diens tag 3000 Arbeiter in Ausstand. Die Streikenden durch schnitten an vielen Stellen die telephonischen Verbindungen zwischen den Schächten. Abends stürzten große Arbeiter massen gegen den Nelsonschacht. Die Gendarmerie schlug die Arbeiter in den Ossegger Wald zurück. An den Thüren der Schachtgebäude kleben Zettel mit den Worten: „Wer morgen einfährt, ist ein Kind des Todes." Von einem unserer Correspondenten wird uns mit- getheilt, daß der von uns gestern bereits unter den Tele grammen gemeldete Ausstand der Bergarbeiter im böhmischen Braunkohlenrevier durch aufrührerische Schriften, die wahrscheinlich von den böhmischen Omladinisten — Anarchisten — ausgegangen sind, veranlaßt wurde. Im Offegger Kohlenrevier streikt die Belegschaft mehrerer Schächte; auch im Duxer Revier sind Bergarbeiter in den Ausstand eingetreten, insbesondere die Belegschaft der Hartmannschächte in Ladowitz. Mehrere Verhaftungen haben bereits stattgefunden. Inzwischen wird auch Militär in Dux eingetroffen sein, das zunächst wohl zum Schutze der Werksanlagen commandirt werden wird. Die Energie, mit der die österreichischen Behörden vor einigen Jahren einen im Entstehen begriffenen Ausstand niederhielten, läßt auch diesmal erwarten, daß es bald gelingen wird, unermeßlichen Schaden zu verhüten und die bethörten und verführten Arbeiter vor Lohnverlusten zu bewahren, die sich erfahrungsgemäß nach Millionen berechnen können. England. Englands Sorgen sind nicht gering. Sein Liebes werben beim Zaren ist total erfolglos geblieben. Der Besuch der Khedive in Paris, der zwar keineswegs die ihm von der Londoner Presse untergelegte Bedeutung Hörde ergab sich nur, daß ein Herr von Seewig ledigen Standes, Privatman, 27 Jahre alt, vordem in Berlin wohnhaft, den Pavillon bewohnt hatte, in Berlin war eine Person gleichen Namens nicht aufzufinden. Man tappte also vollständig im Dunkeln. Am zehnten Tage nach der Ausgrabung — die Ab fassung meines Werkes war ziemlich vollendet und ich dachte bereits daran, nach Berlin zurückzukehren, da der Pavillon, so freundlich er mir sonst erschien, gegenwärtig etwas Grauenhaftes für mich hatte — trat unerwartet der Polizeiinspector von Charlottenburg in Begleitung eines Schutzmannes in mein Zimmer, und zwar hatte er Befehl, eine Haussuchung vorzunehmen. Resultate hatte die Untersuchung bis jetzt noch in keiner Weise ergeben. In allen Handschuhläden war der Handschuh vorgelegt worden. Aber Alles schien vergeblich. Auch die Ohrringe, welche ich abgeliefert hatte, wolle kein Goldschmied ver kauft haben. Ueber die Personen, welche seit zwei Jahren eine Zeitlang verschwunden gewesen waren, herrschte bis auf einen alten Mann und zwei kleine Knaben wieder Kenntniß. Der Polizeiinspector, den ich einmal besuchte, war in größter Aufregung über die Nutzlosigkeit seiner Bemühungen. Die Haussuchung ging mit peinlichster Genauigkeit vor sich. Kein Schrank blieb ungerückt, jeder Winkel wurde einer sorgfältigen Jnspection unterzogen. Zwei Stunden hatten unsere Durchforschungen bereits gewährt, als der Polizei-Kommissar ein zusammengefal tetes Papier unter dem Fuße einer Kommode hervorzog, das zu dem Zwecke darunter gelegt war, dem sonst ein wenig nach der einen Seite sich neigenden Möbel als Unterlage zu dienen. Er faltete es auseinander, es war ein Brief, die Handschrift die einer Frau oder eines Mädchens, und las: „Wien, 8. Juni 187* Innig geliebter Paul! Denke Dir nur, gestern Morgen, als ich kaum aufge standen war, traten zwei Polizeidiener bei mir ein. Sie zeigten mir einen Brief, den ich an dich noch nach dem hatte, hat die Sorge um Egypten demnach aufs Neue wachgerufen. Die Schlappen im Feldzuge gegen die Matabele wirken gleichfalls deprimirend und endlich scheint die englisch-egyptische Sudanexpedition nicht ganz von dem günstigen Erfolge begleitet gewesen zu sein, wie man ursprünglich gehofft hatte, zumal die Wahrscheinlichkeit, daß bei dem Feldzuge ein englische- Regiment sich der Meuterei schuldig gemacht habe, bei nahe zur Gewißheit geworden ist. Das einzige, wa- man in London erreicht hat, ist die Verleihung eines Ordens durch den Zaren an Lord Salisbury; das ist aber keine ausreichende Entschädigung für das ganze übrige Ungemach. England ist verstimmt. Der Zar stellte den Herzog von Connaught ä I» 8uit« des Kiewer Dragonerregiments und verlieh dem englischen Ministerpräsidenten Lord Salisbury den Andreasorden. Türkei. Die Lage in Konstantinopel scheint sich etwas beruhigt zu haben. Es ist in den letzten Tagen kein Anzeichen dafür zu bemerken gewesen, daß die Armenier irgend einen Putsch anzuzetteln geneigt wären, und auch von türkischer Seite scheint man ernster gewillt als bis her, Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten. Offenbar haben im Mdizkiosk sowohl als im Ministerium die Vorstellungen des deutschen Botschafters v. Saurma-Jeltsch einen bedeutenden Eindruck gemacht, wie überhaupt Deutsch lands Haltung in der ganzen Angelegenheit die höchste Anerkennung findet und die Wünsche der deutschen Re gierung deshalb auch nach Möglichkeit respectirt werden. Daß der französische Botschafter dem Sultan mit einer bewaffneten Intervention der Mächte gedroht hätte, fall- sich die Straßenunruhen in Konstantinopel erneuern sollten, wird amtlich in Abrede gestellt; dagegen steht es fest, daß auch der französische Botschafter seine Vorstellungen mit allem Nachdruck vorgetragen hat. Wie in Kon stantinopel scheint sich auch die Lage in der asiatischen Türkei zu bessern. Sogar ein englischer Berichterstatter sieht sich zu der Erklärung gedrängt, daß diese Besserung der Haltung der führenden türkischen Kreise zu danken sei, die keinerlei Metzeleien mehr haben wollten. Trotz dieser Besserung der Lage scheint man in türkischen Re- gierungskreisen noch immer ein eigenmächtiges Vorgehen Englands zu befürchten, denn nur damit ist die That« fache zu erklären, daß die Pforte emsige Vorbereitungen . trifft, um die Besatzungen an dem Dardanellendurchgang zu verstärken und jede zwangsweise Einfahrt eines frem den Geschwaders mit Waffengewalt unmöglich zu machen. Russische Blätter erklären allerdings daß die Türkei zu einer erfolgreichen Sperrung der Dardanellen außer Stande sei. Die vom Sultan aus seiner Privatkasse dem Finanz ministerium geschenkten 150,000 Pfund sollen nach türki scher Version für die Bezahlung der rückständigen Beamtengchälter, nach der Annahme der diplomati scher Kreise zur Bezahlung der durch die Unruhen zu Schaden gekommenen europäischen Geschäftsleute verwendet werden. In Makedonien und auf Kreta rumort der Auf stand noch in bedenklicher Weise, weshalb es auch nur natürlich ist, daß die Mächte fortfahren, ihre Geschwader in den türkischen Gewässern zu verstärken. Elisenweg geschrieben hatte, kurz bevor Du von hier ab gereist, und fragten mich, ob ich ihnen Deine Adresse an geben könnte. Da ich dies nicht konnte — Deinen Brief aus Berlin erhielt ich erst gestern Abend und wußte nun erst, wo Du warst — suchten sie Alles aus. Zwei von Deinen Briefen haben sie mitgenommen. Heute soll ich auf die Station kommen. Deinen gestrigen Brief habe ich, wie Du mir schriebst, gleich verbrannt. Wenn Du mir das Reisegeld schickst, komme ich nach Berlin, um dort an einem Theater Engagement zu suchen und in deiner Nähe zu sein. Zum 15. ist mir schon von unserer Direc- tion gekündigt worden. Bei meiner Freundin" — — Hier war der Brief zu Ende. Diese Entdeckung war nicht ohne Wichtigkeit, ja wir zweifelten nicht mehr daran, daß an den früheren Bewohner des Pavillons dieser Brief gerichtet war und die aufgefundene Leiche die jenes Mäd chens sein mußte. Wo und wer aber dieser Herr von Seewig war, die blieb immer noch ein Räthsel. Jedenfalls war dieser Name nur ein angenommener. Den andern Tag wurden bereits Verbindungen mit den Wiener Polizeibehörden angeknüpft, zu welchen Ergeb nissen diese führte, sollte erst später bekannt werden. * * * „Nun, alter Freund, immer noch Einsiedler," hörte ich an einem freundlichen Septembertage eine wohlbekannte Stimme hinter mir, als ich die Königstraße in Berlin durchschritt. Ich wandte mich rasch um und siehe da, mein Universitätskollege stand hinter mir. Er schaute seelenvergnügt in die Welt, die Rheinreise schien ihm gut bekommen zu sein. „Wieder hier?" rief ich ihm entgegen, indem ich ihm derb die Hand schüttelte. „Nein und Ja," tönte die Antwort zurück, „in den nächsten Tagen gehts bereits wieder an den Rhein und ich denke, Du wirst nun den staubigen Bibliotheken den Rücken kehren, da, wie ich heute von Deinem Buchdrucker hörte, Dein« Schrift fix und fertig ist. (Fortsetzung folgt.)