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Schönburger Tageblatt Amtsblatt für den StadtraLy Zu Waldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichteuftein-Tallnbsrg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Bräunsdorf, Callenberg, Tt. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen- leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Otto Förster; in Kaufungen bei Herrn Fr. Janaschek; in Langenchurs- darf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Frau Kaufmann Max Härtig, Leipzigerstr. 163; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Wolkenburg bei Herrn Ernst Rösche; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nsch Sonn- und Festtagen »»nähme Son Inseraten für di- nächster, scheinende Nummer bis mittags 12 Ühr. ?A?-m-ntspreiS beträgt Vierteljahr. »ch 1 ML. 25 Pf. Einzelne Nrn. b Ps. Inserate pro Zeile 10 Ps., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Obergaste 291 L. und Walöcnburgcr Anzeiger 209. 1896. Dienstag, den 8. September Witterungsbericht, ausgenommen am 7. September, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 763 MW. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerstand -s 15" 6. (Morgens 8 Uhr -f- 14''.) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymcter 75"/o. Thaupnnkt -f- 11 Grad. Windrichtung: Nordost. Daher Witterungsanssichten für den 8. September: Bewölkt bis halbheiter, Niederschläge nicht ausgeschlossen. NchWkbikM- M SMWmntrMr-Ilck. Mit 1. October dieses Jahres kommt die Nathscxpedienteu- und Spar- tassenrontrolenrrStelle hier zur Erledigung; das Gehalt beträgt 900 Mk. und steigt aller vier Jahre um 100 Mk. bis 1200 Mk. Die Stelle ist mit Pensions berechtigung verbunden. Bewerber wollen sich baldigst, spätestens bis 24. dieses Monats melden; diejenigen, welche mit den Arbeiten der Versicherungsgesetzgebung ver traut, beziehentlich der Stenographie kundig sind, erhalten den Vorzug. Waldenburg, den 7. September 1896. Der Stadtrat h. Kretschmer, Bürgermeister. Schlesische Zweikaisertage. Von Theodor Hermann Lange. Der Einzug des Zareupaares iu Breslau. Breslau, 5. September abends. Weltgeschichtliche Luft weht durch die Straßen und über die Plätze Bres laus. Auch strahlte wohl noch niemals die alte Ober stadt in einem solchen Fcstesglanze, wie gestern und heute. Die Begeisterung der Bürgerschaft ist in jenen denkwür digen Februar- und Märztagen des Jahres 1813 natür lich größer gewesen als gegenwärtig. Aber schöner und prächtiger ist die Stadt bisher nicht geschmückt worden. Zum ersten Male hat heute das russische Zarenpaar seit der Krönung in Moskau deutschen Bnden betreten, auf das herzlichste und wärmste vom deutschen Kaiserpaare begrüßt. Auch mit dem Empfange, den die Stadt Bres lau und die Provinz Schlesien dem Kaiser Nikolaus und der Kaiserin Alexandra bereitet haben, kann das Zaren paar sehr zufrieden sein. Die Bevölkerung Breslaus war heute früh außerordent lich zeitig aufgeslanden. Schon um halb sechs Uhr be gannen sich die Straßen in der Nähe des Bahnhofs zu füllen. Die gewöhnlichen Eisenbahnzüge, wie die Vor- und Sonderzüge brachten in den ersten Morgenstunden noch immer Tausende und Abertausende von Menschen, obschon die letzten Tage zuvor nach einer oberflächlichen Schätzung weit über Hunderttausend Fremde in Bres laus Mauern eingetroffen waren. Von sechs Uhr mor gens ab sammelten sich die Massen schon vor dem neuen Landeshause, wo Alles zum Empfange des jungen Zaren paares auf das eleganteste und vornehmste hergerichtet ist. Es wird auf das Bestimmteste versichert, daß die baulichen Umänderungen im Landeshause, welche sich in Folge des Aufenthalts des russischen Herrscherpaares für nothwendig erwiesen hatten, 300,000 Mark gekostet haben sollen. Zahlreiche Zwischenwände in den verschie densten Stockwerken mußten weggenommen, eine Anzahl Thüröffnungen geschloffen, neue Thürausgänge geschaffen werden usw. Doch treten wir unsern Nundgang an. Vor der Front des Landcshauses hat über ein Dutzend Breslauer Schutzleute Aufstellung genommen und am Portale wie an den oberen Stufen des Treppenaufgangs zeigen sich eine Reihe Lakaien in dunkelblauem Frack, mit Treffen und blanken Knöpfen, mit rother Weste, gleichfarbigen Beinkleidern und weißen Kniestrümpfen. Diese Lakaien sind von ihrer „hohen" Stellung sichtlich sehr durch drungen und blicken auf das Publikum mit größter Her ablassung. Auch eine Reihe Zimmermädchen erscheinen noch mit Bürsten, Besen und Staubwedeln, um die Treppen-Teppiche zum letzten Male zu reinigen. An den Fenstern des hohen Erdgeschosses werden mehrere Diener sichtbar, die in — Hemdsärmeln noch überaus emsig putzen, bürsten usw. Aus dem Publikum heraus ertönt eine Frauenstimme: „Na die haben's wohl eben erst er fahren, daß der Zar und die Zarin kommen und nun fangen sie an zu putzen!" Die Umstehenden brechen in lautes Gelächter aus. Gegen halb sieben Uhr wird es in den Straßen in der Nähe des Landeshauses außerordentlich lebendig. Berittene Schutzleute sprengen die Straßen auf und nieder. Ueberall nehmen Schutzmannspatrouillen Ausstellung, Or donanzen jagen durch die Straßen, Offiziere aller Truppen gattungen mit ordenübersäeten Uniformen zeigen sich zu Pferd und in Wagen und Truppen der verschiedensten Waffengattungen ziehen in der Richtung nach dem Bahn hofe. Auch die Kriegervereine aus allen Theilen Schle siens rücken mit Fahnen und Musik heran. Jetzt kommt auch eine Compagnie des Grenadier-Regiments Kronprinz Friedrich Wilhelm (2. schlesisches) Nr. 11 mit der Regi mentsmusik und der Bataillonssahne. Diese Compagnie wird als Ehrenwache auf dem Bahnsteige bei der An kunft des Zaren fungiren. Husaren und Dragoner reiten heran, um links vom Fürstenportale des Bahnhofs Aus stellung zu nehmen. Es ist dies je eine Eskadron des 1. westfälischen Husarenregiments Nr. 8 und des 2. Gardedragonerregiments Kaiserin Alexandra. Nunmehr erscheint auch das Kaiser Alexander Gardegrenadierregi ment Nr. 1 mit den traditionellen hohen Blechmützen, um vom Bahnhof bis zum Landeshause Spalier zu bil den. Punkt 7 Uhr werden die Straßen, d. h. der Fahr damm, für Wagen und Fußgänger gesperrt und die Menschenmaffen drängen sich auf den Trottoiren hinter den Spalier bildenden Truppen zusammen. Stühle und Bänke werden auf die Trottoirs gestellt, damit das Pu blikum soviel als möglich sehen kann. An allen Fenstern bis hinauf zur letzten Bodenluke zeigt sich Kopf an Kopf. Die glatten oder niedrigen Dächer des Oberschlesischen Bahnhofsgebäudes sind mit Schaulustigen dicht besetzt. In schneller Reihenfolge bieten sich nun dem Auge glänzende und farbenprächtige Bilder dar. Die Flaggen wehen im frischen Morgenwinde, die Helme und Unifor men blitzen in der Sonne, die Federbüsche der Offiziere und Soldaten, ebenso die Fähnchen an den Lanzen der Husaren flattern, Trommeln und Pfeifen ertönen, das Ohr vernimmt laute Commandoworte, mit gezückten Säbeln reiten und schreiten die Offiziere auf und ab und die Hälse der Zuschauer werden — um frei nach Wipp chen zu reden — länger und länger. Durch die breite Fahrstraße erfolgt die Auffahrt der Equipagen. Karosse auf Karosse, Wagen auf Wagen rollt heran. Bewun dernd betrachtet das Publikum die goldstrotzenden Uni formen der darin sitzenden Offiziere und Generäle. Auch zahlreiche russische Uniformen werden sichtbar. Eine Hof equipage folgt der andern. Als zwei mit 6 Pferden bespannte Gala-Equipagen dem Bahnhofe zurollen, in denen die beiden Kaiserpaare die Einfahrt in die Stadt unternehmen werden, geht ein lang gedehnter Ruf des Erstaunens und der Bewunderung durch die Massen, die sich übrigens musterhaft verhielten. Auch die übrigen vierspännigen und zweispännigen Hofequipagen werden mit sichtlichem Interesse betrachtet. Abermals ertönt Huf schlag. Kürassiere in Paradeuniform reiten in scharfem Galopp durch die Straßen, ihnen folgen braune Husaren, glänzend sind die Schabracken der Husaren-Offiziere. Das Gesammtbild, das die Helle Morgensonne bescheint, ist ein prächtiges. Alsdann rollen die verschiedenen Equi pagen heran, in denen die Spitzen der Behörden, der Reichskanzler, Minister und Botschafter mit breiten Ordens bändern und sonstige Würdenträger Platz genommen haben. Auch die hier anwesenden Prinzen und Prin zessinnen fahren in Equipagen nach dem Bahnhofe zum Empfange des Zarenpaares. Es weilen gegenwärtig hier die Prinzen Heinrich und Albrecht von Preußen (Regent des Herzogthums Braunschweig), Prinzessin Al brecht von Preußen, Prinz und Prinzessin Friedrich Leo pold von Preußen, die Prinzen Friedrich, Heinrich und Joachim Albrecht von Preußen, ferner die Prinzen Victor von Italien, Ludwig, Rupprecht und Leopold von Bayern, Prinz Georg von Sachsen, Herzog Nikolaus von Württem berg und Prinz Albert von Belgien. Der Erbprinz von Meiningen hat als Corpscommandeur bekanntlich seinen ständigen Wohnsitz hierselbst. Alle prinzlichen Herrschaften, soweit sie zum Empfange des Zarenpaares erschienen sind, werden bei der Fahrt nach dem Bahn hof von der Menge auf das sympathischste begrüßt, be sonders lebhaft aber das Kaiserpaar, sowie Prinz Hein rich. Den Kaiser kleidet die große russische Gencrals- uniform, die er trägt, ganz außerordentlich. Auch der Prinz Heinrich, der seinem verewigten Vater immer mehr ähnelt, gefällt in der russischen Uniform dem Publikum sehr. Kurz vor neun Uhr trifft der russische Sonderzug in der Empfangshalle des Oberschlesischen Bahnhofs ein. Die Wagen haben etwa dieselbe Größe und auch die gleichen nicht großen Fenster wie die Wagen des Sonder zuges unseres Kaisers. Während aber die letzteren creme farben und blau sind, ist aber der Anstrich bei den kaiserlich russischen Wagen dunkelgrün mit braun. Die Aufgänge zu den russischen Wagen sind mit eleganten Geländern versehen. Ueber den Empfang selber hat ja bereits der Telegraph ausführlich berichtet. Die Klänge der russischen Nationalhymne („Gott sei des Zaren Schutz"), welche beim Frontabschreiten seitens der beiden Kaiser ertönen, werden von dem Publikum auf dem Bahnhofsplatze deutlich vernommen. Die Soldaten des Kaiser Franz-Grenadierregiments, welche schon vorher das Bajonett aufgepflanzt hatten, bilden nunmehr, nachdem die Commandos erthcilt, vom Ostportale bis zur Garten straße zwei schräge und von der Gartenstraße bis zum neuen Landeshause zwei schnurgerade Linien. Plötzlich ertönt das Commando „Achtung, präsentirt das Gewehr!" Die Escadron des ersten westfälischen Husarenregiments Nr. 8 sprengt durch die Feststraße und nun zeigt sich der mit 6 Rappen bespannte Hofwagen, in dem der Zar und ihm zur Linken Kaiser Wilhelm sitzt. Der Zar trägt die Uniform des Alexanderregi- ments. Der Wagen mit den beiden Kaisern, die sich außerordentlich eifrig unterhielten — der Zar sah sehr ernst aus und begrüßte die Menge nicht so häufig wie der Kaiser — fuhr über den Bahnhofsplatz und über die Gartenstraße verhältnißmäßig langsam. Hochs und Hurrahs ertönten dabei ununterbrochen. Dann folgte der eben falls sechsspännige Hofwagen der beiden Kaiserinnen, die vom Publikum ebenso stürmisch begrüßt wurden. Die Zarin trug ein weißseidenes Kleid mit Silberbrocat, die Kaiserin ein rosaseidenes und ein Capothütchen in Rosa. Nun kommen schon schneller all die prinzlichen Herr schaften angefahren, dann die lange Wagenreihe mit den