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tigtcn zweiten Factor als Rechtsnorm anerkannt wird. Ergeht im Reichstage kein Widerspruch und zwar in einer den Reichstag als solchen bindenden Form, so ist die zu einem Reichsgesetze erforderliche Uebereinstimmung beider Versammlungen constatirt, und damit das fertige Gesetz, das auch den Richter ohne Weiteres bindet. Nach dem Vorstehenden ist es wenig wahrscheinlich, daß der Berliner Bäckermeister König, der die Verordnung absichtlich übertrat, um von der Polizei ein Strafmandat zu erhalten, gegen das er die gerichtliche Entscheidung anrufen wird, bei der Beschreitung des Instanzenweges Erfolg haben wird. Zu der phantastischen Nachricht, der Großh echog von Baden solle an seinem 70. Geburtstage zum Könige ausgerufen werden, und da Baden allein als Königreich zu klein erscheine, so solle ihm Elsaß-Lothringen zuertheilt werden, bringen die „Berliner N. N." eine Erklärung, die man auf den Fürsten Bismarck zurückführen will. ES heißt darin: Wollte Großherzog Friedrich sich in seinem 70. Fahre noch den Königstitel zulegen, um statt deS ersten der deutschen Großherzöge der letzte der deut schen Könige zu sein, so würde da» im Wesentlichen nur die dadurch betroffene badische Civilliste angehen. Eine Zutheilung von Elsaß-Lothringen aber widerspräche der Reichsvcrfassung, sowie dem Einverleibungsgesetz und würde überdem eine Minderung der Machtstärke des Kaisers bedeuten, die nicht im nationalen Interesse liegt. DaS Reichsland bildet an der stets gefährlichen West grenze einen starken Schutzwall; eine badische Provinz Elsaß würde einen solchen Schutzwall nicht nur nicht mehr darstellen, sondern in Zeiten politischer Schwäche und Bedrängniß die Gefahr, das Elsaß wieder an Frankreich zu verlieren, wesentlich erhöhen. Darum kann ein sür allemal davon nicht die Rede sein. Straßburg ist der Schlüssel zu unsrem Hause, sagte Bismarck zu Jules Favre, und dieser „Schlüssel zu Deutschland" muß selbstverständlich in den Händen deS Reiches bleiben. In Sachen des Einjährig-Freiwilligen-Dienstes der Volksschullehrer hatte die „Preuß. Lehrer-Ztg." jüngst berichtet, daß bisher noch kein einziges preußisches Seminar den „Berechtigungsschein" wirklich ertheilt habe, trotzdem schon seit längerer Zeit sowohl im Militär- Verordnungsblatt die Namen der sämmtlichen preußischen Seminare als Anstalten publizirt seien, die ihren Abi turienten die Berechtigung zum Dienste als „Einjährig- Freiwillige" ertheilen, und auch das Centralblatt für die gesammte Unterrichtsverwaltung eine gleiche Veröffentli chung gebracht habe. Dazu bemerkt die „Nordd. Allg. Ztg.": Die Seminare ertheilen überhaupt keine Berech tigungsscheine, sondern nur Abgangszeugnisse. Auf Grund der letzteren ertheilt die bei jeder königlichen Regierung bestehenden Commission zur Prüfung für den einjährig freiwilligen Militärdienst den Berechtigungsschein auf dessen Antrag jedem, der das Abgangszeugniß des Se minars und die sonst allgemein erforderlichen Actenstücke vorlegt. Das Verfahren ist also ganz dasselbe, wie bei allen anderen Befähigungszeugnissen, die einen Anspruch zum einjährig-freiwilligen Dienst verleihen. Die zweite hessische Kammer nahm mit 30 gegen 16 Stimmen die Vorlage, betr. den Staatsvertrag mit Preußen, sowie den Ankauf der hessischen LudwigS- bahn an. Der socialdemokratische Reichstagsabgeordnete Rob. Schmidt erklärte die Forderung des Achtuhrladen schlusses für völlig aussichtslos. Ueber den Stand des Lehrlingswesens in den Fabriken und den diesen gleichgestellten Anlagen lauten die Berichte der Gewcrbeaufsichtsbeamten noch immer recht ungünstig. Vor allem wird es beklagt, daß die jungen Leute, anstatt bei einem Handwerker die vor schriftsmäßige Lehrzeit abzuwickeln, sich sofort von der Schulbank weg in die Fabriken drängen, wo sie wohl sofort Bezahlung erhalten, aber nichts lernen. Eine große Reihe von Fabriken beutet die Lehrlinge nur als billige Arbeitskräfte aus. In den Spandauer Militärwerkstätten, in denen lOstündige Arbeitszeit und täglich um 6 Uhr abends er folgender Arbeitsschluß besteht, ist die Einrichtung ge troffen worden, daß an den Tagen vor den Sonn- und Feiertagen mit Ausfall der Mittagspause nur 8 Stun den gearbeitet und bereits um 2 Uhr Feierabend gemacht wird. Der Lohn bleibt der gleiche. Der freie Sonn abend-Nachmittag wird mit Rücksicht auf die Sonntags ruhe gewährt. lOefterreich-Nngorn. Der österreichische Ministerpräsident Graf Badeni em pfing eine Deputation von Industriellen, die ihm eine Beschwerdeschrift über di« wachsende socialdemokratische Agitation unter der Arbeiterschaft überreichte. Der Minister sagte eingehendste Untersuchung und unnach sichtige Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen gegen die Agitatoren zu. Frankreich. Großes Aufsehen hat der in Lille, der Hauptstadt deS Departements Nord, abgehaltene Socialistencongreß erregt. Die Gemüther der Einwohner der Stadt waren im Hinblick auf die Thatsache, daß der Bürgermeister von Lille den Socialisten einen festlichen Empfang zu gesagt hatte, durch Zeitungsartikel und Maueranschläge schon seit Wochen aufs heftigste erregt worden. Die Antisocialisten hatten den Socialisten bereits wiederholt angekündigt, daß sie sich die Schmach eines Empfanges fremdländischer Socialdemokraten nicht gefallen lassen, und daß sie es im besonderen zu verhüten wissen würden, daß Abgeordnete der deutschen Socialdemokratie den Boden von Lille profanirten. Frankreich und Elsaß-Lothringen hoch, nieder Deutschland, nieder Preußen! Das war das Losungswort, mit dem die Kundgebungen der Anti socialisten regelmäßig schlossen; ein Hoch auf Deutschland, aus diesem Munde gewiß etwas Seltenes, war der be ständige Refrain der socialistischen Manifestationen. Die fremdländischen Delegirten, einschließlich der deutschen Reichstagsabgeordneten Liebknecht und Bebel, hatten sich trotzdem nicht abhalten lasten, an dem Congreß theil- zunehmen. An dem socialistischen Festzuge wagten sich diese beiden Deutschen ja nicht zu betheiligen; einzeln und unerkannt begaben sie sich in das Haus des Bürgers meisters. Der Festzug der Socialisten vollzog sich nicht ohne mancherlei Hindernisse, Schimpfworte und Droh ungen der Antisocialisten gaben das Zeichen zu wilden Ausschreitungen, zu deren Unterdrückung sich die Gen darmerie völlig außer Stande erwies. Die rothe social demokratische Fahne wurde dem Fahnenträger entrissen und zerfetzt. Mit Steinen und Stöcken wurde den Socialisten übel mitgespielt. Mehrere derselben wurden erheblich verletzt, auch von den Manifestanten wurden mehrere verwundet. 15 Verhaftungen wurden vorge nommen. Bei dem Maire fand ein Ehrentrunk statt, Liebknecht hielt dabei eine Ansprache, in der er für die liebevolle Aufnahme durch die Bevölkerung dankte. Heim lich zur Hinterthür hinaus schlichen sich Bebel und Lieb knecht, wieder unerkannt, vielleicht verkleidet, zum Palais Romeau, woselbst das Volksbankett stattfand; die fran zösischen Socialisten mit den übrigen Delegirten marschirten unter dem Schutze der Gendarmerie im Zuge ebendort- hin. Bei dem Bankett hielt Bebel eine Rede, in der er darauf hinwies, daß er wegen feines Protestes gegen die Annection Elsaß-Lothringens im Jahre 1871 mit 2 Jahren Gefängniß bestraft worden sei. Trotzdem mußte er wie sein Freund Liebknecht, der sich so gern oen Franzosen im Reichstag nennt, auf Schleichwegen in ihr Absteigequartier gebracht werden, denn wenn sie erkannt worden wären, so wären sie schwerlich mit dem Leben davon gekommen; heillose Prügel hätte es auf alle Fälle gegeben. Die Zahl der Personen nämlich, welche sich an den Kundgebungen gegen die deutschen Delegirten betheiligten, wird auf wenigstens 20,000 angegeben. Wie ein Pariser Blatt wissen will, hat Lihungtschang in Frankreich mehrfache Bestellungen gemacht und ein Uebereinkommen dahin getroffen, daß die Ausbiloung der chinesischen Kavallerie, Infanterie und Marine durch fran zösische Offiziere ausgeübt wird. Außerdem solle der Schutz der Christen in China wieder auf Frankreich übergehen. Bestätigung bleibt abzuwarten. Gnglaad. Mit den bisherigen Erfolgen im Matabelekriege ist man in London nichts weniger als zufrieden. Man glaubte die Eingeborenen mit dem ersten Angriff zu Paaren treiben und unterdrücken zu können; dagegen gewinnt es jetzt den Anschein, daß sich die Matabele ihrerseits zum Angriff rüsten. Allerdings wurde der erste Vorstoß zurückgeschlagen, wobei aber auch die Eng länder nicht unbedeutende Verluste erlitten. In London verhehlt man sich nicht mehr, daß der Krieg noch recht lange dauern könne und befürchtet, General Carrington könnte bald Mangel an Truppen leiden. Der Ent sendung von Verstärkungen bereitet die Verproviantirungs- frage Schwierigkeiten. Die Sachlage ist für England offenbar äußerst ungünstig. In den gegen ihn geführten Proceß erklärte Or. Jameson, daß er mit der von ihm angeworbenen Truppe die Buren überrumpeln wollte. Im Uebrigen hat der Proceß, der sich mehr als langsam vorwärts bewegt, bisher nichts Bemerkenswcrthe« gebracht. Rußland. Der Zar krankt an Gelbsucht; es ist wahrscheinlich, daß er deshalb eine Kur in Karlsbad gebrauchen wird. Ueber die Zeitfrage des Kurgebrauchs sind noch keine Bestimmungen getroffen. Beim Besuche des ZarcnpaareS in Wien wird die Kaiserin Elisabeth persönlich die Honneurs machen. Türkei. Die Lage auf Kreta ist unverändert. In Konstan tinopel haben in Sachen des kretensischen Aufstandes lange Ministerberathungen stattgrfunden. Die Vertreter der Mächte erbaten von ihren Regierungen weitere Ver- haltungSanweisungen. Außergewöhnliche Metzeleien haben nicht stattgcfunden. Aus dem Muldenthale "Waldenburg, 25. Juli. Wie nachträglich bekannt wird, schlug am Mittwoch Nachmittag der Blitz in Grün feld in der Nähe des Mausoleums in eine alte, zwei Meter im Umfang messende Eiche. An beiden Seiten sind die Spuren deS Blitzschlags bemerkbar; dabei hat der Blitz Stücke Holz von ungefähr 10 Kilo im Ge wicht 30 bis 40 Meter weit geschleudert. *— Es ist ebenso gefährlich im Sommer die heiße, mit Miasmen und Staubtheilchen übersättigte Luft direct durch den Mund einzuathmen, wie im Winter vieles Sprechen auf der Straße und die Unsitte der Mund- athmung die eigentliche Ursache mancher Erkältung der Luftwege ist. Der Mund hat die Nahrungsaufnahme zu vermitteln und die Sprache zu gestalten, zur Athmung ist aber nur die Nase bestimmt, welche in gleichvollendeter Weise von der Natur für die hinstreichende Luft als Reinigungs- und Wärmeapparat eingerichtet ist. Wie ein Filter ergiebt die Nase in Folge ihres inneren Baues und während sich auf den Muscheln, deren je 3 in jeder Nase angebracht sind, aller Schmutz und Staub nieder schlägt, so daß die Luft wesentlich gereinigt in die Lungen tritt, wird andererseits durch dieses Arrangement eine sehr große Schleimhautfläche erzielt,deren reichlicheBlutgefäße im Falle der Kälte die Luft auch genügend erwärmen. Darum haben wir im Sommer so häufig eine unangenehme trockene Nase, entstanden durch die sich zu Krusten vereinigenden Staubpartikelchcn, im Winter dagegen den Schnupfen, wel cher bei der großen Erkältungsmöglichkeit der Nasenschleim haut nur zu erklärlich ist, ja sogar als eine Wohlthat aufgefaßt werden kann, da der kalte Luftzug, der ihn hervorrief, leicht im Halse und der Lunge bei directer Einathmung viel schwerer wiegende Folgen gehabt haben könnte. * — DaS beste Conservirungsmittel für Fruchtsäste ist Paraffin. Eine dünne Decke desselben schützt alle Dick- säste und Gelsejorten am besten vor dem Schimmeln. Man läßt das Paraffin auf dem Feuer zergehen und gießt vorsichtig so viel davon über den erkalteten Saft, daß sich eine dünne Decke bildet. Diese erhärtet sofort und bietet einen so vorzüglichen Schutz gegen das Ein dringen der Luft, daß die Behälter nur noch mit Papier überbunden zu werden brauchen. Will man vas Gelüe gebrauchen, so hebt man den Paraffindeckel ab; hat man mehrere beisammen, so schmilzt man sie zu einer Masse ein und kann sie von Neuem zu gedachtem Zwecke ver- wrrthen. * — Alle Obstzüchter machen wir darauf aufmerksam, daß das abgefallene unentwickelte Obst behufs Tödtung der im Obst befindlichen Larven vernichtet werden muß, und daß e- an der Zeit ist, Klebgürtel zum Abfangen der Raupen u. s. w., besonders um die Kernobstbäume zu legen. Die Gürtel müssen aus gut geleimtem Papier hergestellt und oben wie unten möglichst fest an den Stamm angebun den sein, worauf das Bestreichen mit dem Klebstoff erfolgt. * — Aus Anlaß der bereits stattfindenden kleineren und der bevorstehenden großen Herbstübungen wird darauf aufmerksam gemacht, daß auf eine sichere, unverzögerte Beförderung der an die Offiziere, Beamten und Mann schaften der manöverirenden Truppen gerichteten Postsen dungen nur dann zu rechnen ist, wenn dieselben eine genau- und deutliche Aufschrift tragen. Zur genauen Aufschrift gehört außer Angabe des Namens und des Dienstgrades des Empfängers die Bezeichnung deS Trup pentheils — Regiment, Bataillon, Compagnie, Escadron, Batterie, Colonne rc. — und was besonders wichtig ist, die Angabe des ständigen Garnisonsortes des Empfän gers. Nur wenn der letztere auf den Sendungen ver zeichnet ist, vermögen die Postanstalten die Zuführung der Sendung an den Empfänger ohne Zeitverlust zu be wirken. Die Adressirung muß demnach so erfolgen, als ob der Empfänger die Garnison gar nicht verlassen hat. Die Angabe „im Manöverterrain" oder die Bezeichnung einer Marschquartiers als Bestimmungsort ist zu ver meiden. Besonders wird darauf aufmerksam gemacht, daß auch bei den an die Offiziere und Militärbeamten gerichteten Sendungen die genaue Bezeichnung des Trup- pentheils erforderlich ist. Sendungen auS dem Gar nisonorte selbst sind gleichfalls mit dem Garnisonorte zu bezeichnen. * — Zu den Obliegenheiten der Landbriefträger ge hört bekanntlich auch die Annahme von Postsendungen auf ihren Bestellungsgängen. Die Landbriefträger haben zu diesem Zwecke ein Annahmebuch bei sich zu führen, das zur Eintragung der von ihnen unterwegs ange nommenen Werth- und Einschreibsendungen, Postan weisungen, gewöhnlichen Packete und Nachnahmesendungen dient und nach jedem Bestellgange von einem Beamten der Postanstalt durchgesehen wird. Die Auflieferer können derartige Sendungen entweder selbst in das Annahme buch eintragen, oder die Eintragung den Landbriesträgern überlassen. Im letzteren Falle muß den Absendern auf Verlangen durch Vorlegung des BucheS die Ueberzeu- gung von der geschehenen Eintragung gewährt werden. Auf diese Weise ist Jedermann in den Stand gesetzt, bei Auflieferung einer Sendung — abgesehen von ge wöhnlichen Briesen durch Vermittelung deS Landbricfträger» deren richtige und pünktliche Weiterbeförderung von vorn herein sicher zu stellen. Postanweisungsbeträge nehmen die Landbriefträgcr übrigens nur dann entgegen, wenn ihnen gleichzeitig das ordnungsmäßig ausgefüllte Formular zur Postanweisung mit übergeben wird. — Auf entsetzliche Weise büßte die Frau deS Schneider meisters D. in Rochlitz ihr Leben ein. Die etwas geistesschwache, bedauernswerthe Frau kam in der Nacht zum Donnerstag, als sie mittels Spiritus Kaffee kochen wollte, den Flammen zu nahe und wurde im Augenblick zur lebendigen Feuersäule. Mit Mühe gelang es ihrem