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Um den beiden ältesten Söhnen des Kaisers Vor träge über Kaiser Wilhelm I. zu halten, weilt der Geschichtsprofeffor Or. W. Oncken aus Gießen gegen wärtig in Plön. Zu den Vorträgen erscheinen außer den Prinzen und ihren Erziehern die 150 Kadetten, so wie die Lehrerschaften des Kadettenhauses und des Gym nasiums mit ihren Familien. Prinz Ludwig von Bayern ist in Berlin angekom men und beehrte Dienstag Vormittag den Reichskanzler mit einem längeren Besuch. Abends gab Fürst Hohen lohe zu Ehren des Prinzen ein größeres Essen, dem außer der bayerischen Gesandtschaft und den Bundesraths- bevollmächtigten, die Staatsminister, die Chefs der kaiser lichen Civil- und Militärcabinets beiwohnten. Im preußischen Handelsministerium zu Berlin hat am Dienstag die Uebernahme der Geschäfte durch den neu- ernannten Ressortchef Exzellenz Brefeld stattgesunden. Der bisherige Minister v. Berlepsch verabschiedete sich in längerer Rede von seinen Beamten und bat, ihm ein freundliches Andenken zu bewahren. Vom Kaiser ist dem Frhrn. v. Berlepsch anläßlich des Rücktritts mittels huldreichen Handschreibens die Büste des Monarchen ver liehen worden. Oberpräsident Graf Wilhelm Bismarck ist zum achttägigen Besuch in FriedrichSruh eingetroffen. Der neue preußische Handelsminister Brefeld ist am Montag vom Kaiser in längerer Audienz empfangen worden. Als unmittelbaren Anlaß des Rücktritts des Frei herrn v. Berlepsch aus dem Handelsministerium ist nach den „B. N. N." der Mangel eines Einverständ nisses zwischen dem Geschiedenen und dem Staatsmini sterium über den socialpolitischen Curs anzusehen. Zwi schen Herrn v. Berlepsch und den anderen Ministern be standen seit längerer Zeit tiefgehende Meinungsverschie denheiten, die sich auch auf den Fürsten zu Hohenlohe erstreckten und namentlich das zu rasche Anwachsen der socialpolitischen Gesetzgebung betrafen. In der That ist die Zahl der gewerbepolitischen Neuerungen so groß, daß sie kaum von den dadurch berührten Kreisen voll ständig übersehen werden kann. Allein die Abänderung der Gewerbeordnung hat im Laufe der letzten 25 Jahre 13 Vorlagen erfordert, von denen die weitaus umfas sendsten unter die Amtszeit des Herrn v. Berlepsch fallen. Die Führer und Führerinnen der Frauenbewegung sind mit den Beschlüffen des Reichstages, als „dem Ausdruck des einfeitigsten Männerrechts" nicht zufrieden und haben noch unmittelbar vor Beginn der dritten Plenarberathung über das Bürgerliche Gesetzbuch eine geharnischte Protestresolution an das hohe Haus ge langen lassen, in der sie besonders, entgegen den Reichs- tagsbeschlüfsen, die vermögensrechtliche Selbständigkeit der Frau, die Ausübung der elterlichen Gewalt seitens der Mutter, die Aufhebung des Ehescheidungsverbotes bei unheilbarer Geisteskrankheit und endlich die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder gegenüber dem Vater gewahrt wissen wollen. Auch über diesen Protest wird man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen können, um so weniger, als eifrige Freunde und Verfechter der in dem Protest enthaltenen einzelnen Forderungen von der Rechten bis zur radicalsten Linken im Haufe sitzen. Gegen das Verbot der Ehescheidung bei unheil barem Wahnsinn sendet einer der berühmtesten Ir renärzte Deutschlands eine Zuschrift an die „Köln. Ztg ", die an den Reichstag einen warmherzigen Aufruf im Interesse der ärmeren Bevölkeruugsschichten richtet. In der Zuschrift heißt es: Es sei einem Fachmann gestat tet, dessen Erfahrung sich über ein ganzes Menschenalter erstreckt, nochmals auf das Maß von Elend, von Sorgen und Noth hinzuweisen, das in der Aushebung jenes Paragraphen enthalten ist. Der Arbeiter, der kleine Mann muß jemand haben, der für seine Kinder Sorge trägt, der seine Haushaltung nothdürftig weiter führt; der Minister hat schon darauf hingewiesen, wie die hohen sittlichen Bedenken der Gegner in der Wirklichkeit zum Ruin der Familie und zu den unsittlichsten Beziehungen führen. Wenn man in der Lage ist, dieses Elend täg lich vor Augen zu haben und Klagen anhören zu müssen, deren Berechtigung man zugestehen muß, dann wird man die Empörung begreifen, die den Kenner der Verhält nisse bei der Nachricht von der Streichung des Z 1552 erfassen mußte. Bei der gestrigen Reichstagsersatzwahl in Halle erhielten Kunert (Soc.) 15,320, Alexander Meyer (lib.) 7060, Arndt (allgem. Ordn.-Part.) 3474, Kühne (ver ein. cons. Part.) 3683 Stimmen. Es fehlen noch 22 Landbezirke von 114. Kunert ist anscheinend sogleich gewählt. Li-Hung-Tschang setzte am Dienstag die Besichti gung der Krupp'schen Werke fort und äußerte, so etwas Großartiges gebe es doch wohl nirgends in der Welt. Am Denkmal des verstorbenen Geh. Rath Alfred Krupp, des eigentlichen Schöpfers der Werke, ließ Li-Hung- Tschang drei Kränze niederlegen. Am Donnerstag früh begiebt er sich über Köln nach Belgien. Türkei. Mit den von der Pforte in Aussicht gestellten Re formen sind die Kretenser durchaus unzufrieden. Sie verlangen vollkommene Selbständigkeit der Verwal tung, ebenso wie die Gleichstellung des christlichen Civil- gouverneurs mit dem militärischen Gouverneur, der Mu- hamedaner ist. In vielen Kreisen erblickt man aber ge rade in der Nebeneinanderstellung des christlichen Civil- und des türkischen Militärgouverneurs eine stets drohende Gefahr und verlangt daher die gänzliche Beseitigung des türkischen Einflusses und die Verleihung des Rechtes an den Civilgouverneur, als Chef der autonomen Landesver waltung auch die Offiziere der Miliz und der Gendarmerie zu ernennen. Man wünscht ferner, daß der König von Griechenland den Gouverneur ernenne und der Sultan ihn nur bestätige. Das letzte Ziel ist jedoch völliger Anschluß an Griechenland. So lange diese Bedingungen nicht gestellt werden, wird die kretenfische Kammer nicht zusammentreten. Afrika. Ueber den Aufstand im Maschonaland liegen sehr ernste Meldungen vor. Täglich werden mehrere Eng- Feuilleton. Bozena Matuschek. Roman von Caroline Deutsch. (Fortsetzung.) Er half Bozena auf einen der Stämme hinauf und legte das Bündel neben sie. Unterdeß waren noch die drei anderen Wagen herangekommen und die Knechte sahen mit eben solchem Erstaunen auf die merkwürdige Last, die Janek aufgebürdet worden war. Stefan ging hinter dem letzten Wagen her. Er wollte das Mädchen vor den rohen Angriffen der Knechte durch seine Gegenwart schützen, aber die Sache nicht auf die Spitze treiben, zu auffällig machen; denn jetzt dachte er daran, was ihm sein Vater gesagt: „Hüte Dich vor dem, was die Leute nicht mehr begreifen . . ." und er fand die Bestätigung gar zu deutlich in den Blicken und Mienen seiner Knechte ausgedrückt. Bozena hatte während der ganzen Fahrt weder eine Bewegung gemacht noch aufgeblickt, ja sie glitt schon eine Strecke vor ihrer Hütte vom Wagen, und an dem niedri gen Strauchwerk sich festhaltend, das wie eine Art Zaun auf einer Seite den Fahrweg begrenzte, ging sie müh sam weiter. Als der junge Mann an ihr vorüberkam, dankte sie mit keinem Wort; aber ein Blick aus den großen Augen traf ihn, der ihn merkwüreig tief berührte. * * * So wie Stefan in jener Nacht, als ihn sein Vater in seine Pläne einweihte, der Schlummer floh, so fand er auch in dieser keine Ruhe und keinen Schlaf. Jetzt waren es aber Bilder und Gedanken, die ihn beschäftigten. Sie sah er und wieder sie, wie sie im Walde war, vor dem kleinen Mädchen stand, dann wieder vor dem Steg am Bache ... Er sah die großen Augen flammen, den leidenschaftlichen, finsteren Zorn aus ihrem Antlitz. . . . Ein herrenloser Gegenstand ohne Ehre, ohne Würde, ein werthloser Lappen, den jeder ungestraft in den Koth treten darf .... Dann zog es wieder wie ein warmes Leuchten über ihre Züge und er hörte die tiefe Stimme fast mit Andacht sagen: „Dies Kind verhütet, daß mein Herz nicht ganz in Haß untergeht, dies Kind ist für mich die Stimme der Versöhnung aus all dem wüsten Lärm des Haffes, der Verfolgung, für dies Kind könnt' ich sterben. . . ." War es möglich, das sie einen brutalen Mord be gangen ? Einen Mord wegen eines elenden Tuches, wegen einer paar Handvoll Heu, die ihr vorenthalten worden? Konnte ein Staubkorn solch Unerhörtes, Un geheures Hervorrufen?! Eine Geringfügigkeit und ein Todtschlag, ein Mord war gescheh'n!! Und wenn sie es im Zorn gethan? Im Zorn, das war möglich, das hatten ja auch die Gerichte angenommen, das hatte sie selber ausgesagt. Ihre Natur schien nicht leicht, nicht ruhig, sondern von verhaltenem Feuer erfüllt . . . Aber ein Zorn, der zum Morde führt wegen einec solchen Geringfügigkeit!! Nein, nein, nicht möglich, schrie es wiederum in seiner Seele; auch seine Lippen riefen es laut, daß er sich scheu und erschrocken im Bette aufsetzte und um sich blickte. Still und groß sah der Nachthimmel zu ihm durch das Fenster herein und in ewiger Klarheit flimmerten die Sterne am stahlgrauen Hintergrund; sie brachten aber keine Ruhe in Stefans gequältes Herz. Was war der ungeheuren That vorangegangen und wo lagen die Fäden dieses Verhängnisses? Wer konnte ihm Klarheit darüber geben? Die Leute im Orte er zählten sich das, was sein Vater ihm gesagt, und diesen . . . . konnte er über diesen Punkt nicht befragen, selbst wenn er mehr wissen sollte. Er kannte ja seine Auf regung, wenn dieser traurige Gegenstand erwähnt wurde. Das Mädchen selber befragen? ... Ec fühlte, daß er ihm aus dem Wege gehen, daß er seine Gedanken los reißen müsse, wenn er nicht — namenloses Elend über sich bringen wollte. Denn wohin sollte alles führen? . Ob schuldig oder nicht schuldig, der Kreis des Lebens war für sie abgeschloffen. Sie hatte einen Mord be gangen, sie hatte im Zuchthause gesessen. . . . Das war das Ende der Linie Und auch für ihn war die länder ermordet. Unter den neuesten Opfern befindet sich der Bruder Jamesons. Der Aufstand der Einge borenen dehnt sich auf die Portugiesische Niederlassung am Sambasi aus. Aus dem MuldenLhate Waldenburg, 1. Juli. In der letzten Plenar sitzung der Handels- und Gewerbekammer zu Chemnitz am 25. Juni kam das Rundschreiben der Kammer über die Offenhaltung der Läden an Sonn- und Festtagen, das auch dem hiesigen Gewerbeverein zur Beantwortung vorgelegen, zur Berathung und Beschlußfassung; die Kammer sprach sich dahin aus, daß am ersten Weih- nachlsfeiertage im Handelsgewerbe die Offenhaltung mög lichst aller Geschäfte, jedenfalls aber derjenigen, welche Nahrungs- und Genußmittel, Bekleidungs- und Ausstat tungsgegenstände feilhalten, gestattet werden möchte, daß dem gegenüber dem Erholungsbedürfniß der Geschäftsin haber und Angestellten durch entsprechende Bestimmungen bezüglich der zweiten Feiertage Rechnung getragen werde. Von einem ähnlichen Beschluß bezüglich der ersten Oster und Pfingstfeiertage wurde dagegen zunächst abgesehen. Die zweite Frage des erwähnten Rundschreibens betraf die Offenhaltung der Läden an den letzten Sonntagen vor Ostern und Pfingsten in gleicher Weife wie vor Weihnachten; die Kammer entschied sich dahin, daß in dieser Weise je ein Sonntag vor Ostern und Pfingsten für den Verkauf freigegeben werden möchte. Die be züglich der dritten Frage, daß die Schaufenster Sonn tags auch während der Zeit unverhüllt bleiben dürfen, während welcher sie jetzt verschlossen bleiben müssen, ge machten Ausführungen beschloß die Kammer der säch sischen Regierung zur Kenntnißnahme zu unterbreiten. *— Schulbücher, mit Draht geheftet, sollen aus den Schulen verbannt werden. Verschiedene Stimmen aus Lehrerkreisen haben sich wiederholt in eingehendster Weise gegen diese Bücher ausgesprochen, so daß bereits einzelne Schulbehörden die Anwendung derartiger Bücher unter sagt haben. Die Gründe, die gegen diese Bücher vorge bracht werden, sind folgende: Die Drahtklammern haben eine geringere Haltbarkeit als Zwirn, da sie rosten und abbrechen. Es ist aber auch die Gefahr vorhanden, daß sich die Schüler an den verrosteten Klammern verletzen und Blutvergiftungen zuziehen können. *-— Infolge mehrfacher Beschwerden nimmt die Königl. Amtshauptmannschaft Glauchau Veranlassung, auf die Bestimmung in Z 35 des Gesetzes über die Ausübung der Jagd vom 1. December 1864 hinzuweisen, wonach die Eigenthürmer von Hunden dafür Sorge zu tragen haben, daß diese Thiere auf fremder Wildbahn nicht re- vieren, und bei Zuwiderhandlungen hiergegen auf An trag des Jagdberechtigten mit einer im Wiederholungs fälle zu schärfenden Geldstrafe von 1-6 Mk. zu belegen sind. Außerdem können aber Hunde, welche auf einem Jagdrevier außerhalb einer Entfernung von 500 Schrit ten vom nächsten bewohnten Hause ohne Beisein ihres Besitzers reoierend getroffen werden, von dem Jagdbe rechtigten getödtet werden. *— Von der Gemeinde Langenchursdorf ist beschlos- Linie geschlossen — Hanka hieß der äußerste Punkt. Er hatte sein Wort gegeben und mußte es halten, wenn er den Namen des Vaters retten wollte vor falscher Ver dächtigung. Auch eine Linie, die zu Ende, ein geschloffener Kreis, wo kein Stein mehr hineinzufügen und keiner heraus zunehmen war Er war doch kein Knabe mehr; er war ein Mann, dem es nicht gleich sein konnte, ob sein Fuß auf verdeckten Abgrund oder auf festen sicheren Boden trat! .... Und Stefan legte sich nieder und schloß die Augen mit einer Bewegung, als sei für immer alles abgethan. Aber hinter den geschloffenen Lidern drangen sie hervor, die Bilder, die Gedanken, noch rastloser, noch unauf haltsamer, wie ausgestörte Vögel in einem finsteren Raume. . . . Was sie wohl mit dem schwer verletzten Fuße so allein und ohne Hilfe anfing? Und schwer verletzt mußte er sein, das hatte er an ihrem Schmerz gesehn? auch von einem verletzten Arm hatte sie gesprochen. Und so allein, so verlassen! Ein Thier war besser daran als sic. Wer nimmt sich eines hilflosen Thieres nicht an? Sie konnte vor den Augen der Menschen zu Grunde gehen und keiner rührte einen Finger zu ihrer Hilfe. Er hatte es ja heute gesehen an dem Unmuthe seiner Knechte, an den scheuen, fast erschreckten Blicken, mit denen sie ihn betrachteten. . . . Was war die Ursache dieser unerklär lichen Herzenshärte, dieser Strenge, die nicht heftiger, nicht maßloser fein konnte, wenn jeder sein eigenes, ge schädigtes Recht vertreten würde? . . . War es das Ungeheure der That, oder — weil es seinen Vater be troffen, ihn, die angesehenste, geehrteste Person im Orte?! Ja, der Name feines Vaters war das erhöhte Gewicht an ihrer Schuld, das die Schale ganz zu Boden drückte. So graute der Morgen und Stefan stand auf; er hatte in dieser Nacht kein Auge geschloffen. Halbangekleidet ging er nach dem Hof, um am kühlen Brunnen sich zu waschen, Kopf und Hals am frischen Wasserstrahl zu erquicken und dadurch das innere gestörte Gleichgewicht wieder herzustellen. (Fortsetzung folgt.)