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^efterreich-Uugsru. Die antisemitischen Excesse der Wiener Studen tenschaft haben theilweise einen geradezu ernsten Charakter angenommen. Bei einem Tumulte in der Universitäts- Aula wurden der Oberpedell, sowie ein Rectoratsdiener durch Faustschläge und Fußtritte von den Studenten nicht unerheblich verletzt, so daß strengere Maßregeln gegen die brutalen Ausschreitungen gefaßt werden mußten. Die Ausschreitungen ereigneten sich, trotzdem der Rector die Studentenschaft unter der Androhung, die Universität so fort zu schließen, zu dem Versprechen verpflichtet hatte, auf Herstellung der Ordnung hinzuwirken. Der Kaiser hat dem antisemitischen Bürgermeister von Wien Strohbach seine Bestätigung ertheilt. Damit hat der Kaiser auss Neue bekundet, daß er die Antise miten als Partei anerkenne, und daß für die Nichtbe stätigung Luegers lediglich persönliche Fragen bestimmend waren. Frankreich. Der ganz plötzlich erfolgte Beschluß des Präsidenten Faure, die russische Kaiserin-Mutter bei ihrer Ab reise aus Frankreich zu begrüßen, wird von den Pariser Blättern begreiflicherweise warm anerkannt; man erblickt in dem Entschluß allgemein einen ebenso vaterländischen wie feinfühligen Einfall. Im Orleanistenlager dauert der Zwiespalt an und tritt immer deutlicher zu Tage. Ein der Familie Orleans nahe stehendes Blatt tadelt den Prinzen Heinrich wegen feines politischen Hervortretens und versichert, daß dessen Vater und Großoheim diese Haltung aufs schärfste ver- urtheilen. Da der Prinz übrigens im Lande umherreist, um Volkskundgebungen hervorzurufen, so wird er von der Negierung aufmerksam bewacht. Italien. In Rom verlautete gerüchtweise, daß aus Afrika schlimme Nachrichten bei der Regierung eingelausen waren. Es fand auch eine Ministerconferenz statt, in der angeblich die Meldungen des italienischen Expeditions führers in Afrika, Baldissera, zur Besprechung gelangten. Wie viel Wahres an diesen Gerüchten ist, entzieht sich vorläufig noch der Oeffentlichkeit. Seit Rudini das Staatsruder in Händen hält, will man von einer Annäherung Italiens an Rußland bemerkt haben, die sich auch bei den Verhandlungen mit Menelik gezeigt habe. Man behauptet, daß die Einflüsse Rußlands auf Menelik Italien gute Dienste geleistet hätten. So unbedingt wahrscheinlich klingen diese Ver muthungen und Angaben nicht, zumal die Frage offen bleibt, um welche Gegenleistung Italiens an Rußland es sich hierbei handeln könnte. Wngla»d. Der englische Colonialminister Chamberlain sieht ein, daß er sich jüngst blamirt hat, als er seinen getreuen Premierminister in Capland, Cecil Rhodes, ein so glänzen des Zeugniß ausstellte. Er will damals falsch verstanden worden sein. Er schlägt jetzt dem Präsidenten der Transvaal-Regierung Krüger gegenüber einen sehr freund schaftlichen Ton an und bestreitet, daß die Regierung in London die Direction der Chartered-Company oder speciell Cecil Rhodes in ihren besonderen Schutz genommen habe. Feuilleton. Eine vornehme Frau. Roman aus der Neuzeü von Karl Warrenburg. (Fortsetzung.) Sie hielt inne, überwältigt von innerer Erregung, mit hochklopsendem Herzen, die Wangen geröthet, die Augen glänzend. Sie schien eine Antwort Lindens zu erwarten. Als dieser stumm blieb, bewegt von den widerstrebend- stcn Empfindungen, fuhr sie fort: „Derselbe falsche Stolz, der Sie vor Jahren schweigen ließ, der Ihnen nicht erlaubte, Mißverständnisse aufzu klären, leitet auch jetzt Sie wieder. O, Sie sind grau sam, höchst grausam!" Die Kraft verließ sie, sie drückte die Hand gegen das Gesicht und brach in Thräncn aus. Auch Klärchen begann zu weinen, während Linden stumm, den Blick finster zu Boden geschlagen, vor ihr stand. Es ist wirklich eine Thatsache, daß jener moralische Muth, der einem Vorurtheil Widerstand leistet, seltner gefunden wird, als der physische, welcher sich ruhig einem Degen oder einer Pistole gegenüber stellt. Und wenn Victor auch auf seiner politischen Lauf bahn hinlängliche Beispiele moralischen Muthes gegeben hatte, wenn er dem Zorn der Mächtigen getrotzt hatte, wenn er zu den unerschrockensten Vertheidigern der Volks freiheit gehörte und im Kampfe für diese vor keinem Hinderniß zurückgebebt war, so lag in diesem Falle die Sache anders. Schon der bloße Gedanke daran, für feig gehalten zu werden, trieb ihm das Blut nach den Wangen. Außerdem brannte im Hintergrund seines Herzens ein Feuer des Haffes gegen den Baron von Portheim, er fühlte das Verlangen in sich, an diesem Manne das zu rächen, was er an Adele und Clotilde verbrochen hatte. Dagegen aber der Gedanke an sein Kind, an sein Und warum diese Wandlung? Herr Chamberlain hofft auf diesem Wege den weitesten Straferlaß der ver- urtheilten Mitglieder des fogenannten Reformcomitees zu erreichen. Und in der That scheint er seine Absicht erreichen zu wollen, denn es verlautet jetzt mit Bestimmt heit, daß der beabsichtigte Gnadenerlaß Krügers beinahe einer gänzlichen Freisprechung gleichkomme. Siuflkand. Kaiser Nikolaus scheint dem Geiste der religiösen Unduldsamkeit, der die vorige Regierung kennzeichnete, abhold zu sein. Er hat sich wiederholt gegen Ver folgung Andersgläubiger durch fanatische orthodoxe Priester ausgesprochen. Jetzt läuft in eingeweihten Kreisen eine Aeußerung von ihm um, die er that, als ihm jüngst eine Anzahl von Bittschriften der unter der vorigen Regierung stark gedrückten unirten Polen vorgelegt wurde. Er sagte da: Es ist wirklich an der Zeit, auch in Rußland an Gewissensfreiheit zu denken! So macht sich denn auch anläßlich der bevorstehenden Krönung eine ganz eigen- thümliche Strömung in einem Theile der russischen Presse bemerkbar. Es wird nämlich die Einstellung der Ver folgung Andersgläubiger im Reiche verlangt und gerade von Seiten, die dem Czaren nahestehen. Es scheint, daß der Einfluß des fanatischen Vrokurators des Heiligen Synod Pobjedonoszew gebrochen werden soll, der ohne dies stark erschüttert ist, und dazu braucht der Czar die öffentliche Meinung. Die Tage des unter Alexander HI. noch allmächtigen Kirchenfürsten scheinen demnach gezählt zu sein. Aus dem Muldenthale "Waldenburg, 18. Mai. In Oberwinkel wurde vor zwei Tagen abermals ein nächtlicher Einbruch ver übt. Diesmal stiegen die Diebe mittels einer Leiter in den geschloffenen Hof des Gutsbesitzers F. Da das Vieh unruhig wurde und in Folge dessen die Bewohner erwacht sein mochten, gelang es den Einbrechern nur, einen Sack Kartoffeln mitzunehmen, den sie übrigens auf der Dorsstraße stehen ließen, nachdem sie erkannt haben dürften, daß sie zerschnittene Samenkartoffeln erwischt hatten. Die Situation fängt allmählich an, für die Bevölkerung, insbesondere für die Oberwinkler Nachbarn recht ungemüthlich zu werden. *— Am gestrigen Sonntag fand in hiesiger Kirche die feierliche Einweisung des Herrn Diaconus I*. Hein rich Walter durch Herrn Superintendent Weidauer aus Glauchau beim Vormittagsgottesdienste statt. Nachdem die Herren Geistlichen in Begleitung der Herren Kirchen vorstandsmitglieder von Waldenburg und Schwaben das Gotteshaus betreten, begann die Feier mit Gesang des Liedes: „Komm heiliger Geist, Herre Gott", woraus Herr Oberpsarrer Harleß die Eingangs-Liturgie hielt. Alsdann vollzog Herr Superintendent Weidauer den Act der Einweisung und legte, von der Bedeutung des Sonntags Exaudi ausgehend,dem neu Einzuweisenden wie der zahlreich versammelten Gemeinde in herzerhebender Ansprache das Gotteswort Offenb. Joh. 3, 14: „Das sagt Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge" aus, auf Grund desselben die Aufgabe, den Reichthum und den Trost des evange lischen Predigtamts darstellend. Darauf nach vollzogener Klärchen. Wenn ein unglücklicher Zufall ihn fallen ließ, so war die Kleine eine Waise, stand allein in der gro ßen, weiten Welt. Die Hand gegen die Stirne gepreßt, ging er mit raschen Schritten einige Minuten aus und nieder. Clotilde war indessen wieder ruhig geworden, sie trock nete ihre Thränen und suchte Klärchen zu beruhigen. Sie sah, wie Victor litt, wie der Kampf, der in seinem Innern tobte, ihn erschütterte. Sie ließ das Kind sanft vom Arme auf den Boden gleiten und berührte leicht Lindens Schulter. „Victor", begann sie . . . Es war das erste Mal, daß sie ihn wieder bei seinem Vornamen nannte, „Vic tor", sagte sie in leisem aber bestimmtem Tone, „wollen Sie mir ein Versprechen geben?" Er sah sie mit einem zweifelnden Blicke an. „Ich verlange nicht viel ... Ich will nur, daß Sie mir versprechen, sich bis morgen um diese Stunde nicht mit dem Baron Portheim zu schlagen, wollen Sie das?" Sie streckte ihm bittend ihre kleine, weiße, zitternde Hand entgegen . . . Er besann sich einen Moment. Dann legte er seine Rechte in die ihrige und antwortete. „Gut denn. Bis morgen . . ." Man sah es ihm an, daß er etwas erleichtert aufathmete, der Gedanke an Klärchen hatte den sonst muthigen Mann das Herz zusammengeschnürt. „Leben Sie wohl . . . einen Kuß, mein Kind . . . wir sehen uns bald wieder ..." Sie eilte den Pfad hinab, während er mit dem Kinde langsam hinunter zu seinem Hause stieg. Der Baron von Portheim stand in sehr verdrießlicher Laune vor dem großen, ovalen in Goldrahmen gefaßten Wandspiegel seines Zimmers in der Villa. Er war damit beschäftigt, sich einen Streifen englischen Heftpfla sters auf die Wange zu kleben. Die Hautwunde war die einzige Folge seines Aben- Einführung, und nachdem der Kirchenchor mit Gesang des 121. Psalms und des herrlichen Frank'schen Liedes „O du mein Trost und süßes Hoffen" erhebend mitgewirkt, hieltHerr Diac.WalterseineAntrittspredigtüberJoh. 14,12 bis 17, wobei er ausführte: Was giebt mir Freudigkeit beim Antritl meines Amtes? Der Gedanke 1., an die in der Kirche wirkende Kraft Christi. 2., an den in der Kirche wirken den Geist Christi. Nach beendigtem Gottesdienst em pfing der Neueingewiesene die Glückwünsche der Ver treter der Kirchen-Jnspection, des Stadtraths und der Stadtverordneten, sowie des Kirchenvorstandes. Am Nachmittag hielt derselbe seine Antrittspredigt in Schwa ben, wobei er von Herrn Cantor Hötzel und den Vertretern der Kirchgemeinde in feierlichem Zuge empfangen und mit herzlichen Worten begrüßt wurde. * - Bestimmungsgemäß tritt zu Pfingsten in der Gil tigkeitsdauer gewisser Eisenbahn-Fahrkarten eine Verlän gerung ein, und zwar sind für dieses Jahr von den Eisenbahn-Verwaltungen die sonst üblichen Vergünstigun gen noch erweitert worden. Es gelten nämlich die vom Freitag vor bis mit Dienstag nach Pfingsten gelösten drei- und viertägigen Rückfahrkarten und die dreitägigen Rundreisekarten im sächsischen Binnenverkehr bis mit Freitag nach Pfingsten, ferner die am Freitage vor Pfing sten und an den folgenden Tagen entnommenen Rück fahrkarten von sonst kürzerer Geltungsdauer im direkten Verkehre zwischen sächsischen Stationen und solchen an derer deutschen Eisenbahnen bis mit Donnerstag nach Pfingsten. *— Zu den diesjährigen Landwchrübungen werden von den Unterofficieren die Jahrgänge 1884 und 1885 und von den Mannschaften die Jahrgänge 1884, 1885 und 1886 kingezogen. Die Einberufung erfolgt in zwei Quoten auf je vierzehn Tage. Bei dem in Zwickau garnisonirenden 9. Infanterie-Regiment Nr. 133 übt die erste Quote in der Zeit vom 27. Mai bis 9. Juni d. I. und die zweite Quote vom 6. bis 19. Juli d. I. Jede dieser Quoten hat eine Stärke von 26 Unteröffi- zieren und 260 Mannschaften. Die Verquartierung er folgt in den dortigen städtischen Baracken. *— Zur Erleichterung des diesjährigen Pfingstver kehrs wird im preußischen Staatsbahnverkehr und im directen Verkehr mit anderen die gleiche Bestimmung annehmenden Bahnen die Geltungsdauer der gewöhnlichen Rücksahrkarten von sonst kürzerer Geltungsdauer, welche am Freitag, den 22. Mai und den folgenden Tagen gelöst werden, bis einschließlich Donnerstag, den 28. Mai, verlängert. Die Rückfahrt muß spätestens an die sem Tage bis um 12 Uhr Mitternacht einschließlich an- getreten und darf nach Ablauf dieses Tages nicht mehr unterbrochen werden. *— Der seit 3. Mai vermißte Gutsbesitzer Otto Frischmann in Bräunsdorf ist gestern Sonntag m der Mulde bei Penig aufgesunden worden. ES ist anzuneh men, daß er in der Finsterniß in die Mulde gestürzt ist. *— Beim hiesigen kgl. Amtsgericht ist ein von dem Handelsmann Carl Heinrich Sprunk und dessen Ehefrau Johanne Wilhelmine Sprunk in Penig am 27. Oktober 1858 errichtetes Testament in Verwahrung. Da die Errichter dieses letzten Willens für verschollen zu erachten teuers mit dem hübschen barfüßigen Bauermädchen im rothen Friesrock gewesen. „Verdammte kleine, wilde Katze", sprach er für sich, hätte mir beinahe die Augen ausgekratzt, wenn ich nicht bei Zeiten retournirt wäre!" Da klopfte es leise an die Thür. „Herein", rief er. Sein Diener trat ein. „Die gnädige Frau wünschen den Herrn Baron zu sprechen." „Es ist gut, Louis. Gieß mir einen Tropfen Eau de Cologne auf mein Taschentuch." Das Zimmer seiner Frau lag parterre, neben dem Salon, während er und Johannes im ersten Stockwerk wohnte. Die Einladung kam ihm etwas überraschend. Was konnte seine Frau nach der Scene von heute Morgen mit ihm zu verhandeln haben? Höchstens eine Ausein andersetzung, die für ihn unangenehm sein mußte. So leichtfertig und sittenlos er war, so sehr er alles zu ironisiren suchte, im Grunde seines Herzens fühlte er eine gewisse Scheu vor seiner Frau. Er versuchte zuweilen diese unbehagliche Empfindung wegzuwitzeln, aber sie kehrte immer wieder. Die ent sagungsvolle Tugend Clotildens übte immer wieder ihren Einfluß auf ihn aus. So befleckt seine Vergan genheit, so rein war die ihrige, kein Hauch trübte ihren Ruf, ja, ihr Leben verfloß so still und einfach, daß man in den Kreisen der Gesellschaft, denen der Baron seiner socialen Stellung nach angehörte, fast nie von der Baronin Portheim sprach. Ein bekanntes Sprichwort aber sagt, daß die Frau die beste sei, von der am wenigsten gesprochen wird. Die unbehagliche Stimmung, in welcher er sich be fand, wurde noch vermehrt durch die Erinnerung an die Begegnung, die er vor wenigen Stunden mit Linden und seiner Frau gehabt. (Fortsetzung folgt.)