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die sich für die Erschließung unserer Colonien interessiren, vereinigt, um im Einverständniß mit dem Auswärtigen Amt eine größere Expedition zum Zwecke der geologi schen Erforschung des nördlichen Deutsch-Ost afrika auszusenden. Die Leitung dieser Expedition ist Premier-Leutnant Werther übertragen, der schon in den nächsten Tagen nach Ostafrika abreisen wird; die gc- sammte Ausrüstung ist bereits nach dort unterwegs. Zwei Geologen sind der Expedition, deren Dauer aus 1 bis 1'/-Jahre veranschlagt ist, beigegeben. Leutnant Werther gehört dem 15. Feld-Artillerie-Regiment an und ist durch seine 1893 ausgesührtc Expedition zum Vikto riasee (im Auftrage der Antisklaverei-Gesellschaft) bekannt. Er zeichnete sich damals durch große Umsicht in der Expeditionsführung, wie durch gründliche Beobachtungen aus. Die Kämpfe zwischen unserer Schutztruppe und den Khana-Hottentotten in Südwestafrika, über die schon vor zwei Tagen berichtet wurde, werden nun endlich amtlich buchstäblich bestätigt. Mit den Khanas waren auch Damara's und andere Eingeborene vereinigt, denen deutscherseits 50 Reiter unter Hauptmann Elstorft gegen überstanden. Die beiden unternommenen Angriffe wurden, nachdem es bis zum Handgemenge gekom men war, siegreich abgeschlagen. Die Rebellen hatten moderne Waffen, wohl von englischen Händlern. Ge fallen sind Lieutenant Lampe, Fabrikant Schmidt, Ser geant Baunach, die Reiter Fendges, Exner, Ludwig, Edisch, Ladwig, schwer verletzt sind Sergeant Fischer und Sudat. Die Rebellen hatten 46 Todte, darunter ihren Führer Lambert. »Oefterreich-Ungaru. Die plötzlich eingetretene Regelung der Wiener Bürgermeisterfrage durch den Verzicht des Antisemiten- führers Lueger auf die Wahl zum Ersten Bürgermeister in Folge einer Audienz beim Kaiser Franz Joseph be herrscht alles Interesse in Wien. Die Liberalen sind sehr verstimmt, weil Lueger als erster Vicebürgermeister, der er nun wird, doch die Seele der Stadtverwaltung ist. Man zweifelt auch nicht an seiner schließlichen Wie derwahl und Bestätigung als erster Bürgermeister. Araukreich. Die Bildung eines Ministeriums unter dem Vorsitz des gemäßigten Abg. Meline mit Hanotaux als Mini ster des Auswärtigen und General Billot als Kricgs- minister, wird jetzt als ziemlich sicher angesehen. Die radikalen Zeitungen erheben schon den Schlachtruf gegen ein gemäßigtes Cabinet und kündigen ihm einen Kampf auf Tod und Leben an. Auch die Zeitungen von der Partei Meline's rechnen mit schweren politischen Kämpfen und der Nothwendigkeit einer Kammerauflösung. Fürst Ferdinand von Bulgarien reist heute Mitt woch von Paris nach Berlin ab. Italien. Vom italienisch-abcssynischen Kriegsschauplätze liegen noch keine weiteren erheblichen Meldungen vor. Hitze und Trockenheit beeinträchtigen alle Operationen. Mngtand. Das englische Lee-Metford-Magazingewehr, wel ches so große Wunderthaten auszuüben bestimmt war, hat sich, nach einem Berichte des Generalarztes des Transvaals, der das Unglück hat, selbst ein Engländer zu sein, schlecht in dem Gefecht bei Krügersdorf bewährt. Sobald der geringste Staub oder sonst etwas in den Mechanismus des Gewehres kam, verschlemmte er sich, und das Gewehr wollte nicht losgehen. Das ist etwas Schlimmes in einem Kamps auf Leben und Tod. Der Jameson'sche Mitarbeiter erklärte deshalb auch, daß ihre Gewehre im Gefecht nichts nutze wären. So ist es mit dem Lee-Metford-Gewehr bestellt. Das sagenhafte Cordit, das englische Sprengpulver, hat aber auch noch nicht seine Probe, zumal in heißen Klimaten, bestanden. Türkei. Auf der Insel Kreta hat es mehrere blutige Ge fechte zwischen christlichen Aufständischen und türkischen Truppen gegeben. Die türkischen Berichte verkünden die völlige Zerstreuung der Insurgenten, die christlichen, aus griechischer Quelle stammend, sagen, daß den Türken ein paar Schlappen beigcbracht wurden. Ruhe wird die Insel unter dem Halbmond wohl kaum bekommen. Afrika. Die englischen Verschwörer in Transvaal, gegen welche nach Jameson's Zug der Prozeß eingelcitet wurde und die sich angesichts des erdrückenden Belastungsmate rials zu einem Schuldgeständniß bequemt haben, werden nun ihr Urtheil hören. Man erwartet eine thcilweise Begnadigung der Angeklagten durch den Präsidenten Krüger, eine für den britischen Hochmuth sehr empfind liche Lection. Obwohl die aufständischen Matabele-Eingeborenen bei Buluwayo durch einen Ausfall der Engländer eine Schlappe erlitten und 500 Mann verloren, sind sie doch zurückgekehrt, und da sie von allen Seiten Zuzug er halten haben, sind die Engländer nach wie vor in der Klemme. Hilfe thut recht sehr noth. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 29. April. Heute früh in der 6. Stunde hat sich die Ehefrau des Webers Riedel hier- selbst, welcher im Hinterhause des Schubert'schen Wohn gebäudes am Markte wohnt, in einem Anfalle geistiger Störung 3 Stock hoch aus dem Vorderhause in den Hof herabgestürzt, wobei sie das Schlüsselbein brach, Ver letzungen am Kopfe und wahrscheinlich eine Rippenver stauchung davontrug. Infolge dieser Verletzungen wurde die Frau ins hiesige Krankenhaus geschafft und in ärzt liche Behandlung genommen. *— Das Ministerium des Innern erläßt mit Rück sicht auf die erhebtiche Verbreitung, welche die Maul- und Klauenseuche neuerdings, insbesondere in den Kreis hauptmannschaften Bautzen und Zwickau genommen hat, für die Bezirke der genannten KreiShauptmannschasten folgende Maßregeln: 1. Auf Viehmärkten, soweit solche nicht nach Z 5 oer Ausführungsverordnung für den Be reich der betr. KreiShauptmannschasten verboten werden sollten, hat die thierärztliche Untersuchung eines jeden ein zelnen Stückes vor dem Betreten des Marktplatzes zu erfolgen. Zu diesem Zwecke hat die Zuführung von Rindern und Schweinen nur auf einem, bez. soweit die zur Verfügung stehenden tierärztlichen Kräfte ausreichen. auf mehreren im Voraus zu bestimmenden Wegen zu erfolgen. Die Bestimmung dieser Wege bleibt der Polizei behörde überlasten. Der Vorverkauf ist verboten. Die bezirksthierärztliche Untersuchung der in Gastställen unter- gebrachten Rinder darf bereits an dem dem Markttage vorausgehenden Tage ausgeführt werden. 2. Die von Händlern zum Zwecke öffentlichen Verkaufs aufgestellten und öffentlich ausgebotenen Rindviehbestände, sowie dir zum Verkaufe im Umherziehen bestimmten Schweine- bcstände dürfen erst dann verkauft werden, wenn sie während einer Beobachtungssrist von 5 Tagen sich frei von der Maul- und Klauenseuche erwiesen haben. 3. Alle von zusammengebrachten Rindvieh- und Schweine beständen benutzten Wege und Standorte, (Rampen, Buchten, Gastställe, Marktplätze) sind nach ihrer Benutzung gründlich zu reinigen. An den Stationen, an welchen Vieh- und Schlachtmärkte abgchalten werden, sind die Rampen, sowie die Vieh-Ein- und Ausladeplätze nach vem Ein- und nach dem Ausladen durch Reinigung und Besprengung mit 5procentigen Cacbolsäurelösungen zu desinficiren. Die Bczirksthierärzte haben hierüber die nöthige Ueberwachung auszuüben und sind zu dem Zwecke ermächtigt, private Gasthäuser, sowie Ställe von Vieh händlern zu revidiren. *— Nach einer vom Landeskulturrath über den Saaten stand im Königreich Sachsen veröffentlichten Uebcrsicht haben die Wintersaaten den Winter gut überstanden. Vereinzelt kommen allerdings kahle Stellen, besonders in den zeitigen Roggensaaten, vor. Raps hat durch Kahl fröste und die jetzige naßkalte Witterung in vielen Be zirken ziemlich gelitten. Wenig günstig ist in zahlreichen Bezirken der vorjährige Kleebestand, der sich von der Mäuseplage nicht erholen konnte und von dem, soweit es sich zur Zeit übersehen läßt, große Flächen, sehr oft bis zu 50, ja vereinzelt bis zu 75 Procent der Anbau fläche umgepflügt werden müssen. Für das weitere Wachsthum der Wintersaaten und die Fertigstellung der noch sehr im Rückstände sich befindenden Frühjahrsbestellung ist dringend trockene und warme Witterung nothwendig. *— In der Mulde bei Remse wurde gestern Vor mittag der Leichnam der 16 Jahre alten Tochter des Webermeisters Bauer in Meerane, die am 18. März mit ihrer Freundin Delling in Höckendorf die Stadt Meerane auS unbekannten Gründen verlassen hatte, auf gefunden und auf Veranlassung des stellvertretenden Guts- vorstchers Herrn Amtsverwalter Huth in der Todtenhalle untergebracht. Die Delling war seinerzeit ebenfalls als Leiche aus der Mulde gezogen worden. Ziegelheim, 29. April. Gestern Dienstag ist der älteste Sohn des Gutsbesitzers Michael Trenkmann in HinteruhlmannSdorf, welcher am 17. d. von einem Pferd im Stall an den Leib geschlagen worden ist und dabei schwere innere Verletzungen davongetragen hatte, obwohl schon durch die fürsorgliche ärztliche Behandlung Hoff nung auf Genesung vorhanden war, und er sich auch vor einigen Tagen einen Spaziergang, aber wohl wider den Willen des Arztes, erlaubt hatte, noch ein jäheß Opfer des Todes geworden. — Am 1. Mai d. I. werden zum 9. Infanterie- Regiment Nr. 133 in Zwickau 44 Unteroffiziere der Feuilleton. Eine vornehme Frau. Roman aus der Neuzeit von Karl Wartenburg. (Fortsetzung.) Ein finsterer, fanatischer Zug schwebte um seinen Mund und im Tone seiner Stimme lag etwas so Düsteres, Drohendes, daß Clotilde erschrocken schwieg. Johannes schritt ein Par mal im Salon auf und ab; dann nahm er sein Erbauungsbuch und ging nach der Thür. Aus der Schwelle drehte er sich noch einmal um. „Auf dem Spiegeltisch dort liegt ein Brief aus Wies baden, der während Deiner Abwesenheit kam. Er ist an Dich adressirt, und nach der Handschrift zu urtheilen von Deinem . . . Manne." Eine leichte Bläste überzog das Gesicht der jungen Frau. Sie nickte nur leise und erst als der Vetter fort war, erbrach sie den Brief. Er enthielt nur folgende Zeilen: LI» cdörsl Richte meine Gemächer ein. Ich werde in Bälde dort eintreffen, doch ist der Tag meiner Ankunft noch unbestimmt. Amüsirst Du Dich gut mit dem from men Vetter? Grüße ihn einstweilen von mir. Es küßt Dir tausendmal vie Hand Wiesbaden, den 20. August. Alfred von Portheim." Clotilde ließ den Brief fallen. Sie schlug die Hände vor die Augen und brach in ein leises Wei nen auS. Zwei Tage später kam Baron Portheim mit Extrapost in dem kleinen Badeort an. Clotilde war mit Johan nes im Garten, als der Wagen vor der Thür hielt. Herr von Portheim eilte auf seine Gemahlin zu. „Da bin ich, meine Theuerstc", lächelte er — eS war noch immer jenes zweideutige, ironische Lächeln — und küßte ihr die Hand, „umarme mich . . . geben Sie mir Ihren Segen, frommer Vetter . . ., ich fühle mich sonst zu profan in Ihrer heiligen Gegenwart." Dabei ließ er sein Augenglas niederfallen und reichte Clotilde den Arm, sie in das Innere der Villa zu führen. Die sechs Jahre waren nicht spurlos an dem Baron vorübergegangen. Seine Züge waren noch abgelebter, sein Haar noch dünner geworden. Er hatte ganz das Aussehen eines vollendeten, vornehmen Lebemannes, der fertig ist. Aber etwas hatte er früher nicht besessen, was ihm jetzt eigen war. Die nervöse Unruhe in seinen Geberden, den hastigen, unstäten Blick, den Johannes an ihm bemerkte. Er hatte die Sicherheit, die blasirte Ruhe nicht mehr, die ihn früher nie ver'ieß . . . Die junge Frau hatte ihren Gemahl mit einer eisigen Kälte empfangen. Und bezeichnend genug war die erste Frage, die sie an ihn richtete, die, wann er wieder ab- reisrn würde. Der Baron lachte ironisch, während ein Blick seiner fahlen Augen hinüber nach Johannes schoß. „Ei, mein lirbeS Kind, das ist eine sonderbare Frage, die ich Dir beantworten werde, wenn wir allein sind." Johannes erhob sich- „O, bleibe nur, Vetter Johannes", sprach die junge Frau, „Portheim scherzt nur, er weiß wohl, daß wir keine Geheimniste haben." Der Baron biß sich auf die Lippe. „Diesmal, meine Liebe, könnte eS indessen doch der Fall sein . . ." meinte er etwas ernster. „Ich glaube, Cousine, Dein Mann hat Recht", sprach Johannes, die Worte scharf betonend und seiner Cousine einen bedeutungsvollen Blick zuwerfend, der dem Baron nicht entging, „Ihr habt Euch ein paar Monate nicht gesehen und gewiß eine Menge Dinge mit einander zu besprechen, die Ihr am besten allein erledigt." Unv seine Cousine und den Baron grüßend, ging er. Der Baron sah ihm mit seinem ironischen, zweideutigen Lächeln nach . . . Dann lehnte er sich bequem in den Sessel zurück und die Beine über einander kreuzend, sprach er: „Du wirst es mir nicht übel nehmen, mein Kind, aber mir scheint Dein frommer Vetter in Dich verliebt zu sein." Die junge Frau erhob sich. „Hast Du mir etwas zu sagen?" frug sie scheinbar ruhig und kühl, indem sie die Hand auf die Thürklinke legte ... Der Baron machte eine Bewegung. „Ich wollte Dich nicht verletzen", sprach er einlen kend, „und in Wahrheit, ich habe mit Dir über ernste Dinge zu sprechen." Clotilde streifte ihren Mann mit einem Blick, der den Baron unwillkürlich die Augen senken ließ. „Du wirst Geld brauchen", sagte sie, sich wieder zum Gehen wendend, „ich verstehe von Geschäften nicht«, sprich mit Johannes ... ich werde ihm sagen, vaß er Deine Wünsche befriedigen soll . . . Sind wir nun fertig?" Der Baron stand auf und ging, die Hände auf dem Rücken zusammengelegt, ein paar mal in dem Salon auf und nieder. Dann blieb er vor Clotilde stehen und sprach: „Offen gestanden, Clotilde ... ich möchte in der Sache nicht gern mit Deinem Vetter verhandeln. Ich weiß es, ich bin kein Heiliger, kein Betbruder, aber die Frömmigkeit Deines Cousin« flößt mir einige« Grauen ein." Er sprach dies in einem ungewöhnlich ernsten Tone, der auffallend gegen die leichte, ironische, witzelnde Manier, in der er sich sonst zu geben pflegte, abstach. Clotilde fühlte sich durch den Ton, wie durch dir Worte selbst betroffen. Sie fühlte das Wahre aus der Bemerkung ihres Mannes heraus. (Fortsetzung folgt.)