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zum Gebühren der Engländer weiß man erst recht nicht, was man sagen solle. Berliner Zeitungen theilen mit, der Sohn des er schossenen Kammerherrn von Schrader, Student in Bonn, habe schon früher an den Ceremonienmeister von Kotze, den Gegner seines Vaters, einen beleidigenden Brief ge schrieben, worauf Herr von Kotze auch den jungen Schrader forderte, und diese Forderung sei bis heute nicht zurück genommen. Andere Zeitungen weisen nun darauf hin, Herr von Schrader habe kurz vor seinem Tode seinem Sohne das Versprechen abgenommen, sich nicht mehr zu schlagen, damit des Blutvergießens ein Ende werde, wo rauf nunmehr die „Post" erklärt, ein solches Versprechen sei nicht erfolgt, Schrader habe zu der angegebenen Zeit nicht mehr sprechen können. Wie dem auch sei, die Staatsanwaltschaft hat allen Anlaß, endlich einmal ent schieden dem Duellunfug entgegenzutreten. Die Leichen feier für Herrn von Schrader hat Mittwoch in Pots dam stattgefunden, die Beisetzung auf dem Gute des Erschossenen bei Nauen. Aus Anlaß der lebhaften Erörterung der Duellfrage ist auch die Frage aufgeworfen, ob sich jemals ein Hohen- zoller duellirt habe. Das ist der Fall gewesen: Prinz Karl von Preußen, jüngerer Bruder Kaiser Wilhelms l., duellirte sich unter Erlaubnih seines Vaters, des Königs Friedrich Wilhelm III. mit dem Prinzen Malte von Putbus, dem einzigen Sohn des Fürsten von Putbus, und erschoß seinen Gegner. Aus diesem Grunde wurde auch das Lehen Putbus von der Krone Preußen nicht eingezogen, sondern einem Sohn der Schwester des Er schossenen, dem Grafen Wylich und Lottum, verliehen. So berichten wenigstens Berliner Zeitungen. Die Reichstagscommission für das bürgerliche Ge setzbuch hat bisher gegen 850 Paragraphen genehmigt, während die Vorlage deren 2400 zählt. Die Aussicht, noch in dieser Session die Durchberathung zu beenden, ist damit total geschwunden. Selbst wenn die Com mission noch die Arbeit bewältigte, das Plenum des Reichstages ist außer Stande, die noch ausstehenden zwei Lesungen bis zum Sommer sertig zu schaffen. Unter diesen Verhältnissen wird wohl die Reichstagssession zum Himmelfahrtstag, spätestens zu Pfingsten bis zum Herbst vertagt werden, damit das in der Commission gewonnene Berathungsmaterial nicht verloren geht. Die Verhandlungen der Reichscommission für Ar beiterstatistik über die Verhältnisse in der Confections- und Wäschebranche w.rden verschiedene Tage in Anspruch nehmen, da die vorgeladenen Zwischenmeister, Arbeiter und Arbeiterinnen, sowie die Unternehmer sich sehr aus führlich aussprechen. Jedenfalls wird es schätzenswerthes Material geben. Zum 1. Mai schreibt die „Post": Anscheinend wird von socialdemokratischer Seite der Versuch unternommen werden, den 1. Mai in ungleich größerem Umfange, als in früheren Jahren, zu einem Feiertage im vollen Sinne des Wortes zu machen. Das socialdemokratische Partei blatt erinnert zwar an den Beschluß des Breslauer Partei tages, inhalts dessen die Arbeiter auf Arbeitseinstellung nur da Bedacht nehmen sollen, wo sie dies thun können, ohne sich zu schädigen. Allein es fügt hinzu, daß die Feuilleton. Eine vornehme Frau. Roman aus der Neuzeit von Karl Wartenburg. (Fortsetzung.) Die Gleichgültigkeit, mit welcher er im Tageblatt die Verlobungsanzeige las, hatte etwas Unheimliches. „Clo tilde Weber und Freiherr Alfred von Portheim." Sein Auge flog flüchtig über das Blatt und ohne ein Wort zu fügen oder eine Miene zu verziehen, legte er es ruhig auf seinen Schreibtisch. Clotilde Weber . . . Das war nicht seine Clotilde, die er einst im Herzen getragen, die er geliebt mit der Kraft eines Mannes, der jeden Augenblick bereit ist, sein Blut sür die Geliebte hinzugeben . . . ach, seine Clotilde war gestorben und begraben, die lag da draußen unter dem alten Tannenbaum auf dem Friedhof und der Herbstregen schauerte nieder auf ihr Grab und der Wind strich klagend und seufzend über den Hügel. Wie hätte auch seine Clotilde das Weib dieses Alfred von Portheim werden können. Ein Mann ohne Herz, mit jenem leichten, oberflächlichen Witz und Geist begabt, dessen trüber Glanz nicht erwärmt und nicht erleuchtet, ein Mann, dessen innerstes Wesen trotz alles Lacks und Firniß brutal war und dessen Sittenlosigkeit eine Ent schuldigung weder in einer glühenden Phantasie, noch in überfchäumender Lebenskraft fand. Victors Verhältniß zu Adele hatte in dieser Zeit einen ganz besonderen Charakter. Wie einer Schwester vertraute er ihr alles, seine Gedanken und Emfindungen. Er bemerkte anfänglich nicht, wie sie unter diesem Verhältniß litt. Aufmerksam, voll inniger Theilnahme hörte sie ihn an, tröstete ihn und suchte seine Schwer- muth zu zerstreuen, so sehr sie auch selbst noch des Trostes bedürftig war und den großen Schmerz um die Mutter im Herzen trug. Eines Tages, es war im Monat November, an einem der letzten Tage dieses trüben, melancholischen Monats, aufsteigende Bewegung in der Production gute Aussich ten eröffne, die „würdigste" Form der Maifeier, die Ar beitseinstellung, in weitem Umfange durchzusetzen. In diesem Zusatze liegt die Aufforderung, da, wo es irgend geht, die Freigabe des 1. Mai seitens der Arbeitgeber zu erzwingen, und man darf nicht bezweifeln, daß der Wink eifrig befolgt werden wird. Man wird also auf Seiten der Arbeitgeber mit dieser Aussicht rechnen und sich auf Pläne solcher Art einrichten müssen. Die Sache hat eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Im vor letzten Jahre ist bekanntlich der Berliner Bierkrieg aus dem Versuche, am 1. Mai ohne Zustimmung der Arbeit geber zu feiern, entstanden. Es ist nicht unwahrschein lich, daß ähnliche wirthschaftliche Kämpfe aus Versuchen, die Maifeier zu erzwingen, hervorgehen, zumal ohnehin die bessere Lage der Industrie die Neigung der Arbeiter, auf eine Verbesserung ihrer Arbeitsverhältnisse, nölhigen- falls durch Ausstand, hinzuwirken, beträchtlich gesteigert hat. - errer - Ung-E». vr. Lueger forderte seine Partei auf, bei der für den nächsten Sonnabend anberaumten Bürgermeisterwahl von seiner Person abzusehen; gleichwohl beschloß die Partei einheitlich Luegers Wahl. Krankt eich. Die französische Negierung hatte die Generalräthe (die Provinzialvertretung) ausgefordert, sich über ihren Plan einer neuen Einkommensteuer zu äußern. Sechs von diesen Körperschaften waren dafür, nicht weniger als 16, also die große Mehrheit, aber dagegen. Auf Madagaskar ist es wieder zu Unruhen der Eingeborenen gekommen, welche die Entfendung fliegender Kolonnen nöthig machten. E«g»aud. Der Aufstand der Eingeborenen in Südafrika ge gen die britische Herrschaft dehnt sich immer weiter aus. Trotz aller Anstrengungen haben die Engländer die auf ständischen Matabele noch nicht zum Niederlegen der Waffen bringen können, und schon kommt die Meldung von einer Erhebung in Betschuanaland und anderen kürzlich annectirten Districten. Es scheint beinahe, da es auch in Deutsch-Südwestasrika unruhig wird, als ob die ganze Eingcborenen-Bevölkerung von Südafrika gegen die Weißen sich erheben will. Viele junge Kultur-Er rungenschaften würden da erbarmungslos vernichtet. Nach gerüchtweisen Meldungen sollte ein größerer Haufe von Derwischen jetzt aus dem Sudan gegen die egyptische Grenze vorrücken. Die Vorposten der Sudan-Expedition haben aber bisher nichts davon gemeldet. Russland. Wahrscheinlich heute wird Fürst Ferdinand von Bulgarien, der vor seiner Abreise aus Stambul vom Sultan noch schnell zum türkischen General-Feldmarschall ernannt ist, in Petersburg eintreffen. Die Petersburger Panslawisten sind übrigens dem neuen Günstling des Czaren keineswegs gewogen und kommen mit ziemlich bissigen Redensarten. Daß die Petersburger Censur diese durchgehen läßt, ist wohl eine leise Warnung für den Fürsten Ferdinand, nun den Kops nicht gar zu hoch zu tragen. In Stambul hat Fürst Ferdinand auch massenhaft bulgarische Orden verliehen. traf Victor, als er abends zu Adele ins Zimmer trat, das junge Mädchen krank und fiebernd. Er eilte zu dem Arzte und dieser sprach, nachdem er den Zustand der Patientin untersucht, die Befürchtung aus, daß ein Nervenfieber im Anzug sei; doch setzte er auch hinzu, daß die Hoffnung nicht ausgeschlossen wäre, die Krank heit noch im Beginn zu ersticken. Drei Tage und drei Nächte lag das junge Mädchen in fortwährendem Fieber, das von lautem Phantasiren begleitet war. Es war am dritten Tage in der vierten Nachmittagsstunde. Die alte Wartefrau, die Victor an gestellt, war im Lehnstuhl eingeschlummert. Der junge Advokat, der Tag und Nacht die Pflege Adelens über wachte, saß am Fenster und beobachtete die Kranke, welche mit geschloffenen Augen und gefalteten Händen im Bett lag und phantasirte. Sie sprach von ihrer Mutter, ihrem Vater, vom Thea ter, von der Rosenfee, dem Diadem, und anderen Din gen, wirr durcheinander . . . „Gieb mir die Krone . . . Mutter ... es ist sechs Uhr. Schon elf? Der Vater ist da? . . . Ach, wie die Steine funkeln! wie die Sterne. Trag sie fort, Mutter . . . fort, fort . . . Armer Victor ... ich habe Dich lieb ... so lieb ... Du bist gut . . . nimm mir das Diadem von der Stirne, o, wie der Neis glüht . . . ach, mein Kopf, mein Kopf . . ." Victor hatte sich erhoben und lauschte mit vorgebeug tem Oberkörper auf die Worte des phantasirenden Mäd chens . . . Eine flüchtige Röthe färbte einigemal feine Stirne, dann sank er in seinen Lehnsessel zurück, die Hand vor den Augen, saß er still grübelnd da, bis der Arzt eintrat. Die Kranke war in einen tiefen Schlaf gefallen. Der .Doctor meinte, daß die Kraft des Fiebers durch den Schlaf gebrochen werden könnte. Es geschah so und in acht Tagen war Adele außer Gefahr und konnte bald darauf das Zimmer wieder verlassen . . . Afrika. Die „Volksstimme", das Blatt der Regierung von Transvaal, veröffentlicht jetzt ein Actenstück zum Be weise dafür, daß den englischen Behörden Jameson's Absicht, in Transvaal einzufallen, lange vor der Ver wirklichung bekannt war. Es ist das ein vom 3. October 1895, also fast drei Monate vor Jameson's Zug, geschriebener Brief des ersten Beamten von Britisch- Betschuanaland, eines Mr. Schepperd, welcher darin vorbereitende Maßnahmen anordnct, die Jameson sein Unternehmen erleichtern sollen. Daß die Dinge so lagen, konnte ja nie bezweifelt werben, gut ist es aber doch, Brief und Siegel darüber in Händen zu haben. Atts dem Mttldenthale- "Waldenburg, 16. April. Wie die kgl. Amts hauptmannschaft Glauchau bekannt giebt, ist in dem Ge höfte Nr. 8 des Brandkatasters für Waldsachsen die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen; dagegen ist die Seuche im Schlachtviehhofe zu Meerane erloschen. *— Herr Bildhauer Wilhelm Moritz Vorwerk, wel cher während des Bestehens der Töpserschule zu Alt- stadtwaldenburg den Hauptunterricht in derselben leitete, ist in Chemnitz plötzlich gestorben und am 15. d. zur letzten Ruhe bestattet worden. Vorwerk war ein ge borener Chemnitzer, Schüler der dortigen Baugewerken schule und des verstorbenen Bildhauers Händler; er nahm seit 1. December 1878 an den Technischen Staats lehranstalten die Stelle eines Lehrers für das Modelliren an der Gewerbezeichenschule ein. Die Schule verliert in ihm einen pflichteifrigen, begabten und bei seinen Collegen beliebten Lehrer. *— Am Montag feierte Herr Kirchschullehrer Görner in Franken sein 25jähriges Dienstjubiläum. Am Vor abend versammelten sich Gesang- und Militärverein, sowie die Schulkinder vor dem Schulhause zu einer Feier, welche mit dem Gesang des Liedes „Lobe den Herrn" eröffnet wurde; dann folgten zwei von Herrn Pastor Pflugbeil gedichtete Lieder. Nach mehrfachen Glückwün schen und Toasten schloß Herr Pastor Pflugbeil die Feier mit einer herzlichen Ansprache. Am Montag Vormittag fand Schulactus statt, wobei der Jubilar von seinen Schülern mit Geschenken bedacht wurde. — Eine für die Stadt Glauchau höchst beklagens- werthe Angelegenheit, der Concurs der Spar- und Credit bank, steht nunmehr dem lang ersehnten Abschluß nahe, denn in dem Concursverfahren über das Vermögen der Spar- und Creditbank, e. G. m. u. H., zu Glauchau ist der Schlußtermin aus den 6. Mai 1896 bestimmt wor den. Bei der bevorstehenden Schlußvertheilung sind noch 344,522 Mk. 63 Pf. Gläubig.ransprüche zu decken. Diese werden nun, nach einer Bekanntmachung des Con- cursverwalters, des Justizraths Zückler, sämmtlich voll befriedigt werden, da ein die Summe von 344,522 Mk. 63 Pf. übersteigender Massebestand verfügbar fit. — Nach dem soeben erschienenen 1896er Adreßbuch Glauchaus zählt Glauchau 121 Straßen und Plätze. Interessant sind auch die Angaben über die verschiedenen Vereine und gemeinnützigen Anstalten, deren es 134 giebt, außerdem sind noch 17 Jnnunqen, 3 Orts-, 17 Bc» Nur acht Tage lagen dazwischen, aber in dieser Spanne Zeit war eine tiefe Veränderung in dem Wesen der bei den vorgegangen. Die frühere Unbefangenheit im Umgang war für Adele wie sür Victor verloren. Ihre Unterhaltung stockte oft, ihre Gespräche wurden förmlicher, zurückhaltender. Victors Augen ruhten häufig beobachtend auf Adelens Zügen, und wenn er ihr die Hand zum Abschied reichte, fühlte er ein leises Zittern der kleinen, warmen Hand. Victor sah nun klar. Er wußte, daß Adele ihn liebte. Jene im Fieber gesprochenen Worte hatten ihm die Augen geöffnet und er bemerkte nun manches und er klärte sich Vieles, was ihm früher dunkel erschienen. Ueber seine Gefühle war er noch nicht ganz klar. Aber er suchte die Entscheidung zu beschleunigen. „Hier ist der Schlüssel zu meiner Wohnung", sagte er, „ich muß auf längere Zeit verreisen", — Adele wurde etwas blaß bei diesen Worten — „indessen ist es auch möglich, daß meine Abwesenheit nur eine kurze sein wird." Victor verreiste, um fern von Adele fich selbst zu prüfen über seine Empfindungen und Gefühle. Er wollte sich dabei durch den augenblicklichen Eindruck nicht beeinflussen lassen, fern von seiner gewohnten Uebung und Thätigkeit wollte er seinen Entschluß fassen. Nach acht Tagen trat er wieder in Adelens Zimmer. Eines Tages, es war im December, trat er in Ade lens Stübchen. Sie stieß einen Freudenruf aus und eilte mit leuch tendem Auge ihm entgegen. Aber dicht vor ihm blieb sie stehen, ihm verlegen und schüchtern die Hand reichend . . . „Adele", sprach er, sie an sich heranziehend, „ich komme zurück mit einem fertigen Entschluß. Adele, wollen Sie meine Frau werden?" (Fortsetzung folgt.)