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Schönburger Tageblatt Amtsblatt für dsn Stadtrath zu Maldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Callnberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Filialen: in Altstadtwaidenburg bei Herr« Kaufmann Otto Förster; in Kausunge« bei Herrn Fr. Janafchek; in Langenchurs dorf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Frau Kaufmann Max Härtig, Leipzigerstr. 163; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Wolkenburg bei Herrn Ernst Rösche; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. Llschemi täglich mit Ausnahme der Tag- und «ach Sonu- und Festtagen. « Annahme von Inseraten für die nächster- W M-L W r 4 A Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. O, Expedition: Waldenburg, Obergasse 291A. W 59. Donnerstag, den 12. März 1896. Witterungsbericht, ausgenommen am 11. März, nachm. 4 Uhr. Barometerstand 763 mm. reducirt auf den Meeresspiegel. Thermometerstand -f- 4,5" 0. (Morgens 8 Uhr -f- 1,;".) Feuchtigkeitsgehalt der Lust nach Lambrechts Polymeter 57"/v. Thaupnnkt — 3,r Grad. Windrichtung: West. Daher Witternngsanssichten für den 12. März: Wechselnde Bewölkung bis halbheiter. "Waldenburg, 11. März 1896. Von Jahr zu Jahr sinkt die Ziffer der Auswanderer, welche den Boden der deutschen Heimat verlassen, um in der Ferne ihr Glück zu suchen. Im Jahre 1895 hatten wir 35,557 Auswanderer zu verzeichnen, 1894 waren es 39,178, 1893: 84,458, 1892: 112,208, 1890: 115,392 Personen. Man muß überhaupt bis -um Jahre 1878 zurückgehen, um eine niedrigere Aus wandererziffer zu finden, gewiß ein bemerkenswerthes Zeichen. Nach dem Resultat der letzten Volkszählung vom 2. December 1895 hatte das deutsche Reich eine Einwohnerzahl von rund 52'/« Millionen Menschen; darauf also entfallen 36,000 Auswanderer, eine Ziffer, die sicher nicht zu hoch ist, so daß man wohl sagen kann, daß nunmehr auf diesem Gebiete befriedigende Verhält nisse eingetreten sind. Man wird kaum sagen können, daß die dem deutschen Volksstamme anhaftende Neigung, in die Fremde zu ziehen, in der neusten Zeit eine sehr viel geringere ge worden ist; aber geringer geworden dürfte wohl die wenig erfreuliche Neigung sein, die wirthschaftlichen und politischen Verhältnisse in anderen Staaten höher einzu- schätzen, als die heimischen. Der Deutsche liebt es, seine Wünsche und Klagen vor aller Welt laut werden zu lassen, in anderen Staaten, besonders in Frankreich, in England und in den Vereinigten Staaten von Nord amerika geschieht dies mehr unter vier Augen. Deshalb kann man in den Zeitungen fremder Länder oft die wunderbarsten Berichte über deutsche Zustände lesen die so grau wie nur möglich geschildert werden, während die eigenen Verhältnisse so glänzend, wie nur möglich zur Darstellung gelangen. Deshalb glaubte der Deutsche gern, daß es in anderen Staaten weit besser bestellt sei, als bei uns, und weil alle Nathschläge, Mahnungen und Warnungen verlacht wurden, mußten viele bittere Er fahrungen die Erkenntniß verbreiten, daß es anderswo nicht besser, oft genug aber schlechter gewesen ist, wie in der deutschen Heimat. Daher ist es denn gekommen, daß in verhältnißmäßig kurzer Zeit die Auswanderungs ziffer von 115,000 auf 36,000 pro Jahr zurück gegangen ist. Bei den herben Erfahrungen, welche viele Deutsche in der Fremde gemacht haben, sind eine große Zahl von wagemuthigen Existenzen zu Grunde gegangen; erschöpfte Kräfte, deren letzte Hoffnungen auf das Land jenseits des Meeres gerichtet waren, waren im Nu verbraucht, und im fremden Boden hat Mancher eine Ruhestätte gefunden, der bei uns keine Ruhe halten und keine Ruhe finden konnte. Man kann aufrichtig Alle bedauern, denen rin solches Schicksal beschieden war, aber die Verant wortung für ihr Schicksal trugen sie selbst. Ganz gewiß soll einem Deutschen nicht zugemuthet werden, zu Hause hinter dem Ofen sitzen zu bleiben, wenn er auf Grund praktischer Kenntnisse und aus gerüstet mit den nöthigen Mitteln erhofft, in der Ferne deutschem Fleiß und deutschem Talent eine lohnende Absatzstätte bereiten zu können. Deutschland muß einen Absatzmarkt in der Fremde suchen, um in klingendes Geld umzuwandeln, was Tausend und Abertausend fleißige Hände schaffen, und wer als Pionier solche neuen Märkte findet, der verdient Achtung und Ehre. Aber gerade diese Männer voll Wagemuth sind die vorsich tigsten, und wenn die große Masse der Auswanderer sich nach ihnen gerichtet hätte, es würden sicher weitaus die meisten zu Hause geblieben sein. Die deutschen Pioniere in überseeischen Ländern haben in den letzten zehn Jahren Großes namentlich geschaffen in Ostasien, in Südamerika, in Südafrika. Ganz in der allerletzten Zeit, in den Wochen des Transvaal-Krawalles, hat sich ja gezeigt, welchen Einfluß, welche Macht und welche Energie die Deutschen in der Transvaal-Republik besaßen. In dem großen Johannesburg mit seinen 80,000 Bewohnern, in welchem die eigennützigen und gewinnsüchtigen Engländer sich mit großen Plänen trugen, übten die Deutschen die Polizei aus und sie haben es verstanden, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Das ist für uns eine Freude gewesen, und wir können nur wünschen, daß stets so die Deutschen in der Fremde auf treten möchten. Ost ist früher der Vorwurf erhoben worden, auch vom Fürsten Bismarck, der Deutsche verliere im Auslande zu schnell die charakteristischen Eigenschaften seiner Nation und gehe in die fremde Bevölkerung auf, und dieser Vorwurf war kein Unrecht. Taufende hatten ihn zwar nicht verdient, aber andere Tausende hatten ihn verdient. Wir haben das auch in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gesehen, wo doch die meisten Deutschen ver eint sind, wenn ja auch zuzugeben ist, daß die Gewalt der Umstände ost mächtiger sein kann, als der beste Wille. Immerhin blieb viel zu wünschen übrig. Aber in der allerletzten Zeit erscheint es doch, als ob Manches sich bessern wollte, daß auch die Deutschen mit dem festen Vorsatz sich tragen, im Auslande Deutsche zu bleiben. Das scheint darauf zurückzuführen zu sein, daß an Stelle der gedankenlosen Auswanderung eine ziel bewußte getreten ist, welche die deutschen Interessen ernstlich vertritt, und die sich nicht loslöst vom Vater lande, sondern im Gegentheil eine engere Verbindung bewirkt zwischen den Deutschen im Auslande und ihrer Heimat. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser wohnte Dienstag Vormittag der Offi- ziers-Reitstunde der in Potsdam garnisonirenden Kaval lerie-Regimenter bei. Nachmittags empfing der Monarch den österreichischen Minister Grafen Goluchowski im Berliner Schlöffe und entsprach später mit der Kaiserin einer Einladung des österreichischen Botschafters v. Szö- gyenyi. Heute, Mittwoch, Abend wird bekanntlich der Kaiser das Diner beim italienischen Botschafter Grafen Lanza einnehmen. Der österreichisch-ungarische Minister des Auswärtigen, Graf Goluchowski, stattete am Dienstag dem Reichs kanzler Fürsten Hohenlohe, sowie dem Staatssekretär Freiherrn von Marschall Besuche ab, wurde nachmittags vom Kaiserpaare empfangen, worauf abends unter Theil- nahme der Majestäten eine größere Tafel in der öster reichischen Botschaft stattfand. Heute Mittwoch ist zu Ehren des Ministers Tafel im Schlöffe. Der Besuch wird mit zahllosen Leitartikeln in den Zeitungen be gleitet, die aber natürlich nichts Anderes sagen können, als was für Jeden selbstverständlich ist. Das „Wiener Fremdenblatt", das Organ des Ministeriums des Aus wärtigen, versichert sehr ausführlich, daß der Dreibund nach wie vor unerschüttert bestehe und die Ministerreise dies auch von Neuem beweise. Daran zweifelt aber doch Niemand, wer die Sachlage ruhig beurtheilt. Auf die Phantasien der französischen und Londoner Journale, daß eS mit dem Dreibunde fast oder ganz vorbei sei, einzugehen, lohnt doch nicht. Italien hat ein Mißgeschick erlitten, weiter nichts; daß es mit seinen Finanzen nicht zum Besten steht, hat man in Berlin und Wien schon beim Abschluß des Dreibundes gewußt. Von einer Er schütterung der militärischen Macht Italiens kann aber nicht die Rede sein. Mehr komisch, wie ernst, klingen auch die Andeutungen, Oesterreich-Ungarn solle wegen der Transvaalfrage zwischen Deutschland und England vermitteln. Da braucht's doch wahrhaftig keiner Ver mittlung, solche Dinge sind zwischen England und Deutschland nicht passirt, daß eine Vermittlung ins Feld rücken müßte. In Deutschland weiß man, daß der Dreibund gefestet dasteht; der leitende Minister einer verbündeten Macht wird heute immer freundschaftlich be grüßt werden, aber ein himmelstürmendes Ereigniß ist das denn doch nicht mehr. Dem Fürsten Bismarck wird auch in diesem Jahre an seinem Geburtstage ein Fackelzug gebracht werden. Im Auftrage des Fürsten ging dem Vorsitzenden des Reichstagswahlvereins in Hamburg von 1884 auf dessen Anfrage ein verbindliches, zusagendes Antwortschreiben zu. Fürst Bismarck hat an die Wittwe des verstorbenen Or. Buhl folgendes Telegramm gesandt: „Mit tiefer Betrllbniß habe ich die mir nach dem Lebensalter Ihres Herrn Gemahls unerwartete Nachricht von seinem Hin scheiden vernommen und empfinde mit Ihnen schwer den Verlust meines politischen Mitkämpfers und persönlichen Freundes. Bismarck." Die „Berl. Börsenztg." giebt einige Stellen aus dem Briefe eines Bildhauers wieder, der die Ehre hatte, vom Fürsten Bismarck empfangen zu werden. Es heißt da: „Der Fürst sieht bewundernswürdig frisch aus und ifl es auch. Das Gehen ist allerdings etwas unsicherer ge worden, aber aufrecht ist die Haltung. Der Fürst war lebendig in der Unterhaltung bei Tisch und manche liebenswürdige, oft auch beißende Witze erregten die laute Freude der Anwesenden. . . Wie der Fürst mir einmal ein Glas eigenhändig einschenkte, trank ich es auf sein Wohl, auf noch viele gesunde Jahre. „Nee, he hat noog, he mag nich mehr", erwiderte der Fürst, worauf Graf Rantzau rief: „Aber wi hebbt noch nich noog, wie wüllt Di noch lang hebben!" Der Fürst ist diesen ganzen Winter nur einmal ausgefahren, sonst nicht hinausgekommen, und doch hat er eine blühende Gesichts farbe. Er arbeitet viel an einem Zimmer-Tret-Apparat, um Arm- und Beinmuskeln zu bewegen, und fühlt sich fehr wohl dabei. Die Gesichtsschmerzen plagen den Fürsten oft, doch hilft ihm dagegen sofort das Trinken eines rohen Eies." Die Berathung der Extraforderungen des Marine etats wurde Dienstag in der Budgetcommission des Reichstages fortgesetzt. Abgelehnt wurden 191,800 Mk. für Strandausschüttungen am Kieler Hafen, sowie die bereits in den früheren Sessionen abgelehnte Forderung der ersten Baurate von 1 Mill. Mk. zum Bau eines Trockendocks auf der Werft zu Kiel. Die vom Ordi- narium des Marineetats der Commission überwiesenen Theile wurden darauf bewilligt. In der Reichstagscommission für das bürgerliche Gesetzbuch wurden zunächst die 88 574 bis 603, welche die Pacht, Leihe und Darlehn behandeln, unver ändert angenommen und sodann in die Berathung des Abschnitts „Dienstvertrag" eingetreten. Hierzu liegt ein Antrag der Socialdemokraten vor, betr. Abschaffung der bestehenden Gesindeordnungen und Gleichstellung des Gesindes und der ländlichen Arbeiter mit den gewerb lichen Arbeitern. Statt „Dienstvertrag" soll „Arbeits vertrag" gesagt werden. Auch Abg. Gröber (Ctr.) hat