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jetzt die Zustimmung der Mächte zu einer Theilung der Türkei nach. Es wird behauptet, daß alle Mächte daniit einverstanden seien mit Ausnahme von Oesterreich, welches sich noch seine Erklärung vorbehalten habe. Das ist weiter nichts als englischer Schwindel. Im Reichstag findet Montag die erste Lesung des Bürgerlichen Gesetzbuchs statt. In der Dienstagsitzung des preußischen Abgeordneten hauses wurden Beschwerden darüber geführt, daßKreis- blälter die Partei des Bundes der Landwirthe nähmen, sich also im Gegensatz zur Negierung stellten. Der neue Minister des Innern versprach, die Angelegen heit untersuchen zu lassen. Der Kaisergeburtstags - Artikel der „Hamb. Nachr." mit seiner Klage, daß die Initiative des Kaisers nicht genügende Unterstützung bei Rn Ministern finde, ist vielfach aus die angeregte außerordentliche Verstärkung der Marine bezogen worden. Hierüber schreiben die „Hamb. Nachr." neuerdings: Wir halten an der Auf fassung fest, daß wir allerdings mehr Kreuzer als bisher gebrauchen, um den Aufgaben zu genügen, die der deut schen Marine gestellt sind. Wir müssen so viele Schiffe haben, daß wir jeder Zeit, ohne in Verlegenheit zu ge- rathen, welche davon irgendwohin schicken können, wo sie gerade gebraucht werden. Daß eine Vermehrung der großen Schlachtschiffe fürs Erste nöthig sein wird, glauben wir nicht. An den Fürsten Bismarck ist eine Massenpetition der Einwohner Berlins in Vorbereitung, gestatten zu wollen, daß während der Dauer der Berliner Gemerbe ausstellung alle dem Fürsten in den letzten 25 Jahren zugegangenen Geschenke, die im „Bismarck-Museum" in Schönhausen nicht gebührend zur Geltung kommen können, zunächst im Sitzungssaale des alten Reichstags gebäudes ausgestellt werden, um später einem „Bismarck- Moltke-Muscum" in Berlin, zu dessen Erbauung ein Fonds gesammelt werden soll, überwiesen zu werden. Die Budgetcommifsion des Reichstags setzte Dienstag die Berathung des Militäretats fort. Um Mißver ständnissen vorzubeugen, gab ein Regierungsvertrcter die Erklärung zu Protokoll, daß den Abiturienten der Lehrer seminare allerdings die volle Berechtigung zum Einjährig- Freiwilligendienst gewährt werden soll. Diese Maßregel soll jedoch nicht sofort allgemein, sondern nach und nach durchgeführt werden, so daß sie im Jahre 1900 im ganzen Umfang zur Vollziehung gelangt. Auch den jenigen Seminarabiturienten, die die Mittel zum ein jährigen Unterhalt nicht nachweisen können, wird das Recht gewährt, nur ein Jahr zu dienen, jedoch ohne Schnüre und ohne das Ziel der Verwendung zum Reserve offizier. Die Forderungen des Extraordinariums für das preußische Contingent wurden darauf genehmigt. Abgelehnt wurde lediglich die erste Baurate von 500,000 Mk. für eine Artillcriekascrne in Brandenburg a. H. In der Börsencommission hat man schon bei den Paragraphen für die Fondsbörse die Bestimmungen etwas straff angezogen, aber noch mehr soll dies bei den Vor schriften über den Geschäfts-Verkehr an der Produkten börse geschehen. Vor Allem heißt es hier, die Schcin- geschäste zu unterdrücken, welche einen so beträchtlichen und für die Landwirthschast meist wenig erfreulichen Einfluß auf die Kursfeststeüungen ausüben. Eine Mehr heit hierfür ist im Reichstage ganz sicher vorhanden, da auch das Centrum einhellig der festen Ueberzeugung ist, daß die Regelung des Verkehrs an der Productenbörse eines der wirksamsten Mittel zur Hebung der Landwirth- schäft sei. Was den Antrag Kanitz betrifft, so hat der Vorsitzende der Centrumsfraction Graf Hompesch erst in diesen Tagen wieder in einem Briefe erklärt, daß der Antrag von seinen politischen Freunden einstimmig ver worfen wird. Aus Madagaskar ist ein weitverzweigter Aufstand der Urbewohner der Insel gegen die bisher herrschenden Hovas und zugleich die Franzosen ausgebrochen. Mehrere Europäer sind ermordet. Den Eingeborenen ist bei ihren schwer zugänglichen Schlupfwinkeln schlecht beizukommen. Immer nobel, heißt es in Paris. Für die Gesandt schaft, welche zur Krönung des russischen Kaiser paares nach Moskau gehen wird, sind nicht weniger als 915,000 Frcs. ausgeworfen worden. Italien. Der Papst hat in einer persönlichen Unterredung mit dem Fürsten Ferdinand von Bulgarien die Ge nehmigung zur Umtaufe des kleinen Prinzen Boris entschieden ab gelehnt. Taufen will Fürst Ferdinand freilich trotzdem seinen Sohn nachmals lassen, da er sonst für seinen Thron zu sürchien hat. Aus dem Mulventhale» *Waldeuburg, 29. Januar. Durch die Zeitungen ging dieser Tage die Nachricht, daß Se. Durchlaucht der Fürst von Reuß ä. L. seinen Schwager, Se. Durchlaucht Prinz Hugo von Schönburg-Waldenburg zu Droyssig, welcher einen schweren Unfall erlitten hätte, besucht habe. Nach unseren Informationen hat leider den hohen Herrn allerdings am 26. v. M. ein Unfall betroffen, indem der Prinz bei Glatteis gefallen ist und sich den rechten Schenkelhals gebrochen hat. Der erlauchte Herr befindet sich in der Behandlung der berühmten Chirurgen, des Professors Or. von Bramann aus Halle. Der Fall ist freilich schlimm genug, indessen darf bei der fonst kräfti gen Natur des bejahrten Prinzen Heilung erhofft werd n. *— Wie wir hören, ist der „Schönburger Hof" hier- selbst gestern zum Preise von 54,000 Mark an Herrn Restaurateur Wismar in Reichenbach i. V-, Besitzer des „Heiteren Blick" daselbst, verkauft worden. Die Uebergabe soll am 1. März d. I. erfolgen. *— Zu den Obliegenheiten der Landbriefträger gehört bekanntlich auch die Annahme von Postsendungen auf ihren Bestcllungsgängen. Die Landbriefrräger haben zu diesem Zwecke ein Annahmebuch bei sich zu führen, das zur Eintragung der von ihnen unterwegs angenommenen Werth- und Einschreibsendungen, Postanweisungen, ge- wöhnlichen Packet- und Nachnahmesendungen dient und nach jedem Bestellgange von einem Beamten der Post anstalt durchgesehcn wird. Die Auflieferer können der- artige Sendungen entweder selbst in das Annahmcbuch eintragen, oder die Eintragung den Landbriefträgern überlasten Im letzteren Falle muß dem Absender auf Verlangen durch Vorlegung des Buches die Ueberzeugung von der geschehenen Eintragung gewährt werden. Aus diese Weise ist Jedermann in den Stand gesetzt, bei Auflieferung einer Sendung — abgesehen von gewöhn lichen Briefen — durch Vermitteluug des Landbriesträ gers deren richtige und pünktliche Weiterbeförderung von vornherein sicher zu stellen. Postanweisungsbeträge neh men die Landbriefträger übrigens nur dann entgegen, wenn ihnen gleichzeitig das ordnungsmäßig ausgefullie Formular zur Postanweisung mit übergeben wird. Oberwittkel, 26. Januar. An Stelle des durch Tod auSgcschiedenen Herrn Kirchenvorstandes Heilmann ist vom Kirchcnvorstande einstimmig Herr Gutsbesitzer Emil Landgraf-Dietz geivählt worden. Die feierliche Verpflichtung und Einweisung desselben soll am Sonntage Septuag., den 2. Februar, im Gottesdienste erfolgen. — In welchem Maße der Bedarf an Kleiderstoffen in den Vereinigten Staaten in der letzten Zeit gestieaen ist, das läßt sich aus der Aussuhrübersicht des amerika nischen Consulates Glauchau erkennen. Es wurden nämlich an Waaren ausgeführt in Dollars: im 1. Vier teljahre 1895 1,302,047 (1894: 437,784). im 2. Vierteljahr 767,258 (389,171), im 3. Vierteljahr 1,178,629 (839,175) im 4. Vierteljahre 774,764 (749,570), in Summa 4,022,698 (2,415,700). Die Ausfuhr ist sonach um 1,606,990 Dollars gestiegen. Da die wollenen Kleiderstoffe an der Gesammtsusiuhr stets den Löwcnantheil beanspruchen, so ist auch in ver regeren Nachfrage nach diesen Stoffen der Grund dieser erfreulichen Steigerung fzu erblicken. Leider haben die Amerikaner diese Zunahme mit neidischen Blicken ver folgt und wollen deshalb gerade die Wollartikel mit so hohen Zöllen belegen, daß solche jedenfalls nur wenig mehr hinübergesandt werden können. Hoffentlich Mit dieser Fall nicht ein, denn dadurch würde unserer Web- waarcnindustrie ein schwerer Schlag zugefügt. — In Zwickau erfolgte am Sonntag Vormittag in Anwesenheit der Vertreter der städtischen Collegien und einer Anzahl von Mitgliedern des Alterthumsvereins die Eröffnung des Museums des Vereins. Aus dem Sachsenlande — Se. Majestät der König und Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz Friedlich August und der Prinz Jo hann Georg sind am Dienstag früh 12 Uhr 58 Mm. auS Berlin nach Dresden zurückgekehrt. - Dieselbe Petition des Herrn Polizeiregistrator Wellner in Schwarzenberg über die Uebersetzung des 8o üleliLU uruafi auf Staatskosten gab am Dienstag der 2. Kammer Gelegenheit, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Der Berichterstatter Abg. Hering bezog sich auf die in der 1. Kammer vorhergcgangenen Verhand lungen und schlug vor, die Petition auf sich beruhen zu lasten. Abg. k)r. Mehnert nannte dieses Buch einen Auszug aus dem Talmud, den Joseph Ouaro im 16. Jahrhundert verfaßte. Da einmal daS Mißtrauen be stehe, daß dessen Lehren sich theilweisc mit unseren sitt lichen Anschauungen nicht vertragen, so liege es im all- seitigen Interesse, dieses Werk authentisch zu übersetzen. In einem Orte Badens sei ein Auszug daraus als Feuilleton. Eine gute Partie. Roman aus dem Börsenleben von H. Abt. (Fortsetzung.) Nach der Geburt hatte Asta, ohne außergewöhnlich schwach zu sein, sich tagelang in einem lethargischen Zu stande befunden; Frau Körberg, die einzige, die sie in letzter Zeit noch um sich geduldet, durfte nicht zu ihr kommen. Auch nach dem Kinde verlangte sie nicht. Als man es ihr zum ersten Male gereicht, hatte sie er eine Weile starr angesehen, dann, ohne es geküßt zu haben, von sich geschoben —. „Nehmt es weg." Und da das Kind zum ersten Male geschrieen, war sie emporgezuckt und hatte die Hände an die Schläfen gepreßt — „Ich kann das nicht ertragen." Darauf war die Amme mit dem Kinde in ein ent ferntes Zimmer gebracht worden. Nach vierzehn Tagen war Asta, die bisher ihr Lager noch keine Minute verlassen, plötzlich völlig angekleioet im Wohnzimmer erschienen und hatte befohlen, den Wagen anzuspanncn. Als derselbe kurz darauf vorfuhr, kam ihr Mann, gleichfalls zum AuSgehen angekleidet, und bot ihr den Arm. Sie hatte eine Bewegung kühlen Ablehnens gemacht: „Wozu diese Ccremonie?" Adelung hatte, ohne der Abwehr zu achten, den Arm seiner Frau durch den seinen gezogen. „Ich kenne meine Pflichten gegen Dich bester als Du selbst. Wohin wünschest Du, daß wir fahren?" Sie suchte heftig, ihren Arm frei zu machen, was ihr aber nicht gelang. „Ich habe nicht um Deine Beglei tung gebeten und wünsche allein zu fahren." „Ich wiederhole: ich kenne meine Pflichten Dir gegen über und gedenke nicht davon abzuweichen. Selbstver ständlich begleite ich meine Frau bei der ersten Ausfahrt nach ihrer Entbindung." Sie lachte scharf aus. „Ah so — um aller Welt diese neue Phrase ehelicher Glückseligkeit kundzuthun!" „Ja," antwortete er nur und führte sie nach dem Wagen. Sie gebot dem Kutscher, die einsamsten, menschenleer sten Wege zu fahren und namentlich jede Begegnung mit Bekannten zu vermeiden. Es war auch um eine Stunde, wo der Thiergarten ziemlich leer war, trotzdem befahl sie nach kaum zehn Minuten, wieder heimzukeh ren. Ihr Mann, dessen Gegenwart sic völlig ignorirte, faß schweigend neben ihr und nagte an der Unterlippe. Doch hob er sie mit liebenswürdigster Sorgfalt wieder aus dem Wagen und führte sie in ihr Zimmer zurück. Als Asta aber daselbst Hut und Handschuhe von sich warf, nach einem Buche griff und in wiederum gänz licher Nichtbeachtung seine Person eifrig zu lesen be gann, trat er an sie heran und sagte mit vibrirender Stimme: „Ich nahm und nehme noch jede nur erdenkliche Rücksicht auf Deinen leidenden Zustand; Dankbarkeit er warte ich dafür nicht, denn ich weiß, daß diese Eigen- thümlichkeit nicht in Deiner Natur liegt, aber was ich erwarte, waS ich verlange, ist eine andere als diese ewig trotzende, ewig verneinende Miene. Ich will, daß meine Frau mich sieht, wenn ich neben ihr stehe, ich will, daß sie wenigstens die Pflichten gewöhnlicher Höflichkeit nicht vergißt." Da Asta ohne eine Bewegung ruhig in ihrem Buche weiter las, riß er ihr dasselbe aus der Hand und schleu derte cs weit hinweg. „Hörst Du nicht — ich will es!" rief er, gewaltsam mit dem Fuße ausstampfend. Sie hob langsam den Blick zu ihm. „Du willst es. Und was weiter?" fragte sie kalt. Seiner nicht mehr mächtig, packte er sie an der Schulter. „Treibe mich nicht zum Wahnsinn, ich kann das Leben nicht mehr ertragen!" Asta lächelte in verächtlichem Hohn. „Du kannst cS nicht mehr ertragen — Du?l Und ich?" Es schien in der That eine Art Wahnsinn über Ade lung gekommen. Er packte seine Frau auch mit der anderen Hand und schüttelte sic hin und hcr. „Du sprichst von Dir? Wähnst Du Dich etwa durch mich unglücklich gemacht? Du — durch mich? Hast Du denn ganz vergessen, Weib, daß Du mir alles, alles verdankst?" Sie strebte nicht, sich von seinen brutalen Händen zu befreien, aber eine erschreckende Bläste überzog das Ge sicht, das eine totenartige Starrheit gewann. Adelung« eingckrallte Finger lösten sich von ihren Schultern, lang sam, wie über sich selbst entsetzt, wich er von seiner Frau zurück. „Verzeih' —" stammelte er. Sie erhob sich automatenhaft und trat vor ihn hin. Die starre Blässe ihres Gesichts blieb unverändert. „Willige ein, daß unsere Ehe getrennt wird," sagte sie mit einer Stimme, die so unbeweglich war, wie ihr Gcsichtsausdruck. Adelung hob wie entsetzt die Hände. „Willige ein," wiederholte sie. „Es ist eine Hölle für uns beide. Vielleicht bin ich schuld daran, nur ich, aber ich kann's nicht ändern. Ich weiß, daß ich Dir wohl dankbar sein müßte, aber ich kann's nicht sein. Ich kann mich nicht zu freundlicheren Gefühlen gegen Dich zwingen, von Tag zu Tag wird es nur stärker, das Entsetzen, daS Grauen vor Deiner Nähe. Es ist furchtbar und wird mich noch eines Tages zum Irrsinn treiben, oder zum Selbstmord." „Und unser Kind?" fragte Adelung, sie mit einem nicht zu enträthselnden Blicke anschend. Sie preßte die Hände an die Schläfen. (Fortsetzung folgt.)