Volltext Seite (XML)
Erweiterung ihres Geschästskreises gekräftigt werden. Ziemlich energisch klingen die der Landwirthschaft in der Thronrede gemachten Versprechungen, doch wird abzu warten sein, welche bestimmten Gesetzesvorlagen kommen werden. Es heißt darüber: „Die andauernd ungünstige Lage der Landwirthschaft nimmt fortgesetzt die volle Auf merksamkeit der Staalsregierung in Anspruch. Sie ist entschlossen, alle Mittel in Anwendung zu bringen, welche zur Abhilfe geeignet sind und eine Besserung der Lage dieses für unsere wirthschaftlichen Verhältnisse so hoch wichtigen Gewerbes gewährleisten." Die landwirthschaft- liche Bewegung wird hieran sicher anknüpfen. Bereits angekündigt werden Entwürfe, betr. das Anerbenrecht bei Renten- und Ansiedelungsgütern und betr. die finan zielle Unterstützung der genofienschaftlichen Errichtung von Kornhäusern. Die Thronrede schließt mit einem Hinweis auf die vor 25 Jahren erfolgte Wiedererrichtung des deutschen Reiches und mit dem Wunsche für eine ge segnete parlamentarische Arbeit. ^2" errei -iltig rn. Kaiser Franz Joseph reist auch in diesem Winter an die Riviera. Die schöne Zeit der billigen Zonentarifbillets in Ungarn auf den dortigen Eisenbahnen ist nun auch zu Ende. Man hat eine erhebliche Erhöhung der Preise vorgenommen, die eine Mehreinnahme von 1 '/a Millionen Gulden ergeben soll. Av-nkee- . In den neu zusammengetretenen Kammern ist die Präsidentenwahl vollzogen. Sonst liegt etwas Be- merkenswerthes nicht vor. Verhaftungen und Haus suchungen in der Erprcsseraffaire dauern fort, man will auch wirklich Beweise haben, daß Rosenthal-Saint-Cöre Spion war. Ohnedem geht's natürlich nicht; solch' ein deutschfeindlicher Spion wäre aber doch noch nicht da gewesen. Italien. Auf dem italienisch-abessynischen Kriegsschau plätze dauern die beiderseitigen Gefechte fort. In Rom wartet man mit Schmerzen darauf, daß die italienische Hauptmacht ihren hart bedrängten Kameraden im Fort Makalle Luft macht. Die ganze abessynische Grenzbevöl kerung ist bewaffnet, und wenn darunter auch viele Lan zenträger sind, so bleibt Vorsicht jedenfalls geboten. Ongtand. Die Schwierigkeiten zwischen England und Transvaal gehen ebenfalls ihrer Lösung entgegen. Die englischen Freibeuter werden, wie bekannt, über Natal nach England spedirt, und nun scheint man auch wegen der Freilassung ihres Führers auf dem besten Wege zur Einigung zu sein. Die Forderungen der Transvaal-Republik halten sich in maßvollen Grenzen. Die englischen Zeitungen in Europa schlagen nachgerade einen ruhigen Ton an, aber die britischen Kolonialblätter schießen beinahe Purzelbäume vor Tollhäuslereien. Auch sie werden ruhig werden. Zehn neue Kreuzer der briti schen Flotte sollen gebaut werden. Minister des Innern, Ridley, hielt eine versöhnliche Rede. Spermen Ueber die aufständischen Cubaner werden immer neue Siege berichtet, aber trotzdem brennen und plündern die Insurgenten ein paar Meilen von Habannah unge- nirt darauf los. Lange ,kann das nicht mehr so fort gehen. Türkei. In Armenien hat der harte Winter bekanntlich Christen und Türken zur Waffenruhe genöthigt, und diese Ruhezeit haben nun doch die Armenier zu einigen gescheidten und zeitgemäßen Gedanken benutzt. In Folge der britischen Agitation, welche den Armeniern einen eigenen Staat in Aussicht stellte, griffen die Letzteren zu den Waffen, und Mord und Brand waren die Folge. Jetzt hat sich England absentirt, und die Armenier sind von aller Welt verlassen. Und da kommen sie nun auf den Gedanken, sich freundschaftlich mit der türkischen Regierung zu vertragen. In Konstantinopel hat man den dringenden Wunsch, den Aufstand beendet zu sehen, und wird den Armeniern bei einem freiwilligen Nieder legen der Waffen jedenfalls viel weiter entgegenkommen, als bei einer Fortdauer des Kampfes. ^Waldenburg, 16. Januar. Im Rathhaussaale hicrselbst sand gestern Abend eine vom hiesigen Päda gogischen Verein veranstaltete Feier des 150jährigen Ge burtstages Pestalozzis statt, zu welcher sich eine zahl reiche Zuhörerschaft eingefunden hatte. Nach einer Be grüßung seitens des Vereinsvorsitzenden Herrn Seminar oberlehrer Kaeseberg sprach zunächst Frl. Uhlig einen Prolog, worauf Herr Lehrer Weis die Festrede hielt. In längerer Rede feierte derselbe Pestalozzi als einen der edelsten und einflußreichsten Männer seiner Zeit, der im deutsch-nationalen Sinne gewirkt habe. Im ersten Theil seiner Rede entwarf Redner ein anschauliches Bild von den Zielen und Bestrebungen Pestalozzis, von seinem Leben voll Mühe und Arbeit, von Noth und Entbehrung, um im zweiten Theile sein Hauptwerk, den Dorfroman „Lienhardt und Gertrud" eingehend zu würdigen. Der Vortrag, welcher von musikalischen Darbietungen einge rahmt wurde, welche auch die übrige Zeit des Abends aussüllten, fand den lebhaftesten Beifall der Anwesenden. Nicht unerwähnt wollen wir lassen, daß auch Herr Schul director Hanschmann Scenen aus Lienhardt und Gertrud zum Vortrag brachte. Der Abend verlief in erhebender und allseitig befriedigender Weise. *— Die Lehrer Sachsens betrifft folgender von den Conservativen der Zweiten Kammer soeben eingebrachter Antrag: Die Kammer wolle beschließen: die königliche Staatsregierung zu ersuchen, der Ständeversammlung den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, nach dem unter Aus hebung der entgegenstehenden Bestimmung in Z 4 Ab satz 1 des Gesetzes, die Gchaltsverhältnisse der Lehrer an den Volksschulen betreffend, vom 4. Mai 1892 be stimmt wird, daß vom 1. Januar 1898 ab die in der angezogenen Gesetzesstelle gedachten Zulagen künftig aus der Staatskasse zu gewähren sind." *— Im benachbarten Reichenbach brach gestern Mitt woch früh gegen 5 Uhr im Schuppengebäude des Mühlen besitzers Hentschel Feuer aus und brannte das Gebäude bis auf die Umfassungsmauern nieder. — Die seitens der Schmiede-Innung in Glaucha» errichtete Fachschule wird Donnerstag, den 16. d., abends 8 Uhr in der dortigen 1. Bezirksschule mit einem Vor trage des Herrn Bezirksthierarzt Fambach — welcher Herr auch zur Unterrichts-Ertheilung gewonnen worden ist — über die Entwicklung und Bedeutung der Huf beschlagstechnik eröffnet werden. Der Unterricht wird sich auf alle zur Ausübung der HusbeschlagStcchnik nöthigen Fächer erstrecken. — Mit Genehmigung der Kirchenbehörde wird das altehrwürdige Gotteshaus in Alte, welches viele Jahr hunderte lang die Andächtigen dortiger Stadt in seinen Mauern sah und nun durch die herrliche neue Kirche ersetzt worden „yst, auf Abbruch versteigert werden und in kurzer Zeit verschwunden sein. — Aus der Arbeiter-Stiftung, welche seiner Zeit Commerzienrath Juel in Wurzelt errichtet hat, erhiel ten am 4. d. M. wiederum vier langjährige, treue Ar beiter der Wurzener Teppich- und Veloursfabriken, welche seit 1863, 1867, 1869 und 1870 in dem Etablisse ment arbeiten, je 100 Mk. Die Ueberreichung der Ge schenke erfolgte durch Herrn Bürgermeister Mühle. — Wegen Unterschlagung wurde nm Freitag ein 31- jähriger Handlungsgehilfe aus Deußen bei Wurzen ver haftet. Derselbe war in einem Kohlen-Engrosgeschäft als Buchhalter angestellt und genoß da« größte Ver trauen seines Chefs. Vor einigen Tagen sollte der Buch halter eine Abrechnung bezüglich der Kasse und der Außen stände ablegen. Der Mann zog es aber vor, dem Ge schäft fernzubleiben. Die Erörterungen ergaben schließ lich, daß der Mann sämmtliche laufenden Geschäftsbücher unbrauchbar gemacht hatte, sodaß es dem Geschäftsin haber zunächst unmöglich war, einen Ueberblick über den Geschästsstand zu gewinnen. Der leichtsinnige Buchhal ter, der übrigens wegen Unterschlagung und Urkunden fälschung bereits vorbestraft ist, wurde verhaftet. Als bald hat er auch ein Geständniß seiner That abgelegt, sich aber in der Untersuchungszelle kurze Zeit darauf er hängt. Ans Sem — Die 2. Kammer befaßte sich am Montag mit der allgemeinen Vorberathung über den Antrag Fräßdorf und Gen. auf Wegfall des Schulgeldes und der Schulanlngen für die Volksschulen, sowie über den Antrag !>r. Meh nert und Gen., die Uebernahme der Alterszulage der Volksschullehrer auf die Staatskasse betr. Die Berathung beider Anträge wurde zusammengefaßt. Abg. Schulze begründete den Antrag Fräßdorf und Abg. Horst den Antrag Mehnert, beide beantragten die Ueberweisung an die Finanzdeputation Nach lebhafter Debatte be merkte Staatsminister v. Seydewitz, die Annahme deS Mehnert'schen Antrages würde ihn nur freuen. Bezüg lich des Antrages Fräßdorf verweise er auf Aeußerungen in vergangenen Landtagen. Die Aushebuug des Schul geldes erfordere einen finanziellen Aufwand, der sich in fortwährend steigendem Maße auf :viele Millionen be- Mere, dazu sei ein zwingendes Bedürsniß nicht vorhan den. Den ganz Armen werde gar keine Last abgcnom- men, denn sie bezahlen kein Schulgeld, den Wohlhabenden Feuilleton. Eine gute Partie. Roman aus dem Börsenleben von H. Abt. (Fortsetzung.) Bruno selbst schien das unbedingt zu finden. Er ge noß die Freuden des Lebens in vollsten Zügen. Frau Erna Meysenburg hatte ganz wahr gesprochen, er war eine Residenzberühmtheit. Wo er erschien, stieß man sich an: „das ist Bruno Torges, der schöne Bruno." Verstohlene und offene Grüße trafen ihn aus schönen Augen, diskretes und herausforderndes Lächeln von ver führerischen Lippen. Er war überall zu treffen, zu den Premierenvorstellungen auf einem Mittelplatz des ersten Ranges, auf den großen Festen der Presse und der Künstler sowohl, wie in den öffentlichen Balllokalen der „eleganten Welt," auf den Wohlthätigkeitsbazars in den Palais sehr hochgestellter Damen, bei den geheimen Or gien, die in den verschwiegenen Hinterzimmern eines eleganten Restaurants Mitglieder der skuaesss äoröe in Gemeinschaft mit solchen Jüngerinnen der Kunst feier ten, deren glänzendste Triumphe nicht auf der Bühne, sondern hinter den Coulissen sich abspielen. Bei den großen Rennen in Hoppegarten hatte er mit seinem prachvollen Rappenhengst „Mephisto" bereits dreimal be deutende Preise gewonnen und die vornehmsten Mitglie der der Sportswelt, die aristokratisch exklusivsten Offiziere, nickten ihm vertraulich zu und schüttelten ihm kamerad schaftlich die Hand. Allerdings munkelte man hie und da, daß dieser Kameradschaftlichkeit häufig ein tieferer, für die betreffenden vornehmen Herren keineswegs er freulicher Grund vorliege, daß mancher der schneidigen Gardelieutenants die Ansicht hege, Mephisto sei ein passenderer Name für den Herrn, als für seinen Hengst, der elegante, kavalierement auftretende Bruno Torges sei nicht um ein Haar bester als der gemeinste, schmutzigste jüdische Halsabschneider. Es liebt die Welt nun eben einmal, das Strahlende zu schwärzen. Wer nur einen Blick durch die großen Spiegelscheiben bei Hiller oder Dressel warf und sah, wie an einem der Tische Bruno Torges mit seinem In timus Victor Scharf und einigen Offizieren, deren Uni form gleichbedeutend war mit einem alten Adelsbrief, in gemülhlichster Zusammengehörigkeit speiste, dem konnte es unmöglich in den Sinn kommen, es werde da von einer Seite etwas wie em moralischer Zwang ausgeübt und statt heiter mit dem schönen Bruno anzustoßen, hätten die Lieutenants ihr Champagnerglas ihm vielleicht lieber in das lächelnde Gesicht geschleudert. Viktor Scharf, der fast beständige Gefährte Brunos, war ein merkwürdiger Mensch und so gut ein Stück Berühmtheit, wie Bruno selbst. Schon sein Aeüßeres hatte etwas Auffallendes, aus der Menge heraustreten des. Schön war er nicht. Ein farblos fahles Gesicht, das mit den tiefliegenden, durchdringenden Augen, den großen, grobgeschnittenen Zügen, über denen eine rück sichtslose Entschlossenheit lag, fast abstoßend wirkte und um nichts anziehender gemacht wurde durch das dichte, bürstenartig emporstehende, strohgelbe Haar und den ge waltigen Schnurrbart von gleicher Farbe. Dazu eine überraschend große Gestalt, fast gänzlich fleischlos, doch von herkulischem Bau, nur Muskel und Sehne. Dabei fehlte ihm vollständig das schmiegsam glatte Wesen Brunos, er war abrupt, fast gewaltsam in all seinen Bewegungen und doch machte er weit mehr, denn sein eleganter Freund den Eindruck einer bedeutenden geistigen Kraft. Und wenn nach dem schönen Bruno die Blicke der Frauen sich wandten, so sahen nach Viktor Scharf die Männer sich um. Scharf stand zu Anfang der Dreißig und hatte be reits ein Leben voll der mannigfachsten, zum Theil abenteuerlichsten Wechselfälle hinter sich. Er entstammte einer Familie, die zu den reichsten Grundbesitzern Schle siens gehört hatte. Obwohl Scharf, der Vater, nicht von Adel war, hatte er doch ganz sowohl die Manieren als die Gewohnheiten und Lebensanschauungen eines großen Herrn, und seine Gemahlin, die ihm zwar keine Mitgift brachte, dafür aber die Verschwägerung mit dem ältesten Adel der Provinz, harmonirte in allem auf das Innigste mit ihm. Man führte ein glänzendes Leben auf Crampowitz, dem größten der Scharf'schen Güter: selbst hohe fürstliche Gäste nahmen häufig theil an den großen Jagden in den alten, prächtigen Forsten. Das neuerbaute, glänzend eingerichtete Schloß ward von Be suchern nie leer, es ward eine Gastfreundschaft in dem selben geübt, die an die Glanzzeiten des polnischen Adels erinnern konnte. Um die Bewirthschaftung seines Be sitzes konnte sich der Gutsherr bei so ausgedehnten anderweitigen Pflichten natürlich nicht sonderlich beküm mern. Aber er hielt sich Inspektoren und Administra toren und dieselben mußten ganz vorzüglich tüchtige und pflichtgetreue Männer sein, denn er bezahlte ihnen ein außergewöhnlich hohes Gehalt. Er sandte auch, als im Laufe der Jahre Familie um ihn heranwuchs, seinen Sohn in eine der vornehmsten, theuersten Erziehungsan stalten und hielt seinen beiden Töchtern englische und französische Erzieherinnen, so gut empfohlen und kostspielig, als dieselben nur immer zu haben waren. Das glän zende, flotte Leben gewann einen noch großartigeren Auf schwung, als die Töchter heranwuchsen und Wanda, die älteste, zu einer blendenden Schönheit wurde. Dann war ein Tag gekommen, wo plötzlich der Oberinspector er klärte, auf keine Weise mehr Geld flüssig machen zu können. Der Gutsherr hatte nur gelacht. Was, er, der Besitzer dreier großer Güter, sollte mit leeren Taschen dastehen, wie ein Lieutenant in der zweiten Hälfte des Monats? Haha! Warum wimmelte das Land denn von Juden, die nur auf die Ehre warteten, ein Darlehn geben zu dürfen? Der Itzig Silberstein kam, unterwürfig, geschmeidig, erlaubte sich ein kleines Witzchcn, denn cs war wirklich „ä Spaß" — wie das Fehlen von ein paar lumpigen tausend Thalern so einen feinen Herrn in augenblickliche Verlegenheit bringen konnte. Wirklich, ä Spaß war's. (Fortsetzung folgt.)