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als die französische Eitelkeit, hat viel zum Entstehen dieser Verkennung der deutschen Verhältnisse beigetragen, hinzu kommt dann noch, daß man meinte, Deutschland dürfe, selbst unter Hintenansetzung seiner eigenen Inter essen, immer nur für England sein, weil Kaiser Friedrich ein Schwiegersohn der Königin Victoria, Kaiser Wilhelm 11. ihr Enkel ist. Das ist aber entsetzlich gleichgiltig, in Deutschland wird von dem jeweiligen deutschen Kaiser nur nationale, aber keine Verwandtschafts-Politik ge trieben, und diese Politik wird nach den Flegeleien der britischen Zeitungen mehr denn je eine Politik der deut schen Kraft, der Wahrung der nationalen Interessen und der internationalen Gerechtigkeit sein. PsLM -- He Ärmv zchau. Deutsches Reich. Der Kaiser arbeitete am Sonnabend mit dem Chef des Militärcabinets und empfing dann den Herrn v. Hanneken, welcher bekanntlich in chinesischen Diensten ge standen, zur Entgegennahme eines Berichts über das Verhalten der chinesischen Flotte im letzten chinesisch-japa nischen Kriege. Sonntag wohnten die Majestäten in der Friedenskirche zu Potsdam dem Gottesdienste bei. Am Sonntag Nachmittag stattete der Kaiser dem Reichskanz ler Fürsten Hohenlohe einen längeren Besuch ab und kehrte sodann nach Potsdam zurück. Montag hörte Se. Majestät im Neuen Palais Vorträge und empfing den Staatssekretär der Südafrikanischen Republik l)r. Leyds in Audienz. Das Kaiserpaar wird voraussichtlich am Mittwoch von Potsdam nach Berlin übersiedeln. Wie nachträglich bekannt wird, hat der Kaiser am 30. De- cember den Exjesuiten Grafen Paul Hoensbroech in längerer Audienz empfangen. Den Neujahrsglückwunsch des Fürsten Bismarck hat der Kaiser, den „Hamb. Nachr." zufolge, mit einem längeren Handschreiben erwidert. Durch das Ableben des Prinzen Alexander, des bis herigen ältesten Mitgliedes des Hohenzollernhauses, am Sonnabend Abend 9 Uhr ist unser Kaiserhaus in tiefe Trauer versetzt worden. Ter Verblichene, der Enkel des Prinzen Ludwig, Bruders Königs Friedrich Wilhelm Hl., war zwar nur ein entfernterer Vetter unsres Kaisers, um nichts weniger war aber doch das Verhältniß des Kaisers und seines Hauses zu dem nunmehr abberufe nen Senior der Hohenzollernfamilie ein überaus herzli ches und inniges. Obwohl der Prinz in aller Stille und Zurückgezogenheit lebte und daher dem großen Pu blikum kaum weiter bekannt geworden ist, so rühmen doch alle diejenigen, die ihm näher treten durften, sein edles gutes Herz und seine unbegrenzte Wohlthätigkeit. Prinz Alexander, welcher unvermählt geblieben ist, war am 21. Juni 1820 geboren worden, hat also ein Alter von mehr als 75 Jahrm erreicht. Sein einziger Bruder, Prinz Georg, ist um 6 Jahre jünger als der Verstor bene. Als militärische Charge bekleidete Prinz Alexan der den Rang eines Generallieutenants. Sein Tod war sanft, in Gegenwart des Kaiserpaars und unter den Ge beten des Hofpredigers Frommel schloß der greise Prinz die Augen. Die Beisetzung erfolgt auf Befehl des Kai sers am 9. Januar in der Dom-Jnterimskirche zu Ber ¬ lin, die Hoftrauer ist auf 4 Wochen festgesetzt worden, wird aber für die bevorstehenden großen Feste, besonders den 18. und 27. Januar, unterbrochen werden. Ueber ein angebliches Zerwürfniß zwischen dem Kaiser und dem Prinzen Friedrich Leopold, dem Schwager des Monarchen, werden von einem Theil der Presse fortgesetzt uncontrollirbare Gerüchte verbreitet, während sich andere Blätter dahin äußern, daß sie von irgend welcher greifbaren Grundlage für diese Ausstreu ungen nichts in Erfahrung zu bringen vermochten. Die vermeintlichen Differenzen leitet man von dem Unfall der Prinzessin Friedrich Leopold auf dem Eise her und behauptet, daß die Neigung der Prinzessin Friedrich Leo pold, allein mit ihrer Hofvame weitere Schlittschuhexcur- sionen zu unternehmen, von unserem Kaiser übel ver merkt werde und bereits wiederholt zu Verstellungen beim Prinzen Friedrich Leopold Anlaß gegeben habe. Wenn die „Vossische Zeitung" von der Verhängung eines Stubenarrestes über den Prinzen und der Abnahme des Degens desselben zu berichten weiß, so müssen wir dem genannten Blatte jede Verantwortung über diese höchst unwahrscheinlich klingende Mittheilung überlassen. Nachdem sich bei den vorjährigen Kaisermanövern mancherlei Bedenken dagegen herausgcstellt haben, daß einer der commandirenden Generale zugleich mit dem Obercommando über die eine der Armeeabtheilungen be traut wurde, geht man jetzt mit der Absicht um, bei den für dieses Jahr in Aussicht genommenen großen Herbstübungen ein besonderes Obercommando zu bilden. Da die eine der beiden Armeeabtheilungen nur aus dem durch eine Division des 4. Armeecorps verstärkten Sächsischen Armeecorps besteht, ergiebt sich für sie das alleinige Commando des Prinzen Georg, Herzog von Sachsen, von selbst. Die beiden Armeecorps (5 und 6) der anderen Armeeabtheilung dagegen sollen dem Grafen Waldersee als Obercommandeur unterstellt werden. Das Glückwunschtelegramm unsres Kaisers an den Präsidenten Krüger wird nicht nur in der Presse des Inlandes, sondern auch in der des Auslandes durch weg auf das sympathischste besprochen. Die Pariser Presse erklärt, das Telegramm stehe vollständig im Ein klang mit der öffentlichen Meinung in Rußland und Frankreich. Das zielbewußte Vorgehen des deutschen Kaisers habe die antideutsche Stimmung in Frankreich bedeutend gemindert, Deutschland, Rußland und Frank reich befänden sich dank desselben in den wichtigsten An gelegenheiten im Einvernehmen. Die Stimmung gegen England verschlechtere sich dagegen zusehends. Die eng lische Presse schnaubt denn auch Wuth über das Kaiser liche Telegramm, dessen Bedeutung sie wohl begreift. Sie greift die Person des deutschen Kaisers in nicht wiederzugebender Weise an, behauptet, daß England keinen Eingriff in seine Hoheitsrechte über Transvaal zulassen werde und droht mit dem Abbruch seiner diplomatischen Beziehungen zu Deutschland. Aus jedem Satz der Lon doner Auslassungen spricht die schlecht versteckte Wuth darüber, daß die innersten Pläne Englands entdeckt sind und sein Ansehen für absehbare Zeit so gründlich miß- creditirt ist, wie es gründlicher garnicht geschehen konnte. In Deutschland finden Sammlungen für die verwundeten Buren statt. In Hamburg wurden bereits 100,000 Mark gesammelt. Ein gegenwärtig in Deutschland wei lender und in Transvaal ansässiger Deutscher gab allein 40,000 Mark. Aus das Glückwunschtelegramm unsres Kaisers hat der Präsident der Transvaalrepublik Krüger folgen des erwidert: „Ich bezeuge Eurer Majestät meinen sehr innigen und tiefgefühltesten Dank wegen Eurer Majestät aufrichtigen Glückwunsch. Mit Gottes Hilfe hoffen wir weiter alles Mögliche zu thun für die Handhabung der theuer bezahlten Unabhängigkeit und die Beständigkeit unsrer geliebten Republik." Auf das Erscheinen des Fürsten Bismarck am 18. Januar in Berlin ist nach einer Zuschrift des „Hann. Kur." nicht zu rechnen. Nach seiner neulichen Ankunft in Friedrichsruh gab der Kaiser zunächst dem Grafen Rantzau seinen Wunsch zu erkennen, den Fürsten an jenem Tage in Berlin zu sehen. Graf Rantzau er widerte, daß in dieser Frage dem Prof. Schweninger die Entscheidung zustehe, und als der Kaiser mit diesem darüber sprach, antwortete Schweninger, nicht die Ver antwortung dafür übernehmen zu können, daß der nahezu 81jährige Fürst mitten im Winter die Reise von Friedrichsruh nach Berlin unternehme. Da der Kaiser nicht im Zweifel sein konnte, daß der Fürst sich von dem Rathe seines bewährten Arztes abhängig machen würde, unterließ er es, mit dem Fürsten persönlich auch nur ein Wort darüber zu sprechen. Gerüchte über den bevorstehenden Rücktritt des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe waren an der Ber liner Börse verbreitet. Man wollte wissen, daß der Kanzler vor Absendung des Kaiserlichen Telegramms an den Präsidenten Krüger vom Inhalte desselben keine Kenntniß gehabt. Diese Börsengerüchte beruhen auf völlig freier Erfindung. Bei dem Finanzminister Miquel findet am 11. Januar ein größeres Diner statt, zu welchem der Reichs kanzler, die Minister, die Staatssekretäre und andere Mitglieder des Bundesraths, sowie eine Anzahl Reichs- tagsl-bgeoroneter Einladungen erhalten haben. Eine Nachricht, daß der französische Botschafter Her bette dem Kaiser Wilhelm ein Dankschreiben des Prä sidenten Faure für die Sendung des allegorischen Bildes überreicht habe, wird als unrichtig bezeichnet. Zur Verhaftung des Freiherrn v. Hammerstein ergreift nunmehr auch die „Cons. Corr." das Wort, in dem sie etwa folgendes ausführt: Die Nachricht von der Ergreifung Hammersteins hat im conservativen Lager nichts weniger als Bestürzung hervorgerufen; im Gegen theil hat man in den maßgebenden conservativen Kreisen lebhafte Genugthuung darüber empfunden. Es war selbstverständlich, daß die Staatsbehörden, die gleich den conservativen Führern der Begünstigung Hammersteins schmählich verdächtigt waren, schon im Interesse der staat lichen Autorität Alles aufzubieten die Pflicht hatten, um des steckbrieflich Verfolgten habhaft zu werden. Ebenso selbstverständlich ist es, daß die Conservativen die Er greifung Hammersteins als ein klärendes und deshalb günstiges Ereigniß betrachten. Mit größter Ruhe und Feuilleton. Eine gute Partie. Roman aus dem Börsenleben von H. Abt. (Fortsetzung.) „Philosophische Streitfragen?" sagte er, Stichlings letzte Worte auffang>nd. „Werden die jetzt auch in den Berliner Salons wieder Mode?" Pepi Körberg bewegte mit komischem Entsetzen die Hände. „Der liebe Gott bewahre uns! Ich weiß zwar nicht so recht, was das für ein Ding ist, philosophische Streit fragen, denk' mir aber, es muß was ganz schauderhaft Gelehrtes und gräßlich Langweiliges sein." Der Herr, Inhaber eines der ersten Königsberger Bankhäuser und seit einiger Zeit in Verbindung mit Adelung stehend, betrachtete mit Kennerlächeln die üppig schöne Frau, die, einer kaum bewußten Gewohnheit zu Folge, ihm, als einem Fremden, gegenüber sofort all ihre Koketterien losließ. „Langweilig?" sagte Herr Samuel Westkirk, der Königsberger Bankier. „Da stimme ich zu in vollem Umfange. Indes — schauderhaft gelehrt — ich möchte es lieber sündhaft dumm nennen; namentlich, wenn man seine Zeit damit bei schönen Frauen vergeudet." Er verneigte sich gelant vor Frau Pepi. Diese lehnte sich im Sessel zurück, hob die runden Schultern etwas mehr aus dem Ausschnitt ihrer Taille heraus, schob die kleinen, in fleischfarbenen Seidenstrüm pfen und Atlasschuhen steckenden Füße etwas unter dem Saum ihres dunkelrothen Plüschkleides hervor, lächelte mit sämmtlichen Grübchen ihres Gesichtes und sämmt- lichen Zähnen ihres feuchtgeschwellten Mundes Samuel Westkirk an und fragte: „Ist denn bei Ihnen in Königsberg solcher gelehrter Ouatsch Mode?" Herr Westkirk dämpfte die Anwandlung eines lauten Auflachens zu diskretem Lächeln herab. „Gelehrter Quatsch — Sie sprechen ein großes Wort gelassen aus, gnädigste Frau. Ja, Gott sei's geklagt, er ist, oder doch er ist eben im Begriff, bei uns Mode zu werden." „Na, da dank ich meinem Schöpfer, daß ich nicht in Königsberg bi». Da dürft ich ja den Mund nicht mehr aufthun," lachte Frau Pepi. Der galante Samuel Westkirk zog sich ein wenig zu ihr hinab. „Und das wäre ein Verlust, den die Gesammtphilo- sophie aller Zeiten und Völker nicht aufzuwiegen ver möchte." Asta kam aus dem Nebenzimmer, wo sie mit Frau Heinemann, Hans Velten, dem alten Professor und ein paar Offizieren von der Kriegsakademie im heitersten Geplauder gesessen. „Kommen Sie zu uns, Frau Asta," rief ihr Pepi Körberg entgegen. „Hier geht's schrecklich klug gebildet zu, das ist was für Sie: Denken Sie, ww reden alle- weile von Philosophie. Sie wissen doch natürlich, was das für Zeugs ist." „'s ist nichts zum essen, 's ist nichts zum trinken, man kann'S auch nicht anziehen und doch giebt's när rische Menschen, die behaupten, es sei von Nutzen auf der Welt," warf der Doctor von Stichling hin. Und in Königsberg ist's alleweil Mode geworden," lachte Pepi Körberg dazwischen. Asta, die herangekommen war, neigte lächelnd den Kopf gegen Westkirk. „Erst geworden? Ich dachte, Philosophie sei mit der Stadt der reinen Vernunft synonym." Westkirk wandte sich mit einer Beflissenheit, die sehr verschieden war von der Galanterie, die er Pepi Kör berg gezeigt, nach ihr hin. „Leider nicht im geringsten, gnädige Frau, nämlich was die reine „Vernunft" betrifft. Man ist bei uns genau so, in manchen Dingen wohl gar noch mehr un vernünftig wie anderer Orten. Und die neue philoso phische Mode — nun, die ist uns eigentlich aus Berlin überkommen. „Unser jüngster Professor — ich bediene mich des Königsberger Stils — hat plötzlich in den weitesten Kreisen die regste Theilnahme für Ethik, Meta physik und Logik geweckt." Frau Körberg lachte ausgelaffen. „Ach so, da ist halt also Ihr jüngster Professor Mode und nicht alle die unaussprechlichen iks und giks und siks. Ist er denn so ein schöner Kerl?" Westkirks Lippen zuckten wieder verrätherisch. „Ein „schöner Kerl" in Ihrem Sinn, werthc Frau, wohl kaum, aber schöne Seelen nennen ihn eine „edle Er scheinung." Die Studenten schwärmen für ihn seit seiner Antrittsrede, die schönere Hälfte des schönen Ge schlechts gleichfalls, seit er einen öffentlichen Vortrag über das Gute und Schöne gehalten und wir andere bereiten uns mit stolzer Würde darauf vor, unserer guten Stadt auf die glorreiche Aera Immanuel Kant eine zweite, Berthold Rhode, erstehen zu sehen." Frau Pepi, da sie nichts von allem verstand, waS Samuel Westkirk geredet, zeigte nur wieder lachend ihre Zähne. Stichling nickte ernsthaft. „Berthold Rhode — der scheint in der That eine bedeutende Zukunft zu haben, ich las neulich eine kürzere Abhandlung von ihm, die von ganz außerordentlicher Begabung zeugt." Asta hatte nicht mit der Wimper gezuckt. Mit ver bindlichem Gesicht hatte sie Westkirk zugehört, nun sagte sie lächelnd: „Da sind Sie ja uns Berlinern zu großem Dank verpflichtet, daß wir Ihnen solch einen Edelstein über lassen haben." Adelung, der sich bisher ein wenig bei Seite gehal ten, trat lachend vor. „Na, wir haben's ja dazu. Behalten Sie in Gottes namen Ihren Edelstein mitsammt seiner Logik, Metaphysik und Ethik, lieber Westkirk. Wir hier haben noch bessere Schätze." (Fortsetzung folgt.)