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In der nationalliberalen Fraction des Reichs tags soll es nach der „Frkft. Ztg." zu ernsthaften Aus einandersetzungen wegen des Verhallens ihrer Ver treter in der Börsengesetz Commission gekommen sein. Die älteren Mitglieder der Fraction verlangten eine Aenderung der bisherigen Beschlüsse, bezüglich des Börsen gesetzes, sind aber gegen eine Mehrheit von beinahe 40 Stimmen unterlegen. Die Budgetcommission des Reichstags steht am Ende ihrer Arbeiten, und da läßt sich das Ergebniß der Abstriche und die endgiltige Gestalt ves Etats sür 1896/97 bereits fettstellen. Das Deficit ist durch Ersparnisse in Höhe von 2 Mill, auf etwa 10'/- Mill, ermäßigt. Die Commission nahm einen Antrag Lieber (Ctr.) an zu Gunsten der Schuldentilgung im Reiche. Der „Vorwärts" erklärt, eine Zuschrift erhalten zu haben, wonach das Statistische Amt für die Ausfüllung der Karten, welche der Berufszählung dienen, 80 Pfg. sür das Hundert zahle, von den Leuten jedoch, welchen das Arbeitsmaterial übergeben sei, vielfach Hilfs kräfte herangezogen würden, welche von jenen „Arbeit gebern" nur 30 bis 40 Pfg. sür das Hundert erhielten. Der „Reichsanzeiger" wird mit Bezug hierauf zu der Erklärung ermächtigt, daß es bis zum 3. März d. I. den Hilfsarbeitern im Statistischen Bureau überhaupt verboten war, andere Personen, als ihre Familienange hörigen bei den ihnen übertragenen Arbeiten zu beschäf tigen. Seitdem ist dies vorübergehend gestattet; doch ist den Hilfsarbeitern ausgegeben worden, in solchen Fällen zu melden, wie viel fremde Hilfskräfte sie beschäftigen und welche Entschädigung sie diesen gezahlt haben. Sollte trotzdem ein Fall von der im „Vorw." erwähnten Art vorgekommen sein, so hätte das einfachste und sicherste Mittel zur Abhilfe in der Beschwerde bei dem Statistischen Bureau gelegen. Die Errichtung einer Landeshauptmannschaft am Tanganyka steht nahe bevor, als Ort der Niederlassung dürfte Udjidji ausersehen sein, obwohl die letzten Nach richten, welche von dort kommen, nicht sehr günstig lauten. Der See tritt immer weiter zurück, und die Stadt macht den Eindruck des Verfalls. Von zweitausend Gebäuden liegt die Hälfte in Ruinen. Die Verhältnisse, welche in folge der Niederlagen der Araber im Kongostaat sich so verschlechtert haben, werden stch unter der geordneten deut schen Verwaltung sicher wieder bessern, obwohl es mit dem Sclavenhandel vorbei ist. In Nizza fand die Begegnung zwischen dem Kaiser von Oesterreich und der Königin von England statt. Präsident Faure erhielt das Großkreuz des Stephan« ordens. Italien. Der neue italienische Kriegsminister Ricotti beabsich tigt, unter Beibehaltung des gegenwärtigen Esfectivstandes, die bestehenden 192 Batterien zu 6 Geschützen in 148 Batterien zu 8 Geschützen umzuwandeln, ferner die 24 Kavallerie-Regimenter von vier auf drei Schwadronen herabzusetzen und schließlich die vierten Compagnien bei allen 324 Jnfanteriebataillonen eingehen zu lasten. Die vierten Bataillone sollen nur im Kriegsfall gebildet wer den. Die durch die verminderte Olfizierzahl zu erzielenden Ersparnisse sollen danach drei Millionen betragen. Unverhofft kommt ost, und so mag es auch in dem italienisch-abefsynischen Kriege eintreten. Während in Italien noch lange Berichte darüber verbreitet werden, wie viele Soldaten nach Afrika abgehen sollen, und wie viel Geld der Feldzug kosten wird, heißt es mit einem Male, die Nachsendung weiterer Truppen sei eingestellt, weil mit König Menelik aussichtsvolle Friedensunter handlungen schwebten. In der That hat der König von Abessynien keine Lust, einen regelrechten Krieg gegen die Italiener auszufechten uud hat ihnen deshalb außer ordentlich weitgehendes Entgegenkommen bezüglich der Friedensbedingungen bewiesen. Die Italiener sollen im Wesentlichen Alles behalten, was sie bisher hatten und damit mögen sie natürlich zufrieden sein. Die Annähe rungen von Haufen Sudan-Derwischen gegen Kafsala werden von den Italienern nicht besonders ernst genom men, vielleicht hat auch dieser gemeinsame Feind den abessynischen König am meisten zum Friedensschluß bewogen. Türkei. Der Sultan kommt aus den Sorgen nicht heraus. Noch nicht einmal ist in Armenien die Ruhe total wieder hergestellt, so kommen aus Kreta Alarmnachrichten, daß dort die Mordthaten und demnächst die Erregung unter den Eingeborenen immer mehr um sich greift. Wer die Schuldigen sind, wird freilich schwer festzustellen sein, da jede Partei bestreitet, die Thaten begangen zu haben, aber das schwache türkische Regiment zieht eben solche Verbrechen groß, da die Urheber wissen, daß ihnen selten oder nie Strafe erwächst. Aus dem Muldenthale, "Waldenburg, 14. März. Die Geschichte der Herren von Waldenburg, welche vor den Schönburgern Besitzer der Herrschaft Waldenburg waren, ist noch wenig aufge klärt, um so verdienstlicher ist es, daß es Herr Genealog Theodor Schön in Stuttgart unternommen hat, eine ein gehende Geschichte der Herren von Schönburg aus Grund der noch vorhandenen zum Theil unbekannt gewesenen Urkunden, die in verschiedenen Staatsarchiven aufgefunden worden sind, zu bearbeiten. Damit wird, so weit es möglich ist, eine empfindliche Lücke in der Geschichte der Stadl Waldenburg ausgesüllt werden. Die Arbeit wird in einem der nächsten Hefte der „Schönburgischen Ge schichtsblätter" zur Veröffentlichung gelangen. Von dem selben Verfasser erscheint auch demnächst in der schon genannten Vierteljahrsschrift ein Beitrag über Wolf von Schönburg, den treuen Freund und Vertheidiger der Peniger lutherischen Geistlichkeit. Darin findet der Streit zwischen Wolf von Schönburg und dem Vater August von Sachsen, der wegen der Anstellung flacianischer Geistlichen in Penig ausgebrochen war, eine eingehende Darstellung. * — Ain 9. d. M. hat eine abmalige Ausloosung Königl. Sächsischer Staatspapiere stattgefunden, von wel cher die öproc. Staatsschuldenkassenscheine vom Jahre 1855, ingleichen die am 1. Juli 1896 mit 12 Proc. Prämienzuschlag rückzahlbar werdenden 4proc. sächsisch- schlesischen Eisenbahnactien betroffen worden sind. * — Die Bestimmungen über den Handel mit denaturir- tem Branntwein treten am 1. April d. I. in Kraft. Diejenigen Gewerbtreibenden, welche bereits mit denaturir- tem Branntwein handeln, und diesen Handel fortsetzen wollen, haben die vorgeschriebenen Anzeigen bis zum 20. März einzureichen, wobei als zuständige Steuerbehörde dasjenige Hauptzoll- oder Hauptsteueramt zu gelten hat, in dessen Bezirk die gewerbliche Niederlassung sich be findet, von der aus der Handel betrieben werden soll. * — Für Fehler in einer Anzeige, welche infolge un leserlich oder undeutlich geschriebenen Manuskripts ent standen sind, braucht nach einer Entscheidung des Reichs gerichts kein Ersatz geleistet zu werden. Das Reichs gericht ging hierbei von der Ansicht aus, daß Anzeigen, welche man einer Zeitung zusendet, deutlich geschrieben sein müssen. * — Für den ganzen Verwaltungsbereich der sächsischen Staatseisenbahnen wird ab 1. April d. I. für Sonn- und Festtage die Annahme von lebenden Thieren aller Art — mit Ausnahme von Hunden —, soweit die Ab fertigung nach dem Tarife für lebende Thiere erfolgen soll, verboten. Die Annahme von Thieren in Käfigen u. s. w. als Eilgut ist zulässig, ebenso wie das Aus laden des ankommenden Viehes an Sonn- und Festtagen außerhalb der dem Gottesdienste gewidmeten Zeit auch fernerhin nachgelassen werden. — Die Abcheilung Turnerschaft des Turnerbundes Glauchau beging am Donnerstag, den 12. d., im Theaterlokal daselbst die Feier ihres 25jährigen Be stehens. Das Programm umfaßte Concert, Aufführungen und Ball. — Der schon feit Jahren beabsichtigte Bau eines neuen Gerichtsgesängnisses in Zwickau dürfte noch in diesem Jahre beginnen. Der Platz hierfür mit der Dienstwohnung des Landgerichtspräsiventen wurde bereits vor mehreren Jahren vom FiscuS erworben. Das Gefängniß kommt zwischen Landgericht und Präsidenten- Wohnung zu stehen und beansprucht 3572 Ouadratmeter Fläche. Wegen seiner Lage an der Promenade muß der auf über 700,000 Mk. veranschlagte Bau äußeren architektonischen Schmuck erhalten. Der Bau wird drei stöckig (19,80 Meter hoch) als Verwaltungsgebäude und 3 Zellenhäuser mit 160 Zellen, darunter 9 Bade- und Reinigungszellen, geplant. — Der Stadtrath von Wurzen hat vor einigen Wochen die Concession zur Errichtung von 8 neuen Bierschankstätten ertheilt. Der Gastwirthsverein, dessen Mitglieder sich hierdurch in ihren Interessen gefährdet sahen, erhob bei der Kreishauptmannschaft zu Leipzig Beschwerde, worauf die genannte Behörde entschieden hat, daß den Gesuchstellern die Concession zu versagen sei. Aus dem Sachsenlande. — Bei den Krönungsfeierlichkeiten in Moskau wird das königlich sächsische Haus durch Se. Königl. Hoheit Prinz Georg vertreten werden. — Die 2. Kammer beschäftigte sich am Freitag mit dem Etat der Staatseisenbahnen. Die allgemeine Debatte eröffnete Herr Secretär Müller-Colditz mit dem Hinweis auf die mangelhaften Zugoerbindungen auf der Mulden- thalbahn zwischen Glauchau und Wurzen. Die Ver bindung nach Leipzig sei sehr gut, nach allen anderen Richtungen aber die mißlichste, die man sich denken kann. Er bitte um Einführung einiger Lokalzüge Rochlitz-Groß bothen. In der weiteren Debatte wurden noch die ver schiedensten Wünsche zum Ausdruck gebracht, welche sich aus die Arbeiterzüge, den Transport von Thieren, die Schmalspurbahnen, die Erleichterung des Vorortverkehrs größerer Städte, die Ausstellung von Sitzbänken in der 4. Klasse, die Einrichtung von Sonntagsfahrkarten, die Abänderung des Fahlkartentarifs (die einfachen Fahrkarten, sollen zum halben Preise der Rückfahrkarten berechnet werden), die Verlängerung der Giltigkeitsdauer der Rück fahrkarten rc. bezogen. Geh. Finanzrath v. Kirchbach ver sprach, die Regierung werde sämmtliche Wünsche in wohl wollende Erwägung ziehen, besonders auch die Erleichterung des Verortverkehrs. Staatsminister v. Watzdorf fügte hinzu, die Regierung beobachte alle Vervollkommnungen in der Verwerthung der Elektricität, um event. auch bei den Itaatsbahnen den elektrischen Betrieb einzuführen. Die Einnahmen wurden mit 98,474,500 Mk. und die Aus gaben mit 66,412,200 Mk. genehmigt, sür Beamtenge- hätter bei dem Staatsessenbahn-Neubau 528,750 Nik. ausgeworfen und der Etat des Werkstättenbetriebes ge nehmigt. Nächste Sitzung Montag. — Ueber die Abänderung der Dienstprädikate von Staatseisenbahnbeamten äußert sich die Finanzdeputation der Zweiten Kammer in folgender Weise: „Die Güterexpeditionskassirer" sollen fernerhin „Gülerkassirer", die „Billeteure" aber „Fahrgeldkassirer" heißen. Ganz einwandfrei sind diese Aenderungen wohl nicht. Die Ab kürzung der langen Benennung „Güterexpeditionskassirer" ist sicher zweckmäßig, gegen den verbleibenden Rest er hebt sich aber das sprachliche Bedenken, daß doch die Fracht kassirt wird und nicht die Güter. Im zweiten Falle wird eine kurze Bezeichnung durch eine schwer fällige ersetzt, ob für diese unzweifelhafte Verschlechterung die Beseitigung des fremdländischen, aber immerhin ein gebürgerten „Billeteurs" durch den auch nicht gerade durch rein deutsche Abkunft ausgezeichneten „Kassirer" hinreichende Entschädigung bietet, kann zweifelhaft sem. — Der Ständeversammlung ist ein Antrag des Avg. Philipp und Genossen unterbreitet worden, die Regierung möge bedürftigen Pferdebesitzern, welche durch die Genick starre der Pferde empfindliche Verluste erlitten haben, staatliche Unterstützung gewähren; zu diesem Behufe be antragen Bittsteller die Bewilligung eines Berechnungs geldes von 25,000 Mk. Die Beschwerde- und Peti tions-Deputation schlägt vor, die Petition des Vorstandes vom Bunde der Frauen Vereine, betr. die Einsetzung weiblicher Fabrikinspectoren, der Regierung zur Kenntniß- nahme zu überweisen. Die Finanzdeputation ö bean tragt, zur Herstellung einer normalspurigen Eisenbahn von Königsbrück nach Schwepnitz 1,300,000 Mark zu bewilligen, die Petition des Stadtrathes zu Königsbrück und Gen sür Umbau der Linie Klotziche-Königsbrück in Normalspur der Regierung zur Berücksichtigung zu em pfehlen und zur gedachten Ausführung 1 Million Mark in den außerordentlichen Etat einzustellen. — Nach dem vorläufigen Ergebnisse der Volkszählung hat Sachsen 3,783,014 Einwohner, 280,330 mehr als vor 5 Jahren. DaS Deutsche Reich zählt 52,244,503 Bewohner und hat um 2,816,033 zugenommen. — Die Zahl der Fallimente in Sachsen ist von 240 im Jahre 1893 auf 229 im Jahre 1894 und auf 193 im Jahre l895 zu-ückgegangen. — Der sächsische Landesverband des deutschen Schul vereins hielt am Sonntag in Dresden seine Jahres hauptversammlung ab. Nach dem Jahresberichte besteht der Verein zur Zeit aus 55 Ortsgruppen mit 7<>91 Mitgliedern. Die stärkste Ortsgruppe besitzt mit 1375 Mitgliedern Dresden. Die Einnahmen des Landesver bandes betrugen im letzten Jahre 11,998 Mark, wovon 9726 Mark zu Unterstützungen bewilligt wurden. — Ein allgemeines sächsisches Musikfest wird in Dresden geplant. Nachdem in den künstlerischen und k^nstliebenden Kreisen Dresdens und des Landes seit Jahren der Wunsch ausgesprochen worden ist, nach dem Vorbilve der schlesischen Musikfeste in Görlitz und der rheinischen Musikseste in Köln auch die reichen künstlerischen Kräfte Dresdens zu der gleichen Ausgabe zusammen zu fassen, hat sich der Kunstausschuß des „Vereines zur Förderung Dresdens und des Fremdenverkehrs" unter Leitung des Herrn Professor !>r. Paul Schumann, der Aufgabe unterzogen, die Vorarbeiten für ein solches Unternehmen m die Hand zu nehmen. Am kommenden Sonntag findet eine Versammlung statt, zu der über 300 Herren geladen sind, um einen Ausschuß für dieses Unternehmen zu constituiren. — Die „Leipz Reuest. Nachr." melden heute: Der geschästssührende Ausschuß der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung zu Leipzig 1897 hatte an die 2. Kammer eine Petition gerichtet, in der die Königl. Staatsregierung um einen Betrag von un gefähr hunderttausend Mark gebeten wurde, damit ver schiedenen staatlich subvention>rten Industrieschulen, sowie einer größeren Anzahl von kleinen Industriellen aus der Musik-, Spiel- und Holzwaaren-, Blechwaaren- und Spitzenklöppel-Jndustrie des Vogtlandes und des Erz gebirges eine Ermäßigung der Platzmiethe gewährt wer den könne. Die Finanzdeputation der 2. Kammer des Landtags hat indeß beantragt, die Petition aus sich beruhen zu lassen, da staatliche Unterstützungen nur zu reinen Fachausstellungen gegeben werden sollen. — Der „Tgl. Ndsch." wird geschrieben: Die Frage der Errichtung eines Centralbahnhofs in Leipzig, dessen Erbauung infolge der überaus traurigen Bahnhofsoer- hältnisse daselbst schon lange unbedingt erforderlich er scheint, kam dieser Tage in der ersten Ständekammer des sächsischen Landtags zur Sprache. Die P,äne für den Centralbahnhof sind, wie der Finanzminister be tonte, bereits ausgearbeitet, und ihre Ausführung ist bis jetzt nur daran gescheitert, daß Sachsen und Preu ßen sich nicht über die Verwaltungsfrage einigen können. Von den sechs in Leipzig einmündenden Bahnlinien sind