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^)eü erreich-U«g«rn. Die Oppositionsparteien beschlossen, die Regierung zum Abbruch der Ausgleichsverhandlungen mit Oester reich aufzufordern und sofort alle Vorkehrungen zu einer selbständigen Zoll- und Handelspolitik zu treffen. UrankretL). Ministerpräsident Bourgeois erklärte anläßlich des Empfanges der Abordnung der radicalen Senatoren, er werde im Senate die Anfrage Demoles dahin beant worten, daß die Regierung bei einer Meinungsverschieden heit zwischen Kammer und Senat unbedingt der Kammer den Vorzug geben müsse, weil letztere dem allgemeinen, der Senat jedoch nur dem beschränkten Stimmrechte ent springe. Unter solchen Umständen kann der Streit noch Wochen lang dauern, falls nicht die Kammer das Mini sterium im Stiche läßt. Wie in informirten Kreisen verlautet, beabsichtigt der Senat, in seiner Sitzung am Freitag alle vorliegenden Fragen, darunter auch diejenige der Creditgewährung für die Betheiligung Frankreichs an der Czarenkrönung, zu vertagen, um dadurch praktisch zu beweisen, daß der Senat ein Factor ist, mit dem unbedingt gerechnet werden muß. Der Minister des Aeußeren Berthelot richtete eine neue Note nach London betreffs der Auslieferung von Cornelius Herz. England. Aus Konstantinopel wird den „Times" gemeldet, die Zustimmung aller Mächte zu der Anerkennung des Prinzen Ferdinand von Bulgarien sei der Pforte jetzt zugegangen, ausgenommen die Englands. Die „Pall Mall Gazette" erfährt aus bester Quelle, daß in der Erklärung, welche der Erste Lord der Ad miralität Goschen voraussichtlich am Montage dem Unter hause über das neue Programm für die Marine geben wird, er genaue Einzelheiten bezüglich des Baues einiger Schiffe, die große Mittel aus dem Staatsschätze erfordern werden, mittheilen wird. Ebenso wird Goschen eine beträchtliche Vermehrung der Artillerie und der Mannschaften in der Marine ankündigen. Der Staatssekretär der Colonien Chamberlain hat einem Correspondenten der „Westminster Gazette" erklärt, er habe von dem Präsidenten Krüger noch keine Ant wort auf die an denselben ergangene Einladung, nach England zu kommen, erhalten. Es könne danach noch nicht gesagt werden, daß Krüger die Einladung abgelehnt oder angenommen habe. Die Frage, unter welchen Be dingungen Krüger nach England kommen würde, sei noch nicht aufgegriffen worden. Italien. Der ministerielle „Popolo Romano" stellt folgende Betrachtungen über Korea an: Das russische Ueber- gewicht entwickelt sich im geraden Verhältnisse zu der Vereinsamung Englands. In Ostasien steht dessen Stellung auf dem Spiele; nn Balkan steht Rußland nicht nur auf der Sceseite, sondern nach den letzten Ereignissen in Sofia auch auf der Landseite vor den Thoren Konstantinopels. Serbien hat sich mit Monte negro zur Verfügung des Czaren gestellt und Oesterreichs Lage sich recht schwierig gestaltet. England ist demnach in der Vertheidigung Indiens und Egyptens nur auf sich angewiesen. Eine neue Weltlage ist in Bildung begriffen: sie erhöht die Aufgaben, aber auch die Wirk samkeit und Freiheit der italienischen Politik. Italien muß ihr Rechnung tragen und seine Interessen wahren, ohne wie bisher alten Sympathien allzu sehr nachzugeben. M.«exika. In dem jüngsten Finanzartikel der „Times" wird gemeldet, in der Legislatur des Staates New-Dark sei ein Gesetz angenommen und von dem Gouverneur unter zeichnet worden, nach welchem die den preußischen Feuerversicherungsgescllschaften, welche im Staate New Dork Geschäfte betreiben, ertheilte Licenz zurück genommen wird. Gleichzeitig sei ein Gesuch der Magdeburgischen Feuerversicherungsgesellschast um Zu lassung ihres Geschäftsbetriebes im Staate New-Dark abschlägig beschicken worden. Aus dem Muldenthale- "Waldenburg, 20. Februar. Bei der am heutigen Tage hierselbst stattgehabten Ersatzwahl zur 2. Kammer des sächsischen Landtages erhielt der Candidat der Ord nungsparteien Herr Fabrikant Friedemann-Limbach 213, der Candidat der Socialdemokraten Herr Fabrikant Grünberg-Hartha 46 Stimmen. Abgegeben wurden bei 410 Wahlberechtigten 260 Stimmzettel, 81 mehr als bei der vorigen Wahl. Die Zahl der socialdemokratischen Stimmen betrug bei der vorigen Wahl 28, ist also um 18 gestiegen. * - Im Saale des Schönburger Hofes hierselbst fand gestern Abend ein vom gesammten Trompetercorps des 2. Manen-Regiments Nr. 18 in Rochlitz veranstaltetes carnevalistisches Concert statt, welches sich eines zahl reichen Besuches zu erfreuen hatte. Die gebotenen musikalischen Genüsse, besonders diejenigen im Kostüm, ernteten lebhaften Beifall. *— Im Handelsregister des kgl. Amtsgerichts hier selbst ist am 18. d. auf Folium 44 verlautbart wor den, daß die Firma Julius Gräßer Nachf. in Walden burg aufgelöst ist und die Herren Julius Ferdinand Gräßer, Privatmann in Waldenburg, und Johann Ernst Ebert, Kaufmann daselbst, zu Liquidatoren der genann ten Firma bestellt worden sind. *— Der jetzige prachtvolle Sternenhimmel übt sicherlich auf jedes für so erhabene Naturschönheiten empfängliche Gemüth einen eigenthümlichen Reiz aus, denn gerade jetzt sehen wir den Theil des Himmels, der sich durch die große Zahl der auf eine verhältnißmäßig kleine Fläche zusammengedrängter, hellglänzender Sterne auszeichnet. Es sind dies die Sterne des großen Hundes, des Orion, des kleinen Hundes, der Zwillinge, des Stiers und des Fuhrmanns. *— Der Landesverein für innere Mission der evan gelisch-lutherischen Kirche im Königreich Sachsen hat ein Flugblatt „Zum ersten Bußtag 1896" erlassen. Es enthält viele beherzigenswerthe Winke, wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit werkthätig geübt werden sollen und wie sich der Bußtag am würdigsten begehen läßt. Zum Schluß wird über die zu sammelnde Collecte gesprochen. Die vorjährige Collecte betrug 17,600 Mark. - *— Das Pilsener Bier wird billiger — so lautet eine Botschaft, welche gewiß in den weitesten Kreisen der lebhaftesten Sympathie sicher sein dürfte. Mehr der Noth gehorchend als dem eigenen Triebe, denken nun, wie berichtet wird, die 2 Pilsener Brauereien daran, den Preis deS Bieres herabzusetzen. Im Juni d. I. wird nämlich eine neue dritte Brauerei ins Leben tre ten, welche nach langen Kämpfen errichtet werden konnte. Die 2 bestehenden Etablissements haben nun allerdings versucht, mit der Leitung der neuen Gesellschaft in Füh lung zu treten und ein Preiskartell zu gründen, allein dieses Ansinnen wurde zurückgewiesen, denn das neue Unternehmen könnte ja prosperiren, wenn es billiger verkauft und ebenso gut. Nun wollen die Bierbrauer von Pilsen einen anderen Weg einschlagen, um die Con currenten zu vernichten, sie wollen sie im Preise unter bieten. *— Mit Rücksicht auf das nahe bevorstehende Militär musterungsgeschäft wird zur Verhütung von Nachtheilen für solche Militärpflichtige, die auf Grund häuslicher Verhältnisse um Zurückstellung oder gänzliche Befreiung vom Heeresdienste zu reclamiren beabsichtigen, in Erinne rung gebracht, daß derartige Reclamationen nur dann berücksichtigt werden können, wenn die Betheiligten sie vor dem Musterungsgeschäft und bei Gelegenheit des selben anbringen. Spätere Reclamationen können nur dann berücksichtigt werden, wenn die Veranlassung zu denselben thatsächlich erst nach der Beendigung des Musterungsgeschäfts eingetreten ist. Bittsteller, die ihre Gesuche erst im Musterungstermine anbringen wollen, haben dafür zu sorgen, daß Alles, was zum Beweise ihrer Angaben dienen kann, zur Stelle ist und daß Be scheinigungen usw. amtlich beglaubigt sind. *— Der vor Kurzem in Jerisau aus der Mulde ge zogene weibliche Leichnam ist als derjenige der 30 Jahre alten Fabrikarbeiterin A. aus Oberwildenau in Bayern, welche am 3. December 1895 ihre Wohnung in Glau chau verlassen hatte, festgestellt worden. — In Penig soll nun ebenfalls vom 1. April ab eine Stadt-Fernsprechanlage errichtet werden. — Die socialdemokratische Bewegung in Wurzen hat alle Spannkraft verloren. Von den beiden auf Sonn abend und Sonntag angesetzten Arbeiterversammlungen war eine nur von 2, die andere von 6 Zuhörern beiucht. Aus dem Sachsenlande. — Die 2. Kammer verhandelte am Mittwoch zu nächst über das Decret Nr. 23, das Umlageverfahren bei der land- und forstwirthschaftlichen Berufsgenossen schaft für das Königreich Sachsen betreffend. Abg. Wehner bemerkte, daß der Bericht die erwünschte Klar heit nicht bringe. Die Vertrauensmänner erhielten viel speciellere Unterlagen. Die Verwaltungskosten beliefen sich jetzt aus 40—50 Procent der Beiträge. Er be antrage, den Bericht auf eine der nächsten Tagesordnun gen zur Schlußberathung zu setzen. Die Kammer be schloß nach kurzer Debatte demgemäß. Der nächste Gegenstand betraf den Bericht der Beschwerde- und Pelitionscommission über die Petition der Gebr. Horn in Roßwein und Genossen wegen Wiedererlangung der Feuilleton. Eine gute Partie. Roman aus dem Börsenleben von H. Abt. (Fortsetzung.) Schon Jahre hindurch solle Adelung mit ganz un glaublicher Frechheit gefälschte Accepte in Umlauf gesetzt haben. Ueber Bruno Torges wußte man noch nichts Positi ves, doch deutete man an, daß die Entdeckungen, die man auch über ihn gemacht, womöglich noch tragischerer Natur seien. Ja, cs mußte wohl Tragisches sein, was Alexander Torges über seinen Sohn erfahren. Wie zu Stein er starrt saß er vor seinen Schreibtisch und hatte die Hände über ein Privatschreiben seines Hamburger Geschäfts freundes gedeckt. Es war ja so klar, so entsetzlich, über zeugungsvoll klar, was da in dem Briefe stand und doch — es war ja nicht möglich, es konnte, es durste nicht möglich sein! Es war ja zu furchtbar, zu schmach voll. Und gerade ihm, ihm die namenlose Schande! Sein Stolz, seine Ehre, sein Selbstbewußtsein, die Achtung, die ihm allerwärts entgegenkam, zerrissen, ver nichtet, in den tiefsten Schmutz getreten — von seinem eigenen Sohn. — Oh — wenn doch die Dunkelheit, die Nacht, die durch die Fenster seines Zimmers hereinbrach, immer dichter und tiefer und undurchdringlicher würde, sich über ihn senkte, ihn cinhüllte, daß keines Menschen Augen ihn jemals wieder zu entdecken vermöchte, daß er nie, nie die Mienen der Verachtung, der boshaften Schaden freude, oder schlimmer noch, des achselzuckenden Mitleids gewahren müßte! Ja Nacht, Nacht uno Finsterniß! — Aber die grauenhaften Gespenster, die in der Finster niß herankriechen — das ist noch entsetzlicher. Licht, Licht! Er sprang empor und zündete die Gasflammen an. Wie konnte er auch träge sitzen und brüten, jetzt, wo es doch vor allem die Antwort aus den Brief galt, den grausamen und rücksichtslosen Brief. — Fieberhaft flog die Feder über das Papier. Alles wollte er decken, für alles einstehen, und wenn es sein Gesammtvermögen kostete, nur nicht — nur nicht — oh, es ließ sich ja kaum ausdenken! — nur nicht sein Sohn, sein einziger Sohn — im Zuchthaus! Die Feder fiel ihm zu Boden, starrend saß er wie der da. Da wurde sein Name genannt — er fuhr empor. Wer kam zu ihm? War es schon das Gericht, das — Keines Wortes mächtig stierte er den vor ihm Stehen den, der ohne anzuklopfen eingetrcten sein mußte, an. „Kann ich Sie ungestört einige Minuten sprechen?" fragte der Fremde. Die tiefe, hart klingende Stimme war Torges völlig unbekannt, wie auch der anständig, doch schlichtgckleidete Mann, der von ziemlich corpulenter Figur war und einen großen, nicht sonderlich gepflegten dunklen Vollbart trug. Gewaltsam zwang Torges sich zu äußerer Fassung. „Es ist dies nicht mein Geschäftslocal, sondern meine Privatwohnung," sagte er. „Wenn Sie irgend ein ge schäftliches Anliegen haben —" Der Fremde unterbrach ihn. „Mein Anliegen ist ganz privater Natur." Torges faßte mit beiden Händen die Lehne seines Stuhles. „So reden Sie," preßte er hervor. „Meine Maske muß unbedingt gut sein, da mein eigener Vater mich nicht erkennt," klang es da in völlig verändertem Tone an sein Ohr. Torges ward leichenblaß und streckte abwehrend beide Hände von sich ab. „Bruno!" schrie er auf. „Du? Du?" „Schreie meinen Namen nicht so hinaus!" unterbrach ihn heftig, doch gedämpften Tones der Sohn. „Du siehst wohl, daß ich incognito hier bin." Er lachte leise auf. Torges starrte ihn noch an, als vermöge er trotz der Stimme dieser Verkleidung nicht seinen Sohn zu er ¬ kennen, dann aber brach eine grenzenlose Empörung bei ihm hervor. „Du wagst es, mir gegenüberzutreten, und mit dieser frechen Stirn! Du —" „Zu dramatischen Scenen ist jetzt nicht die mindeste Zeit," unterbrach ihn Bruno wild. „Du könntest Dir sagen, daß mir nicht sonderlich gemüthlich in dieser Haut sein kann, so natürlich sie mir auch zu Gesichte stehen mag. Ich bin gekommen, Hilfe von Dir zu verlangen." „Hilse von mir — Du?!" — Torges vermochte die Worte nur heiser.und undeutlich hervorzustoßen. „Und Du hast nicht das mindeste Gefühl der Scham dabei, stehst vor mir keck und herausfordernd, wie der abge feimteste Verbrecher? Vor mir — der über Deine Schmach fast den Verstand verliert?" „Und wer trägt die Schuld an der Entdeckung?" rief Bruno mit dumpfer Wuth. „Du! Nur Du! Warum hast Du nicht mich zuvor gefragt, bevor Du Dich mit Bahlsen in Hamburg in telegraphische Erörte rungen eingelassen?" „Warum?" unterbrach ihn sein Vater mit furchtbarer Stimme. „Warum? Weil ich, als Bahlsen mich um Datum, Gesammt- und Specialsumme der von mir auf ihn ausgestellten Accepte ersuchte, nicht daran dachte — daß mein Sohn ein abgefeimter Schurke ist, der auf meinen ehrlichen Namen Wechsel fälscht." Es lag doch etwas in dem grenzenlos verachtungs vollen Tone des Vaters, vor dem Bruno erbebte. „Eine momentane Klemme — ich mochte niemand davon sagen —" murmelte er. „Es war so schlimm nicht — ich hätte es wieder glatt gemacht." Alexander Torges lachte gräßlich auf. „Glatt ge macht — hahaha! Wie Du eben das Glattmachen verstehst — mit einer neuen Fäschung!" Er riß den Brief von seinem Schreibtisch. „Hier — weißt Du, was Warnewyk L Söhne mir schreiben?" (Fortsetzung folgt.)