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MantEch. In Paris ist zwar schon des Skandals genug, aber es kommt doch noch mehr dazu: Die englische Regierung hat definitiv die Auslieferung des berüchtigten Panama schwindlers Alton an die französischen Gerichte be schlossen. Daß Arten nicht schweigen wird, wenn es ihm an den Kragen geht, ist selbstredend, und mancher re publikanischen Gröhe kann heute das Herz in die Hosen fallen. Der neuste Pariser Skandal, der Telephonskandal, giebt von dem, was an der Seine möglich ist, ein reizendes Bild: Zwölf Millionen von den Feldern, die vom Staate bei der Uebernahme der bisher privaten Telephon- Verwaltung gezahlt worden sind, sind spurlos ver schwunden. Wer das Geld hat, weiß Niemand be stimmt, man sagt, irgend ein hoher Beamter habe es mit seinen Helfershelfern eingesackt. Es gehört doch in der That Einiges dazu, einen solchen Verdacht über haupt nur auszusprechen. Auch sind noch böse Wetter wolken im Anzuge für andere Leute. Bulgarien. In Bulgarien ist am Sonntag der bulgarische Patriarch aus Konstantinopel zur orthodoxen Taufe des Prinzen Boris angekommen, und nun ist man natürlich völlig aus dem Häuschen. Der russische General Golcnistschew, der Vertreter des Czaren bei der Taufe, und der neu- ernannte russische diplomatische Agent folgen in diesen Tagen, dann hat man also Alles und braucht nur die Erinnerung daran fortzuthun, wie früher in Bulgarien alles Russische so entschieden bekämpft wurde. Den Für sten Ferdinand wird die Gratulationsdepesche des Czaren auch schwerlich über die Abreise seiner Gemahlin, den Spott ganz Europas und die künftigen Folgen trösten. Denn daß nunmehr der russische Einfluß in Bulgarien der bestimmende sein wird, ist selbstredend, Fürst und Volk, die sich freiwillig wieder unter die Knute duckten, werden sie nun auch fühlen. England. Der neue englische Flottenbauplan erfordert 190 Millionen Mark. Gebaut sollen werden vier schwere Panzer, zehn Kreuzer und 60 Torpedozerstörer. Rußland. Die russische Regierung erläßt eine lange Erklärung über ihr Verhältniß zu Bulgarien, worin die Dinge so dargestellt werden, als seien die Bulgaren nach langen Jrrthümern endlich wieder zur Besinnung und zur Dankbarkeit gegen Rußland zurückgekehrt, und deshalb wolle auch der Czar in seiner Großmuth die Bitte des Prinzen Ferdinand um Uebernahme einer Pathenstelle berücksichtigen und einen Vertreter zur Taufe des Prinzen Boris nach Sofia senden. Wie die heutige russische Strömung in Bulgarien nach Stambulow's Sturz zu Stande gekommen ist, das weiß man ja aber doch. Fürst Ferdinand sandte ein Danktelegramm nach Petersburg. Afrika Die Boern wollen von einem englischen Protec- torat, wonach man in London strebt, absolut nichts wissen. Die Regierung des Präsidenten Krüger läßt erklären, sie wünsche mit jeder Macht in Frieden und Freundschaft zu leben, Bürger und Regierung würden Feuilleton. Eine gute Partie. Roman aus dem Börsenleben von H. Abt. (Fortsetzung.) „Trotzdem aber glaube ich bestimmt daran, daß auch Sie uns Ihre Freundschaft unverbrüchlich bewahrt haben," sagte herzlich lächelnd die Asfessorin. Der Professor küßte ihre Hand. „Daran können, daran müssen Sie glauben, verehrte Frau. Ich habe ein Gefühl der Zugehörigkeit bei Ihnen, wie sonst an keinem anderen Orte. Es weht Heimatsluft hier. — Sie aber sind so still, Fräulein Emma," wandte er sich an diese und streckte ihr beide Hände hin. „Mein lie ber, treuer Kamerad, gerade von Ihnen verlangt es mich zu hören, wie Sie sich freuen, daß ich wieder hierher zurückgekehrt bin, daß wir uns wieder haben, auch in Person." „Muß Freude wortreich sein, um tief empfunden zu werden?" fragte Emma, ihre Hände in die des Professors legend und ihn mit einem Blicke ansehend, in dem das stille Glück ihrer Seele leuchtete. „Und trotzdem verweigern Sie mir die Ausnahme bei sich," sagte Rhode vorwurfsvoll. „Warum wollen Sie mich nicht wieder mein altes Zimmer, das doch leer steht, beziehen lassen?" Emma lachte leise. „Weil Sie nicht mehr der unbe kannte Privatdozent sind, der mit seinen Mitteln streng haushalten mußte, sondern der reich besoldete Professor der Berliner Universität, der gesellschaftliche Pflichten hat, der berühmte Gelehrte, den unsere vornehmsten Denker mit Hochachtung, fast mit Ehrfurcht nennen. O, ihr Buch, lieber Freund," fuhr sie mit fast begeister ter Wärme fort — „was ist es für ein Werk! Kein Gemachtes, mühsam Zusammenstudirtes, die freie Schöp- ferthat eines Genius! Mein schwaches Begreifen, mein armes Wissen vermag ja nicht zu der ganzen Höhe Ihrer erhabenen Anschauung hineinzureichen, aber wo ich nicht aber bis auf den letzten Mann der Idee eines fremden Protectorats entgegentreten. In Frieden und Freundschaft wolle man alle billigen Wünsche erfüllen. (Bravo!) Englische Lügen, die Boern hätten einige Leute Jameson'n gefoltert und dann erschossen, werden jetzt amtlich klar gestellt. Wann werden die Engländer einmal so nobel werden, wie es die Boern heute schon sind. Aus dem Muwenttzale. ^Waldenburg, 10. Februar. An der Brücke in Remse wurde am Sonnabend ein stark in Verwesung übergegangener unbekannter männlicher Leichnam aus dem Wasser gezogen und polizeilich aufgehoben. Zur Ermittelung des Unbekannten werden folgende Angaben bekannt gemacht: Größe ca. 168 em, dunkles Haar, vorn Glatze, Alter ca. 45 Jahr, Gesichtszüge vollständig unkenntlich. Die Kleidung bestand in dunklem Kamm garnrock, eben solchen geflickten Hosen, dunkler Weste, Barchendhemd und Unterbeinkleidern, blauer Schürze. In einem ledernen Portemonnaie mit zwei Verschlüssen befanden sich 6 Pfennige baar, ein falscher Tausendmark schein, ein Uhrschlüssel und mehrere Pappmarken mit „C. Eilhardt, gräfl. Kapellmeister, Glauchau" bedruckt. Die Mannschaften der Landwehr lt. Aufgebots werden daran erinnert, daß sie bis zum 31. März des jenigen Jahres, in welchem sie das 39. Lebensjahr voll enden, zu den Mannschaften des Beurlaubtcnstandes ge hören und als solche verpflichtet sind, gemäß Punkt 6 und 10 der im Militärpasse vorgedruckten Bestimmungen jeden Verzug innerhalb des Control-Bezirks und Ver änderung des Aufenthaltsortes dem Hauptmeldeamte innerhalb 14 Tagen schriftlich oder mündlich — eventuell auch durch Familienangehörige — zu melden. Ebenso ist erforderlich, daß alle Veränderungen der Hausnummern und Straßenbezeichnungen, sowie im Stand und Gewerbe, Verheiratungen, Anzahl der Kinder re. gemeldet werden. Bei Unterlassung obiger vorgeschriebener Meldungen muß gemäß Punkt 11 der Milttärpaß-Vestimmungen Bestra fung eintreten. *— Der Schankwirth O. hatte an einem Sonntage außerhalb der für das Handelsgewerbe freigegebenen Zeit geistiges Getränke über die Straße verkauft. Auf Grund dieses Thatbestandes wurde er in der Berufungsinstanz von der Strafkammer verurtheilt. Die hiergegen einge legte Revision wies das Kammergericht in Berlin zurück. Es vertritt den Standpunkt, daß ein Schankwirth, wenn er Getränks nicht zum Genuß an Ort und Stelle, son dern über die Straße verabfolgt, nicht mehr das Schank-, sondern das Handelsgewerbe betreibt. (Da wird manche Familie am Sonntag Abend auf ihren Haustrunk ver zichten müssen.) — In der Centralhalle in Glauchau sand am Frei tag Abend ein vom deutsch-socialen Reformverein da selbst veranstalteter Vortragsabend statt, in welchem Herr Reichstagsabg. Zimmermann-Dresden über die Aenderung des sächsischen Landtagswahlrechts sprach. Er bekannte sich hierbei als Gegner dieser Wahlrechtsänderung. In einer sich anschließenden Debatte nahm, wie das „Gl. Tgbl." berichtet, nur der Landtagsabgcordnete Herr Stolle- Gesau das Wort, um die selbstverständlich ablehnende mehr vermochte, zu begreifen, da -habe ich empfunden; ich empfand die Gewalt einer solch hehren Reinheit, die hinaufhebt zu solch lichter Höhe, daß alle Kleinheit, Ge meinheit und Selbstsucht gleich Schemen davor schwinden müssen. Und ich empfand vor allem einen Stolz und doch eine so demüthige Dankbarkeit, daß der Mann, der so empfindet, solch Empfinden bei anderen zu erwecken vermag, mir erlaubt, ihn Freund zu nennen." Eine Weile blickte Berthold Rhode sie wortlos an, dann sagte er mit leiser, tiefbewegter Stimme: „Ich habe manche Anerkennung für mein Werk ge funden — mehr wohl, als es verdient — aus dem Munde manches Berufenen Worte des Lobes, die mich stolz gemacht. Aber im tiefsten Herzen beglückt, die ganze Seele erwärmt haben Sie, nur Sie mir soeben. Und doch wie nichtig müßte ich mir vor Ihrem Lobe eigentlich erscheinen! Was in mir nur ein Streben, ein sehnsüchtig Ringen ist, Sie sind es selber leibhaftig: edelste Reinheit, erhabenste, abgeklärteste Ruhe, selige Wunschlosigkeit, weil Sie über nichtigem Wünschen stehen." „Selige Wunschlosigkeit" — sprach Emma ihm leise nach und sah ernst vor sich hin. „Vielleicht haben Sie recht," sagte sie dann. „Ueber dem Wünschen stehen — oder unser Wünschen so hoch über uns hinausgehoben haben, daß wir nicht mehr daran rühren — vielleicht bedeutet es das Gleiche." Es lag in diesem Augenblicke wirklich ein Zug so erhabener, seliger Ruhe über ihrem Gesichte, ihrer gan zen Haltung, daß der Professor sie bewundernd ansah und sagte: „Wie schön Sie eben sind! Wie ein wundervolles Bild des Friedens." Emma schüttelte lächelnd, fast lustig den Kopf: „Sie haben vergessen, lieber Freund, daß der Friede ein lieblicher Knabe und vor allen Dingen jung, ewig jung ist." „Und wären Sie nicht jung?" fragte Rhode erstaunt. Stellung seiner (der socialdemokratischcn) Partei gegen über dem Entwürfe zu begründen. Auf Grund einer Statistik über die 1894er sächs. Einkommensteuer rechnete er dabei heraus, daß das neue Wahlgesetz gerade für den Glauchauer Wahlkreis ganz besonders blutokratisch sei. In diesem Kreis werden zur 1. Abtheilung 72, zur 2. 347, zur 3. aber 8110 Urwähler gehören. Herr Stolle forderte daher seine Gesinnungsgenossen ebenfalls auf, eine gegen das neue Wahlgesetz gerichtete Petition zu unterzeichnen. Der Vorsitzende Herr Brocks brachte ein Schreiben des Landtagsabg. Herrn Baumeister Kästner zur Verlesung, in welchem dieser erklärt, „daß er sich nicht dazu überzeugen könne, daß man dem sächsischen Volke das weitergehende Wahlrecht entziehe und durch das be schränkte indirecte Wahlrecht ersetze. Er werde daher gegen die Aenderung unseres jetzigen direrten Wahlrechts stimmen." Die Erklärung wurde mit stürmischem Bei- sall ausgenommen. Zum Schluß gelangte sodann seitens der Versammlung einstimmig folgende Resolution zur Annahme: In Erwägung 1., daß das gleiche, directe, geheime Wahlrecht, wie es gegenwärtig für die Landtags wahlen in Sachsen besteht, als ein unantastbares ver fassungsmäßiges Recht des Volkes betrachtet werden muß, 2., daß eine Umänderung desselben in ein nach der Ein kommensteuer bemessenes Klassenwahlsystem unzweifelhaft eine Beeinträchtigung des bestehenden Wahlrechts der minder begüterten Klassen, insbesondere des Mittelstandes, bedeutet, 3., daß eine solche Beeinträchtigung nicht als förderlich betrachtet werden kann für die gedeihliche Ent wickelung unserer Staatseinrichtungen und ebensowenig den Grundsätzen einer gesunden Socialresorm entspricht, 4., daß eine wirksame Bekämpfung der Irrlehren der Socialdemokratie davon nicht erhofft werden kann, viel mehr eine schwere Schädigung des staatlichen Ansehens davon befürchtet werden, muß, beschließt die heutige Ver sammlung: Als monarchische und vaterländisch gesinnte Männer legen wir nachdrücklich Verwahrung ein gegen die beabsichtigte Umänderung des bestehenden sächsischen Landtagswahlrechts in ein Klasscnsystem mit directer Wahl nach preußischem Muster. — Die städtische Sparkasse zu Zwickau hat den Zinsfuß für Spareinlagen auf 2'/« Proc. und den Zinsfuß für auf Grundstücke ausgeliehcne Capitalien auf 3'/4 Pro«, herabgesetzt. Aus dem SachsenSande- — Ihre Majestät die Königin begab sich am Sonn abend Abend von Leipzig aus über Köln nach Brüssel, um der am 12. d. stattsindenden Vermählung Ihrer Kgl. Hoheit der Prinzessin Henriette von Belgien mit Sr. Kgl. Hoheit dem Prinzen Emanuel von Orleans, Herzog von Vendome, beizuwohnen. — Die vierte Deputation der 1. Kammer beantragt, die Petition des Bürgermeisters Kaulisch in Nerchau und Genossen, Herbeiführung günstigerer Anstellungsbe dingungen betreffend, der Staatsregierung zur Kenntniß- nahme zu überweisen. In der Petition suchten die be rufsmäßigen Bürgermeister und Gemeindcvorständc von 113 Städten und Landgemeinden darum nach, daß sie in Bezug auf ihre Anstellung den besoldeten Nathsmit- „Jch war es bereits nicht mehr vor fünf Jahren," antwortete Emma. Der Prosessor schüttelte den Kopf. „Wenn Sie auch wirklich nicht jung mehr wären, so sind Sie doch ewig jung." Emma lachte fröhlich. „Gut, das ist ein Compromiß, mit dem ich mich einverstanden erkläre." „Blochten Sie sich nur auch mit einem anderen einverstanden erklären und mich wieder bei sich auf nehmen." „Sie haben noch gar keinen Begriff von der Verant wortlichkeit Ihrer Stellung, lieber Prosessor, von den Repräsentationspflichten, die Ihnen Hinfort obliegen; wir müssen Sie darüber erst gründlich belehren," sagte die Assessor»!. „Sie werden sich eine hübsche Wohnung von vier, fünf Zimmern miethen, dieselbe sich selber einrichten, damit Sie es auch ganz nach Ihrem Geschmack und Ihrer Bequemlichkeit haben, sich eine tüchtige Haushäl terin nehmen, die ich Ihnen, wenn Sie es wünschen, gern auskundschaften will —" „Sie wollen mich eben los sein," unterbrach sie der Prosessor kläglich, „es wird Ihnen doch aber gar nichts nützen. Und wenn ich die allcrschönsten vier, fünf Zimmer habe, werde ich doch beständig vor Ihrer Thür stehen." „Und dieselbe wird sich Ihnen allzeit mit dem herz lichsten Willkommen öffnen," sagte Emma. „Wenn mau's so hört, möcht's leidlich scheinen, Steht aber noch immer schief darum," declamirte der Professor noch mit der kläglichen Miene. Dann lachte er: „In einem aber dürfen Sie mich nicht um meinen Willen betrügen; wir wandern jetzt zusam men in irgend ein gastlich Haus, wo Sie meine lieben Gäste sind." Die Asfessorin blickte ihre Tochter fragend an, diese sagte munter: „Die Bitte sei Ihnen gewährt. Geben Sie uns nur zehn Minuten Frist, daß wir uns del Festlichkeit würdig herausputzen." (Forts, folgt.)