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Mit Bezug auf die auffällige Publikation einiger Ordensverleihungen — unter Voranstellung des Re serve« oder Landwehrverhältnisses vor den bürger lichen Beruf — wird der „Nat.-Ztg." betreffs eines dieser Fälle geschrieben: „Der Orden ist nicht dem Kauf mann, der auch Stadtverordneten-Vorsteher ist, sondern dem Vorsitzenden des Kriegervereins, und insofern dem Lieutenant d. L. verliehen worden, und zwar nicht auf Antrag der Civil-, sondern der Militärbehörde, des Be- zirkscommandos. Vielleicht treffen dieselben Verhältnisse auch bei den anderen Fällen zu." Der Nachricht vom Abschluß eines russisch-türkischen Bündnisses wird nirgends Glauben geschenkt, wenn auch nicht verkannt wird, daß sich eine immer freund schaftlichere Annäherung zwischen Petersburg und Kon stantinopel vollzieht. Wie lange diese vorhält, wird sich ermessen lassen, wenn das Geldbedürfniß der Pforte ge stillt ist, von wem der Noth abgeholfen wird und wie sich die politische Lage in der Türkei im Frühjahr ge staltet. Augenscheinlich spielen sich hinter den Kulissen in Konstantinopel diplomatische Vorgänge ab, die für das viel- gerühmte europäische Einvernehmen im Orient verhäng nißvoll werden können und die nicht allein gegen Eng land gerichtet sind. Die Börsencommission des Reichstages arbeitet mit Dampf, sie hat schon alle Bestimmungen des Ge setzes bis zum Z 29 angenommen. Schmerzenskinder der französischen Kriegsmarine sind anerkanntermaßen die Torpedoboote. Hat man doch einmal ein halbes Hundert solcher Fahrzeuge gebaut mit schwerem Gelde, die überhaupt nicht im Stande waren, die See zu halten. Die Boote kentern häufig und stoßen noch öfter zusammen, was auch darauf schließen läßt, daß die Mannschaften in dem freilich ungemein anstrengenden Dienst auf diesen Fahrzeugen nicht genü gend einexerzirt sind. Jetzt sind schon wieder einmal zwei Boote so hart aneinander gerannt, daß sie nur sehr schwer beschädigt in den Hasen gebracht werden konnten. Mit dieser Waffe werden unsere Nachbarn im großen Zukunftskriege augenscheinlich keinen besonderen Staat machen können. Die französische Regierung hat ein verstärktes Mit« telmecrgeschwader bilden lassen. Großen Zweck hat die Sache zwar nicht, aber man will den Engländern, die dasselbe gethan haben, doch zeigen, was man kann. Italien. Das von den Italienern hart vertheidigte Fort Makalle ist jetzt vom Oberstlieutenant Galliano mit seinem Bataillon, Waffen, Munition, Gepäck und Verwundeten geräumt worden, nachdem die Abessynier freien Abzug bewilligt hatten und das Fort nicht mehr zu halten war. Der Höchstcommandircnde der Abessynier Ras Makonncn hat mit dem italienischen General Baraticri eine Unter redung gehabt. Man hofft, daß nunmehr der Friede zu Stande kommen wird; in Rom ist die Freude groß. England. Zwischen England und China ist eine Vereinbarung wegen Erösfnung der Sikiang-Häfen erfolgt; Eng« land gicbt dafür einige Grenzstreifen von Birmah an China. Türkei. Zu neuen blutigen Metzeleien ist es in Arabkir im Vilajet Erzerum gekommen. Nach heftigen Kämpfen zwischen Türken und Armeniern sind 2000 der Letzteren erschlagen. Das armenische Viertel wurde angezündet, von 2000 Häusern sind nur 50 stehen geblieben. Hin gegen ist auf Kreta volle Ruhe eingetretcn. *Walde»bnrg, 27. Januar. Se. Durch!. Prinz Friedrich von Schönburg-Waldenburg, der im vorn an Jahre zum Katholicismus übertrat und dann, weil er dabei die gesetzlich vorgeschriebenen Formen außer Acht gelaffen hatte, aus der sächsischen Armee, der er als Secondeleutnant im Garde-Reiter-Regiment angehörte, ausscheiden mußte, ist soeben in die bayerische Armee und zwar als Secondeleutnant der Reserve des 1. schweren Reiter-Regiments ausgenommen worden. *— AuS Anlaß des Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers hatten heute die öffentlichen und eine Anzahl von Privatgebäuden Flaggenschmuck angelegt. Heute früh von 7 bis 8 Uhr fand Weckruf und von halb 12 bis halb 1 Uhr auf dem Marktplatze Festmusik statt. *— Die Glauchau-Freiberger Stadttheatergesellschaft gab gestern Abend im Schönburger Hof ihr zweite« Gast spiel. Es wurde zur Aufführung gebracht „Der Raben vater", Schwank in 3 Acten von Hans Fischer und Josef Jarno. Wie alle Schwänke, so leidet auch „Der Rabenvater" an inneren Unwahrscheinlichkeiten. Das Hauptbestreben der Verfasser geht auf die Hcrbeiziehung komischer Situationen, die denn auch mit Hilfe zahlreicher Mißverständnisse in ausreichendem Maße sich ergeben, so daß das Publikum aus dem Lachen nicht herauskommt. Der Bauunternehmer Neuendorf feiert mit seiner Ehefrau Adelheid die silberne Hochzeit; unter den Gratulanten befindet sich auch der Sparkassen-Rendant Zenkert, sowie der Architekt Hans, der Sohn des Majors Rhoden uns seiner Frau Gisela; Zenkert klagt seinem Freunde sein Leid, daß er 300 Mk. verlpeculirt habe, daß er aber von seiner Frau, die ihn sehr kurz halte, kein Geld be kommen könne. Hierauf erzählte ihm Neuendorf seinen Tric, mit dessen Hilfe er von seiner Frau stets die nöthigen Summen erhalte. Er habe nämlich einen Fehltritt von seiner Verheiratung fingirt, und für das daraus ent sprungene Kind gebe seine Frau bereitwilligst die nöthigen Beträge, das sei sein Taschengeld. Adelhaid bedauert, nur ein Kind, ihre Tochter Nora zu besitzen, und ver anlaßt deshalb ihren Gatten, sein angebliches erstes Kind, einen Sohn, in die Familie aufzunehmen und ihm ent sprechende Mittheilung zugehen zu lassen. Der auf der Bildfläche erscheinende Hans, NoraS heimlicher Verlobter, wird nun von ihr als das angebliche Kind ihres Mannes gehalten, und daraus entspringen nun bei dem Erscheinen von Han«' Eltern Mißverständnisse, die zur allgemeinen Heiterkeit führen, obwohl sie zuweilen an« Bedenkliche streifen. HanS und Nora bekommen sich indessen, nach dem Alles seine Aufklärung gefunden. Das Zusammen spiel war wiederum ein äußerst flottes und trug jeder Mitwirkende zum Gelingen nach Kräften bei. In Herrn Charles Nerzes (Bauunternehmer Neuendorf) und in Frau Ludmilla Hannemann (Gisela, Major Rhodens Frau) lernte das Publikum zwei neue Kräfte kennen und schätzen. Adelhaid wurde von rau Emilie v. Glotz, Nora von Frl. Elise Eckert, der pedantische Zenkert von Herrn Hermann v. Reichardt, seiner Frau Charlotte von Fr. Eugenie Hagen, Major Rhoden von Herrn Or. Neumann und HanS von Herrn Gustav Rudolph, sowie das Dienst mädchen von Frl. Ida Taladzus, vorausgesetzt, daß die Nansen des Theaterzettels richtig sind, in trefflicher Weise Wiedergegeben. Der Saal war diesmal besser besetzt. Hoffent lich erfreut uns die Glauchauer Theatergeseüschast recht bald wieder mit einer Ausführung; durch ihre beiden ersten Gastspiele dürste sie sich die Sympathien des hiesigen thcatcrliebenden Publikums in vollem Maße erworben haben. *— Auf dem 33. Bezirkstage des Bezirksverbandes Glauchau am 20. dieses Monats sind die mit Ende des vorigen Jahres verfassungsmäßig auSgcschiedene» Mit glieder des Bezirksausschusses, die Herren Rentier und Stadtrath Karl August Lorentz in Glauchau als Vertreter der Höchstbesteuerten, Bürgermeister »i. Ebeling in Meerane als Vertreter der Städte, Gemeindevorstand Hermann Leithold in Tettau als Vertreter der Land gemeinden, sowie Färbercibesitzer Emil Bornemann in Meerane (frei-gewählt) auf die Jahre 1896 bis mit 1901 wiedcrgewählt worden. *— Im Gasthof Remse wird morgen Dienstag Se. hochnärrische Hoh. Prinz Carneval einziehen, indem der rührige Wirth Herr Rosenfeld für diesen Tag einen öffentlichen Maskenball arrangirt hat. Alle Freunde des ausgelaffensten Humors seien deshalb auf denselben auf merksam gemacht. — Der Fonds für das Bismarck-Denkmal, welches in Zwickau errichtet werden soll, ist aus Anlaß der 25jährigen Jubelfeier der Wicderaufrichtung des Deut schen Reiches wieder um eine schöne Summe angewach- scn. Die Zeichnungen und baren Eingänge bei Gelegen heit de« dort veranstalteten Festcommerscs haben 1602,55 Mk. ergeben, so daß der Bismarckdenkmalsfonds jetzt schon die Höhe von 10,000 Mk. erreicht hat. — Sicherem Vernehmen nach wird Herr Amtshaupt mann von Gehe vom 1. März ab als erster Rath zur Königl. Krcishauptmannschaft Zwickau mit dem Titel und Rang als Geheimer Regierungsrath versetzt. - Der Landschornsteinfeger Sch. in Rochlitz mußte am Donnerstag Nachmittag aus der Versammlung des Bundes der Landwirthe gewiesen werden, weil er in der Trunkenheit Ruhestörungen verursachte. Unsinnigerweise ging er nun dircct auf das RathhauS, um sich darüber zu beschweren. Hier lärmte er aber wieder so ungebühr lich, daß man ihn verhaften mußte, um ihm Gelegenheit zu geben, seinen Rausch auszuschlafen. In der Zelle aber verfiel er in eine wahre Raserei und demolirte, was ihm unter die Hände kam, brS er schließlich mit Hilse der Zwangsjacke gebändigt und an die Kette ge legt worden war. Dem Menschen steht eine ganz ge hörige Bestrafung wegen Widerstandes gegen die Staats gewalt, groben Unfugs und Sachbeschädigung in Aussicht. Feuilleton. Eine gute Partie. Nornan aus dem Börsenleben von H. Abt. (Fortsetzung.) Dann schlug er grüßend die Hacken zusammen und schwenkte davon. Asta nahm Frau Körbergs Arm und ging heiter plaudernd eine Strecke mit derselben, dann blieb sie stehen und sagte leise und hastig: „Ich möchte Professor Rhode ein paar Minuten allein sprechen, ohne — daß er vorher um meine Ab sicht merkt — wollen Sic mir dazu Helsen, Pepi?" „Ei freilich!" lachte diese. „Wenn Sie seinen Kopf auf einer Bratenschüffel verlangten, wär'« ein bissel schwerer, aber besorgen thät ich's Ihnen doch." Ein paar Minuten später hatte Frau Pepi Körberg den Professor auf die allernatürlichste und scheinbar ab sichtsloseste Weise an ihre Seite gebracht und plauderte so drollig allerhand durch einander, stellte so possirliche Fragen über Wesen, Bedeutung und Zweck der Philoso phie, daß Rhode ein paarmal in lustiges Lachen aus brach. Dabei trippelte Frau Körberg mit ihren kleinen Füßen, um die sic den spitzenbesetzten Saum ihres Hellen Kleides sorgfältig hochnahm, zwar sehr beweglich dahin, blieb aber alle Augenblick zu besonderer Betonung eines komischen Ausspruches, oder zur Betrachtung einer Blume, oder ein paar hübscher Gräser stehen, so daß sie schließ lich in einiger Entfernung hinter den andern sich be fanden. „O, hier ist's herrlich!" rief Frau Pepi, als sie bei einer Wegbiegung aus dem Walde hcrauStratcn und im hellsten Sonnenglanze wieder vor ihnen die wundervolle Rheinlandschaft lag. „Hier müssen Sie schon ein paar Minuten mit mir auSruhen, Herr Professor. Angst braucht's Ihnen dabei nicht zu werden," lachte sie, „denn ich bin nicht die Lorelei." Sie machte Anstalt sich zu setzen, sprang aber wieder empor und ries fröhlich: „Aber da drunten sitzt sie doch, die Rheinnixe! Ohne daß wir's wußten, hat sie uns in ihren Bann gezogen." Und sie deutete seitwärts, wo Asta auf einem Stein sitzend, langsam, mit ernstem Gesicht den Kopf nach ihnen emporwandte. „Kommen Sie, Herr Professor, nun lagern wir uns hier zu Dreien, das ist amüsanter als selbander — wenn man sich nix besonders Heimliches anzuvertrauen hat," fügte sie mit schelmisch kokottem Blick und ihrem nie versagenden, frohen Lachen hinzu. Berthold Rhode trat einen Schritt zurück. „Ich fürchte, wir dürften uns zu weit von der übrigen Gesellschaft verlieren." „O, wa« einer dabei verlieren könnt', findet er alle Tage wieder," sagte Pepi lustig. Asta aber erhob sich. „Ich glaube doch, es ist besser, wir gehen." Ihre Bewegungen hatten etwas Langsame-, Mattes. „Sind Sie müd'?" fragte Pepi Körberg. „Da, neh men Sie meinen Arm, oder vielmehr, der Herr Professor dahier wird sein Mannesrecht geltend machen wollen, die Schwachen zu stützen." Rhode trat mit unbeweglichem Gesicht an Astas Seite. „Wenn gnäoige Frau mir erlauben wollen —" Sie stand ein paar Sekunden zögernd, dann legte sie mit leichtem Lächeln ihre Hand auf Rhodes dargc- botenen Arm. „Ich bin in der That ein wenig stütze- bedürftig." Sie gingen; Asta und der Professor schweigend, Frau Körberg, wie immer, fast unausgesetzt lachend und schwatzend. „O, dort drüben blüht was Blaues, das schaut gerad' aus wie Enzian," ries sie plötzlich und lief davon. Die beiden anderen schritten langsam vorwärts. „Warum wollten Sie mich nicht erkennen vorhin?" fragte Asta plötzlich. Berthold Rhode schien die Frage erwartet zu haben, denn seine ruhige Antwort kam sofort: „Ein Erkennen kann zwischen unS wohl nicht mehr stattfindrn, höchstens ein Kcnnenlernen." Asta blickte mit leicht zusammengezogenen Brauen ge radeaus, al« denke sie über den Sinn der Worte nach, dann nickte sie und lachte lei« auf. „Ah so — die alte PietätSregel: an Gräbern gehe still vorüber." Schweigend gingen sie wieder einige Schritte, während in geringer Entfernung Pepi Körberg sich trällernd einen Strauß pflückle. „Da gehen wir nun wirklich nebeneinander her, stumm und kalt, wie zwei Menschen, die sich vordem nie gesehen, sich nichts gewesen," begann Asta wieder in einem leicht klingenden Tone, zu dem aber ihre nervös zuckenden Lippen in Widerspruch standen. „Erne leben dige Illustration zu dem Liede: — Bis sie zuletzt, e« sei ein Wahn gemeint — daß sie sich je dereinst besessen." Berthold Rhode blieb stehen und sah Asta mit klarem Blicke an. „Ist e« Zufall, gnädige Frau, daß wir hier zusammen gehen?" Asta hielt seinen Blick ruhig au«. „Nein," sagte sie. „Wozu?" fragte er nur. Sic löste ihre Hand von seinem Arm und trat zurück. „Sic haben recht," sagte sic mit hartem Auflachen. „Wozu? Gräber sind ein ungcmüthlichcr Aufenthalt — leben Sie wohl." Er zog tief den Hut vor ihr. „Leben Sie wohl, gnädige Frau." — Er trat noch einmal zu ihr heran und bot ihr die Hand. „Leben Sie wohl und feien Sie glücklich." Sie nahm die ausgestreckte Hand nicht und sah ihn nur starr an. „Glücklich — sind Sie e«?" „Ich bin zufrieden," sagte Rhode leise. (Fortsetzung folgt.)