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Beilage zu Nr. 2K3 Schönburger TllgMlltt unkl Wllldenburgkl Anzeiger Donnerstag, d 1l N°vbr.192S Aovemver. ' Novemberwind! Er peitscht die Wangen, Er wirft dir welkes Laub entgegen. Und bist du glücklich ihm entgangen, So klatscht dir ins Gesicht der Regen. Nom Dache poltert dumvf ein Ziegel, Tie Glocke wimmert schrill vom Turm" Der Wind hebt brausend seine Flügel Und wird zum ungestümen Sturme. Welch ein Geheul, du meine Güte! Nun fix ins Warenhaus gelaufen, Um Pelz und Muff und neue Hüte Der teuren Gattin einzuraufen. Dann zur Theaterkasse weiter Und zwei Parkettbillets erhoben! . Wie stimmt die neu'ste Posse heiter, ' Wenn draußen Sturm und Regen toben. CoU etwa, weil zum promenieren - «a feucht sind Büraerstelg und Rasen, Mensch statt sich zu amüsieren, Jehl brummig sein und Trübsal blasen? r-, r^öne Keit, wo Kaffeekränzchen, Wo Skat und Hausball. steh'n in Blüte! flirtet und riskiert ern Tänzchen, Ob „°4 1° >°» d°- E-r WA-.' rill. Braun über den s. November. Der prcmßische Ministerpräsident Uxgun sprach am Dienstag abend im Berliner Rundfunk über die Be deutung des ^-.November. Ueber die auswärtige Po litik führte er 'n seiner Rede u. a. aus: Als der Weltkneg zu Ende war, glaubten auch die größten Optimisten, daß wohl erst eine ganze Genera tion, die Generation derer, die all das Schreckliche miterlcbt hatte, vorübergehen müsse, bis der furchtbare Haß unter den damals feindlichen Völkern soweit be zwungen sei, daß wiederum Land zu Land und Volk zu Balk in normale friedliche und freundschaftliche Be ziehungen treten könnten. Eine Utopie wäre es damals genannt worden, hätte man Ereignisse prophezeit, wie sie sich jetzt schon in Genf und in Thoiry abgespielt ha ben. Der Wiederaufstieg Deutschlands ist heute keine Phantasie und kein optimistisches Traumgebilde mehr. In klaren und deutlichen Umrissen tritt heute das hervor, was in acht mühevollen Jahren an innerpoliti scher Konsolidierung und außenpolitischer Arbeit zur Wiedercinreihung Deutschlands in die Mächte der Welt geleistet worden ist. Deutschland steht heute wieder ge- nchter unter den Nationen da. Hat es auch noch sehr schwer wirtschaftlich zu kämpfen, so teilt es dieses Ge schick mit anderen ehemals reichen Staaten, weil eben ganz selbstverständlich der Krieg den Wohlstand der Nationen frißt, und fünf Jahre des Konzentrierens aller sonst produktiven Industrien nur auf das Zer stören und Menschenmorden mindestens 50 Jahre des Wiederaufbaues bedingen. Gewiß: Noch sind längst nicht alle deutschen Ge- biete von der Besatzung befreit, die wir mit Ihnen als ungerecht gegen ein großes friedliebendes Kultur volk empfinden, aber eS ist doch, wie schon die Befrei ung der ganzen Kölner Zone zeigte, viel erreicht wor- den, und vor allem durch kluge außenpolitische Arbeit, aut der die Namen Walter Rathenau, Joseph Wirth, strc,emann und Marx, wie auch der des verstorbenen ersten Reichspräsidenten Ebert, untrennbar verknüpft sind, und die unter dem Reichspräsidenten v. Hinden« duW konsequent weitergesührt wird, eine Atmosphäre geschaffen worden, in der sich in Zukunft die uns ganz besonders am Herzen liegenden Fragen der völ, sigcn Befreiung der noch besetzten deutschen Gebiets viel leichter und schneller lösen lassen werden, als es noch vor etwa Jahresfrist den Anschein hatte. Ardeit-lomman-o und Reichswehr. Der Landsberger Kememordprozeb. Am .L^dsberger Fememordprozeß bezeichnete der Angeklagte Schulz die von Hayn in der Voruntev- 'uchung gemachten Bekundungen, daß Gädicke durch die Aeme habe umgebracht werden sollen, als völlig un verständlich. Das Wort Feme habe er erst im Gefäng- nis gehört, ^n den Arbeitskommandos seien mcht nur Völkische, sondern auch Mitglieder der Sozial demokratie und der Gewerkschaften gewesen. . , , Der Nebenkläger Gädicke erklärte bei seiner Vernehmung, er habe von der Schiebung erst erfahren, als sie schon vollzogene Tat- iacke gewesen sei. lieber die Vorgänge beim Fort Ticbernow bekundet Gädicke, Klapproth habe plötzlich aesaat: „Nun los!" Nach 10 Schritten habe er dann einen Schlag bekommen und sei zu Boden gefallen. Klavvroth habe einen Totschläger gehabt, ein Leder einer Bleikugel darin. Der Angeklagte Klapp roth bestritt entschieden, einen Totschläger gehabt zu ^Gädicke wurde darauf von der Verteidigung in ein Gbbnsi?s Kreuzverhör genommen. Auf die Frage, ob der Schriftleiter der Frankfurter „VolksMmme" bei ibm gewesen sei und ihm Geld geboten habe, erklärte er zunächst er habe von niemandem Geld bekommen. Schliekl ck er zn, von einem Vertreter der Siir »»-»rMenrechte 80« Mark erhalten zu haben. Ner aab ^ vast auch Mertens bei ihm geweA ^i, auch der Vertreter "er „B-lksstimme" habe Aus kunft haben wollen. Er habe sie aber abgelehnt. Die Unterstützungen habe er erhalten wegen seiner Krank- heit und Arbeitsunfähigkeit. Bern,ittelt habe sie Mer tens. Er habe Mertens dafür Mitteilungen gemacht. In der dann folgenden Zeugenvernehmung bekunden die medizinischen Sachverständigen, daß bei Gädicke keine wesentlichen Verletzungen festzustellen ge wesen seien, und daß er voll arbeitsfähig sei. Abgelehnts Beweisanträge. Ein von Rechtsanwalt Dr. Löwenthal gestellter Beweisantrag auf Ladung des Oberstaatsanwalts in der ersten Verhandlung des Prozesses wurde abge- lehnt. Es wurde als wahr unterstellt, daß Schulz in der vorigen Verhandlung die unter Beweis gestellten Aeußerungen getan habe. Dr. Löwenthal wiederholte dann den Beweis antrag auf Veruchmung des Reichswehrministers Dr. Geßler, des Reichsinnenministers Dr. Külz, des ehe maligen preußischen Innenministers Severing, des frü heren Chefs der Heeresleitung v. Seeckt und anderer. Dann begründete der zweite Vertreter des Ne benklägers, Justizrat Dr. Falkenfeld, seine Beweisan- träge und beantragte die Ladung einer großen Anzahl von Zeugen zum Beweis dafür, daß Schulz sich auch am Buchruckerputsch beteiligt habe. Auch diese Beweisanträge werden vom Gericht zum größten Teil abgelehnt. Nur ein Fahrradhändler, ein Kaufmann und die Ehefrau des Gaedicke sollen ver nommen werden. In der weiteren Zeugenvernehmung erklärt der iM Pannier-Prozeß freigesprochene Frhr. v. Senden, dessen Vorgesetzter Schulz war, sie hätten sich als Offi ziere gefühlt; aus welchem Grunde, könne er aber in öffentlicher Sitzung nicht sagen, da ihnen ein Schweige gebot auferlegt sei. Der Zeuge wird noch in ein län geres Kreuzverhör genommen. Die Vernehmung des als Zeugen geladenen Unter suchungsrichters beim Landgericht Hl Berlin, Lanw gerichtsrats Graske, wird vom Gericht als gesetzlich unzulässig abgelehnt. Der neue Reichspressechef Dr. Zechlin. Zum Nachfolger des bisherigen Reichspressechefs Dr. Kiep wurde vom Reichspräsidenten der bisherige Legationsrat Dr. Zechlin unter Beförderung zum Mi nisterialdirektor ernannt. Ministerialdirektor Dr. Kiep ist bekanntlich als Nachfolger des als Untergeneral sekretär des Völkerbundes nach Genf berufenen Lon doner Botschaftsrats Dufour-Föronce bei der Lon doner Botschaft in Aussicht genommen. Der neue Pressechef ist seit 1919 in der Presseabteilung der Reichsregierung tätig. Er gehört der Sozialdemokra tischen Partei an. - Ausweisung Garibaldis aus Frankeich. Er kann nicht bestraft werden. Der Fall Garibaldi scheint auszugehen wie das Hornberger Schießen. Die Pariser Polizei erklärt näm lich, Garibaldi könne nicht unter Anklage gestellt werden, da er sich nicht gegen das französische Straf gesetz vergangen habe. Er befindet sich allerdings noch in Polizeigewahrsam und dürfte wahrscheinlich aus gewiesen werden. Bei seinen verschiedentlichen Vernehmungen wurde Garibaldi auch seinem älteren Bruder, dein General Sante Garibaldi gegenübergestellt. Dabei spielte sich eine theatralische Szene ab. Als Sante in das Zimmer eintrat, warf sich ihm sein Bruder zu Füßen und küßte ihm die Hände. „Ich habe Geld genommen, das ist wahr, aber ich habe niemals meine Brüder verraten. Ich habe nie mals aufgehört, der großen Sache zu dienen." Die bisherigen Geständnisse Garibaldis haben fol gende drei Tatsachen ergeben: 1. Garibaldi ha, wochenlang vorher Kenntnis von dem Attentat Luccttis gegen Mussolini gehabt. Lucctti hat be kanntlich vor einigen Monaten eine Bombe gegen den Wage« Mussolinis geworfen. 2. Der Ehes der römischen Polizei weilte vier Tage lang zu Beginn des Monats Oktober in Paris. Bei diesem Aufenthalt wurde das Komplott der katalonischen Separa tisten endgültig ansgeheckt nnd gleichzeitig eine große anti faschistische Bcrschwvrnng ins Ange gefaßt, die der faschisti schen Polizei mit einem Schlage eine große Zahl ihrer Gegner ansliekern sollte. 3. Nach di- ser Unterredung stellte Garibaldi dem Ober sten Macia eine Reihe von Italienern znr Durchführung des katalonischen Separatistcnpntschcs zur Verfügung. Er scheint Macia auch Geld angeboten zn haben, doch hat dieser augen scheinlich abqclehnt. Mussolini soll die französische Regierung er sucht haben, ihr Urteil über das Geständnis Gari baldis, daß er ein Provokationsagent der faschistischen Regierung gewesen sei, zurückzustellen, bis er, Musso lini, die Untersuchung dieses Falles abgeschlossen habe. Nach dem „Excelsior" hat der Führer der katM lonischcn Verschwörung, Oberst Macia, eingestanden, daß er sich in Barcelona mit einem Delegierten derr Sowjets getroffen und eine Reise nach Rußland unteb-l nommen habe. Er bestreitet jedoch, von den Russen! Gelder erhalten zu haben. » Lindsay bei Hindenburg. Die Ncberreichung des Beglanbigu»Asschreibens. Reichspräsident v. Hindenburg empfing aM DjenS^ tag den neuernannten großbritannischen Botschafter; Sir Ronald Lindsay zur Entgegennahme seines Beq glaubigungsschreibens. An dem Empfang nahmen auch! der Reichsminister des Auswärtigen Dr. Stresemann und der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Dr. von Schubert teil. - Der Botschafter hielt eine Ansprache, in der ev unter anderem ausführte: Er sei glücklich, daß er seina Obliegenheiten in dem gegenwärtigen verheißungsvoll len Augenblick übernehme, wo die herzlichen Beziehung gen zwischen Deutschland und Großbritannien eins friedliche und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen bei den Ländern verhießen. Es werde sein Bestreben sein, die Politik des Friedens und der Versöhnung zu för dern. Er hoffe, daß die nie mangelnde Gefälligkeit und der gute Wille der deutschen Regierung uttd Pirs deutschen Volkes, die Lord d'Äbernon zugute gekom-r men seien, auch auf ihn übertragen werden. j Die Erwiderung des Reichspräsidenten ' gipfelte in folgenden Ausführungen: Die große Auf gabe, die der Lösung immer noch harre, sei der Wie deraufbau und die dauernde Sicherung des Friedens Europas. Er hoffe, daß alle Mächte auf Politischen» und wirtschaftlichem Gebiete verständnisvoll Zusammen arbeiten würden, geleitet von dem Geiste des ErM gegenkommens und der Rücksichtnahme auf die Er-« fordernisse des nationalen und wirtschaftlichen Lebens der einzelnen Völker. An die Rede des Reichspräsidenten schloß sich eine Unterhaltung an, in deren Verlauf der Botschaf ter dem Reichspräsidenten einige Mitglieder der Bot schaft vorstellte. . .-u Sie Orbeivmid Tilelsrage. Bevorstehende Entscheidung des Reichskadinetts. Einige Unzuträglichkeiten, die sich aus der ge genwärtigen Rechtslage hinsichtlich der Titel, Amts und Berufsbezeichnungen ergeben haben, beschäftigen das Reichsministerium des Innern schon seit längerer Zeit. Die gegenwärtige Rechtslage ist auch schon des halb als unbequem empfunden worden, weil sie nicht zuläßt, deutsche Pioniere im Auslande, die sich auf wissenschaftlichem Gebiete verdient gemacht haben, ^»rch Verleihung von Berufsbezeichnungen oder einen Titel zu ehren. Der Reichstag hat im Januar dieses -Mhres eine Entschließung angenommen, durch die die Negie rung ersucht wird, diese Frage zu erwägen. Eine Entscheidung darüber, ob aus diesem Anlaß die ganze Titelfrage grundsätzlich aufgerollt werden soll, ist bisher vom Reichskabinett und vom Jnnenmini-c sterium nicht gefaßt worden. Die Stellungnahme des Reichskabinetts ist auch angesichts der bekannten Mei nungsverschiedenheit, die zwischen dem Reich und Bay ern über die Zulassung von Titeln besteht (auch auf dem Gebiete der tragbaren Ehrenzeichen) zur ZeÄ Gegenstand von Verhandlungen und liegt dem In-, nenminister zur Stellungnahme vor. Ser Fall Gädiae. Tie neue Verhandlung vor dem Landsberger Schwur gericht. Vor dem Schwurgericht in Landsberg (Warthe) begann am Montag die neue Verhandlung in dem Femeprozeß, der sich auf den Mordversuch an dem Feld webel Gädicke bezieht. Angeklagt sind Erich Klapp-, roth, Leutnant a. D. Hayn und Oberleutnant a. D. Schulz. Die erste Verhandlung wurde bekanntlich wegen Nichterscheinens eines wichtigen Zeugen ver tagt, nachdem Schulz aufsehenerregende Aussagen ge macht hatte, wonach die Arbeitskommandos legale For mationen der Reichswehr gewesen seien. j Da es sich um eine vollkommen neue Verhand lung handelt, mußte noch einmal mit den Formalitäten begonnen werden. Klapproth schilderte dann noch ein mal die bekannten Vorgänge in Tschernow. Er habe eine solche Wut auf Gädicke gehabt, weil dieser Ma schinengewehrmunition verschoben hatte, daß er finn«^ los auf ihn losgeschlagen habe. Als der Vertreter des Nebenklägers Gädicke? Rechtsanwalt Dr. Löwenthal, eine Reihe von Fragen an den Angeklagten richtet, weigert sich dieser, zu ant worten. Im Anschluß daran kommt es zu einem schwe ren Zusammenstoß zwischen dem Vorsitzenden und Dr. Löwenthal, weil sich der Vorsitzende weigert, die Fra gen des Vertreters des Nebenklägers an den AngeklaK-, ten weiterzugeben. Darauf folgte die Vernehmung des Angeklagten Hahn. Als ihm die Schulz sehr belastende Aussage aus der Voruntersuchung, wonach Schulz den Befehl zur Be seitigung Gädickes gegeben habe, vorgehalten wurde, erklärte er, er sei unschuldig und wisse auch nicht, wie er zu der Aussage gekommen sei. Auf die Frage, ob Schulz damit gesagt habe, Gädicke müßte verschwin den, erklärte er: „Das ist doch selbstverständlich, solche Leute müssen doch ausgemerzt werden." Als der An geklagte im weiteren Verhör nicht mehr recht wußte, ob er antworten solle, griff Rechtsanwalt Sack ein und fragte, ob sich der Angeklagte vielleicht geniert habe, u mzufallen. nachdem er. zu Anrecht das erstemal