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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 06.12.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189912061
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18991206
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18991206
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-12
- Tag 1899-12-06
-
Monat
1899-12
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 06.12.1899
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W 283. 18SS. Mittwoch, de« 6. Dezember. -er techeitetq. Roman von H. Pnl«»-Payse«. (21. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Wohlthuend, besänftigend hatte die Stille und Frische des Waldes auf ihr erhitztes Blut gewirkt. Sie war auch müde geworden. Unter einer Gruppe hoher, knorriger Eichen lag bemoostes Geröll. Darauf nahm sie Platz. Wo war sie denn? Nach dem Stand der Sonne und der ihr gänzlich fremd erscheinenden Umgebung zu urtheilen, weit entfernt von der Stadt. Dort die Schlucht mit dem wüsten Gestrüpp und dem wuchernden Buschwerk hatte sie noch niemals gesehen, nie zuvor jene vom Sturm oder Blitz niedergeschmetterten Bäume, die mit ausqe- riffenen Wurzeln und braunen, weitauSgebreiteten Armen über den Rücken der Schlucht dingen. Die lagen nicht erst seit Kur zem dort, das bezeugten die verwitterten, rindenlosen und ver moderten Glieder, über die sich mitleidsvoll grünes Geschling gebreitet. Auf der anderen Seite, der Schlucht gegenüber, starrte ein dunkler Lannicht. Wie war sie nur hierher in diese Wildniß gekommen, so unbewußt,, so ohne Hören und Sehen? Nicht lange ruhte sie aus. Di» Sonne mußte vorläufig ihr Wegweiser sein und bleiben, bi» ihr ein Mensch, vielleicht wie der ein Holzhacker, begegnete, oder bis der Zufall sie auf den richtigen Pfad zurückbrachte. Geschah das nur vor der Däm merung, so war es ja gut — sonst? Warum darüber nach- denlen, es würde schon Hülfe kommen. Raschelte es nicht dort im Laub, war e» ein Eichhörnchen oder der Tritt von Menschenfüßen — vielleicht — oder — sie glaubte jetzt auch fernes Gebell zu hören und stand still und horchte. Jrrthum! An der Nähe girrte eine Holztaube und im Tannendickicht ertönte der heisere Ruf des HäherS. Sonü blieb Alles still. Berg an, Thal ab, führten die schmalen Wege. Ek halte lange nicht geregnet und leicht vermochte der Kuß über die sonst so feuchte, jetzt gehärtete Erde hinwegzueilen. Gisela war bereits wieder eine große Strecke gegangen. Da tönte ein sonderbares Geräusch an ihr Ohr. Die Luft erzitterte und ihrer Meinung auch der Boden. Irgendwo mußte eia Baum gefällt sein, Also Menschen wa ren nicht weit. Sie ging von Neuem rüstig weiter, jetzt dahin, von wo das ferne Gelrach ertönt, bis einmal wieder eine Lichtung kam. So hell, so sonnig wie jene vorhin erglänzte diese aber schon nicht mehr, obgleich «ine sammetgrüne Waldwiese ihr blumerge- stiatcs Kleid darüber hingeworfen hatte. Hier standen überall nur lichte Laubbäume und hinter einem niedrigen Hügel, gluckste und plätscherte ein munterer Bach. War es der, welcher durch den Weiher ging, dort, wo die Hirsche ihren Wechsel hatten? Ihm nach — oder nein, erst einen frischen Trunk'. Gisela war heiß und durstig geworden, und dies Suchen nach dem richtigen Weg hatte sie gänzlich ihrem finsteren Ge- danlenkreiS entrückt, Hut und Handschuhe waren längst abge- ihan, ihr oft schon in die Stirn gewehtes und immer wieder zurückgestricheneS Haar hing ihr geringelt um die Schläfen. Gerade, wie sie mit aufgeschürztcm Kleide an den feuchten Rand de» eilfertig dahinfließenden Gewässers treten und die Hand unter dem Sprudel halten wollte, ließen sich im rascheln den Laube Fußtritte hören. Gleichzeitig trat um die Hügel- biege herum eine Männergestalt, ein zunaer Herr in ferner Jagdkleidung, mit einem Hühnerhund zur Seite. Er stutzte bei dem unerwarteten Anblick der jungen elegan ten Dame und sah sich, indem er chevaleresk den Hut zog, un- «Mrlich nach deren Begleitung um. Gisela, zuerst etwas bestürzt, faßte sich schnell. Mit einem kurzen, aber höflichen Kopfneigen beantwortete sie den Gruß, und als der Fremde an ihr vorüber gehen wollte, richtete sie ohne Zögern an ihm die Frage, nach dem Weg zur Stadt. Unter den obwaltenden umständen war dies eine gewisse Naivität, die auch durch die drollige Art der Ausdrucksweise hervortrat. Der junge Herr lächelte, zog nochmals den Hut und sagte, Gisela gegenüber stehen bleibend: „Das ist gar nicht so lercht beantwortet, gnädiges Fräulein." .Vielleicht doch leichter, als Sie denken. Sie dürfen einige Ortstenntnitz bei mir vorauSsetzen." „Das ist etwa» Anderes." .Nach meiner Berechnung muß der große Weiher, an dem die Hirsche ihren Wechsel haben — gar nicht mehr weit sein." .In so fern richtig, als derselbe parallel mit dieser Lich tung liegt. Bis dahin wäre es noch eine Stunde und von da zur Stadt wieder eine." .So müßte ich, um zum Weiher zu gelangen, hier quer durch gehen, nicht mehr geradeaus? ..Geradeaus wäre zur Stadt näher. Warum wünschen gnä diges Fräulein durchaus erst den Weiher zu erreichen?" „Weil ich dort.Weg und Steg kenne und mich nicht wieder verirren kann." „O, gnädiges Fräulein haben sich verirrt?' „Ich ging spazieren und verlor mich in Gedanken." „Stunden lang?" »Ja," sagte sie mit einem stolzen Blick und wandte den Kopf bei Seite. „Gestatten gnädiges Fräulein meine Begleitung, so —" „Das wäre ein kuschen viel verlangt," .Durchaus nicht. Ich würde mich glücklich schätzen, dem gnädigen Fräulein einen Dienst erweisen zu dürfen. Gisela nickte befriedigt. „Nun denn — gehen wir," antwortete sie in ihrer schnellen, entschlossenen und geraden Art. „Wohin zuerst?" „Darf ich voran gehen?" „Ich bitte darum." Der Fremde zögerte noch. Es war ein schlankgewachsener, hübscher, junger Mann mit blondem Kraushaar und blauen Augen, die frei und voll Lebenslust in die Welt hincinsckauten. Ueber die vollen, frischrothen Lippen zog sich ein kleiner, kecker Schnurrbart, auf den er scheinbar sehr stolz zu sein schien, denn seine Hand strich häufig darüber hinweg. „Gestatten gnädiges Fräulein, daß ich die bis jetzt verab säumte Vorstellung nachhole: mein Name ist Flemming, Leut nant im ... schen Dragonerregiment Nr.... 16 in C lei denschaftlicher Jäger, großer Hundefreud und glühender Pfer deliebhaber," fügte er hinzu, sah aber sogleich, daß dieser Ton bei der jungen Dame nicht angebracht war. Gisela ging gar nicht darauf ein. Sie lächelte scheinbar nur aus Höflichkeit, und sonderbarenveis« schien sie mit einer Verlegenheit zu kämv^e i „Dann kennen Sie vielleicht auch meinen Onkel, den Justiz- rath v. Belendorf, der hier in C. ansässig und auch ein großer Jagdfreund ist. Ich bin eine seiner vielen Nichten gleichen Na mens," setzte sie stockend hinzu, ohne den intereffirten Blick des Fremden beachten zu wollen, der augenscheinlich etwas darauf zu sagen hatte. Gisela ließ ihn nicht zu Worte kommen. „Einen Moment Geduld," bat sie, sich zurückwendend, „ich bin durstig bis zum Verschmachten und mochte gern noch vor der großen Wanderung diesen Nektar trinken." „Darf lch dem gnädigen Fräulein hiermit dienen," beeilte sich der junge Offizier zu sagen, indem er aus seiner Jaad- iaschc eilfertig ein winziges Glas hervorholte, dies unter den Ouell hielt, das Wasser nach allen Seiten darüber weg und zuletzt hinein sprudeln ließ und es Gisela dann mit den Wör ter überreichte: „Bedaure, daß ich nichts Besseres anzubieten habe, und wäre eS auch nur, statt dieses Glases prosaischen Wassers ein Trunk aus KastaliaS Quelle." „Nur," betonte sie. „Stellen Sie den Saft der Rebe über die poetische Begeisterung?" „Ja, mein gnädiges-Fräulein, und zwar au» recht materi ellen Gründen. Ein guter Wein mundet auf alle Fälle besser als der Nymphe Gabe und hat dabei doch die gleiche Wirkung." „Das möchte ich bezweifeln." „Für mich — für mich," betonte er, „ohne damit sagen zu wollen, daß ich nicht auch ohne dies und jenes in Begeisterung gesetzt werben kann," dabei flammte seid Blick über das schöne Mädchen hin. Er traf e» gar nicht mit diesem Kompliment. Gisela hob den Kopf hoch und sah kalt über ihn weg. In der Ferne huschten eimae Reh« durch die Büsche. Da raus hinweisend, sagte sie: „Wie hübsch — die lieben Lhier- chen!" und dann, ihm daS GlaS zurück gebend: „Dielen Dank, jetzt können wir gehen und bitte, recht schnell — ich bin eine gute Fußgängerin und werde mit Ihnen Schritt halten können. Würden Sie für sich auch diesen Weg eingeschlagen haben?" „Es war meine Absicht. Meine Jagdtasche birgt reiche Beute. Der Tag hat mrr Glück gebracht." Dabei wandte er sich Gisela zu, wieder mit jenem aufglänzenden Blick, der nicht mißzuverstehen war. „Gnädiges Fräulein ließen mir vorhin nicht Zeit, zu bemerken, daß der Herr Onkel ein mir sehr be kannter Herr ist und hoch von mir verehrt wird." „Ei, Sie kennen ihn?" „Auf daS Genaueste, nicht nur durch gemeinsam unter nommene Jagden, auch durch Beziehungen meine» Paters zu ihm, der mrt ihm zusammen auf einer und derselben Universi tät studirt hat." „O," machte Gisela. „Ich verkehre im Hause deS Herrn Justizraths und wun dere mich, die Bekanntschaft deS gnädigen Fräuleins dort noch nicht gemacht zu haben/ „Das ist auch nicht möglich, ich — ich bin erst wenige Wo chen dort," antwortete Gisela stockend und verlegen. Sie wurde dabei sehr roth, und Leutnant Flemming bemerkte dies. Der Weg gestattete hier das Nebeneinanderqehen, und er Wick daher nicht mehr von ihrer Seite. Aus seinem offenen Gesichte leuchtete die große Befriedigung, die ihm diese übrr- :aschende Begegnung, die Bekanntschaft mit dieser reizenden jungen Dame bereitete. Bequem ließ es sich zwar nicht mit Kr unterhalten, sie zeigte sich unbeschreiblich zerstreut, ihr We sen dabei ein sonderbares Gemisch von Stolz und Befangenheit. Er mußte sehr auf der Hut sein, denn, wenn sich ihre Aufmerk samkeit auf den Gegenstand der Unterhaltung konzentrirte, so war sie gleich sehr gründlich, wollte Alles erklärt haben und überraschte durch scharfsinnige Fragen. Er merkte gar bald, daß ihr der Wald mit feinem Mysterium ein guter Bekannter und Freund war, und von diesem war zuerst die Rede. (Fortsetzung folgt.) Kunst, Wissenschaft, Literatur. ** Unter dem Titel „Die Hohenzollern inBild und Wort" (Preis elegant gebunden 5 Mark) bringt die Verlagsbuchhandlung von Martin Oldenbourg in Berlin ein Werk auf den diesjährigen Weihnachtsmarkt, dessen Widmung S. M. der Kaiser angenommen hat. Dasselbe giebt in einem Prachtbande von stattlichem Folioformate in gediegenster typo graphischer und künstlerischer Ausstattung 4ä halbseitige Ab bildungen in reichem Fünffarbendruck, die nach Originalzeich- nunaen von Carl Röhling eine Reihe der wichtigsten Momente aus oer Geschichte der Hohenzollern darstellen. Den begleiten den Text zu diesen Abbildungen hat Prof. vr. Rich. Stern- feld verfaßt und in demselben eine gemeinverständliche Dar stellung der wichtigsten geschichtlichen Begebenheiten aus den ruhmvollen Annalen des Hohenzollernhauses geboten, die im warmen Tone echter Vaterlandsliebe, aber frei von serviler Einseitigkeit gehalten und daher geeignet ist, sowohl der heran reifenden Jugend als auch den weitesten Äolkskreisen zur Be lehrung und patriotischen Erbauung zu dienen. Der Preis des Buches — 5 Mark in elegantem Leinenband — ist ein verhält- nißmäßig so geringer, daß dem schönen Werk« die weiteste Ver breitung von "vornherein gesichert erscheint. ** Die Kunstanstalt Trowitzsch u. Sohn in Frankfurt a. O., die sich zur Aufgabe gemacht hat, die M e ist e r we r k e derklassischenMalerei in möglichster Voll- kommenheit farbig zu re pro du ziren, versendet soeben ihren ersten illustrirten Katalog, aus dem wir ersehen, daß in diesem Jahre Raffaels „Sixtina" und Palma vecchm's ..Heilige Barbara" neu erschienen sind. Das Verfahren be'' der Herstellung der Farbcnplatten in der Trowitz'schen Anstalt ist «n durchaus künstlerisches: die Platten werden mit der Hand in Kreide gezeichnet, jedes Hülfsmittel, auch die Benutzung der Photographie ist grundsätzlich ausgeschlossen. So nur ist es zu verstehen, daß die Herstellung der Sixtina 4 Jahre annähernd gedauert hat. Einen großen Vorzug dieser Bilder, wodurch sie sich besonders schnell die Gunst des Publikums erworben haben, bilden die schönen Rahmen, in denen sie herausgegeben werden, auch zur Sixtina und Barabara sind eigens passende Rahmen modellirt worden. — Viele Verehrer der Trowitzsch'schen An stalt wird es intereffiren, daß jetzt auch mit der Herausgabe kleinerer, moderner Bilder begonnen ist: 9 davon sind im Kata loge abgebildek. Wir finden Jagdbilder von Professor Reck nagel, zwei Tiroler Köpfe von Kotschenreiter, ein fröhlicher Kellerbild aus der Zeit deS dreißigiährigen Krieges „Wein, Weib, Gesaitg" von Victor Schivcrt, eine „Nachmittagsstim mung auf dem Chiemsee" von Dieffenbacher u. a. m. Jede Kunsthandlung führt Trowihsch'sche Bilder, auf die hiermit vor Weihnachten auf's neue die öffentliche Aufmerksamkeit gelenkt werden soll Verschiedenes. seltsame Geschichte. Einig« der vornehmsten Mitglieder der exklusiven russischen Kolonie in Paris fanden sich, so wird den „L. N. N." geschrieben, vor kurzem bei einem Dmer zusammen, das die für wenige Tage in der Villa Lu- miöre weilende Prinzessin Juriewsty, die morganatische Ge mahlin weiland des Zaren Alexander II., ihren wenigen inti men Freunden gab. Beim Dessert fragte eine Nichte der Prin zessin, Lise Trubehkoi, des Exlieblings der Pariser, die Gast geberin, aus welchem Grunde sie sich seit Jahren weigere, den Grafen Petrowitsch Wolodsko zu empfangen. „Er ist doch eia so distinguirter, schöner, geistreicher und liebenswürdiger Ka valier", fügte die reizende (unge Dame hinzu. „Ah, diese Eigen schaften besitzt Wolodsko in der That", entgegnete Prinzessin Juriewsky, „aber seine Abstammung es ist unmöglich «S ist unmöglich ich kann ihn nicht empfangen, meine Liebe." „Ich weiß," gestand Komtesse Olga erröthend, „mit seiner Herkunft hat es eine besondere Bewandtniß. Er wollte mir auch Alles erzählen, wenn ich vorher einwilligte, ibn zu heirathen." „Thun Sie nur das nickt," rief di« Prrnztffm lachend; „Sie könnten es später bereuen/ „Aber," fuhr sie ernst werdend, fort, „es ist unrecht von mir, den armen Petrowitsch zu verspotten. Er hat nichts Entehrendes gethan — auch seine Vorfahren nicht — doch ich sehe nicht ein, weshalb ich daS Ge- heimniß seiner Abstammung nicht verratben soll. In Moskau kennt jedermann die Geschichte." Und die witzige, noch immer schöne Frau erzählte ihren gespannt lauschenden Gästen Fol gendes: „Vor etwa 70 Jahren stand Zar Nikolaus I. eines Ta ges — es war schauderhaftes Äegenwetter — an einem Fenster des Kreml in Moskau und sah gelangweilt auf die Straße. Einige MujikS beschäftigten sich damit, den Schmutz auS den Gossen zu kratzen und in kleine Karren zu schaufeln. Da fiel «S dem Monarchen plötzlich ein, die Straßenreiniger zu sich kom» men zu lassen. Halb todt vor Schreck und Furcht traten die vier Leute in ihrer unsauberen Kleidung vor den Zaren hin. Zu ihrem grenzenlosen Erstaunen wandte sich dieser mit sehr freundlicher Miene zu ihnen und sagte lächelnd: „Meine Kin der, ich habe mich noch nie in meinem Leben so gelangweilt, wie gerade jetzt, und ich dachte, Ihr könntet mich vielleicht amü- siren." Dann steckte er seine Hände in die Taschen und holte Gold und Banknoten heraus. Er legte das Geld auf den Tisch und fuhr fort: „DaS sind hier mindestens 6000 Rubel. Sie gehören demjenigen von Euch, der es fertig bekommt, unbeweg lich wie eine Statue eine ganze Stunde vor mir zu stehen. Ich zähle bis sechs, und dann dürft Ihr Euch nicht mehr rühren? Die armen Mujiks wurden bald blaß, bald roth ber ihren Be mühungen, sich still zu verhalten. Nach einer Viertelstunde sank einer von ihnen ohnmächtig zu Boden. Bald stieß ein anderer einen tiefen Seufzer aus, und der dritte fiel auf die Kniee nie der und flehte weinend um Erbarmen. Der Kaiser gab Be fehl, die drei Schwachlöpfe hinauszubefördern. Nun blieb nur noch Adam Wolodsko im Zimmer. Sein Gesicht hatte sich pur purn gefärbt, aber er zuckte nicht mit einer Muskel. Endlich bekam Nikolaus den Spaß satt und er sagte: „Höre, Adam Adamowitsch, dies soll keme Falle sein. Bewege kein Glied, aber erzähle mir eine kleine Geschichte, damit die Zeit schneller vergeht. Es fehlen noch zwanzig Minuten an der vollen Stun de." Wolodsko dachte eine Weile nach, dann begann er von einem höchst aufregenden Vorgang zu berichten. Er schilderte, wie ein durch einen verschneiten Wald wandernder Mann von Wölfen angefallen wurde. Der Zar fing gerade an, sich für die Sache zu intereffiren, als die Stimme des Erzählers ganz plötz lich zu versagen drohte. Nikolaus erkannte sofort die Ursache und gab dem Manne die Erlaubniß, seine Geschichte mit Gesten zu begleiten. Im nächsten Augenblick war der Mujil wie um- gewandelt. Mit blitzenden Augen erzählte er weiter, den Kampf zwischen dem Ueberfallenen und seinen furchtbaren Angreifern mit drastischen Bewegungen illustrirend. Bald vergaß der Mu- jik, in wessen Gegenwart er sich befand; er fuchtelte mit den Armen in der Luft und sprang wie ein TollhäuSler hin und her. Der Herrscher aller Reußen hielt sich die Seiten vor Lachen, und als Wolodsko endlich wieder zur Besinnung kam, durfte er seine Taschen mit dem Gold und den Banknoten füllen und wurde dann in Gnaden entlassen. Dank der Sparsamkeit und der Klugheit des armen Straßenkehrers hat das Gold reiche Zinsen getragen. Wolodskos Sohn trat in die Armee und em pfing nach der Schlacht von Plewna den Titel eines Grafen." — Als Prinzessin Juriewsky geendet hatte, erhob sich Komtesse Olga und erklärte den Anwesenden, daß sie nun nicht mehr zd- acrn werde, Petrowitsch ihre Hand zu reichen. ES gäbe ver schiedene Arten von Tapferkeit, und in ihren Augen sei Adam Wolodsko ein Held. * Der Hunv als Taschendieb. Ein biederer Hausbesitzer der Avenue Dumesnil befand sich, wie man aus Paris schreibt, kürzlich Nachts auf dem Nachhausewege, als plötzlich eine ge waltige dänische Dogge ihm zwischen die Beine lief und ihn- über den Haufen warf. In demselben Augenblicke traten cm Mann und eine Frau auf den Gestürzten zu und brachten ihn unter Aufwand größter Fürsorglichkeit wieder auf die Füße. „Sie haben sich hoffentlich nicht weh gethan?" flötete die mit leidige Schöne, während ihr hilfreicher Begleiter den von Dan- kcsworten Lberfließenden Rentier an seinem Körper betastete, um sich zu vergewissern, daß weder Rippe noch Arm gebrochen sei. Kaum hatte man sich aufs freundschaftlichste getrennt, als der Hausbesitzer, der seinen Augen nicht zu trauen glaubte, vier reguläre Detectivs auf seine Erretter zueilen und sich ihrer be mächtigen sah. „Wollen Sie, bitte, emmal in Ihren Taschen Umschau halten, ob Ihnen etwas abhanden gekommen ist," wandte sich der Führer der Kolonne an Monsieur X..der zu seiner Bestürzung thatsächlich zugeben mußte, daß seine goldene Uhr und Kette, Portemonnaie, Portefeuille und Taschentuch verschwunden waren. „Trösten Sre sich," beruhigte ihn der Be amte, „bei Monsieur und Madame werden wir alle Ihre Sachen wiedersindcn. Der Hund, der Ihr Mißgeschick verschuldete, ist von dem sauberen Paar eigens auf diesen Trick dressirt." Bei der auf dem nächstem Polizeibureau vorgenommenen Visitation der originellen Taschendiebe stellte sich die Prophezeiung des erfahrenen Beamten als buchstäblich wahr heraus. Monsieur Pierre Renon und Madame Leonie Bastid werden für die nächste Zeit auf die Ausübung ihres Gewerbes verzichten müssen, ihr vierfüßiger Helfershelfer aber hat sich unsichtbar gemacht. * AünstUche Zusammenstöße von Msenbahnzüge« arrangirt die „American rar and Foundry Co.", um doch noch verwerthbares Eisenmaterial der alten verbrauchten Eisenbahn wagen zu gewinnen. Die Amerikaner sind keine Freunde von großen Reparaturen^' lieber werfen sie das alte Material fort
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