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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 12.11.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-11-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189911126
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18991112
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18991112
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- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Bemerkung
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- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-11
- Tag 1899-11-12
-
Monat
1899-11
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 12.11.1899
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Bewegung nach Süden befindlichen englischen Kolonne vom Jsimbulwama herab unter ein vernichtendes Artilleriefeun zu nehmen und über den Klippfluß hinüber zu werfen. — Gleich zeitig fielen vom Flagstone-Buren den Engländern in die Flanke, deren Centrum wurde vollends gesprengt, und so war die Marschkolonne Whites endgültig durch- schitten und in zwei R u m v fk ö rp er getheilt. An Krieg m Mafrik«. Jetzt hat selbst die „Times" darauf verzichtet, die Meldungen von großen englischen Siegen bei Ladysmith während der letzte» Woche noch länger aufrecht zu erhalten. Diese falschen Nach richten haben ihren Zweck erfüllt, das englische Publikum zu unterhalten, bis man den Beginn des Eintreffens von englischen Verstärkungen in Südafrika nach London kabel» konnte. Nu» aber steht der Fall von Ladysmith allem Anschein nach unmittel bar bevor, nachdem auch der englische Telegraph bestätigt, daß Colenso in den Händen der Buren ist. Eine andere Meldung aus Eastcourt besagt: Luf Trund So» Berichten der Eingeborenen umzingeln die Bure» Ladysmith in beträchtlicher Anzahl und füge« Geschütze zu ihren Positionen auf den Hügel« hinzu. Die amtliche englische Berichterstattung meldet freilich nur, daß die Buren nach zweitägiger Pause am Dienstage das Bombardement von Ladysmith wieder ausgenommen haben u»d daß der angerichtete Schaden bei Abgang der Depesche (am Dienstag) unbedeutend gewesen sei. — Daß all diese Meldung» nicht die ganze Wahrheit enthalten, wird auf den erste» Blick klar. Die hier gegebenen Andeutungen aber genügen, um einer aus nichtenglischer Quelle stammenden Nachricht über die Lage von Ladysmith die höchste Wahrscheinlichkeit zu verleihen. Lu- Paris wird nämlich gemeldet: Die schweren Kano««« einiger Forts von Johannesburg und Pritoria sind zur Verstärkung von Jouberts und LucaS Meyer- Posi tionen eingetroffen und auf den Anhöhen rings um Ladys, mith postirt worden. Unter dem Schutze dieser writtrageu- den Kanonen konnten die Buren sich Ladysmith so sehr näher», daß White sich veranlaßt sah, Vas fünfte Lanzenreiter-Regimeit gegen Lucas Meyers Abteilungen zu dirigiren. Dieses Regi ment ist, so verlautet in Ur. Leyds Umgebung, nach schwere» Verlusten — man spricht von 60V kampfunfähigen Reiter» und 300 von den Buren erbeuteten Pferden — gegen Ladysmith zurückgeschlagen worden. — Die hier zr- letzt erwähnte Meldung von der Aufreibung eines Kavallerie- Regiments ist wahrscheinlich die richtige Erklärung zu dem Ttk- gramm der „Times", wonach die „leichten Reiter zu weit i» eae Schlucht vordrangen, aber von den 5. Dragonern herausgehana wurden." — Unter solchen Umständen wird man auch salzend« Meldung nicht für unwahrscheinlich halten: Paris, 9. November. Der „TempS" veröffentlicht «ach- stehendes Telegramm aus London: Ein Telegramm aus Kap stadt berichtet, daß General White seine sämmtliche Munition verschossen hat und gezwungen ist, sich den Buren zu ergeben. General French ist zu diesem Zwecke nach Kapstadt abgereist, um dem General Buller die Bedingungen der Kapitulation von Lady smith zu unterbreiten oder von ihm die Ge nehmigung für einen verzweifelten Ausfall e i n z u h o l en. Das Herannahen der Katastrophe von Ladysmith wird auch in folgendem Londoner Bericht der „Kabelkorre spondenz" bestätigt: „Wihte schweigt, Buller redet — aber nur, was ihm der Zensor diktirt, und dem hat's im Weiler Eastcourt ein laufeitder Kaffer erzählt. — Offiziell wissen wir nichts, absolut nichts seit dem ominösen 2. November. Die „große Schlacht" mit ihren 2000 Gefangenen ist eine südafrikanische Fata Morgana, über den zerklüfteten Höhen der Drachenberge verflogen. Alle die Hunderte von Kabelmeldungen der letzten acht Tage haben sich als eitel Wind erwiesen, konfuse Echos von den Ufern des Tugela, welche die kahlen Wände des Tafelberges vielstimmig, aber nur noch konfuser über den Indischen Ozean hinüber zu rückgesandt haben. Und doch beginnt die Wahrheit durchzu sickern, von oben herab, wie alles, was durchsickert. Das Kriegsministerium schweigt, aber die Herren des Kriegsamts sind auch nur arme Sterbliche und überdies sämmtlich Mitglie der irgend eines Militärklubs und zu allem Ueberfluß auch noch des Carltonklubs! Dort ist man unter sich, da fällt der Man tel des offiziellen Schweigens, dort verkehren auch die hohen aktiven und inaktiven Offiziere, welche aus eigener Erfahrung wissen, wie sich eine Belagerung, ein Ausfall, ein Durchbruch abspielen, denen man keine Kaffergcschichten erzählen kam — da führt ein Wort zum andern, und schließlich ist das ganze Geheimniß heraus. Was man sich dort erzählt? Es ist eine alte Geschichte, die von Gloncoe-Dundee nämlich, nur mit einem kleinen Unterschied! Was General Aule bei Nacht und Nebel gelang, glückt General White nur ^ur Hälfte. Er hatte Befehl,sichumjedenPreisnachSLdendurch- zuschlagen und Pietermaritzburg wenigstens so lange zu halten, bis die diese Woche erwarteten ersten 5000 Mam Hülfstruppen in Durban gelandet seien. General White folgte seinen Instruktionen und versuchte den Durch bruch gen Vesters Farm, sieben Kilometer im Ost-Nord-Ofien der Stadt. Den Feind durch einen Scheinangriff beschäftigend während seine Artillerie die Burenpositionen auf den westlichen Anhöhen beschoß, warf sich White plötzlich mit dem gejammten Hauptcorps seiner Truppen auf die im Südosten stehenden kleineren Corps der Transvaal-Buren aus dem Jsimbuluwana und versuchte zwischen diesem und dem Klipflusse den Durch bruch. — General Joubert ließ sich durch die Scheinattacke auf der Besterstraße ebensowenig täuschen wie durch die Deckung-- kanonade im Westen, that aber, als merke er des Gegners Ab sicht nicht und antwortete am ersten nachmittags und am Mor gen des zweiten November nur mit einem intermittirendea Lr- tilleriefeuer. Getreu dem vom „Standard" verrathenen, an geblich Brialmontsche^ Plane, den Feind in einzelne Corps zu zersprengen, einzuschlreßen, wieder los zu lassen und so allmäh lich an die Meeresküste zu drängen, ließ der Ober-General der Buren den englischen General mit seinen Haupttruppen au- Ladysmith heraus, um dann plötzlich das Centrum der in voller ansässige Leute Schadenersatzansprüche wegen der ihnen durch die . , . , Militäroperationen oder durch das Vorgehen der Schisse im letzten! Vergebens versuchte sich der englische General durch einen ver- Frühjahr verursachten Schaden geltend machen, schiedsgerichtliche j zweifelten Kavallerieangriff Lust zu schaffen und die Verbindung Entscheidung vorsieht, nach dem „Daily Chronicle" der König! seiner zerschnittenen Corps wieder herzustellen. Der Dewdropritt von Schweden-Norwegen als Schiedsrichter vorgesehen.! Oberst Brocklehnrst (kein Todtenritt von Balaklava oder Reichs- Nach Meldungen englischer Blätter ist der einzige wichtige Artikel Hofen, denn die Buren zogen sich, ihrem Plane gemäß, rasch dieser Konvention der zweite, welcher lautet: „Der Schiedsrichter, hinter den Dewdrovspruit zurück und schnitten so die ihnen wird seststellen, ob das Bombardement in Folge von Handlungen j folgende englische Kavallerie gleichfalls von ihrem HauptcorpS ab der Beamten der Mächte stattfand und wieweit sie Mächte ein-! — sie rettete sich nur dadurch, daß sie sich rechtzeitig m die zeln oder gemeinsam für den Schaden haftbar sind, der durch j Stadt zurückwarf) war umsonst. Die Artillerie Joubert- das Bombardement verursacht wurde." Die Konvention muß!ve rhi ndertc jede Wiedervereinigung der ge- vom Senate der Vereinigten Staaten ratifizirt werden, ehe siel trennten Truppentheile, die sie vielmehr durch ein ver- jnichtendes Feuer, den einen gen Süden auf Colenso, Hinabtrieb, diesen veränverren «mstänoen eine große Tragweite haben müsse» ja daß er vermuthlich zu bedeutsamen politischen Abmachungen führen werde. Eine ungefähre Vorstellung von diesen jäh inS Kraut geschossenen Hoffnungen giebt das folgende Telegramm des „Berl. L.-A.": Die Meldung, daß Graf v. Bülow, den Kaiser auf seiner Reise nach England begleiten werde, wird in ganz England freudig als Zeichen dafür begrüßt, daß dem Besuch eine hohe politische Bedeutung beizumessen sei, und hat hier die Si tuation mit einem Schlage verändert. Die deutsche Freundschaft hat England vom Alp internationaler Verwickelungen befreit, und der Besuch des Kaisers ist nun ein Ereigniß geworden, dem alle Welt mit überwältigendem Interesse und fieberhafter Freude entgegensieht. Frankreich. Die gestrige Sitzung deS Staatsgerichtshofes wurde um 1 Uhr eröffnet. Die Angeklagten wurden sofort in den Saal geführt. Beim Ausruf der Zeugen kommt es zu lärmenden Auftritten. Der Vorsihenve fordert die Angeklagten mehrere Male zur Ruhe auf. Der Zeuge Paulin Möry erhebt lebhaften Einspruch, weil vorgestern die Zeugen nicht der Ver lesung der Anklageakte beiwohnten. Ein Gerichtsdiener führt infolgedessen Paulin Möry aus dem Saal. Beim Namensaufruf des Obersten Monteil rufen einige Zeugen: „Es lebe Guörin, es lebe Döroulede! Nieder mit den Juden!" Unterdessen wird draußen vor dem Saale die Marseillaise gesungen. Ein Zeuge, der dann mit überlauter Stimme ruft: „Es lebe Döroulöde, es lebe daS Heer!" wird aus Befehl des Vorsitzenden verhaftet. Mehrere Angeklagte erheben sich von ihren Sitzen und protestiren heftig inmitten des allgemeinen Lärms. Um 3 Uhr ist der Auf ruf der Zeugen beendet. Der Staatsanwalt erklärt, er werde gegen die Zeugen, welche die Kundgebungen veranlaßten, keine Strafanträge stellen (jedenfalls damit die Kundgebungen sich das nächste Mal wiederholen !). Fallieres ordnet darauf die Frei lassung des sestgenommenen Zeugen an. Hierauf verliest Fallwres die eingebrachten Anträge, welche darauf Hinzielen, den Senat für unzuständig zu erklären. Sodann wird die Sitzung unter brochen. — Im Palais Luxembourg ereignete sich Nachmittags ein ernster Zwischenfall. Im Zeugensaale griff ein auf Antrag Guerins geladener Camelot Namens Riader einen anderen Zeugen, den er für einen Sicherheitsbeamten hielt, thätlich an und schlug ihn. Als die städtl^cyen Garden ihn festnahmen, zog er einen Revolver aus der Tasche. Mit Mühe gelang es, ihn auf das Polizeibureaa zu bringen. Nach einer Wiener Meldung des „Daisy Chronicle" fragten mehrere kontinentale Kabinette bei der portugiesischen Regie rung an, ob zwischen ihr und England ein Vertrag bestehe, der England gestatte, die Truppen in der Delagoabai zu landen. Portugal habe verneinend geantwortet. Russland. Die „Nowoje Wremja" hebt hervor, daß die Potsdamer Kaiserzusammenkunft in Rußland keinerlei Meinungsverschiedenheiten Hervorrufen werde. In Rußland wünsche man durchaus aufrichtig die allerbesten Beziehungen zwischen Rußland und Deutschland, und wenn die „Nordd. Alla. Zeitung" behaupte, daß das Einvernehmen zwischen Ruß land und Deutschland die Erhaltung des Weltfriedens begün stige, so habe die „Nowoje Wremja" gegen diese Bemerkung des deutschen Organs nichts einzuwenden. — Die „N o w ö st i" führen aus, die deutsch-russischen Beziehungen hätten sich mit jedem Jahre gebessert und könnten gegenwärtig als durchaus befriedigend bezeichnet werden. Diese Beziehungen wären, kurz charalterisirt, gute, freundschaftliche und nachbarliche. Das Blatt wirft einen Rückblick auf die allmähliche Entwickelung dieser guten Beziehungen und spricht schließlich den Wunsch aus, daß die Friedensliebe der Mächte in London gebührend gewürdigt werde und England zur Annahme uneigennütziger und wohlgemeinter Vorschläge hinsichtlich des Transvaalkrieges geneigt machen möge. — Die „Rossija" meint, die Potsdamer Zusammenkunft der beiden mächtigsten Monarchen der Welt er lange in Anbetracht der augenblicklichen politischen Konstella tion größere Bedeutung als irgend eine andere Kaiserreise. Der Mittelpunkt der diplomatischen Verhandlungen sei Berlin geworden, wo zweifellos Hochwichtiges zwischen beiden Monar chen verhandelt worden sei. Bulgarien» Wie eine Drahtnachricht auS Sofia meldet, hat Fürst Ferdinand in Rücksicht auf die schlechte Finanzlage auf die Hälfte seiner Zivilliste Verzicht geleistet. Man hatte auf ein ähnliches Opfer in Bulgarien schon längst gewartet, aber der Koburger ließ sich nichts merken. Da die Geldkalamität nun so weit gediehen ist, daß den Beamten ihr Gehalt um 7 v. H. ver kürzt ist und ihnen 25 v. H. mit der Aussicht auf Wiedererstattung abgezogen werden sollen, hat der Fürst nicht umhin gekonnt, ebenfalls mit einzuspringen. Bisher pflegte er nicht nur die eigenen Taschen sestzuhalten, sondern er nahm auch, wo es irgend möglich war, den Staatssäckel in Anspruch und bat dadurch viel böses Blut gemacht. Nach seiner Vermählung ließ er sich nicht ohne Widerspruch der Kammer seine Zivilliste auf eine Million Franken erhöhen, jetzt bezieht er baar 1300000 Franken, wovon er noch nicht 50000 Fr. für wohlthätige Zwecke das Jahr aus- gebcn soll. Seine Reisen im Innern gehen auf Staatskosten, ja früher ließ er sich sogar die Extrazüye für seine Auslandsreisen bezahlen, weshalb er selbst seinen Badereisen gern eine kleine politische Färbung gab. Als die Fürstin nach ihrer ersten Ent bindung schwer erkrankte, mußte der Staat die ärztlichen Honorare u. s. w. in Höhe von 120000 Frcs. tragen. Aber das Schlimmste hat dec sparsame Herr doch nach seiner Verlobung geleistet: die Krone, welche er der Prinzessin als Bcautgebinde schenkte und die 250,000 Frcs. kostete, wurde von einem zweimonatlichen Gehalts abzüge sämmtlicher Staatsbeamten in Höhe von 5 v. H. bezahlt. Dabei hatte ihm Stambulow schon im Jahre 1893 einen Bericht des Fiuanzminisiers überreicht, der die Geldlage des Landes mit Recht in den düstersten Farben schilderte. Vereinigte Staaten. Die New-Dorker Presse nimmt das Samoaabkommen im Ganzen günstig auf und macht gegen den Beitritt der Vereinigten Staaten von Amerika keine ernsteren Bedenken geltend. Betreffs der Schadenersatz-Ansprüche in Samoa ist in der am Dienstag in Washington vom stellvertretenden Sekretär im Staatsdepartement Hill dem Sekretär der britischen Botschaft Tower und dem deutschen Gesandten Mumm von Schwarzenstein unterzeichneten Uebereinkunft, die für den Fall, daß in Samoa Weil sie mit ihre» kräftigen Schlägen auch daS wieder künstlich ««fgepäpelte Märchen von der Ueberlegenheit stehender Heere über Miliztruppen zertrümmert haben. Die Sozialdemokraten Deutschlands, wie unsere Bruderparteien in anderen Ländern, werden diese Lehre ausnutzen in ihrem Kampfe gegen das volks verderbende System des Militarismus." — Es ist überaus thöricht, daS Söldnerheer Englands, daS in Afrika seine ver dienten Schläge erhalten hat, als Typus der europäischen stehen den Heere und daS zur Vertheidigung ihres Vaterlandes zu den Waffe» gerufene und mit den Waffen in der Hand ausgewachsene BurenvoU als TypuS deS Milizsystems aufzustellen. Was soll zudem die Thatsache, daß schlechtgeführte, begeisterungslose Be rufssoldaten, noch dazu in Unterschätzung ihrer Gegner befangen, von emem gutgeführten, begeisterten Volksheere geschlagen werden, gegen daS System der stehenden Heere bedeuten? Die Sozial demokraten werde« sich schon nach anderen „Lehren" umsehen müssen, die das „volksverderbende System des Militarismus" besser treffe», als die aus dem Burenkrlege gewonnenen. Sie selbst sollten aber aus den afrikanischen Vorgängen die Lehre ziehen, daß eS nichtsnutzig ist, dem Volke die Vaterlandsliebe zu 'rauben; denn ohne diese wären die Buren eine leichte Beute für die englischen Einbrecher geworden. Oesterreich. Ein tschechischer Reservemann, Ler sich bei derKontrolvers ammlung in dem tschechi schen Städtchen Böhmisch-Brod demonstrativ mit „Zde" ge meldet hat, wird verhaftet und wegen Insubordination dem »Militärgericht in Josefstadt eingeliefert. Vier Gendarmen und ein Zug Dragoner müssen ihn zum Bahnhof schaffen, sein Transport gestaltet sich zu einem förmlichen Triumphzug, die gesammte Bevölkerung der Stadt giebt dem „Märtyrer für die nationale Ehre" feierliches Geleit, die Frauen von Böhmisch- Brod überschütten ihn mit Blumen. Als Ausschnitt aus der Tagesgeschlchte, außer Zusammenhang mit den sonstigen Vor- ! Hängen in Oesterreich und zumal in Böhmen betrachtet, ist die ses Bildchen von köstlicher humoristischer Wirkung. Beläßt man den Vorfall aber im ganzen Zusammenhang ver Dinge, dann gewinnt er eine Bedeutung, die ein gleichmüthiges Darü- berhinweasehen nicht gestattet. Es war schon schlimm genug, als bald da, bald dort in Tschechien innerhalb der vier Wände, in denen die Kontrolversammlungen sich abspielten, einzelne Reservisten gegen die Dienstvorschrift auftrotzten und trotz Be lehrung, Mahnung und Warnung dem die Handlung leitenden Offizier die Meldung in der Armeesprache verweigerten. Aber daS waren im Vergleich zu den neuesten Entwickelungsstadien dieier Angclegenheii noch recht harmlose Vorfälle Einen we sentlich ernsteren Charakter gewannen sie, als die tschechischen Gemeindevorsteher sich einzumengen begannen und vor versam meltem Neservistenvolk für die „Zde"-Rufer eintraten. Bald blieb eS nicht bierbei, sondern es begann eine planmäßige Agi tation durch Wort und Schrift, um die tschechischen Reservisten zur allgemeinen Gehorsamsverweigerung aufzustacheln, auf reizend« Maueranschläge dieses Inhalts erschienen an allen Straßenecken und in den Kontrolversammlungsräumen der tschechischen Landstädte, dann folgten die Boykottirung der die sVersammlungen leitenden Offiziere, die Weigerung von den .Gemeindebehörden, den zur Aufrechthaltung der Ordnung ent sandten Truppen Quartiere einzuräumen, Vollskundgebun- wen zu Gunsten verhafteter Zde-Rufer und deren gewaltsamer Befreiung, und nun ist es dahin gekommen, daß ganze Städte 'Demonstrationen veranstalten, welche die ihrer Strafe entge- .aengehenden Meuterer trösten und erheben und jeden einzelnen tschechischen Reservemann zum Bruch der militärischen Diszi plin anfeuern sollen. Die österreichischen Behörden haben die sen Herausforderungen und Vergehungen gegenüber bisher eine erstaunlich« Gelassenheit bewahrt, aber nun dürfte das Maaß ihrer Langmuth doch voll sein. Die kaiserliche Regierung darf nicht länger zögern, mit der ganzen Schärfe des Gesetzes gegen das tschechische Treiben vorzugehen, soll die Staatsautorität nicht an einem der empfindlichsten Punkte nie wieder gut zu machenden Schaden erleiden. Läßt man erst in den tschechischen Köpfen sich die Vorstellung festsetzen, daß es ein gefahrloses Unternehmen sei, sich mit den Agitationsmitteln des nationalen Fanatismus an den Organismus der Armee heranzuwagen, dann können die berufenen und verantwortlichen Hüter der Unversehrtheit der Armee von nationalen Zerwürfnissen noch ^viel schlimmere Dinge erleben. Schon mit Rücksicht auf das »Ansehen der Monarchie und die Bewerthung ihrer Armee im 'Auslande, im freundschaftlich wie im andersgesinnten, sollte den tschechischen Reservistenskandalen mit allem Nachdruck und ohne längeres Säumen ein Ende gemacht werden. Was gegen wärtig in Tschechien vorgeht, ist in den im modernen Geiste militärisch organisirten Staaten Europas schlechthin unerhört, und je aufrichtigere Freundschaft man für Oesterreich-Ungarn hegt, um so bestimmter muß man hoffen, daß seinen Feinden nicht weiter Vorwände geboten werden, mit hämischem Be hagen auf spanische und belgische Seitenstücke zu den Vor kommnissen in Böhmen und Mähren hinzuweisen. Im österreichischen Abgeordnetenhaus wurde die Debatte über die Beantwortung der Interpellation bezüglich der Exzesse in Mähren fortgesetzt. Nachdem die Abgg. Adamek und Kozlowski gesprochen hatten, ergriff der Mini st er des Innern von Körber das Wort. Seine Rede wird von Prote'Kufen und wiederholten Zwischenrufen seitens der Jnngczcchen unterb, ochen Vizepräsident Lupul schwingt anhaltend die Glocke und ersucht wiederholt dringend um Ruhe. Der Lärm hält an. Seitens der Jnngczcchen werden heftige Zwischenrufe gegen den Minister geschleudert, namentlich seitens der Abgg. Sileny, Sokol, Dolezal und Pospischil. Vor der Mmisterbank entsteht ein starkes Ge dränge. Tie Jungczechen brechen in stürmische Abzugsrufe aus. Der Vizepräsident versucht vergeblich die Ruhe wieder herzn- siclleu. Der Minister ist gezwungen in seiner Rede innezuhalten. Der Vorsitzende un Ministerrath Graf Clary spricht darauf einige Worte mit Körber, woraus die Jungczechen auch in Abzugsrnse gegen Clary ausbrechen. Der Obmann desJunczechenklubsAog. Engel sucht vergeblich die Jungczechen zu beschwichtigen. Der Lärm hält unvermindert an. Vizepräsident Lupul erklärt in Folge des anhaltenden Tumultes die Sitzung für unterbrochen. Die Erregung hält im Hause auch während der Unterbrechung an. Nach zehn Minuten wird die Sitzung wieder ausgenommen. Minister v. Körber setzt seine Rede fort, die er unter lebhaftem Beifall der Linken und stürmischen Abzugsrusen seitens der Jungczechen schließt. Der Präsident des Lemberger Oberlandesgerichts zeigte dem Justizminister das Urtheil des Prozesses in Sachen der Galizischen .Sparkasse durch folgendes Telegramman: „ZurEntrüstung aller ehrlichen Leute sind sämmtliche Angeklagten freigejprochen worden." — Di« Schwurgerichte bringen manches fertig, was einer nicht f» möglich hält. Die Nachricht, daß der Staatssekretär Graf v. Bülow den Arsscr auf seiner Reise nach England begleiten wird, hat in London einen wahren Begeisterungssturm entfacht. Man ist dort jcht schon vollständig darüber einig, daß der Besuch unter j wirksam wird. yfretverger Sette L —12 November«
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