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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 07.10.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-10-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189910076
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18991007
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18991007
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-10
- Tag 1899-10-07
-
Monat
1899-10
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 07.10.1899
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234. Krew-rger Anzeiger und Tageblatt. Gelte 4.-7. Oktober. LAM In der gestern Abend stattgefundenen öffentlichen Sitzung deS Stadtverordneten-Kollegiums zu Dresden wurde Stadt» rath vr. xd. Blochwitz nach Ablauf seiner sechsjährigen Wahl periode zum besoldeten Stadtrath auf Lebenszeit gewählt. Gestern Vormittag erfolgte die Nebergabe der neu er bauten Markthalle Dresden-Neustadt seitens des Hochbau- amteS an die Markthallrnverwaltung. Die Markthalle selbst wird morgen für den Marktverkehr eröffnet, womit gleichzeitig der bisher auf dem Neustädter Markte abgehaltene freie Wochen markt aufgehoben wird. Die Neustädter Markthalle bietet im Erdgeschosse einen Raum für 213 Lerkaufsstände mit 1189 gm, und zwar sind vorhanden 38 verschließbare Stände für Fleisch und Wild, 4 Stände für lebende Fische und 171 Stände für Obst, Grünwaaren, Fischwaaren, Kartoffeln u. s. w. Aus der Galerie, die einen Standraum von 700 gm besitzt, werden die Verkaufsstände für Butter, Käse und Margarine untergebracht. Die Stadtverordneten zu Dresden haben gestern nach tängerer erregter Debatte den wiederholt berathenen Antrag des Schrift führers vr. Haeckel, die Ladengeschästszeit im Handelsgewerbe an Sonn- und Festtagen auf die Zeit früh bis halb 9 Uhr und von Vormittags 11 bis Nachmittags 2 Uhr zu beschränken, dem nach also das Osfenhalten in den Sonntag-Abendstunden in Wegfall zu bringen, mit 32 gegen 29 Stimmen abgelehnt. Auf Einladung des Oberbürgermeisters Beutler hatten sich am Mittwoch im Altstädter Rathhause zu Dresden mehrere Herren eingefunden, um über die Einleitung einer Hilfsaktion für die Ueb er schwemmten in Bayern zu berathen. Der Oberbürgermeister gab zunächst eine Darstellung der von anderer Seite in der Sache bereits ge- thanen, insbesondere der von der Kaiserin unternommenen Schritte. Er wies auf den furchtbaren Nothstand in dem schö nen bayerischen Hochlande hin, der eine wenig bemittelte Bevöl kerung betroffen habe, und hob den hochherzigen Wunsch der Kaiserin hervor, den diese in einem Schreiben an das Central komitee der deutschen Vereine vom rothen Kreuze ausgesprochen, daß alle hilfsbereiten Kräfte zu gemeinsamer Thätigkeit ver einigt würden. Nach längerer Aussprache kamen die versam melten Herren überein, daß im Anschluß an den Aufruf der Kaiserin eine Aufforderung auch an die Bewohner Dresdens ge- ricktet werden soll, die Nothleidenden werkthätia zu unterstützen und Sammelstellen zu errichten. Zum Zwecke einer schnellen Hilfeleistung soll davon abgesehen werden, eine Verbindung mit Kreisen außerhalb Dresdens zu suchen. Unter den mannigfachen Ehrengaben, die dem Oberbür- g e r m eisterGeheimenRathDr. Georgiin Leipzig bei feinem Scheiden aus dem Amte dargebracht worden sind, ist wohl eine der werthvollsten die Sammlung seiner eigenen Reden und Ansprachen. Die Sammlung umfaßt die ganze Amtsthä- ti^keit Dr. Georgis von 1874 bis 1899 und enthält 99 Reden. Sie beginnt mit ver Rede, die er am 11. September 1874 nach seiner Wahl zum Vizebüraermeister gehalten hat, und endigt mit der Rede ber der Grundsteinlegung zum neuen Rathhause (19. September 1899). Dabei beschränkt sich diese Sammlung ayf solche Reden, die in ihrem vollen Wortlaut enthalten sind. In einem Anhänge sind jedoch genaue Nachweise gegeben über 54 weitere Reden, und die Orte, wo sich Mittheilungen darüber «Nd Auszüge daraus finden. Der Druck des Werkes zeigt den auserlesensten Geschmack. Man wird selten ein so schön ge drucktes Buch zu Gesicht bekommen. Wo sich bei der Verthei- lungdeS'Textes Gelegenheit dazu bot, sind Zierleisten und Ini tialen angebracht, die der Zeichner Gustav Wustmann stets zu den sich anschließenden Reden in Beziehung gesetzt hat. Außer dem ist das Exemplar mit einem vorzüglichen Bildniß Dr. Ge orgis und mit 16 Heliogravüren geschmückt. Der Streik der Former und Gießerei- Arbeiterin Leipzig dauert nunmehr länger als 15 Wachen; nach den gleichlautenden Versammlungsberichten ist der Stand für dre Arbeiter stets ein günstiger, zumal, da auswär tige Kollegen die Arbeit für Leipziger Firmen verweigern. Ein Besuch auf den LeipzigerBahnhöfen beweist aber das Gegentheil, täglich werden Hunderte von Centnern Guß abgefahren, die von auswärts nach Leipzig kommen. Bei der Firma Sch. u. S. in Neuschönefeld ist die Gießerei voll beschäftigt, ebenso bei Karl Kr. in Crottendorf. Im Westen Leipzigs sind sämmtliche Werk stätten, wo kleiner Guß hergestellt wird, voll besetzt, in den Werkstätten, wo die großen Stücke angefertigt werden, sind Lücken, doch füllen sich auch diese nach und nach. Bei Rud. S in Plaßwitz ist die eine Gießerei voll besetzt, die andere, Stahl gießerei genannt, zur Hälfte; die Produktion hier ist jedoch be reits größer, als der Bedarf. Bei B. u. Comp. in L. bemerkt man nichts mehr vom Streik, die Firma M. I. in L. weist noch einige Lücken auf — und in gleicher Weife ist es in allen anderen Gießereien. Man hat sich eben seitens der Fabrikanten zu hel fen gewußt und sich einfache Arbeiter eingerichtet und thut das noch täglich. Es sollen wohl noch 400 Mann streiken, nach dem gewonnenen Einblick dürfte aber überhaupt mehr als die Hälfte der Leute ohne Arbeit in den Gießereien bleiben, auch wenn sie nach Beendigung des Streiks gern wieder arbeiten wollten. Das ist eben das Traurigste an der ganzen Sache. Kürzlich wurde m Leipzig ein 17jähriger Schüler aus Wies baden aufgegriffen, der seinen Eltern einen größeren Geldbetrag entwendet hat und hierauf flüchtig geworden ist. Der junge Thunichtgut hatte sich das Vergnügen gemacht, in Damenkleidung ein größeres Vergnügungslokal zu besuchen. In seinem Besitz wurden noch mehrere hundert Mark gefunden. Eine Kutschersehefrau in Chemnitz hatte am Mittwoch Nachmittag ihr acht Monate altes Kind (einen Knaben) in ein größeres Bett niedergelegt und sich dann in das Waschhaus begeben. Zuvor hatte die Mutter, damit das Kind nicht aus dem Bette fallen solle, ein Plättbrett zwischen die Seitenwand und Unterlage des Bettes geschoben. Als nach Verlauf einer Viertelstunde die Mutter nach ihrem Kinde sah, fand sic dasselbe leblos zwischen dem Plättbrett und dem Bette hängend vor. Der Kopf des Kindes hatte sich zwischen Plättbrett und Bettstelle ein geklemmt, wodurch das Kind erstickt ist. Bei der Räumung des Mühlgrabens in Meisten wurden zwei Granaten im Gewichte von 139 bez. 125 Kilogramm ge hoben. Ueber die Herkunft dieser Geschosse fehlt zur Zeit noch jeder Anhalt. In schwere Kümmerniß wurde eine Familie in Grotzzchsach- Witz dadurch versetzt, daß der Schwiegersohn, Kaufmann R., welcher erst vorige Woche in den Stand der Ehe trat, verschwunden ist. Bon Prag aus telegraphirte derselbe: „Aus Nimmerwieder sehen!" Was den Genannten in die Ferne trieb, ist noch nicht aufgeklärt. Trotz der gewaltigen und viel vernichtenden Regengüsse im September tritt jetzt in einzelnen Gegenden die Mäuseplage wieder in erschrecklicher Weise auf. So sind auf einem drei Scheffel großen Kornacker in Waltersdorf bei Liebstadt 516 solcher Nager vernichtet worden. Der hinter dem Pfluge folgende Knecht hatte vollkommen zu thun, die flüchtenden Mäuse v /tödten. Im 3. ländlichen Landtagswahlkreise — Reichenau, Ostritz, Herrnhut — treten von den 67 Wahlmännern 32 für die Wie derwahl des Kommerzienraths Preibisch in Reichenau (natl.), 25 für den Rittergutsbesitzer Reichel rn Strahwalde (Bd. d. Landlos, 9 für den Kohlenwerksbesitzer Buchheim in Zittau (freis. Volksp.) ein, außerdem ist 1 sozialdemokratischer Wahl mann gewählt. Sonach verfügt keiner der aufgestellten Kan didaten über eine absolute Majorität, die erst mit 34 Stimmen erreicht wird. Es wird sich also bei der Abgeordneten-Wahl aller Voraussicht nach ein zweiter Wahlgang nöthig machen, bei dem alsdann die Wiederwahl des Kommerzienraths Prei bisch, der übrigens im Landtage gegen das neue Dreiklaffen- Wahlrecht gestimmt hat, als gesichert gelten darf. Der Schulvorstand zu Naunhof hat die Anstellung eines Schuldirektors mit dem gesetzlichen Mindestgehalt von 2600 Mk. und 350 Mk. Wohnungsgeldzuschuß für Ostern 1900 beschlossen. Von zwei bedeutenden Schadenfeuern wurde Eibenstock heimgesucht. Am Mittwoch Abend war im Blei'schen Bauerngut Feuer entstanden, das das Gut bis auf den Grund in Asche legte. Gegen 11 Uhr erscholl abermals Feueralarm. Diesmal brannte es im Stadttheil „Crottensee", der vor einigen Jahren bekanntlich schon einmal durch rin größeres Feuer, dem einige Häuser zum Opfer fielen, schwer geschädigt wurde. Es sind in demselben zwei Bauergüter niedergebrannt. Während im ersteren Falle die Entstehungsursache des Feuers noch unermittelt ist, ist dieselbe im letzteren auf böswillige Brandstiftung zurückzuführen. Neben der zum Seidel'schen Gute gehörenden Scheune stand ein mit Ackerkräutig beladener Wagen, der am Tage vom Felde hereingefahren worden war. Diesen Wagen hat ein noch Un bekannter in Brand gesetzt. Bald theilten sich die Flammen auch dem Scheunengebäude mit, wo sie reiche Nahrung sanden und infolge besten immer größeren Umfang annahmen. In kurzer Zeit glichen beide Güter einem einzigen Flammenmeer und brannte» ebenfalls total nieder. Allen drei Besitzern er wächst durch das Feuer ein bedeutender Schaden, zumal, wie man erzählt, nur einer versichert hatte. Die städtischen Kollegien zu Falkenstein haben beschlossen, für die säumigen Steuerzahler das Schankstättenverbot einzu führen. Jedem Steuerrestanten aus früheren Jahren ist der Besuch öffentlicher Gast- und Schankwirthschaften in Zukunft verboten; Zuwiderhandlungen werden bis mit 14 Tagen Haft bestraft. Eine empörende Tierquälerei ist in Grünbach bei Falken stein vorgekommen. Ein Waldarbeiter hat ein vor einem schweren Kohlenwagen gespanntes Pferd, welches die bergige Straße ent lang von der Haltestelle Kohlen wegsahren sollte, mit der Zunge durch einen Strick an die Wagendeichsel gebunden. Beim Anziehen riß die Zunge des Thieres bis zum Zungenband 11 em lang ab. Der Vorfall ist zur Anzeige gebracht worden. Eine exem plarische Strafe wäre hier am Platze. Das dreijährige Söhnchen des Steinmetzen Dengler in Schreiersgrün i. B. fiel beim Spielen an einem Wasser ent haltenden Fabrikgraben in den letzteren und ertrank darin. Der Todeskamps des Kleinen scheint schrecklich gewesen zu sein; es lag aus ihm ein großer Stein, an dem er sich wahrscheinlich hat herausarbeiten wollen, der sich aber aus der Usermauer gelöst uud das arme Kind erdrückt hat. Kunst, Wissenschaft, Literatur. > Stadttheater. Frau Henschel, daS Weib des Fuhr manns Henschel, liegt an einer Krankheit darnieder, von der sie nimmer aufkommen wird; die Leute sagen, sie sei von Hanne, ihrer Magd, vergiftet worden Ihr Mann, der Fuhrmann, ein Hüne an Gestalt, strotzend in Gesundheit und wetterhart, gut- müthig wie alle Naturmenschen, ahnt nicht, wie es um sie bestellt ist. Vielleicht, daß dem robusten Manne chre Krankheit nicht einmal nahe ginge, wenn er die Frau nicht so sehr im Geschäft vermißte, ihre Arbeitskraft, die ihm manch' eine Last von den Schultern genommen, an der er jetzt doppelt schwer trägt, weil sie ihm ungewohnt ist. Oester wie sonst, da seine Frau noch im Hause wirthschaftete, fallen jetzt seine Augen auf die Magd, die Hanne, ein derbes, heißblütiges Frauenzimmer, das rüstig und unermüdlich im Hause schafft und scheuert und ihm in manchen Dingen die Frau ersetzt. Zwar weiter reichen seine Gedanken nicht; Hanne ist in seinen Augen nach wie vor die Magd. Aber aus der Fülle von Sorgen, die die Erkrankung seiner Frau über ihn ausgcschüttet hat, entwickelt sich im Herzen des Fuhrmanns eine gewisse Dankbarkeit für die fleißige Magd, deren Arbeits kraft ihm gerade jetzt besonders werthvoll erscheint, ein kamerad schaftliches Gefühl; eS fällt wohl ein Wort mehr der Anerkennung als sonst von seinen Lippen. Und rascher als sonst läßt er sich herbei, seiner Magd den Wunsch nach einer neuen Schürze zu erfüllen, die er von einer Fahrt nach einem benachbarten Orte mitbringt. Kranke Menschen sind immer mißtrauischer und reiz barer wie gesunde. Die körperliche Unthätigkeit, zu der sie ver- urtheilt sind, macht es, daß sie sich mehr mit Gedankenarbeit befassen und so kommt es, daß Frau Henschel sich in Gedanken mehr als nöthig mit ihrem Maune und Hanne beschäftigt, daß sie grübelt und sinnt und beobachtet. Sie beneidet Hanne um ihre Gesundheit; aber nicht nur um diese allein, sondern auch darum, daß die Magd sie in mancher Hinsicht ersetzt. Die Eifer sucht dämmert in ihr auf; Blicke und Worte ihres Mannes deutet die Kranke falsch und als er der Magd die versprochene Schürze mitbringt, überwältigt sie die zu Heller Lohe auf- flammende Eifersucht ganz. „Do Hot a — de Scherze — doch miete gebracht! " murmelt sie ein um's anderemal vom Fieber geschüttelt vor sich hin. Mit elementarer Gewalt strömt die Fluth des still genährten Mißtrauens gegen die Magd und den Mann aus ihrer Seele. Und wie von selbst formt sich die furchtbare Anklage der Untreue gegen den ahnungslosen Gatten in leidenschaftlichen Worten. Verblüfft, erschrocken, sucht der Fuhrmann seine Frau zu beruhigen. Hilflos wie ein Kind steht er ihren argwöhnischen Beschuldigungen gegenüber. Und erst, als er der geängstigten Kranken hoch nnd heilig verspricht, er werde die Magd nicht heirathen, wenn seine Frau stürbe, erst dann beruhigt sich diese. Henschel hat das Versprechen einer Sterbenden gegeben. Aber dem Leben schuldet er mehr. Das verlangt gebieterisch, unerbittlich seine Rechte über die Gräber hinweg. Das Geschäft des Fuhrmanns heischt eine Frau. Er selbst fühlt's, daß sie ihm überall fehlt. Ein Jahr lang hält er an dem Versprechen, das er seiner inzwischen verstorbenen Frau gegeben hat, fest. Aber schließlich nimmt er doch die Magd, die Hanne zur Frau. Er philosophirt nicht lange, er grübelt nicht, er befrag! nicht sein Gewissen — er handelt, wie eben ein kern gesunder, normaler Mensch seinesgleichen nur handeln kann — er heirathet die Hanne, die ihm im HauS und Geschäft unent behrlich geworden ist. Er heirathet, weil er eine Frau braucht. Nicht weil er Hanne liebt! Das muß betont werden, weil es für die Entwickelung des Stückes bedeutsam ist. Die Ehe mit Hanne ist eine reine Geschäftsehe. Hanne sagt am Schluß des zweiten Akte-, nachdem Henschel ihr erklärt hat, sie heirathen zu wollen, triumphirend: „Ich Marsch Euch zeija, paßt amol ns!" Ihr, dem Fuhrmann gegenüber lange sorgsam gehüteter wahrer Charakter tritt mit diesen wenigen Worten in die Erscheinung. Hanne entpuppt sich im Laufe der Handlung als ein Weib, une es deren viele giebt. Sie macht keine außeroroentliche Fimr ES ist kein Phänomen. ES ist lediglich ein Weib mit einem cynischen EgoisinuL, ein Weib, daS seiner in dienender Unter würfigkeit aufgespeicherten Herrschsucht, seiner rücksichtslosen Individualität, nachdem es sein Ziel erreicht hat, die Zügel schießen läßt. Es herrscht, nicht weil eS zum Herrschen in seine» engen Kreise geboren ist, sondern weil eS zur Herrschaft gelangt ist, ohne eigentlich Recht und Aussicht darauf gehabt zu hab«. Nicht legale Selbstverständlichkeit, sondern rücksichtslose Usurpation ist das Bezeichnende dieser Art Herrschaft. Roh und skrupellos setzt sich die ehemalige Magd über Alles hinweg. Sie giebt sich schranken- und wahllos ihrer brutalen, aber in ihrer Natur wohlbegründeten Sinnlichkeit hin. Sie betrügt ihren Mann mit einem erbärmlichen, geschniegelten Kellner; sie verleugnet ihr außereheliches Kind, das ihr der gute und schwache Henschel nn- vermuthet ins Haus bringt; sie kehrt sich nicht an die Schande, die ihr Gehaben über ihren Mann bringt. Die unglaubliA Frechheit und Rohheit dieser Person hat als Gegenstück den lähmenden Fatalismus deS Fuhrmanns. WaS über ihn ht^, bricht, ist in seinen Augen nichts anderes, als die Strafe sürdaS seiner verstorbenen Frau nicht gehaltene Versprechen. ,A Fisch, beenstecka, dar brach m'r azwee. Hernoert, do ieberfuhr ich mr doch mee'n Hund. Dann fiel» m'r hinger einander drei Fare. Hernoert, zum letzta, do starb m'r mei Weib. Ich ha's wull ge merkt ei mee'n Gedanka, daß das nnd war uf mich abgesah, anne Schlinge ward mir geläht und ei die Schlinge do trat ich halt nei . . . Derwerga muß ich, das iS gewiß . . ." sagt Henschel und läßt Schande uud Unheil über sich ergehen, ohne sich dagegen aufzulehnen/ „Wie's kimmt, asu kmimts! Was wil ees da mach«!" In dieser trostlosen Schwachköpfigkeit geht Henschel hin und er hängt sich . . . — Das Menschliche im Schicksaal des Fuhrmanns Henschel berührt uns bis zu dem Augenblick, wo er sich selbst untreu wird, mit der Wucht, die das Mitleid hervorruft. Wenn man sich aber am Schlüsse der Vorstellung fragt, was will dar düstere Schauspiel? so steht man vor einem Räthsel. Daß eS in den unteren Volksschichten Schlesiens recht sittenlos zugeht, hat Hauptmann schon öfters gezeigt in seinen Dramen. Daß er ein Milieu naturgetreu auf die Szene zu stellen vermag, ist be kannt; daß er Episodenfiguren glücklich verwendet, wird stets rühmend hervorgehoben. Aber das alles zusammengenommen, macht doch noch kein Theaterstück. Der Besucher verläßt nach der Aufführung das Theater unbefriedigt, er empfindet eine innere Leere, wie sie Langweile allein zu Wege bringt. Und dabei hat man sich gar nicht gelangweilt; manche Szene im Schauspiel ist sogar packend dramatisch. Das Ganze ist's, daS anwidert, weil das Reinmenschliche ohne Consequenz vor Augen geführt wird und alles Rohe selbstgefällig breit auftritt. Gewiß, dieser „Fuhrmann Henschel" ist ein interessantes Werk. Aber interessiren uns diese Menschen irgendwie mehr wie die tausend anderen, die uns im Alltagskampfe in ähnlichen Situationen schon begegnet sind? Es ist charakteristisch genug, daß die zahl reichen kritischen Abhandlungen, die über den „Fuhrmann Henschel" erschienen sind, in dem Lobe einig sind über die minutiöse Klein kunst Hauptmanns, über die naturwahre, lebenstreue Schilderung der Charaktere. Das Kunststück dieser haarscharfen Wiedergabe wirklicher Personen mit allen ihren Runzeln und Falten, Flecken und Gebrechen übt eine impressionistische Wirkung aus, sodaß man dieses in der That außergewöhnliche und bewunderuugswerthe Können irrthümlich schon für Kunst gelten läßt. Es wirkt gewiß sehr eigentbümlich, auf der Bühne gewöhnliche Menschen so völlig wie im Leben sprechen zu hören, sie nirgends den Alltagskreis überschreiten zu sehen. Aber diese Bilder sind nur Moment aufnahmen, sie sind Skizzen und Aktstudien, aus deren Gebunden heit und realistischer Zufälligkeit erst das Drama geschaffen,werden muß. Und so fließt im „Fuhrmann Henschel" die Handlung in den Niederungen dahin. Nirgends Weitblicke und Ausblicke. Diese Hanne ist ein gewöhnliches egoistisches Frauenzimmer; giebt sie uns neue Aufschlüsse über die weibliche Natur? Dieser Fuhrmann ist ein großes harmloses Kind. Hauptmann hat im Fuhrmann Henschel einen Stoff wieder benützt, der sich schon in seiner Novelle „Bahnwärter Thiel" verwerthet findet. Der Bahnwärter er schlägt seine ihn betrügende Frau. Der Fuhrmann wird nach der Entdeckung, daß ihn sein Weib betrügt, trübsinnig und er hängt sich. Es ist charakteristisch, wie Hauptmann gerade den ersten, zweifellos dramatischen Schluß vermeidet. Nur im vierten Akt wird der Anlauf zu einer wahrhaft dramatischen Gestaltung genommen. Hier erhebt sich der Dialog zu meisterhafter Höhe, zu dramatischer Lebendigkeit. Und hier prallen auch wirklich die Menschen aufeinander. — Hauptmann wird kaum noch ein her vorragenderes naturalistisches Kunstwerk schaffen, wie dieser „Fuhrmann Henschel" eins ist. Wird er aber, nachdem er die Grenzen des konsequenten Naturalismus festgelegt hat, über diese Grenzen hinanstreten unv das dialektfreie Meisterwerk einer all deutschen dramatischen Kunst uns schaffen? — Die gestrige Aus führung des Dramas erfolgte vor beinahe ausverkaustem Hause. Das Publikum nahm das interessante Werk mit ungetheilter An erkennung aus. Die Darstellung war vortrefflich. Herr Schh- bilsky bot in der Titelrolle eine hervorragende Charakterleistung, Frau Klinder spielte die Hanne mit überwältigender Natur wahrheit. ** Vorgestern verschied in Dresden die königl. Kammer- virtuofin Margarethe Stern, Gemahlin des Professors vr. Stern. Berg- und Hüttenwesen. A Brand, 5. Oktober. Für die Gruppe Himmelsfürft des Beretns königstreue Bergknappen wird Herr Reichstagsabgeordneter vr. Oertel, wie schon eüvahnr, nächsten Sonntag, 8. Oktober, abends 7 Uhr in „Stadt Dresden in Brand einen Bortrag halten, zu dem daS Thema lautet: Plaudereien aus dem Reichstage. Die Wähler des Herrn vr. Oertel haben Zutritt. Dem Vortrage folgen Gesang- und Musilvorträge. Verschiedenes. * Bom Luftballon des Grafen Zeppelin. Der mit großer Spannung erwartete Ausstieg des Grasen Zeppelin ourpe, wie nunmehr festgesetzt ist, Ende Oktober stattfinden. Die Jn- stallationSarbeiten dürsten spätestens in 14 Tagen zu Ende gehen. Der Sturm der letzten Tage hat allerlei Beschädigungen ver ursacht. Ueber 100 Flaschen Wasserstoffgas sind in den g - stürzt und müssen aus der Tiefe geholt werden. Der Lau selbst ist ziemlich fertig. Gegenwärtig werden durch Hofrath v. Bayer-München chemische Dichtigkeitsproben an der Ballony gemacht. An den ersten Ausstiegen bei günstigem Wetter gem ^Ende Oktober, nehmen in den zwei Gondel» Theil Gras Zepp H zwei Jngenie des Königl. h entschieden. * Au» Worden, der Aula der Studentin tei und anzieheu Doktor an sn keine sichere st Liebe zu spre einen Namen P ihm dies schule, und n nicht. Die <L nn einer an! Niemand wuf a schrieb an Inodes, forsch zu sein. Es nozen machte Nervenheilan bei das auffä der Wiener st äußerte Selb' MsteS erfolg Aeschick des j Theilnahme. * Was f verständiger j schlösse: Viel« .So weit hä Sie nie Wied jetzt, ich will Ihnen crwar glücklich!" wi - Auf dem beliebt. — 6 wüßte, er n .Wenn man DaS sind die Kreme» licht heute de üchen und li nr Bremer London iurg wurde i vi Randdif Ztunden ab Minen sollen Krieg benutz Stämme sich begannen ber London Regierung sü stitigen, daß velgrak Siorgiewicz, Präfekten A vom Kriegsg! Johan, Abtheilung b Kmgslommö treten, salls SeMspläh weiße Beamt »Heilung von zu zerstreuen Durban mittag träfe: Die Truppe, weiter besört Newcasi Kinder Verla für Verlust Dresde, Teucher in Deutsche Bei eonntag, den 8. « Kll Pr Antritts 1 II Donner Saale d Gastkartei Vorsteher ei empf
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