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MiöergerAitPj^ Ml- Taaeblatt Tageblatt 52. Jahrgang. 213. T/ fs einmonat Inserate werden btS Vormittags 11 Uhr I Mittwoch, »ea 13. September. "«»s «LL.M 8?'^ I 1899 !»! 1899, von Vormittags ^10 Uh Stämme, 158 w. Klötzer, 51 w. Derb- 8vlue«1t«k. kauft Abend- >/,8 Uhr sür den Tag. Preis vierteljährlich 1 Mk. 80 Psg. «inmonatlich 60 Pfg.; durch die Post L Mk. 25 Psg. Im Gasthofe zur „Rosine" in Langenrinne sollen Freitag, den 22. September ""-r an, nachstehende Nutz, und Brennhölzer, als: 72 w. ,v. .V. u. SOO w. Reisstangen, SS rw w. Brennscheite, 68,5 rm w. u. 0,5 rw h. Brennknüppel, 1 rw w. Zacken, 61 rw w. Aeste u. 596 rw w. Brennreisig ver steigert werden. Näheres enthalten die bei den OrsbehSrden u. in den Schankstätten der umliegenden Orte auShängenden Plakate. König!. Forstrevierverwaltung Loßnitz u. König!. Forstrentamt Lharandt, am 11. September 1899. AmtSdlatt W die llutMen md Wüsche« Be-Srde» zo Sreider, Md Brmw «erantwortltche Leitung der Redaktion: Georg Burkhardt. Kolzversteigerung auf Lößnitzer Staatsforstrevier Auction in Herrndorf. Donnerstag, den 14. September 1899 Vormittags 11 Uhr sollen im Gasthofe daselbst 2 Saalspiegel, 1 Saalleuchter, 1 Hängelampe, 1 Billard mit Zubh., 1 Pianoforte, 1 Vertikow, 1 Sopha, 1 Kleidersekretär, 4 Tische und 1 Küchenschrank versteigert werden. Freiberg, den 12. September 1899. Sekr. G.-V. Bekanntmachung für Freibergsdorf. Straßensperrung betreffend. Wegen Regulirung deS Weges unter dem Eisenbahn - Uebrrgang an der Zirgelgafse wird ein Theil derselben, vom Grundstück deS Herrn Baumeister Erler bis zum Hause Nr. 84 an der Brunnrnstraße, bis auf Weiteres für den Fährverkehr gesperrt. » FreibergSdorf, den 12. September 1899. Der «emeindevorftand. O. Hut»»»»»». Gemeindesparlasse zu Erbisdorf, ist jeden Montag, Nachmittags von 2 bis 6 Uhr geöffnet, verzinst Spareinlagen zu 8^1 */o und gewährt Darlehen auf Grundstücke zu mäßiger Verzinsung. Der Gemelnderaty. rssonUtärum«*, G.-Vvrst Esterhazy erhalten, er läßt amtlich erklären, daß er mit Ester hazy in Beziehung gestanden, er versichert auf Ehrenwort, daß er Dreyfus nicht gekannt und mit ihm keinerlei Verkehr unterhalten hat und die deutsche Regierung bestätigt das amt lich noch in letzter Stunde im Reichsanzeiger. Um vernunft gemäß die Frage des Cassationshofes bejahen zu können, blieb also nur die Annahme, daß Dreyfus die Schriftstücke an Ester hazy zur Auslieferung übermittelt habe, jedoch ist von seines Anklägern nicht einmal der Anfang des Versuchs gemacht wor den, zu beweisen, daß Dreyfus den Major Esterhazy auch nur gekannt hat. Was aber die zu Unaunsten DreyfuS vorgebrachten technischen Gründe angeht, so hatte sich der Sachverständige der Anklage General Deloye selbst auf die Erklärung zurückgezogen, es sei „n i ch t u n m ö g l i ch, daß Dreyfus die Stücke geliefert habe. Diese Möglichkeit aber lag in noch höherem Maße bei einer ganzen Anzahl anderer Offiziere vor, bei allen damaligen Kameraden Dreyfus im Generalstabe, bei General Boisdeffre selbst, dem Chef, General Gonse, dem Souschef des Stabes und erst recht bei dem Kriegsminister General Mercier. Ist also der Umfang, in dem man in die Geheimnisse der Landesverthei- digung eingeweiht ist, vor französischen Kriegsgerichten ein Kri terium der Schuld, so müßten jene alle auf die Teufelsinsel wandern, denn für sie würde selbst das Kriegsgericht zu Rennes schwerlich „mildernde Umstände'^ gefunden haben. Und auf eine solche Möglichkeit hin hat das Gericht zu Rennes einen französischen Offizier des Verraths am Vaterlande schuldig ge sprochen. Leider hat der Gesetzgeber allzu rücksichts- und ver trauensvoll die Kriegsrichter von der Pflicht, ihren Spruch zu begründen, entbunden; bestände diese Pflicht, die Richter Dreysus würden ihrUrtheil aufDernunft- und Gewissensgründe nicht st ützen können, denn es ist nicht nur falsch, es ist nicht mehr ein Rechtsirrthum, es ist wissentlich falsch, es ist v e r b e ch e r i s ch. Mitdie - semVerbrechen haben sie z w i s ch e n F r a n k - reich und derübrigen Welt eine Scheidewand gezogen, die zwar den diplomatischen Verkehr nicht hindern und den Güteraustausch nicht hemmen, die aber in allen An schauungen von Recht und Billigkeit, Duldung und Ehrgefühl, die die civilisirte Menschheit in oas 20. Jahrhundert mit hin übernimmt, eine Schranke bilden wird, welche wieder hinweg zuräumen lange und mühevolle Arbeit kosten dürfte. Für das mnerpolitische Leben Frankreichs aber bedeutet das heutige Urtheil zunächst den vollständigen Bruch zwischen der bürgerlichen und militärischen Gerichtsbarkeit, es ist die Kriegserklärung d e s M i l i t a r i s m u s an die bürgerliche Gewalt. Das aber wäre ein verhältniß- mäßig kleines Uebel, wenn in diesem Kriege die Waffen gut und gleich, wenn die Imponderabilien gleichmäßig auf beide Par teien vertheilt wären. Das ist nicht der Fall. Auf der einen Seite steht die verbrecherische und verblendete Leidenschaft, ge stützt auf die Bajonette des nationalen Heeres, das der Grenze den Rücken kehrt und sich gegen die eigenen Volksgenossen und gegen sich selbst wendet, denn die allgemeine Wehrpflicht hat auch in Frankreich den Gegensatz zwischen Volk und Armee beseitigt. Auf der andern Seite steht das Recht, und zu seiner Vertheidi- guna drängen sich den ehrlichen Leuten aller Parteien weltbllr- aerliche Demokraten und Milizschwärmer, Sozialisten und Anarchisten auf. ES ist das Chaos. Zunächst freilich wird es vielleicht noch möglich sein, die Bewegung aller Dinge, zu der heute in Rennes derAnstoß gegeben wurde, in gesetzlichenBahnen zu halten. Der Revisionsrath wird zusammentreten und die von der Bertheidigung bereits angemeldeten Gründe für die Kassirung des Urtheils prüfen. Aber warum sollen, nachdem man einmal so weit gegangen, nachdem daS Kriegsgericht von 1899 den traurigen Muth gehabt hat, den Jrrthum des Kriegs- gocichtS von 1L34 Lmn Verbrechen umzuprägen, warum Men P-Nttsch« Nmscha«. Freiberg, den 12. September. Das Schlafzimmer des deutschen Kaisers im Stadtschloß zu Potsdam, das bekanntlich im Dreyfusprozeß eine gewisse Rolle spielte, weil der Advokat Mertian de Muller aus Lille bei einem Besuch im Jahre 1894 dort die Zeitung „Libre Parole" mit einer auf Drevfus bezüglichen Notiz gesehen haben will, wird auf Anordnung des Königl. HofmarschallamtS, ebenso wie die übrigen Zimmer, welche dem Kaiser zum Aufenthalt Vorbehalten sind, fortan nicht mehr dem Publikum gezeigt werden. Im Neuen Palais und im Berliner Schloß sind die Räume, welche das Kaiserpaar bewohnt, auch in dessen Abwesenheit dem Publikum nicht zugänglich. DaS Potsdamer Stadtschloß war bisher das einzige PalaiS, in dem man zu den Gemächern des Kaisers während dessen Abwesenheit Zutritt hatte. Wenn nun auch fest gestellt ist, daß die Aussage Mertian de Mullers auf einem Phantasiegebilde beruht, so hat sie doch zu der vorerwähnten An- ordnung Veranlassung gegeben. Wie die „Tgl. Rdsch." erfährt, übernimmt der Oberpräsident von Hannover, Graf Stolberg, daS Oberpräsidium der Provinz Brandenburg an Stelle des verstorbenen von Achenbach. Für Hannover ist der Unterstaatssekretär im Ministerium deS Innern v. Bitter zum Oberpräsidenten ernannt worden. — Das Ober präsidium in Potsdam soll vorher Herrn v. Boetticher angeboten worden sein, der aber abgelehnt hat und es vorzieht, in Magde burg zu bleiben. Ueber das Oberpräsidium von Posen ist noch keine Entscheidung erfolgt. Dem Vernehmen nach ist, wie in den Hauptstädten anderer Länder, auch in Berlin ein Ausschuß in der Bildung begriffen, der gegen die Beschickung der Pariser Meltau S- stell u n g durch die deutsche Industrie und Kunst wirken soll. Einzelne der ersten und berühmtesten Firmen haben, wiegerucht- weise verlautet, bereits die Erklärung abgegeben, daß sie ihre Anmeldungen zurückziehe«. 112 „ „ Hafer Proviantamt Freiberg Die ancntgeltlichen öffentliche« Impfungen betreffend. Nm Gelegenheit zu geben, die bisher unterlassenen Impfungen im laufenden Jahre nach- juholen, haben wir noch zwei Impftermine auf Mittwoch, den 6. nnd 13. September dS. Js., Nachmittags von 3—4 Uhr im Kaufhaufr anberaumt, während die Revision der geimpften Kinder Mittwoch, Veit 13. und 2V. September ds. Js., Vormittags von 11 bis '^12 Uhr ebendaselbst stattfinden soll. d Unter Bezugnahme auf die in unserer Bekanntmachung vom 2. Juni dS. Js. angedrohten gesetzlichen Strafen wird Solches hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht und im Uebrigen noch darauf hingewiesen, vatz die außerhalb der öffentlichen Impftermine ausge stellten Impfscheine oder Jmpfbefreinngsnachweise, soweit nicht schon geschehen, nunmehr baldigst an Rathsstelle, Politeimeldeamt, vorzulegen sind. Freiberg, am 2. September 1899. Die Stadtpolizeibehörde. Zr. Roggen und Hafer in gut gereinigter, trockener, lagerungSsähiger Waare mit einem Durchschnittsgewicht im Biertel liter von mindestens 179 Gramm für Roggen und Sia Artheil der Feigheit. („Köln. Ztg.«) „Thut nicht-, der Jude wird verbrannt" — daS fanatische Wort des Patriarchen in LessingS Nathan kennzeichnet in drastischer Kürze die Verhandlungen Und das Urtheil des Kriegsgerichts zu Rennes. Der Jude ist unschuldig, so hatte nach Maßgabe der ihm vorgeschriebenen gesetzlichen Form der Caffationshof entschieden; der Jude ist unschuldig; so plaidirte in feierlichen Worten vor dem obersten Landesgericht der erste öffentliche Ankläger der Republik, GeneralstaatsanwaltManau; der Jude ist unschuldig ließ in letzter Stunde nochmals die deut sche Regierung erklären, der Jude ist unschuldig, das lehrten die Verhandlungen zu RenneS, das bewies Demange mit ferner und unwiderstehlicher Logik, und als Verkörperung des in leiden schaftlicher Wahrheitsliebe aufbegehrenden Volksaewiflens schrie es Labori in alle Welt hinaus. Thut nicht; der Jude wird verbrannt, antworteten darauf die Stabsoffiziere und Haupt leute des Kriegsgerichts der Bretagne. Nern, nicht verbrennen wollen die Kriegsrichter von Rennes den Juden, nicht einmal verbannen wollen sie ihn; sie haben bekundet, daß sie Kinder der Civilisation und der Aufklärung sind: sie haben Dreyfus zwar schuldig befunden, aber sie haben dem Generalstabsoffizier, der von seinen Kameraden einen Spruch über seine Ehre verlangte, — mildernde Umstände zugebilligt. Das ist, von welchem Ge sichtspunkte aus man es auch betrachtet, das verhängnißvollste Urtheil, das sie fällen konnten, es ist ein politisches Urtheil, das nicht nach Wissen und Gewissen die Schuld des Angeklagten wägt, sondern einen Ausweg sucht, um politische Gegensätze zu versöhnen, es ist ein Urtheil aus dem Rückstände barbarischsten Mittelalters, wo die Richter, falls ihnen die Anklage den über zeugenden Beweis der Schuld nicht erbracht hatte, eine mildere Strafe verhängten; es ist ein Urtheil der Feigheit! Welche Aufgabe hatten die Kriegsrichter zu Rennes zu er füllen? Sie war klar und einfach: der gesunde Menschenver stand, ihr Gewissen und das unfehlbare Gerechtigkeitsbedürfniß zeichneten sie ihnen vor. Es galt nicht die Ehre Dreyfus wieder aufzurichten, die Verhandlungen vor dem Cassationshofe wie vor dem Kriegsgericht hatten sie längst wieder hergestellt, es galt nur, dem Urtheile der Welt den rechtskräftigen Stempel aufzu drücken, es galt durch eine einfache gerichtliche Handlung einen Justizirrthum zu berichtigen und eine vielgequälte Menschen- eele sich und den Seimgen zurückgeben. Wie aber haben ene sieben Kriegsrichter diese Aufgabe gelöst? Sie haben > en I ust i z i r r t h u m von 1894 in derSache be tätigt, sie haben die ritterliche Tradition >er Armee, wie Trarieux e s aus drückte, mit Koth besudelt, sie haben Frankreich vor der Mens ch h e i t e nt e h r t u n d siehaben nicht ein- maldenMuth gehabt, sich offen zu ihrer Ueberzeugung zu bekennen. Wer angesichts ihrer Entscheidung die Autorität des gesprochenen Urtheils anruft und von der Nothwendiakeit der Beruhigung spricht, macht sich zum Mitschuldigen des Verbrechens, denn das Urtheil von Rennes ist ein v e r b r e ch e r i s ch es U r t he i l. Frankreich kann und wird sich diesem Spruch nicht beugen, weil sich nicht der Verstand vor dem Wahnsinn, die Wahrheit vor der Lüge, die Civilisation vor der Barbarei beugen kann Die Frage, die der Cassationshof dem Kriegsgericht zur Be antwortung voraelegt hatte, lautete: „Ist Dreyfus schuldig, dem deutschen Militärattache die im Bordereau verzeichneten Stücke ausgeliefert zu haben?" EsterhazyhatdasBor- dere augeschrie ben.sohatderCassationshof entschieden und Esterhazy selbst hat es gestanden. Der deutsche Militärattache aber hat seinem italienischen Kollegen vntgetheill, er habe die rw Bordereau aufgefichrteu Stücke von die sieben Militärrichter des RevisionSrathes nickt den kleineren Muth finden, in die Fußstapfen ihrer Borderrichter zu treten und das Verbrechen zu sanktioniren? Wird aber, wenn also der Zwiespalt zwischen der bürgerlichen und militärischen Ge walt offenkundig geworden, eine Regierung wagen, nach dem Vorbilde Brissons nochmals den Cassationshof mit der Revision auch dieses Urtheils zu betrauen? Wird die Stimme deS ober sten Landesgerickts dann mehr Gehör finden als heute, wird ein neues Kriegsgericht sein Urtheil nicht ebenso mißachten, beiseite chieben, wie es in Rennes geschah? Wer sich diese Fragen zu -eantworten sucht, erkennt, daß die noch übrig bleibenden ge- etzlichen Mittel wenig Erfolg versprechen, daß dieser Weg in einen viraulus vitivsu» ohne Zeit und ohne Ende verläuft. Immerhin wird abzuwarten sem, ob der Revisionsrath das Verdammungsurtheil des Juden bestätigt. Bis dahin herrscht Gottesfriede. Spricht aber auch dieses Gericht sein Schuldig, so wird der Kampf anheben, der nur in der gewaltsamen und dauernden Knechtung des Rechts oder mit dem vielleicht blutig erkauften Siege der Wahrheit und derMenschlichkeit enden kann. Das Signal zum Kampfe wird voraussichtlich gegeben werden an dem Tage, da man zum zweiten Male dem Manne, dem die obersten Landesrichter seine militärische Ehre wiedergegeben hatten und die ihm lein Kriegsgericht mehr nehmen kann, den Offiziersdeaen zerbricht. Dann wird Zola das Manuskript seines neuesten Romans — die Wahrheit soll er überschrieben sein — zusammenklappen, die Feder spitzen und in neuen Flammenworten ein neues in die Welt hineinwettern, dann wird das Volk von Frankreich aufstehen und drohend von den Kriegsrichtern zu Rennes sein Gewissen zurückfordern, das sie ihm aus dem Leibe gerissen haben. Wehe Frankreich!