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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 12.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189909122
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990912
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990912
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-09
- Tag 1899-09-12
-
Monat
1899-09
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 12.09.1899
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UN drmi^ 16Ü. L Okuü Lkl», eßlichv» nen. faßt 10 Seite»- ss äsr Vaters, iseres lieben ivatiers üttag 8 Uhr M m xrook. r die Mnd» z spLtestens u Expedition iw' e gelangen eln LbdrUit. kw« im !»«r«aM» agen kann nB schristenft di- Exp-diti-?' Thell an d>- l»«I llumen- teit zur zlichstrn k. ibe unserttw- hlafe»en,driilg> Nachbarn »ü BlumenWl! te aufrichtig j» - vor ähnliche» en. iptbr. IM . Nasse, Verwandt^ er: BrM M» Biberg. - tionellen -bürg, für den Sagner in Fr«' luchdruäem uns lisch in Freiberg luß: «r.^ esse: «NM» Meikage zum Ireiöerger Anzeiger und HageUM. 212. Dienstag, den 12. September. 1899. Kebes-Rebelleu. Roman von Roy Teilet. (N. Fortsetzung.) - (Nachdruck verboten.) XI. Miß Vipan ging um elf Uhr zu Bett, und auch Errima zog sich um diese Zelt zurück. Das Hausthor wurde geschlossen, und man löschte die Lichter in den unteren Räumen. Wenn Carolath noch länger aufbleiben wollte, so stände, wurde ihm bedeutet, das Lesezimmer oben zu seiner Verfügung. Aber er empfand gar kein Verlangen, noch wachzubleiben. Er fühlte sich noch immer erschöpft und glaubte, daß er ein schlafen würde, sobald er sich nur zu Bett legte. Aber er hatte sich getäuscht; denn kaum hatte er sich niedergelegt, als sein Ge hirn eine lebhafte Thätigkeit zu entwickeln begann. An sich dachte er dabei nur wenig. Die Ereignisse, die ihn zum Flüchtling gemacht, lagen schon weit hinter ihm — sie bil deten nur den matten, schattenhaften Hintergrund zu seinen Grübeleien. Die Ereignisse des eben beendeten Tages waren es, die jetzt, in der Stille und Dunkelheit der Nacht, wieder zu neuem Leben erwachten. Die drei Gestalten des Doktors, der Schwester und ihres Mündels schwebten ihm vor. Der Doktor war nicht schwer zu beurtheilen: ein Mensch, dem die Wissen schaft über alles ging. Ohne Religion, ohne Skrupel, aber doch von einer gewissen Größe, insofern nichts Selbstsüchtiges oder Niedriges in seinen Zielen lag. Er kannte nur ein Stre ben, den Fortschritt der Wissenschaft, und er war bereit, dafür alles hinzugeben. Seine Schwester, so sann Carolath weiter, stand auf einer niedrigeren Stufe, sowohl geistig wie auch moralisch. Sie besaß wohl viel von der Energie desBruders, jedoch ohne die veredelnde Erhabenheit des Zieles. Für die Wissenschaft interessirte sie sich herzlich wenig, und es wollte Carolath scheinen, als ob sie, irotz all der Sicherheit, mit der sie ihre Behauptungen auszu sprechen wußte, im Grunde recht wenig feste Prinzipien besaß. In ihrer Erscheinung lag wohl etwas Männliches, aber all ihre Gedanken und Handlungen waren durch die Schwächen ihres Geschlechts beeinflußt. Sie war herrschsüchtig und launenhaft und vor allem maßlos eitel. Sie wollte glänzen, um jeden Preis; und da ihr Anmuth und Schönheit versagt waren, so hatte sie sich zu der Rolle der starkgeistigen Frau entschlossen. Obgleich sie in vieler Beziehung klug schien, so zeigte sie hierin doch eine ziemliche Beschränktheit. Sie besaß absolut keinen Sinn für Humor, besaß nicht die Fähigkeit, die Grenze zwischen dem Erhabenen und Lächerlichen zu finden. Der einzige ver söhnende Zug in ihrem Charakter war die Liebe zu ihrem Bru der — eine tiefe, aufrichtige, unbegrenzte Liebe. Die dritte Person in diesem wunderlichen Trio war die wunderlichste von allen. Was sollte Carolath von Errima halten? Sie verwirrte ihn, und indem sie ihn verwirrte, er regte sie sein Interesse — gegen seinen Willen. Er hätte seine Gedanken gern von ihr losgerissen, indem er sie als eine ganz alltägliche Erscheinung bezeichnen wollte, aber er vermochte es nicht. Wenn auch ihr Geschlecht ihm zuwider war, so konnte er doch nicht umhin, für sie ein gewisses Mitgefühl zu empfinden. Seine lebhafte Einbildungsgabe malte sich das Leben aus, das sie hier geführt haben mochte, von frühester Kindheit an unter der Obhut zweier Erzieher, wie es Dr. Vipan und dessen Schwester waren! Welch ein kahles, freudloses Leben — ohne Religion, ohne Liebe! Wie oft mußte sie sich nach theilnehmen der Fürsorge gesehnt haben, welche die beiden ihr offenbar nie zu buten vermocht hatten! Ja, es war augenscheinlich, daß sie das Mädchen förmlich haßten. Vielleicht durfte man sich nicht darüber wundern. Denn Errima besaß etwas merkwürdig Zurückhaltendes und Ab stoßendes in ihrem Wesen. Was davon freilich ihrer Natur, was einem unterdrückenden, vielleicht grausamen Erziehungs system zuzuschreiben war, das entzog sich Carolaths Beurthei- lung. Aber Thatsache blieb nun einmal, daß dos Mädchen auffallend wenig anziehend war. Sie besaß nichts von dem ungebundenen Frohsinn des Kindes, nichts von der knospenden Anmuth der Jungfrau. Es schien, als hätte ihre Seele, trotz der zwanzig Jahre, sich noch nicht geregt und entfaltet. Viel leicht mangelte ihr auch die Fähigkeit, sich zu entfalten. Mehr als einmal schon hatte Carolath sich die Frage vorge legt, ob das Mädchen sich seiner Handlungen vollbewußt und dafür verantwortlich zu machen sei. Was sie sagte und that, geschah alles ganz mechanisch. Einen gewissen Grad von Ver stand mußte sie wohl haben; sie redete korrekt, und spielte auch so; sie kleidete sich gut und sagte bei Tische keine Taktlosigkeiten — mit einem Worte, sie war eine wohlerzogene junge Dame; aber seltsam genug, erschien diese Erziehung nur eine rein äußerliche, und man empfand unausgesetzt den Mangel aller Selbstständigkeit an ihr. Wäre sie anders gewesen, schön, oder gar kokett, so hätte er seine Aufgabe, für die er sich nun einmal verpflichtet, durchge führt, ohne sich auch nur einen Gedanken darüber zu machen. Aber nun regte sich sein Gewissen. Es erschien ihm unwürdig, ein Mädchen wie dieses überlisten zu wollen. Ihre Hilflosig keit erregte sein Mitleid und schien seinen Schutz zu erheischen. Er begann, mit sich unzufrieden zu sein. Wenn er ein Mörder war, so hatte er den Mord eben in einem Anfall von Tobsucht begangen, während er für seine Handlungen nicht verantwort lich war; aber was er jetzt zu thun im Begriffe stand, war denn doch etwas ganz anderes. Dieses Mädchen war keine Cora, kein falsches, kaltherziges Weib, das einen Mann seinerseits skrupellos täuschen durfte. Nein, sie war ja selbst ein Opfer, unfähig sich zu vertheidigen. Aber was hätte er nun beginnen sollen? Sein Wort war verpfändet. Doch das beunruhigte ihn nicht sehr. Besser ein Versprechen nicht halten, als eine Schurkerei begehen! Aber er befand sich in des Doktors Macht! Wenn er mit ihm in Streit gerieth, stand es dem Doktor frei, ihn dem Henker zu überliefern und der Alte war nicht der Mann, Gnade zu üben, wenn man seine Pläne kreuzte. Und Carolath hing jetzt am Leben mit dem ganzen stürmischen Verlangen seiner zwei und zwanzig Jahre! Was sollte er nur thun? Er wußte sich keinen Rath; nur eines war ihm gewiß, er durfte an dem hilflosen Mädchen keine Sünde begehen. In einem Augenblick wurde ihm das alles klar: die plötz liche Erkenntniß eines neuen Verbrechens, an dessen Schwelle er eben gestanden, ohne es zu wissen. Es schien ihm, als hätte ych unerwartet ein dunkler Abgrund vor ihm aufgethan, der für immer seine Ebre, Selbstachtung, und alles verschlingen wollte, was Edles in seiner Natur lag. Lange Zeit blieb er wach und dachte nach, während er sich unruhig auf seinem Laaer hin- und herwarf. Endlich hatte er einen Entschluß gefaßt: Hier stand er vor einem Fall, bei welchem ein gewisser Grad von Unehrlichkeit erlaubt war. Mit dem Doktor plötzlich zu brechen, wäre unklug gewesen. Er vollte zaudern; so thun, als bemühe er sich eifrig um die Durch- ührung des verabredeten Planes. Das einzige, was er nicht wollte — und wenn er damit hätte sein Leben retten können, — war, das Mädchen in sich verliebt zu machen, oder irgend welchen Nutzen aus ihrer Hilflosigkeit zu ziehen. XII. Am Nachmittag des nächsten Tages fand Carolath sich mit Errima allein im Frühstückszimmer. Das junge Mädchen saß vie gewöhnlich an ihrem Fensterplatz, mit einer Handarbeit be- chäftigt. Während sie den Kopf leicht gesenkt hielt, fiel ihr >as starke, widerspenstige Haar tief in die Stirn, und darunter hervor sandte sie einen scheuen Blick zu Carolath hinüber. Der junge Mann fühlte das Bedürfnis nach einer Unterhaltung, ein Gefühl, das für sie nicht zu existiren schien. Aber er empfand auch, wie unbequem es war, mit solch einem Mädchen ein Ge- präch im Gange zu erhalten. Sie zeigteia für nichts irgend velche Theilnahme, nicht einmal für oas Wetter. Draußen regnete es, und er griff mit Eifer nach diesem, bei jedem Engländer so beliebten Thema. „Wie schade, daß es draußen so naß ist," begann er. Sie gab keine Antwort. Offenbar bedurfte es immer einer direkten Frage, um sie überhaupt zum Reden zu veranlassen. „Ich langweile Sie hoffentlich nicht", sagte Carolath, durch ihr Schweigen ein wenig geärgert. „Nein — durchaus nicht." „Sie scheinen — im Gegensatz zu den meisten Menschen — keine große Freundin vom Plaudern." „Nein — was hat es auch für einen Zweck?" „Nun, den Austausch der Gedanken!" „Ich habe gar keine Gedanken!" „Oh, Sie sind wirklich zu bescheiden", rief Carolath lachend. „Jeder Mensch hat doch Gedanken." „Dann sind meine nichts Werth; die Tante sagt ja stets, ich schwatzte doch nur Unsinn." „Miß Vipan ist vielleicht gar zu klug." Carolath erhaschte wieder einen mißtrauischen Blick von dem jungen Mädchen. „Ich glaubte, Sie wären ein großer Freund der Tante." „Jedenfalls wäre ich ein sehr neuer", entgegnete Carolath, „gestern habe ich sie überhaupt zum ersten Male gesehen. Eben so gut könnte ich mich Ihren guten Freund nennen." Das Mädchen schien sich noch mehr in sich selbst zurückzu ziehen bei diesen Worten. (Fortsetzung folgt.) Berscknedenes. Wer war eigentlich Goethe? Eine lächerliche Frage — wird mancher antworten. Aber sie hat einen tiefernsten Hinter grund. Denn diese Frage, so leicht sie von jedem Gebildeten, ja auch nur Halb- und Biertelgebildeten beantwortet werden kann, findet bei Tausenden und Abertausenden unserer deutschen Volks genossen keine Antwort. „Ich habe — so schreibt ein Freund der „Hilse" aus dem Westen des Reiches — aus Anlaß des herr lichen Goethe-Festes in Frankfnrt, das ich besuchen durfte, eine Privat-Umsrage unter kleinen Leuten angestellt, um zu erfahren, ob und inwieweit eine Kenntmß von Goethe in diesen Schichten der Bevölkerung vorhanden sei. Ich fragte einige dreißig Per sonen, wie sie mir gerade im gewöhnlichen Laufe des Verkehrs lebens in den Wurf kamen, namentlich aber Landbewohner, und darf wohl behaupten, daß meine Erforschung leicht auf einen sehr erheblichen Prozentsatz des Volkes, vorzüglich des Landvolkes, ausgedehnt werden könnte. Das Ergebniß meiner Umfrage war im höchsten Grade betrübender Natur. Ich stellte einfach die Frage: „Wissen Sie vielleicht, wer Goethe war?" In allen dreißig Fällen erfolgte ein glattes und unbedingtes Nein. Nur ein 16 jähriger Junge, der die hiesige (vorzügliche städtische) Volksschule besucht hatte und jetzt in einem Geschäft Schrciber- dienste verrichtete, hatte in der Zeitung davon gelesen und sagte: „Das soll ja ein berühmter Mann gewesen sein". Er allein wußte auch auf eine weitere Frage zu sagen, daß Schiller ein Dichter war, d. h. ein Mann, „der so "Lieder macht". Eine ältere Bauersfrau vom Lande sagte: „Goethe? Wo liegt denn das?" Und ein Pfiffiger Metzgergeselle meinte: „Goethe? Ja, war das nicht der Schwiegersohn vom alten Tischlermeister Lehmann?" Alle Uebrigen, mein 16jähriges Dienstmädchen aus einer kleinen, benachbarten Stadt, verschiedene Laufburschen, zwei Tagelöhner, eine Reihe von Eier, Butter u.dergl. ins Haus bringenden Bauers frauen — hatte keine Ahnung oder keine Ahnung mehr von dem Vorhandensein eines Mannes Namens Goethe. Und auch — was noch auffälliger erscheint, denn Schiller soll ja populärer sein — auch von Schiller wußte Niemand etwas. Einige Gedichte, die ich anschlug (wie „Sah ein Knab ein Röslein stehn"), waren hier und da bekannt, aber der Name des Dichters existirte nicht im Bewußtsein dieser Personen. Unseren Schulen ist ein erheblicher Vorwurf nicht zu machen. Goethe wird gelehrt, einige Gedichte von ihm» werden durchgenommen. Aber das Wenige, was natur gemäß bis zum 14. Jahre nur geboten werden kann, geht bei der dann sofort mit voller Wucht eintretenden Misere des täg lichen Lebens, der rein auf das materielle gerichteten Erwerbs arbeit augenblicklich verloren, und zwar so gründlich, daß auch nicht ein Schimmer haften bleibt, da Niemand da ist, um die kleinen literarischen Kenntnisse im Bewußtsein der hart arbeiten den Menschen festzuhalten. So stehen wir schon bei 16 jährigen jungen Menschen vor einem fast vollendeten geistigen Vacuum." — Der Verfasser schlägt obligatorische Einführung der Fort bildungsschulen, Vermeyrung der Bibliotheken auf dem Lande, Volksausgaben der edelsten Schöpfungen unserer Klassiker zur Abhilfe vor. Dazu ist zu bemerken, daß derartige Volksausgaben, in denen Schillers und Goethes Dramen und Gedichte schon für 10 oder 20 Pfennige zu erhalten, thatsächlich seit Jahren bestehen. So lange aber man dies, billigen Geistesschätze in Buchläden auf stapelt und wartet, bis Jemand kommt, um sie zu kaufen, so lange werden sie nicht ins Volk dringen. Der Gedanke, den Jacobowskis „Lieder fürs Volk" vertreten, nämlich der Vertrieb durch den Kolportagehandel, müßte unter allen Umständen auch auf unseren Klassiker ausgedehnt werden. * Der neue Talomo. In einer südrussischen Stadt, so berichten dortige Blätter, weigerte sich kürzlich ein ehrsamer Bürger, ein Paar Hosen, die er beim Schneider bestellt hatte, in Empfang zu nehmen und zu bezahlen. Die Sache kam vor Gericht. Hier erklärte der Beklagte zu seiner Rechtfertigung, daß die Hosen nicht nur „schlecht säßen", sondern auch zu eng seien. Der Schneider hingegen bestand sehr energisch auf dem Gegentheil und richtete schließlich an den Richter die Bitte, den Beklagten das Kleidungs stück versuchsweise anziehen zu lassen. Der weise Richter hatte es aber anders beschlossen. Er zog sich zunächst seine Stiefel aus, trat alsdann vor den Aktentisch und legte gemüthlich das oorpus äsltoti selbst an. Die Unaussprechlichen schienen dem weisen Salomo zu gefallen und — zu passen; er ging einige Male vor dem Aktentische auf und ab und entschied zur sichtlichen Freude des Schneiders mW zur heimlichen Empörung des Beklagten, daß die Hose keineswegs zu eng sei, tadellos sitze und nicht nur zum TSagen am Alltage, sondern auch an Soun- und Festtagen sich eigne. Das Opfer seiner salomonischen Weisheit mußte aber be zahlen — den Schneider und die Gerichtskosten. * Ein unheimlicher Pilz, das „Blutwunder", zeigt sich seit einiger Zeit in einem Hause auf Finkenwärder bet Hamburg. Alle Reste von gekochten Speisen überziehen sich, wie der „Hamb. Korr." berichtet, nach 1 bis 3 Tagen mit einem blutrothen Schleim, der den Ueberbleibseln ein sehr unappetit liches Aussehen gicbt. Bei der zum Theil noch recht aber gläubischen Bevölkerung erregt das ein bedeutendes Aufsehen, da man sich die Erscheinung nicht zu erklären weiß. Sie wird her vorgerufen durch einen kleinen Pilz, der den Botanikern unter dem Namen Llieroeoeeus proäixiosus bekannt ist. Sein Auf treten ist ziemlich selten und die Herkunft meistens nicht zu er klären. Es zeigen sich zuerst einige ganz kleine rothe Pünktchen auf den Speiseresten. Die Pünktchen wachsen bis auf etwa Stcck- nadelkopfgröße an, um dann ineinander zu fließen zu einem Schleim, der bald die Reste völlig überzieht. Wie einige Schimmel- und Schleimpilze anderer Art gelbe, blaue und grüne Farbstoffe ausscheiden, so nimmt der Farbstoff in diesem Falle eine wunder schöne, bald mehr blutrothe, bald mehr kcrschrothe Farbe an. Der Farbstoff läßt sich mit Spiritus ausziehen, ist aber leider am Lichte nicht beständig. Er ist chemisch mit den Anilinfarben ver wandt. Das Auftreten dieses rothen Schleimpilzes hat in alter Zeit viel Unheil angerichtet, da man das Erscheinen des „Blut wunders" mit bösen Zauberkünsten in Zusammenhang brachte. Als einst im 13. Jahrhundert in einer feucht gelegenen Kirche die Abendmahlsoblaten blutrothe Flecke zeigten, (die zweifellos von Merooooeus proäixiosus herrnhrten, der mit Vorliebe stärke haltige Massen, zu denen ja auch Oblaten gehören, befällt) be haupteten die Geistlichen, daß die Juden durch Zauberei die Hostien zum Blutschwitzen gebracht hätten. Es entspann sich daraus eine Judenverfolgung, der viele Tausend Menschen zum Opfer fielen. Noch im 16. Jahrhundert wurden aus der gleichen Veranlassung in Berlin 30 Juden verbrannt. Die älteste Meldung über das Austrcten des „Blutwuuders" stammt aus der Zeit Alexanders des Großen, in dessen Heerlager einstmals alles Brot zu „bluten" begann. Die Orakelpriester waren aber klug genug, die Furcht, die Alles ergriff, in Kampsesfreudigkeit umzuwandeln, indem sie sagten, es sei ein Zeichen, wie bald die Waffen der Kämpfer vom Blut der Feinde geröthet sein würden. Erst gegen die Mitte unseres Jahrhunderts gelang es, das Wunder des Blutpilzes aufzuklären. Der große Naturforscher Ehrenberg erkannte den Schleim unter dem Mikroskop als aus lauter kleinen Zellen bestehend, und glaubte die Lebewesen den Thieren, der Klasse der Amoeben, zuzählen zu sollen. Der kürzlich verstorbene Breslauer Botaniker Ferdinand Cohn reihte sie dann in die Pflanzenfamilie der Bakterien ein. Merkwürdiger Weise hat sich der Pilz in Finkenwärder nicht weiter verbreitet, sondern ist seit etwa drei Wochen auf ein Haus am östlichen Elbdeich beschränkt. * Die Herausnahme der Milz ist eine Operation, die in den letzten Jahren häufiger vorgenommen wnrde. Es handelt sich meist um Verletzungen der Milz durch scharfe Instrumente, die eine Zerreißung des Organs und damit einen großen Blut erguß in die Bauchhöhle herbeiführten. Einen solchen Fall, der durch seine Entstehung zugleich als Warnung dienen kann, theilt vr. Krabbel-Aachen in der neuesten Nr. der „Deutsch. Mediz. Wochenschrift" mit. Ein gesunder Knabe von 9*/, Jahren rutschte — nach Gewohnheit vieler Kinder — an einem Treppengeländer herunter. Hierbei fiel er in halber Etagenhöhe herab und schlug mit dem Bauch auf eine Treppenstufe auf. Der herbeigerusene Arzt konstatirte eine innere Verletzung und veranlaßte die Ueber- sührung des Knaben ins Krankenhaus. Hier wurde sofort die Operation vorgenommen, man öffnete den Leib und sand die Milz in mehrere Stücke zerrissen. Das ganze Organ wurde entfernt Der Knabe erholte sich gut von der Operation und ist jetzt völlig genesen. * Ein fünfjähriger Helv. Die von Londoner Zeitungen berichtet wird, erhielt dieser Tage ein fünfjähriger Knabe Namens Leonard Webber das „Pergament-Certifikat" der königlichen Rettungsgesellschaft. Der Kleine hatte mit seltener Geistesgegen wart sein dreijähriges Brüderchen vom Ertrinken gerettet. Das Kind fiel beim Spielen in einen Teich und blieb mit einem Arm so fest im Schlamm stecken, daß es sich ohne Hilfe nicht hätte befreien können. Als der kleine Leonard den - seiner Obhut an vertrauten Babybruder ganz unter der Oberfläche des etwa anderthalb Fuß tiefen Wassers verschwinden sah, watete er, ohne sich zu besinnen, in den Teich und schleppte das nach Lust schnappende Bürschlem mit nicht geringer Anstrengung an das Ufer. Die bedeutend älteren Kinder, mit denen die kleinen Webbers gespielr hatten, waren inzwischen voller Furcht davon gelaufen. Der jugendliche Lebensretter ist die jüngste Person, die jemals von der „Humane Society" die oben erwähnte Aus zeichnung in Empfang nehmen durste. Leonard und sein Brüder chen sind zwei von den zwölf Kindern eines armen, aber äußerst fleißigen Handwerkers. * Die Morvwaffe. Welche Folgen das unvorsichtige Spielen mit einer Knackwurst haben kann, mußte in Lindenberg i. L. in der Nacht zum Sonntag ein lustiger Görlitzer Herr erfahren. In jener Nacht fuhr der Herr aus einem Wagen zur Bahn bei einem Gasthofe vorbei, den er am Tage besucht hatte. Man er kannte ihn und lud ihn wieder zur Einkehr ein. Der fremde Herr wollte jedoch den Zug nicht versäumen und lehnte die Ein ladung ab. Als man stets von Neuem in ihn drang, auszu steigen, zog er plötzlich eine Pistole hervor, legte an und rief: „Heut Abend faßt mich Keiner an." Der Kutscher, welcher die Mordwaffe zufällig auf sich gerichtet sah, entfloh schreckensbleich und holte die Sicherheitsorgane herbei. Der gefährlicheGörlitzer wurde verhastet, seine Leibesvisitation förderte jedoch keinen Revolver, keine Pistole, wohl aber eine — Knackwurst zu Tage, die er als Schußwaffe benutzt hatte. Am Sonntag Morgen
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