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> «.scheint j-b-n Wochmlag «bm» >/.« Uhr ILr d«n II " »L Jahrgmü. F 204. Lr.NML"L'S Sonnabend, de« 2. September. MAißergerAiHeigH. und Tageblatt kmsvlüll W die Migli-ea Md Witschen BchSrdea M zretdcrg Md Brand. verairtworMthe L«U««g »s« «evaktton: «e««D »«rkhardt. Inserate werden bi» vormittag» 11 Uhr angenommen. Preis für dir Spaltzeile 1ö Pfg. H /KrD rG Außerhalb de» Landgericht»bezirkS 16 Pfg. j M.W V» Zwangsversteigerung. Nachdem da» Verfahren, die Zwangsversteigerung der auf den Namen der Minna August« verehel. Kunze geb. Küttner in Mulda eingetragenen Grundstücke Folien 46, 102, 103 und 149 deS Grund- und Hypothekenbuch» für Mulda bi» zum 1. November 1899 eingestellt worden ist, werden die bekannt gegebenen Termine aufgehoben. Brand, den 30. August 1899. Da- Königliche Amtsgericht. 2». 9/99, Nr. 27. Wgd. Gon Dreyfus bemerkt, er habe dem Kriegsgericht bereits erklärt, daß die von ihm gesprochenen Worte sich auf die Schritte be zogen, welche von Seiten du Patys bei ihm versucht worden waren. Schließlich drückt Dreyfus sein Erstaunen darüber au», daß Lebrun-Renault seine (Dreyfus) Aeußerungen den Vorge setzten hinterbracht habe, ohne von ihm Aufklärung über dieselben zu verlangen; es sei das eine Handlungsweise, der gegenüber alle anständigen Leute nur ihrer Entrüstung Ausdruck geben könnten. (Anhaltende Bewegung.) Der nächste Zeuge, Hauptmann Anthoine, sagt an», er sei unmittelbar nach der Degradation dem Hauptmann d'Attel be gegnet. Dieser habe ihm die Geständnisse des DreyfuS mitge- theilt. Dreyfus bleibt dabei, nur zu Lebrun-Renault gesprochen zu haben. Lebrun-Renault giebt daS zu, mit dem Hinzufügen, der Saal sei klein gewesen, und Hauptmann d'Attel habe die Worte deS DreyfuS gehört. Oberst Guerin, welcher den Auftrag hatte, der Degradation beizuwohnen, sagt aus, Lebrun-Renault Sedan ist ein Zauberwort, daS seine Kraft nicht verliert, auch wenn eS im Lause der Jahre von einem Geschlecht aus daS andere ver erbt wird und schließlich die Enkel nur noch vom Hörensagen wissen, welche weltgeschichtlichen Wunder sich am 2. September 1870 ereignet haben. Ist eS der Krieg mit seinen blutigen Schrecken, der durch solches Gedenken verherrlicht, ist eS der Garbenbinder Tod, dessen wehevolle Thätigkeit mit dem Scheine heldenhaften Ruhmes umkleidet werden soll? Der müßte den deutschen National-Charakter schlecht kennen, der das glauben wollte. Es ist eine von Niemand ernstlich bestrittene Thatsache, daß die Deutschen zwar eine kriegstüchtige, aber auch ebenso sehr eine friedliebende Nation sind, deren Sinn nie und nimmermehr auf Eroberungen und unchristliche Uebersälle ihrer Nachbarn gerichtet ist. Dazu ist der deutsche Landwehrmann, wie der Alt-Reichs kanzler Fürst Bismarck einmal gesagt hat, nicht da. Nur wenn ftemder Angriff droht, dann ergreift alle deutschen Seelen der kuror teutonieus, und freudig setzt Jeder sein Leben ein, um Handlung wird gemeldet: Rennes, 31. August. Um 9 Uhr wird die um 6 Uhr 30 Minuten eröffnete geheime Sitzung öffentlich. Lebrun- Renault ist der erste Zeuge. Am 5. Januar 1895, erzählt er, war ich zum Dienste bei Hauptmann Dreyfus befohlen Ich holte ihn um 71/2 Uhr im Militärgefängniß ab, stieg mit ihm in den Wagen und begleitete ihn in den Hof der Militär schule. Von 7 Uhr 45 Minuten bis etwa 9 Uhr 25 Minuten war ich mit ihm in einem Saal und wartete auf die Degradi- rung, Hauptmann Dattel ging zwischen diesem und dem Neben- saaw hm und her. Dreyfus sprach zu uns von der schönen Zukunft, die seiner im Heer harrte, von seinem Vermögen, und wie es unerklärlich wäre, weshalb er Verrath begehensollte. Es war etwa 8 Uhr 30 Minuten als er diese Sätze sprach: „Jchbinunschuldig; in drei Jahren wird meine Unschuld an den Tag kommen. Der Minister weiß eS; er hat es mir in meiner Haftzelle durch du Paty de Elam sagen lasten, wenn ich Schriftstücke ausgeliefert habe, so war es, konnte, trug die alte Vettel ihrem Liebhaber zu. Sie stand im Dienst der Botschaft und deS Nachrichtenbureaus bis zum Beginn deS Prozesses DreyfuS. Dann schickte sie ge wissenhaft der Botschaft die Schlüssel zurück und verschwand. Die Botschaft wandte sich, um sie ausfindig zu machen, an die Pariser Polizei, die sie natürlich nicht finden konnte, Mit welchen Augen wüsten heute französische Minister und Generale, wenn sie mit fremden Diplomaten Verkehren, einander betrachten? Auch die Enthüllungen deS Oberstleutnants Cordier sind recht lehrreich. Mit heiterer Miene, immer ein Schlagwort auf den Lippen, erzählt dieses langjährige Mitglied des NackrichtenbureauS, wie der französische Generalstab alle militärischen Geheimniste Deutschlands erlangt und Deutschland mit falschen Nachrichten betrogen habe. ES scheint, als ob ein solch ehrloses Treiben von Offizieren, denen sonst ein besonders feines Ehrgefühl nachaerühmt wird, in Frankreich keinerlei Anstoß errege. Sie haben sich nicht nur dazu hergegeben, zu nehmen, waS ihnen von Spionen zuge tragen wurde, weil man nach dem Worte deS großen Friedrich „die Canaillen brauchen, aber nicht Lstimiren" muß; sie haben vielmehr Schurkereien und Verbrechen kunstvoll angestiftet und organisirt. Was aber einem Diplomaten passirt, kann in Paris jedem Fremden, ja auch jedem Franzosen passiren. Denn wer ist vor dem Verdacht sicher, ein Spion zu sein? Und wer auch nur mittelbar mit einem fremden Diplomaten oder einem Bekannten zu thun hat, von dem angenommen wird, daß er vielleicht mit einem Mitgliede oder Zuträger einer Regierung in irgend einer Verbindung steht, kann derselben Behandlung auSgesetzt sein wie Herr v. Schwartzkoppen oder Oberst Schneider. Diese Wahr nehmungen können nicht ohne Einfluß auf den Fremdenverkehr in Paris und Frankreich bleiben. Man weiß jetzt, waS die Heiligkeit der Gastfreundschaft, waS daS Briefgeheimniß, waS die Unverletzlichkeit der Wohnung jenseits der Vogesen bedeutet. Man hat auch einen Fremdenhaß kennen gelernt, der voraussichtlich bis zur nächstjährigen Weltausstellung alles eher als vergessen fein wird. DaS gerichtliche Drama scheint sich seinem Ende zu nähern. In der geheimen Sitzung ist gestern über die Aussagen des letzten Belastungszeugen von Bedeutung, Generals Deloye, verhandelt worden. Dann wurde die Oeffentlichkeit wiederhergestrllt, und das Wort erhielt Herr Lebrun-Renault, der vielgenannte Offizier, dem Dreyfus angeblich seine Schuld gestanden hat, indem er zu gleich seine Unschuld betheuerte. Als Lebrun-Renault vom Kriegs minister zum Präsidenten der Republik geschickt wurde, um über die Vollstreckung des Urtheils Bericht zu erstatten, wußte er von dem Schuldbekenntniß noch nichts zu melden. Er will daran durch das barsche Auftreten Casimir Pöriers gehindert worden sein. Wunderlich, wie französische Offiziere sich einschüchtern lassen! Und daß sie dann gerade vergessen, was das Wichtigste ist! Natürlich ist über das Bekenntniß Dreyfus auch kein Protokoll ausgenommen worden. Vor seiner Verurtheilung und nach seiner Verurtheilung hat Dreyfus hundertfältig seine Unschuld versichert, und nur dem Hauptmann Lebrun-Renault soll er das Gegentheil gestanden haben, wobei dieses Geständniß schon in den verschiedensten Lesarten verbreitet worden ist? Der Kassations hof hat der Aussage des Herrn Lebrun-Renault keinerlei Gewicht beigemessen. Es steht dahin, ob sie das Kriegsgericht nach allen Erfahrungen, die es bisher gemacht hat, höher zu bewerthen An laß fehen wird. In den folgenden Sitzungen sollen wesentlich Entlastungszeugen vernommen werden. Ueber die gestrige Ver- ihre Schreibtische, ihre Rocktaschen werden geplündert, ihre Briefe und Depeschen abgefangen, ihre Wohnung durch Polizeispitzel überwacht, die jeden Eintretenoen photographiren. Das Weib eines Spions wird von Agenten trunken gemacht, damit sie ihr die Briefe ihres ManneS entwenden können. Mit einer „Dame", die in der Botschaft verkehrt, muß ein Spitzel ein Liebesverhält» niß anknüpfen, um auf diesem „gewöhnlichen Wege" die Schlösser an den Schränken der Diplomaten öffnen und ihre Geheimniste erlangen zu können. Nach der „Times" ist diese „Dame" eine Aufwärterin Bastien, die seit 20 Jahren in der deutschen Bot schaft beschäftigt wurde. Morgens um 6 Uhr erschien sie mit einem großen Korbe, um Abfälle wegzuräumen und daS Zimmer zu reinigen. Dabei untersuchte sie auch die Schubladen und die Rocktaschen, und alles, was sie an sich bringen Lavaignac, der eS dann in der Kammer vorlas. Beisitzer Brogniart: „Haben Sie dieses Blättchen noch?" Le brun-Renault: „Ich habe es zerrissen; ich wußte nicht, daß dieses Papierchen irgend welche Bedeutung haben konnte!" Srogniart: „Wann haben Sie die Aufzeichnung gemacht?" Lebrun-Renault: „Am Tage nach der Degradirung." Brogniart: „Hat DreyfuS nicht gesagt: „Man sagt, ich hätte Schriftstücke ausgeliefert, um andere wichtigere dafür zu be kommen?" Lebrun-Renault: „Er kann eS gesagt haben, aber ich erinnere mich nicht daran. Er hat drei Viertelstunden ang gesprochen und allerlei Dinge berührt." Ein Beisitzer: „Zu welchem Zwecke schickte General Mercier Zeugen zum Präsidenten Casimir Perier? Lebrun-Renault: Um ihm über das Geständniß zu berichten, aber er ließ mir keine Zeit, ;u sprechen. Der „Figaro"-Artikel über die Herkunft des Be- zleitschreibcns aus einer fremden Botschaft schien ihm weit wichtiger. UeberdieS war ich eingeschüchtert durch die harten Worte des Unbekannten gegen mich, die ich im Vorzimmer ge hört hatte." Demange: „Sprach Dreyfus bei dem in Frage stehenden Auftritt mit dem Zeugen oder hielt er ein Selbst gespräch ?" Lebrun-Renault: „Ich antwortete meist nicht." Als Demange ihn fragt, ob er die Worte des Dreyfus als Ge ständniß aufsaßte, lehnt Lebrun-Renault die Beantwortung dieser Frage ab und sagt, er habe keinerlei Meinung darüber. Er habe kein Protokoll abgefaßt, weil er den Auftrag gehabt hätte, Drey fus zu führen und nicht, ihn zum Sprechen zu bringen. (Be wegung im Saale.) Als Labori hervorhebt, daß sich auf dem dienstlichen Rapport Lebruns keine Bemerkung bezüglich der Ge ständnisse des Dreyfus befand, wiederholte Lebrun-Renault, daß er ja Dreyfus nur zu führen hatte. : ich: Lasten Sie mich zu frieden, ichweißgar nichts"., 1897 rief General se mich zu sich und verlangte einen schriftlichen Bericht über das Geständniß, den ich denn auch verfaßte. 1898 be- chied mich der damalige Kriegsmini st er Cavaignac >u sich und ließ sich den Auftritt erzählen. Ich hatte noch da» Blättchen eines Schreibbuchs, wo ich das Geständniß am nächst folgenden Tage verzeichnet hatte. Das Blättchen brachte ich Lavaignac, der es dann in der Kammer vorlas." Brogniart: "" um werthvollere dafür im Austausch zu erhalten." Dattel hörte es rm Auf- und Abgehen gleichfalls. Ich fragte Haupt mann Dreyfus, ob er draußen seine Unschuld verkünden wolle? Auf seine Bejahung meldete ich es dem dienstthuendea Offizier und bat auch, aus Menschlichkeit die Zeremome mög lichst kurz zu machen, da sie dem Verurtheilten äußerst peinlich sei. (Aus dieser Aussage ließe sich sehr leicht erklären, wie Le brun-Renault nachträglich zu dem Glauben an ein Geständniß kommen konnte.Lebrun-Renault nahm als Meinung des Haupt manns Dreyfus, was dieser als Meinung oder Rath du PatyS oder des Ministers berichtete. Wie konnte Dreyfus, wenn er sich schuldig erklärte, zugleich seine Unschuld laut verkünden!) Nach der Degradirung um 9 Uhr 30 Minuten war meine Auf gabe zu Ende. Ich begegnete beim Verlassen der Militärschule dem Obersten Gusrin und erzählte ihm wörtlich, was ich eben von Dreyfus gehört hatte. Um 11 Uhr 30 Minuten aß ich in der Offiziersmesse, wo ich vier Kameraden um mich hatte, denen ich die Erzählung wiederholte. Am Abend erzählten die Blät ter, Dreyfus habe gestanden. Am nächsten Tage suchte General Gonse mich in meiner Kaserne auf und fragte mich, was Drey fus mir gesagt habe. Als ich es ihm erzählt hatte, führte er mich zu General Mercier, dem ich die Unterredung wiederholte. General Mercier schickte mich mit dem Auftrag ins ElysÄ, auch dort die Geschichte zu wiederholen. Ich ging ins EIys6e unv mußte in einem Vorzimmer warten, wo ich einen Beamten, den ich nicht kannte, in groben unverschämten Ausdrücken von mir sprechen hörte. Zum Präsidenten der Republik eingeführt, hörte ich ihn mir zurufen: „Es sind Indiskretionen begangen worden, es sind Zeitungsartikel erschienen., Haben Sie Mit- theilungen gemacht? „Ich erwiderte: Ich habe Journalisten an getroffen, aber ich habe ihnen unmittelbar keine Mittheilung gemacht. Herr Casimir Parier befragte mich heftig, und ich sprach ihm dannnichtvom Geständniß. An dem selben Abend brachte die „Aa. Hav." die halbamtliche Mitthei lung, daß ich den Journalisten keinerlei Mittheilung gemacht habe. Wenn man mich von da ab fragte, wie es fich mit dem Geständniß verhalte, so antwortete - " " "" Kaiser und Reich, HauS und Herd, Weib und Kind zu schützen gegen Arglist und Gewalt. Einem Volle aber, daS die Waffen nur erhebt, um seine heiligsten Rechte zu Vertheidigen, würde es durchaus zuwider sein, einen Tag wie den 2. September aus kriegerischem Gelüste zu feiern. Der eigentliche Grund, der unS Deutsche bei der festlichen Begehung des Sedantages leitet, liegt in der That aus einem andern Gebiete. Der echte Deutsche glaubt fest an den „Gott in der Geschichte". Er ist überzeugt, daß die Weltgeschichte das Weltgericht ist, und ein Gottesgericht sieht das deutsche Volk in der jähen Zersplitterung deS zweiten napoleo nischen KaiserthronS. Um aber das Sedanfest richtig zu feiern, genügt eS nicht, daß wir unS einem allgemeinen nationalen Begeisterungsgefühl ohne bestimmten Inhalt überlassen. Der Sedantag regt vielmehr zu ernsten Betrachtungen an; mit vernehmlicher Stimme ruft der 2. September jedem Deutschen die Mahnung zu: „Gedenke, daß du ein Deutscher bist!" Und Jeder, der es mit seinem Deutsch thum ernst meint, sollte sich an diesem Tage fragen: „Was habe ich zu thun, um dieser Mahnung gerecht zu werden?" Die Antwort darf sich nicht erschöpfen in der Bereitwilligkeit, zu jeder Stunde durch deS Kaisers Rus zur Bertheidigung der LandeSgrenzen herbeizueilen; die Pflichten des Vaterlandssreundes gehen weiter. Wie oft ist in der letzten Zeit schon versucht wor den, die revolutionäre Verhetzung lahm zu legen! Die Be strebungen sind gescheitert an der immer noch mangelnden Ein sicht der Parteien. ES ist nicht zu verstehen, daß dieselben Männer, die etwaigen auswärtigen Feinden gegenüber dem Grundsatz hul digen, daß Kriegsbereitschaft die beste Friedensbürgschaft ist, an gesichts des innern JeindeS die Flinte inS Korn werfen wollen, indem sie sich so stellen, als glaubten sie nicht an die Gefährlich keit einer Bewegung, die eingestandenermaßen darauf auSgeht, Thron und Altar umzustürzen. Der Tag von Sedan macht es uns zur Pflicht, dem großen gemeinsamen Ordnungsgedanken immer mehr zum Durchbruch zu verhelfen. Dadurch werden wir das Reich, zu dessen Gründung unsere Väter auf Frankreichs Gefilden ihr Blut vergossen haben, nach Innen und Außen sichern. Noch eine andere, nicht minder wichtige Aufgabe harrt der Erledigung. Die Geschichte der letzten Jahre hat gezeigt, daß nur die Staaten eme Zukunft haben, die auch zur See hinreichend mächtig sind, im Nothfall ihre Interessen mit Erfolg vertheidigen zu können. Daß Deutschlands Flotte hierzu nicht ausreicht, ist bekannt. So wollen wir uns denn als echte deutsche Männer am Sedantage geloben, mit allen Kräften dahin zu wirken, daß diese Lücke so schnell wie möglich ausgefüllt wird. Wenn wir in solchem Sinne nimmermüde wirken, dann wird der Stern von Sedan weiter über uns leuchten und glückverheißend unsere nationale Zukunst erhellen. Der Dreyfus-Prozeß in Aennes. Am Mittwoch — schreibt die „Voss. Zeit." — war ein Jahr vergangen, seit Oberst Henry sich im Gefängniß mit dem Rasir- messer den Hals abschnitt: heute verhandelte der Gerichtshof in Rennes unter Ausschluß der Oeffentlichkeit, um über die Aus sagen des letzten nennenswerthen Belastungszeugen, Generals Deloye, zu berathen. Aus Paris wird gemeldet, daß auch Frcycinet erklärt habe, er halte die Freisprechung des Haupt manns Dreyfus für gewiß. Aber wie auch der Prozeß ende, er hat einen Einblick in die französischen Verhältnisse gewährt, wie er auch durch das vollkommenste Spionagesystem nicht zu erreichen war. Man hat die blasse Kriegsfurcht der Männer kennen gelernt, die berufen waren, die Heere der Republik zu führe». Die Anarchie in der Regierung, die Miß- wirthschaft im Generalstab, die Skrupellosigkeit im Kundschafter- Wesen sind grell beleuchtet worden. Man hat erfahren, was alles in Frankreich für erlaubt gilt. In Deutschland, hat einst Herr v. Stephan gesagt, ist der Brief auf der Post so sicher, wie die Bibel auf dem Altar. In Frankreich werden Briefe, die an Scheurer-Kestner aufgegeben sind, an das Nachrichtenbureau aus- geliefert. Diplomaten stehen sonst unter dem Schutz der Ex territorialität. In Frankreich werden sic planmäßig bestohlen, durch Schallvorrichtungen im Kamin behorcht, ihre Papierkörbt,