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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 26.08.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189908266
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990826
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990826
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-08
- Tag 1899-08-26
-
Monat
1899-08
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 26.08.1899
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1S8 Freiberger rtnzeiger ««d Tageblatt. Dette 2. — 26. August. Aalt«? Sehen Sie die ungeheure Wichtigkeit nicht «n, volles Ächt auf Henrys Treiben zu werfen. Was denkt Zeug« über Henrys Indiskretion?" Mercier: „Man hat genug zu thun, sein« Thaten zu verantworten, seine Gedanken braucht mau nicht zu verantworten. Ich sage deshalb nur, ich habe Henry nicht befohlen, der „Libre Parole" die Mittheilung zu machen!" Labori: „Wie kommt es, daß das Begleitschreiben zuerst vom April oder Mai und dann vom August oder September datirt wurde?" Mercier: „Darum habe ich mich nicht gekümmert; die Untersuchung war nicht meine Sache!" Labori: „Es handelte sich nach des Zeugen Empfinduna um eine Staatssache, und er kümmerte sich nicht um sie?" Mercier: „Nicht um die Einzel heiten!" Lavori: „Wie! Nennt Zeuge daS Begleitschreiben eine Einzelheit!" Vorsitzender Ionaust unterbricht hier heftig Labori und will ihm untersagen, Mercier weiter zu besragen. Labori verwahrt sich gegen diese versuchte Vergewaltigung auf daS Entschiedenste. Mercier unterbricht den höchst erregten Wortwechsel mit der Bemerkung: „Alle diese Einzelheiten mögen geschichtliches Interesse haben, praktischen Werth haben sie nicht. Das Höchste Gericht hat das Verfahren von 1894 ver nichtet! Wir haben reinen Tisch vor uns und müssen unS an di« heute vorliegende» Thatsachen halten!" Vorsitzender: „Ich laste jedenfalls keine Erörterung, sondern nur bestimmte Fragen an die Zeugen zu!" Labori will Mercier über die 12Ctm.-Seschütze befragen. Vorsitzender will die Frage nicht zulassen, da Mercier hierüber schon ausgesagt hat. Labori: „Ich war aus einem Ihnen bekannten Grunde hier abwesend; ich konnte also den Zeugen Mercier nach seiner Aus sage nicht besragen und werd« es bestimmt jetzt thun. Er hat neue Berdachtsgründe gegen Dreyfus angeführt, namentlich über die Robingranaten und die hydraulische Bremse, wie kommt eS, daß davon 1894 mit keinem Worte die Rede war?" Mercier: „Wir haben eben hierüber erst nachträglich aus dem Ausland« Mitteilungen erhalten, z. B. über den Berrath der Robingranaten erst 1896!" Ueber das angebliche Geständniß Dreyfus' bemerkt Mercier, dieses habe 1895 kein« Bedeutung gehabt, da niemand an die Möglichkeit einer Wiederaufnahme dachte." Labori: „Was denkt Zeuge über Esterhazys Fall?" Mercier: „Gar nichts! Ich kenne ihn nicht!" Labori: „Zeuge kennt das Strafverfahren von 1898 gegen Esterhazy nicht?" Mercier: Ich habe nicht zu sagen, was ich denke!" Labori: „Ich frage nicht nach den Gedanken, sondern ich frage, ob Zeuge das Strafverfahren kennt." Mercier: „Nein, ich kenne es nicht!" Vorsitzender (grimmig): „Was haben diese Fragen mit dem Fall zu thun?" Labori ^die HLlcke zusammenfchlagend): „Es soll nichts mit dem Fall ,zu thun haben, ob General Mercier den Esterhazy-Fall kennt, der auf das allerinnigste mit dem Dreyfusfall zusammenhängt ?!" Mercier: „Run den«! Ich kenne den Esterhazy-Fall nicht und hab« mich nicht darum gekümmert!" Labori: „Zeuge hat von 35 Millionen gesprochen, die ausgegeben worden waren. Wozu find diese Millionen verwendet worden?" Mercier: „Das könnte ich Sie fragen!" Labori: „Was wollen Sie mit dieser Unterstellung sagen?" Mercier: „ES find doch unzweifelhaft ungeheuere Ausgaben im Interesse Les Angeklagten gemacht worden!" Labori: „Meinen Sie Ausgaben für Veröffentlichungen oder zum Ankauf von Ueberzeugungen?" Mercier: „Ich verweigere die Antwort!" Labori: „Warum hieltZeuge die geheimen Schriftstücke für gefährlicher wie das Begleitschreiben?" Mercier: „West dieses vom Verräther herrührte, während jene von Militärattaches und beglaubigten Diplomaten geschrieben waren." Labori sucht festzustellen, wann Henry seine bekannteste Mischung vorbenommen hat. Außer Mercier sagen Gonse, Roget, Gribelm und Lauth darüber aus. Regierungskom missar Car ritz re erlaubt sich dieses Verhör zu unterbrechen. Er thut es so brutal, daß der Vorsitzende Iouaust auffährt und Carritzre andonnert. „Schweigen Si«, Sie haben nicht das Wort! Sie richten hier nur Verwirrung an!" Carritzre (stammelnd): „Ich weiß, was die Ver- theidigung mit ihren Fragen beabsichtigt; ich kenne ihre Ten denzen! Es soll gezeigt werden, daß auch die B r i ef e, a u f die Henrys Fälschung die Antwort dar st eilt, falsch sind. Ich werde aber ihre Echtheit be weisen!" Labori: „Wir haben hier nur die eine Ten denz, die Wahrheit fe st zu st eile n!" Lauth be kundet, daß der gefälschte Brief, wenn er gefälscht war (Bewe gung im Saal), jedenfalls schon 1894 im Besitz des General stabs war. Labori: „Warum hat er dann nicht im 1894er Prozeß figurirt? Mercier: „Ich habe ihn jedenfalls nicht gekannt! Labori: „Warum hatLauthihnMercier nicht mitgetheilt? Vorsitzender: (einfallend) „Das war nicht Lauths Sache". Gonse: „Es wäre meine Sache gewesen, den Brief Mercier mitzutheilen; ich kannte ihn aber selbst erst 1896. Vielleicht hat Sandherr um ihn gewußt und uns nichts gesagt". Labori befragt Mercier über das Verschwinden vonduPatydeClams ErläuterunbzudenGeheim papieren und macht ihn aufmerksam, daß dies ein qualifizirtes Vergehen darstelle. Vorsitzender Jouaust schneidet ihm bei dieser Bemerkung zornig das Wort ab. Labori fragt weiter, wieMercier zu der vom Auswärtigen Amte niemals gelieferten Lesart der Panizzardi-Drahtung kam, die besagte, Dreyfus habe zu Deutschland Beziehungen gehabt. Mercier giebt gewundene Anworten. General Chamoin, Roget, Paltzologue greifen in die erregte Erörterung ein und Roget läßt sich den Ausruf entschlüpfen: „Was soll diese müßige Er örterung?" Labori: Dieses Wort weise ich entschieden zurück! Zeuge hat kein Werthurtheil über das Verhör abzu geben; es ist sehr wichtig, durch diese Erörterung festzustellen, wie an gewisser Stelle mit Urkunden und Thatsachen umge sprungen wurde!" Dreyfus setzt auseinander, daß>k 1889, als er in Bourges war, sich nur mit seiner Abgangsprüfung be schäftigte und sich um nichts anderes kümmerte als um sein Studium, also auch nicht wußte, was im Arsenal vorging. Vorsitzender: „Sie konnten aber mit Kameraden über allerlei geplaudert haben; es war nicht unmöglich, daß sie aller lei erfuhren." General Risbourg, welcher den Oberbefehl über die Garde r6publicaine im Jahre 1894 führte, erklärt, er habe die Aus sagen Lebrun-Renaults über ein angebliches Geständniß des Dreyfus aus den Zeitungen kennen gelernt, und habe ihm einen Verweis darüber crtheilt, daß er ihm nicht Rechenschaft abgelegt habe. Lebrun-Renault sei unfähig, Jemandem zu schaden. Dreyfus erklärt demgegenüber, Lebrun-Renault habe ihm, als er in das Gefängniß de la Santö kam, die Hand gedrückt. Dies stehe im Widerspruch zu den von Lebrun-Renault abgegebenen Erklärungen. Man möge bestimmte Beweise vorbringen und nicht nur von Ueberzeugungen sprechen. Er kommt auf seine Unfchuldsbetheuerung Du Paty de Clam gegenüber zurück und bedauert, daß General Mercier die von Du Paty de Clam be gonnenen Untersuchungen nicht hab« fortsetzen lassen, er, Drey fus, hätte dann die Legende von Geständnissen zerstören können, welch« heute eine so große Ausdehnung angenommen. (Beweg ung.) Hierauf wird I u l e s R o ch e vernommen. Der Zeuge erklärt, er habe Schritte unternommen, um Esterhazy in das Ministerium zu bringen, habe aber davon abgesehen, auf die Bemerkungen des Kriegsministers Billot, welcher ihm zu ver stehen gab, daß Privatgründe, Gründe des gemeinen Rechts und andere entscheidende Gründe ihm sein Verhalten vorschrieben. (Bewegung.) Er erinnere sich der Worte Billot's nicht, aber er habe infolge derselben die moralische Pflicht gefühlt, sich nicht mehr mit Esterhazy zu beschäftigen. Spezialkommissar Dcver- nines berichtet sodann über die Ueberwachung Esterhazys, mit der er durch Picquart beauftragt worden war. Esterhazy wurde von ihm mehrere Male beobachtet, wie er ostentativ die Deutsche Botschaft betrat. Oberst Fleur sagt aus, Oberst Cor dier, der Unterchef im Nachrichtenbureau im Jahre 1894 war, habe ihm gesagt, er zweifle an der Schuld des Dreyfus; Cor dier habe ferner erklärt, die Dienstentlassung Sandherrs und seiner eigenen wären der Anfang der Rache der Juden. Später, so fügt Oberst Fleur hinzu, habe Cordier in seinen Aussagen ganz andere Ansichten vorgebracht. Fleur berichtet sodann über zahlreiche Gespräche mit Anderen, in denen ihm Ungün stiges über Dreyfus gesagt worden sei. Dreyfus bezeichnet letztere Mittheilungen als Lügen und verlangt eine Untersuch ung darüber. Der Deputirte Grandmaison erzählt von einer Unterredung, welche er mit einem Engländer Carlos Blaker hatte. Dieser sagte, er wisse bestimmt, daß Dreyfus unschuldig sei, weil er einen Brief Schwartzkoppen's gesehen habe, in welchem dieser die Unschuld des Genannten bezeugte. Blaker habe gewünscht daß Grandmaison verschiedene Schriftstücke veröffentliche, aber ohne irgend ein Zeichen der Echtheit derselben. Grandmaison äußerte seine Verwunderung darüber, daß man sich im Aus lande mit dem beschäftige, was in Frankreich vorgeht; der Zeuge behauptet, daß die Vertheidiger des Dreyfus sich auf die Hilfe des Auslandes stützen. Labori bittet den Zeugen, sich deutlicher auszudrücken. Grandmaison führt die Erklärung des Staats sekretärs v. Bülow an. Mertian de Muller berichtet über seinen Besuch in dem Schlosse zu Potsdam. In dem Zimmer des Kaisers habe er auf einem Tischchen das Blatt „Libre Pa role" bemerkt; auf demselben seien mit Blaustift in deutscher Sprache die Worte vermerkt gewesen: „Dreyfus ist gefaßt". Hinsichtlich des deutschen Ausdruckes bezüglich der Festnahme von Dreyfus erklärt der Zeuge, er könne nicht versichern, daß er den deutschen Ausdruck richtig gelesen oder verstanden habe. Savigneau, ehemals Ordonnanzoffizier Picquarts, erklärt, dieser habe im Mai und Juni 1897 an Scheurer-Kestner ge schrieben. Labori bemerkt Scheurer-Kestner stelle in Abrede, zu dieser Zeit Briefe erhalten zu haben. Die Sitzung wurde sodann ohne Zwischenfall aufgehoben. Politische Umschau. Freiberg, den 25. August. Deutschland. Daß der Kaiser in seiner Rede bei Ge» legenheit der Einweihung des Denkmals für die Gefallenen am 18. August anch der tapferen französischen Soldaten auf eine ehrenvolle Weise gedachte, hat in Elsaß-Lothringen sehr angenehm berührt. Es leben im Reichsland noch viele Veteranen, die als sranzösische Krieger 1870 im Felde standen und, wenn auch un glücklich, doch tapfer gefochten haben. Die Erinnerung daran lebt bei diesen alten Soldaten heute noch fort, und eine solche Anerkennung aus dem Munde des ritterlichen Kaisers thut diesen zwiespältigen Herzen überaus wohl und wirkte auf sie versöhnend. Außerdem sehen die Elsaß-Lothringer darin ein weiteres Zeichen der versöhnenden Politik des Kaisers gegenüber Frankreich, die ihnen sehr sympathisch ist. Denn wenn sie auch nicht mehr eine Rückkehr zu Frankreich erwarten, wünschen sie doch, daß beide Staaten in möglichst freundschaftlichen Beziehungen zu einander stehen möchten. Ueber das Ergebniß der vorgestrigen Sitzung deS preußischen Kronraths ist Sicheres noch nicht bekannt geworden. Eine Auf lösung des Abgeordnetenhauses scheint nicht mehr in Frage zu kommen. Ueber Veränderungen im Staatsministerium verlautet bisher nichts. — Die ultramontane „Köln. Volksztg." schreibt zur Krisis, von eingeweihter Seite werde ihr versichert, daß sich die Mehrheit der Minister gegen die Auflösung ausgesprochen habe. Die Position Miquels sei unerschütterlich fest. Das Jubelgeschrei der liberalen Blätter über den angeblich bevorstehenden Bruch der Krone mit den Konservativen habe auf den Kaiser die ent gegengesetzte Wirkung ausgeübt. Der Kaiser sei unter dem Ein druck nach Potsdam zurückgekehrt, daß er zu einem solchen Bruch gedrängt werden solle, und verschließe sich, so wird in Regierungs kreisen behauptet, nunmehr erst recht der Erfüllung dieser Forderung. Der Rückgang in den Zolleinnahmen, der mit dem Monat Jnni einsetzte, während bis Ende Mai sich aus ihnen noch gegenüber dem gleichen Zeiträume des Vorjahres ein Mehr aufkommen von 0,7 Mill. Mark verzeichnen ließ, hat bis Ende Juli schon die Höhe von 5,4 Mill, erreicht. Der Haupttheil des Rückganges fällt dem Juli zur Last, denn in ihm betrug das Weniger 4,6 Mill. Mark. Es darf diese wenig günstige Ent wicklung der Jsteinnahme aus den Zöllen auch noch nicht als ganz abgeschlossen angesehen werden, denn die Differenz zwischen den zur Anschreibung gelangten Einnahmen in den ersten vier Monaten des laufenden Jahres gegenüber denen des Vorjahres betrug noch mehr, nämlich 8,5 Mill., zu Ungunsten des ersteren. Es ist daraus mit ziemlicher Sicherheit zu schließen, daß in den nächsten Monaten das Weniger bei den Zolleinnahmen sich noch steigern wird. Indessen braucht man sich Besorgnissen über die Entwicklung der Finanzen des Reichs deshalb nicht hinzngeben. Einmal hat das Mehr aus den Einnahmen der Verbrauchsab gaben immer noch hingereicht, das Weniger der Zölle wett zu machen, sodann würde der Etatsansatz für 1899 auch über schritten werden, wenn sich die Einnahmen nur in der Höhe des Jahres 1898 hielten und schließlich sind für die Höhe der Zoll einnahmen eines Jahres hauptsächlich Herbst und Winter be stimmend. Im Ucbrigen muß stets Bedacht genommen werden, daß der Rückgang der Zolleinnahmen aus die Minderung im Getreideimport, also auf einen Umstand zurückzuführen ist, der auf eine aufwärts gerichtete wirthschaftliche Entwicklung der heimischen Landwirthschaft deutet. Majorvon Wißmann befindet sich, einer Meldung der „Berliner Wissenschaftl. Korr." zufolge, augenblicklich zur Kur in einer Wasserheilanstalt bei Graz. Dem Vernehmen nach scheint übrigens das Zustandekommen der Expedition nach dem Tschad-S«e, deren Führung Zeitungsmeldungen zufolge Major von Wißmann übernehmen wird, noch nicht so ganz gesi^ wenigstens haben verschiedene Großindustrielle, welche waren, sich an der Expedition zu betheiligen und die sich wegen an die Regierung gewandt haben, von dieser Seite aus weichende Antworten erhalten. Oesterreich. Das ganze nordwestliche Böhme, scheint sich in bedenklicher GLhrung zu befinde«. Nach GraSlitz und Asch hatte Saaz seinen Aufruhr. Derselbe kehrte sich gegen den Bezirkshanptmann, die Gendarmerie und die czechische Schule. Die Stadt mit rund 13000 Einwohnern liegt rechts an der Eger; sie ist Hauptsitz des böhmischen Hopse«, handels. Die Unruhen in Asch, welche am Vorabende des kaiser lichen Geburtstages stattfanden, hatten einen geradezu antidynastisch!, Anstrich. Die „Ostdeutsche Rundschau" berichtet über sie: Atz es Donnerstag Mittag bekannt wurde, daß die Behörde, west fix Ruhestörungen befürchtete, den Zapfenstreich, welcher aus AM des Geburtstages des Kaisers abends stattfinden sollte, abgesagt habe, bilhete diese Verfügung das allgemeine Gespräch. Maa spürte auch, daß etwas in der Luft liege. Nach 8 Uhr abends herrschte in der Stadt lebhaftes Treiben. In der Kaiserstraßl wandelten wohl an 10000 Menschen auf und nieder, verhielte, sich jedoch anfangs ruhig. Man sah in ihrer Mitte einen Maua, welcher einen Zuckerhut trug. In der ganzen Stadt war geftera nur eine einzig« schwarz-gelbe Fahne zu sehen und zwar a« k. k. Postamte. Später steckte der Postverwalter noch einige kleine Fähnchen m den österreichischen Farben zum Fenster heraus. Um ^9 Uhr waren im Postgebäude drei Fenster illuminirt. Die Menge begann sofort zu demonstriren und man sah sich im Post gebäude veranlaßt, die Lichter wieder auszulöschen. Nun begannen lärmende Kundgebungen gegen den Z 14 und gegen die Regierung. Vor dem k. k. Amtsgebäude hatte eine Wacheabtheilung Aus stellung genommen. Da plötzlich prasselte ein Steinhagel über deren Köpfe hinweg. Alsbald waren sämmtliche Fenster des Ü Steueramtes in Trümmer gegangen. Die Menge versuchte da»», nachdem sich die Wache zurückgezogen hatte, das Hausthor zu stürmen, ließ jedoch davon ab undzog vor die Gendarmeriekaserne, hierselbst ebenfalls in lärmenden Protestrufen sich ergehend. Auch hier fielen mehrere Fensterscheiben der Wuth der Menge zu« Opfer. Die Gendarmerie, welche das Gebäude zu schützen suchte, war der ungeheuren Menschenmasse nicht gewachsen und mußk unthätig zuschauen. So war es auch beim katholischen Verems- hause, wo die Situation am kritischsten wurde. Auf dieses wurde eine förmliche Attacke ausgeführt, welche die Gendarmen nicht aufhalten konnten. Selbst die Fensterscheiben im zweiten Stock werke gingen in Scherben. Aus dem ohrenbetäubenden LLm hörte man die Rufe: „Nieder mit den Klerikalen!" „Los vo» Rom!" „Hinweg mit dem ß 14!" u. s. w. Der Sturm aus das Gebäude wurde deshalb unternommen, weil in demselben den von auswärts eingelangten Gendarmerieverstärkungen, die in der ganzen Stadt keine Unterkunft erhalten hatten, Quartier und Verköstigung gegeben wurde. Die Behörde war vollständig macht los. Die aufs Höchste empörten Leute riefen fortwährend: „Gebt uns unser Recht zurück!" Hoch die Verfassung!" „Wir haben es satt!" u. s. w., dazwischen tönten grelle Pfiffe. Beim Angriff auf das Vereinshaus rief Jemand: „Familienväter und Frauen zurück!" wodurch die Erregung noch gewaltig gesteigert wurde. Die Kundgebungen dauerten bis in die späte Nacht, und nur nach und nach trat Ruhe ein. Am 18. umstanden die Gebäude mit den zertrümmerten Fenstern fortwährend Gruppen von Neu gierigen. Ein an der Zollamtsexpositur angebracht gewesentr k. k. Adler ist während der Straßenszenen verschwunden. Nachdem von Seiten des hiesigen Bürgermeisteramts erklärt wurde, sür die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung nicht mehr ein stehen zu können, wird ein starker Gendarmeriezuzug erwartet. Die Stimmung in Asch ist nach wie vor erregt." Aus Graslitz wird gemeldet: Am Mittwoch fand dar Begräbniß vier erschossener Arbeiter statt, deren einer eine Mim und sechs Kinder hinterläßt. Heute wird ein fünfter begrabe», der gestern im Spital gestorben ist. Die Betheiligung aller Klassen und Parteien war massenhaft; viele Tausende sind aus weiter Umgebung zusammen geströmt. Die Ordnung war muster haft, nicht die mindeste Störung oder Demonstration fand stall. Militär, Polizei und Gendarmerie waren nicht zu sehen, da Abgeordnete aller drei Parteien die Aufrechterhaltung der Ord nung zugesagt hatten. Auf dem Friedhof sprachen der Deutsch nationale Hofer und der Sozialdemokrat Verkauf, Beide schärfsten? gegen das System der Regierung. Sie schlossen mit einemAus- ruf, für die Hinterbliebenen zu sorgen. Zahllose Kränze wurden niedergelegt; die Schleifen trugen Inschriften, darunter: „Den Opfern des Systems" und „Den Opfern des Paragraph vierzehn". Die Menge war tief ergriffen, Frauen weinten, die Männer waren erregt, aber alle ruhig und schweigsam. Portugal. Aus Porto, 24. August, wird berichtet: Die Pest breitet sich in der Stadt aus, jedoch ohne heftig aus zutreten. In der vorgestrigen Nacht kamen 1 Todesfall und 2 Erkrankungen vor, gestern 2 Erkrankungsfälle) Demnächst kommt ein russischer Arzt nach Porto, um bei der Bekämpfung der Pest mitzuwirken. Die hiesige kaufmännische Vereinigung richtete an Professor vr. Robert Koch das Ersuchen, zum Studiu« der Seuche hierher zu kommen. — Der Ausbruch der Seuche hat, wie die „Kabel-Korr." meldet, Tumulte veranlaßt. Polizei und Pöbel wurden mit einander handgemein. Die Unruhen hatten ihre erste Ursache in der Wuth der Einwohner gegen vr. Jorge, der zuerst das Auftreten der Pest feststellte und der Re gierung öffentlich den Vorwurf machte, seine Berichte absichtlich über einen Monat lang geheim gehalten zu haben. Die niedere Bevölkerung war dabei planmäßig aufgehetzt durch einige der größeren Zeitungen, die übereifrig um die Vertheidigung der Handelsinteressen der Stadt bemüht, ihren Haß an dem Arzte ausließen und diesen sür den vollständigen Stillstand alles Handel? verantwortlich machten. Da die Unterbrechung aller Verbindung mit der Außenwelt (der Sanitätskordon ist heute offiziell gezogen und die Stadt vollständig abgeschlossen) auch die Schließung der meisten Fabriken und Manufakturen zur Folge hatte, so genügten diese Hetzereien, um die nun beschäftigungslosen Arbeiter gegen den pflichtgetreuen Arzt aufzuwiegeln und zu Kundgebungen zu veranlassen. Als diese in Thätlichkeiten ausarteten und das Leben des vr. Jorge bedroht schien, griff die Polizei ein, wurde aber mißhandelt und viele Polizisten durch Steine und Knüttel ver wundet. Darauf riefen die Schutzleute Verstärkungen herber) und nun griffen berittene Gendarmen und Polizisten ein und trieben die Menge auseinander. Seitdem kam es zu einer ganzen Reihe Zusammenstöße in den verschiedensten Theilen der Stadt, zum Theil in Folge Absperrung einzelner Häuser und Strafen, in denen Pestfälle thatsächlich nicht vorgekommen sind. Die Polizei wird beschuldigt, in vielen Fällen ganz willkürlich, s>p bald irgend Jemand an irgend einer Krankheit erkrankte, w» betreffende Haus zu sperren und zu isoliren, lediglich um dabei ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen, da in allen diesen Fälle» die Polizisten allein den Verkehr mit der Außenwelt, die Lie«
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