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der OberprLsident von Westfalen, Studt, die Spitzen der Be hörden und der Geistlichkeit, der Oberbürgermeister von Dort mund, Schmieding, und die städtischen Behörden, wie auch die Magistrate der Nachbarstädte, sowie der Präsident des Herren hauses Fürst zu Wied zum Empfange des Kaisers eingefunden. Als das Kaiserschiff in Sicht kam, »logen mehrere Tausend Brief tauben auf. Ein Posaunenchor erklang und Böllerschüsse ertönten, als der Monarch um 9*/. Uhr im Dortmunder Hafen landete. Nach der Landung begrMte der Kaiser den Oberbürgermeister Schmieding, schritt darauf die Front der Ehrenkompagnie ab, die vom Infanterie-Regiment Freiherr v. Sparr (3. Westfälisches) Nr. 16 gestellt war und begab sich, von tausendstimmigen Hochrufen be grüßt, nach dem Kaiserpavillon zur Feier der Hafen- und Kanal einweihung. Oberbürgermeister Schmieding richtete, nachdem Gesang die Feier eingeleitet hatte, eine Ansprache an den Kaiser, in der er unter Hinweis auf die einmüthige Begeisterung der Bevölkerung der Hoffnung auf den Schutz des Staates bei der schwierigen Lage der Kanalverhältnisse Ausdruck gab. Der Kaiser erwiderte hierauf, er wäre gern früher gekommen, die Sorge um seine hohe Gemahlin habe ihn zurückgehalten. Der eben be sichtigte Kanal erscheine als ein Theilwerk (stürmisches Bravo!); er und die Regierung seien fest und uner schütterlich entschlossen, weiterzugehen(stürmischeSBravc!), er hoffe, daß die Volksvertretung noch in diesem Jahre ihu in die Lage versetzen werde. (Bravo!) Hierauf gab Baurath Matthies eine technische Darstellung über Art und Be deutung des Kanalbaues und überreichte dem Kaiser eine hierauf bezügliche Denkschrift. Mit Gesang schloß die Einweihungsfeier. Danach fuhr der Kaiser unter brausenden Hochrufen zu Wagen über die von Ehrenjungfrauen besetzte Brücke zur „Dortmunder Union". Nach etwa einhalbstündigem Aufenthalt in der Union begab sich der Kaiser im Wagen, eskortirt von Münsterer Kürassieren, ,zum alten Markte und besichtigte das renovirte Rathhaus. In 'dem prächtigen, alterthümlichen Festsaale, an dessen Thüren Herolde Wache hielten, begrüßte der Oberbürgermeister Se. Majestät noch mals und überreichte den Ehrentrunk in einem goldenen Pokal, der von den Beigeordneten gestiftet worden ist. Nachdem der Kaiser auf die Ansprache des Oberbürgermeisters erwidert hatte, unternahm er eine Rundfahrt durch die Stadt und besuchte dann den Kaiscr-Wilhelm-Hain. Das Publikum brachte dem Kaiser begeisterte Huldigungen dar. — Nach 12 Uhr Mittags erfolgte die Abreise des Kaisers nach Villa Hügel, wo er von dem Geh. Kommerzienrath Krupp empfangen wurde. Der Besuch des deutschen Kaisers bei der Königin Viktoria ist vorläufig auf den 15. November festgesetzt. Der Kaiser stiftete für den Gesangwettstreit, der nächsten Sonntag anläßlich der 75 jährigen Jubelfeier der Dülkener Liedertafel in Dülken stattfindet, einen werthvollen Kaiserpreis. Neuester Bestimmung zufolge wird Prinz Heinrich im November dieses Jahres von dem Kommando des ostasiatischen Kreuzergeschwaders entbunden und an Bord des großen Kreuzers „Hertha" in die Heimath zurückkehren. Die Ankunst des Prinzen in Kiel erfolgt gegen Weihnachten. Um dieselbe Zeit ist in der prinzlichen Familie ein freudiges Ereigniß zu erwarten. Der Dortmund-Ems-Kanal. Ein Jahrhun derte alter Plan ist mit dem Dortmund-Ems-Kanal zur Ver wirklichung gekommen. Schon der große Kurfürst hatte eine solche Wasserstraße ins Auge gefaßt, und später hat Friedrich der Große, als er das Erbe von Ostfriesland antrat und Emden zum Freihafen machte, der Stadt Emden im Vertrage von 1744 zugesaat, sich des gleichen Planes anzunehmen. Der Kanal, dessen Bau durch das Gesetz vom 9. Juli 1886 beschlossen wurde, hat eine Länfle von 270 Kilometern. Seine Wassernefe beträgt 2,5, die Spiegelbreite 30, die Sohlenbreite 18 Meter. Die 'Schleusen sind im Allgemeinen 8,6 Meter breit, 67 Meter lang und 3 Meter tief. Die Dimensionen dieses neuen Binnenschiff fahrts-Weges übertreffen die aller bisherigen, nicht nur der preußischen, sondern überhaupt aller europäischen Binnenland- Kanäle. Es ist daher für die Zwecke des Kanals eigens eine neue Flotte geschaffen worden. Die betheiligten Jndustrie- kreise und Städte haben eine westfälische Transport-Gesellschaft gegründet, die, zunächst mit einem Kapital von zwei Millionen 'Mark, eine Kanalflotte von 30 großen Kähnen von je 900 Tonnen Ladefähigkeit nebst einigen Güter- und Schnell dampfern hat Herstellen lassen und den Verkehr auf dem Kanal sowie einen regelmäßigen Verkehr von Emden nach Hamburg organisirt. Die Fracht von Emden bis Dortmund einschließlich der Kanal- und Hafengebühren beträgt im Allgemeinen für Kohlen, Erze und dergl. 2,50 Mark für die Tonne, was einen "großen Vorsprung gegenüber den Eisenbahnen bedeutet; für Getreide dagegen ist sie auf 4,50 Mark angesetzt. Um den außer ordentlichen Vortheil auszugleichen, den die Rheinhäfen Rotter dam uno Amsterdam durch die Freiheit ihrer natürlichen Wasserstraßen von Schifffahrtsabgaben besitzen, sind die Hafen- Abgaben in Emden mit 1^ Pfennig für die Tonne so niedrig angesetzt, wie in keinem andern großen Seeplatz. Die Bedeu tung des Werkes liegt darin, daß dem Rhein gewissermaßen eine deutscheMündung verschafft und den Erzeugnissen der west fälischen Kohlen- und Eisen-Industrie ein neuer Weg gebahnt wird. Der Emdener Hafen geht als natürliches deutsches Aus- fallthor der reich entwickelten rheinisch-westfälischen Industrie aller Voraussicht nach einer großen Zukunft entgegen. Lag die Bedeutung Emdens bisher vorwiegend in seiner alten Heringsfischerei, sowie in dem Verkehr mit den Badeinseln der Nordsee, so wirdmit dem steigenden Verkehr auf demDortmund- Emskanal die Stadt als hervorragender Umschlagplatz eine weit erheblichere Bedeutung gewinnen. Vor Allem ist die Aus fuhr von Erzeugnissen der rheinisch-westfälischen Eisengewerbe rm großen Umfange zu erwarten. Hierzu kommt, daß die natürlichen Bedingungen für die Weiterentwickelung Emdens ,sehr günstig sind. Wenn anschließend an die Molen der Hafen dämme zu beiden Seiten des Außenhafens das bereits an nähernd für landwirthschaftliche Zwecke reife Vorland einge deicht wird, so werden, wie „Nauticus" im Jahrbuch für Deutschlands Seeinteressen mittheilt, Landflächen von etwa 800 Hektar gewonnen, die auch für Hafen-Anlagen größten Stils ausgebaut werden können. Der eigentliche Betrieb auf dem Dortmund-Emskanal ist als „vorläufig" bereits am 17. April ds. Jrs. eröffnet worden, und die Ergebnisse berechtigen zu großen Hoffnungen. Die ersten Seedampfer mit Erzen für die westfälische Eisenindustrie sind Ende April d. I. in Emden eingetroffen, und die ersten Kanalboote haben in vier Tagen von Emden aus den Hafen von Dortmund erreicht. Seitdem hat der Verkehr beständig zugenommen; in der letzten Heil liefen im Dortmunder Hafen wöchentlich 20—30 Frachtschiffe ein und aus; der Gesammtbetrag stellte sich bisher auf 2050( Tonnen. Ein noch bei Weitem regerer Verkehr auf dem Kanal aber läßt sich mit Sicherheit nach der nunmehr erfolgten offi ziellen Eröffnung erwarten. Der deutsche Gesandte in Peking, Freiherr von Heykina, ist mit Gemahlin zum Besuch der Prinzessin Heinrich in Kiel eingetroffen. Der Norddeutsche Lloyd hat anläßlich der Hilfeleistung der Kaiser!. Marine für seinen auf Grund gerathenen Dampfer „Kaiserin Maria Theresia" die Summe von 30 000 Mark für Wohlfahrts-Einrichtungen der Kaiserl. Marine zur Verfügung gestellt. In der Kaserne deS 2. Bataillons deS 154. Regiments in Jauer ist der Typhus ausgebrochen. Gestern Morgen explodirte bei einer Schießübung der Fußartillerie bei Drossen bei Frankfurt a. O. vorzeitig ein 80pfündiges Geschoß. Drei Mann wurden verletzt. Oesterreich-Ungarn. Nach einer Meldung gus Budapest hat sich ein Theil der ungarischen Blätter furchtbar über einen angeblichen Erlaß des sächsischen Ministers desJnnern aufgeregt, in welchem den Landesbehörden des Königreichs Sachsen aufgetragen werde, daß sie sich im Schriftwechsel mit den ungarischen Behörden unter Nichtbeachtung der gesetzlich fest- gestellten Ortsbezeichnung ausschließlich der nicht ungarischen Ortsnamen zu bedienen hätten. Man betrachtete dieS in Ungarn als eine Demonstration, als eine „Mißbilligung einer ungarischen gesetzlichen Verfügung." — Das hier angeblich kritisirte ungarische Ortsnamengesetz ist bekanntlich ein chauvinistisches Magyarisirungs- gesetz schlimmster Art, das noch aus der letzten Zeit der Aera Banffy stammt und in Ungarn wie weit über dessen Grenzen hinaus großen und berechtigten Widerspruch nicht nur bei den Deutschen, sondern auch bei den Rumänen rc. erregt hat, und dieses Gesetz wird noch verschärft durch den Umstand, daß die ungarische Sprache eben nichts weniger als eine Weltsprache ist. Wie schon gestern drahtlich mitgetheilt, ist aber der Erlaß des sächsischen Ministers, über den man sich in Ungarn so sehr er regt, gar nicht erfolgt. Wir hatten von der Angelegenheit nicht Notiz genommen, weil sie uns von vornherein als völlig aus der Luft gegriffen erschien. Die Erregung der Deutschen in Cilli, die in der ge meldeten Weise zum Ausbruch kam, begreift sich, wenn man be denkt, daß der Besuch der Czechen bei den Slovenen den Zweck hat, die letzteren in ihrem Kampfe gegen das Deutschthum zu stärken, und daß an anderen Orten bereits Reden gehalten wurden, in denen die Deutschen nicht bloß angegriffen, sondern geradezu gröblich beleidigt wurden. Das Aeußerste bei dieser Hetzsahrt wurde wohl in Veldes erreicht. Dort wurden die czechischen Reisläufer begrüßt, sympathisch begrüßt. Niemand weniger als der Reichsrath-Abgeordnete und derzeitige Vize präsident des Abgeordnetenhauses vr. Ferjancic war es, der eine Ansprache an sie hielt, die wohl das Frechste und Unverschämteste war, seit Slaven lügen und heucheln, vr. Ferjancic sagte: „Ihr werdet binnen Kurzem das slovenisch werdende Städtchen Cilli betreten, wo ihr sehen werdet, wie unser Volk auf seiner Erde mit den mächtigen Fremdlingen kämpft. Wir fühlen es, daß wir das Land für uns und das Slaventhum bewachen, und daß wir mit vereinten Kräften verhüten müssen, daß die Fremdlinge von diesem schönen Boden Besitz ergreifen. Diese Wanderung durch das Land möge in euch die Bande der Wechselseitigkeit entstehen lassen, damit ihr stets alle euere Kraft für uns einsetzt, wie wir es für euch thun. Daß dies geschehe, dazu Helse uns Gott und die Macht des SlaventbumS." Geradezu unglaublich sind die Worte, die der eine Professor als Führer der Studenten hierauf er widerte: „Die Deutschen wüthen gegen uns, weil sie uns fürchten, wenn wir uns vereinigen und uns bewußt sind, slavische Brüder zu sein. Aber das schreckt uns nicht. Gerade diese Tollwnth der Deutschen (!) schlingt um uns das slavische Band, welches sich bewähren wird, wenn Oesterreich erkennt, daß es sich mit diesem Bande schmücken muß, wenn es nicht wünscht, vom Sturme zerschellt zu werden." Stürmischer Beifall folgte beiden Reden. Aus der „Tollwuth der Deutschen" werden die Slaven wohl bald folgern, daß man sie überall todtschlagen müsse, wo man sie finde. Der Anfang dazu ist ja an verschiedenen Orten gemacht worden. Aber man soll sich dann nicht wundern, wenn den Deutschen schließlich der letzte Geduldfaden reißt. Klerikale Agitation im Beichtstuhl. Im Beicht- tuhl der Franziskanerkirche zu Innsbruck trug sich vor einigen Tagen eine nette Szene zu. Das „Tir. Tgbl." erzählt: Ein deutsches Mädchen (Vinstgauerin) wurde, wie sie erzählt von dem Geistlichen gefragt, ob sie auch verbotene Schriften lese. Die Antwort war Nein. Kennen Sie das Witzblatt „Der Scherer?" „Ja." Lesen Sie dieses Witzblatt? „Ja." Wissen Sie nicht, daß dieses Witzblatt vom Bischof verboten wurde? „Ja, aber die geistlichen Herren lesens ja a!" Nur um zu wissen, was über sie darin geschrieben wird. „I les' es ja a nur deswegen." Haben Sie eine Anstellung? „Ja, bei . . ." Ist das ein christ liches Haus? „Ja, es sind recht brave Leut." Liegen dort noch andere Zeitungen auf? „Ja, lauter anständige Blätter: die „Fliegenden Blätter", die „Münchener Nachrichten", das „Tiroler Tagblatt", die „Ostdeutsche Rundschau". So; können Sie denn keine Anstellung in einem wirklich christlichen Haus finden? In Innsbruck giebt es ja genug christliche Häuser. „Ich bin mit meiner Stellung ganz zufrieden, deswegen thu' ich nicht wechseln." Wenn Sie so halsstarrig sind, kann ich Sie nicht lossprechen. „Nachher lassen Sie's bleib'n," sagte das resolute Mädchen und ging. In Gablonz sind vom März biS jetzt 180 Personen zum evangelischen Glauben übergetreten. In Böhmisch-Aicha haben letzten Sonntag acht Personen ihren Uebertritt zum Pro testantismus vollzogen. Aus Budapest wird gemeldet: Gegenüber auswärts verbreiteten Meldungen über große Unierschleife in der Militärverpflegungs- branche stellt das „Ungar. Korrespondenzbureau" fest, daß jenen Meldungen lediglich die Thatsache der Verhaftung von zwei Ver pflegungssoldaten zu Grunde liegt, welche versucht hatten, einige Ballen alter Militärdecken auf einem Wagen sortzuführen und hierbei ertappt wurden. Die Angabe, der Schaden belaufe sich auf 100000 Gulden, ist durchaus übertrieben. Ueber die französische Aushebung des Jahres 1898 liegen jetzt die wichtigsten Zahlen vor. Es handelt sich um die Jahres klasse 1897, d. h. diejenigen Wehrpflichtigen, welche in 1897 zwanzig Jahre alt geworden sind, und um die Zurückgestellten der Jahresklassen 1896 und 1895. Von der Klasse 1897 waren in die Ziehungslisten 331179 junge Lente eingetragen, was gegen die Klasse 1896 (Aushebung von 1897) einen Minderertrag von 7148 ergiebt, während der Ausfall gegenüber der Klasse 1895 (Aushebung von 1896) 189 beträgt. Jedenfalls haben sich die Voraussetzungen des Generals Billot als Kriegsminister gelegent lich der Aufstellung der vierten Bataillone, welche ein mit den Jahren wachsendes Mehrerträgniß in Aussicht gestellt hatten, nicht bestätigt. Von den 331179 jungen Leuten der Klasse 1897 wurden bei der ärztlichen Untersuchung 26198 als gänzlich untaug lich erklärt. Von den 331179 in die Listen Eingetragenen der Jahresklasse 1897 waren 16154 oder 4,88 v. H. Analphabeten, nur lesen konnten 4477 (1,35 v. H.), lesen und schreiben 38206 11,54 v. H.). 249302 (75,28 v. H ) hatten eine weiter fort geschrittene Volksschulbildung. Spanien. Das amtliche Blatt veröffentlicht das Urtheil >es obersten Kriegsgerichtshofes betreffend die lebergabe von Santiago auf Cuba. Darin werden sämmtliche betheiligten Generale und Offiziere freigesprochen; dagegen wird die Eröffnung einer Untersuchung angeordnet, um zu finden, wen die Verantwortung dafür trifft, daß in Santiago die Mittel zum Kampfe fehlten, wodurch die Kapitulation erforderlich wurde. Nach einer Meldung auS Palma gab General Weyler eine Erklärung ab, in der er sagt, daß er föderalistischer Re- mblikaner sei. Portugal. Amtlich wird bekannt gegeben, daß seit zwei M onaten mehrere Fälle einer verdächtlgen Krankheit in Oporto (Cholera?) vorgekommen sind. Dänemark. Wie das dänische Finanzministerium mittheilt, ist die zu den westindischen Besitzungen Dänemarks gehörige Insel Sainte Croix laut eingegangenem Telegramm durch einenOrkan heimgesucht worden, welcher großen Schade« anrichtete. Dreißig Personen wurden getödtet. Der materielle Schaden ist so bedeutend, daß staatliches Eingreifen sich als noth wendig erweist. Türkei. Das armenisch-katholische Patriarchat eitete bei der Pforte Schritte ein, weil das bis jetzt nur auf die gregorianischen Armenier angewendete Verbot freien Verkehrs auch auf die katholischen Armenier ausgedehnt und nunmehr allen Armeniern der Uebertritt nach Rußland verboten ist, so daß sie ich nicht zu Handelszwecken dorthin begeben noch von dort zu rückkehren dürfen. Serbien. Gerüchtweise verlautet, die Skupschtina werde unverzüglich zu einer ordentlichen Tagung einberufen werden.— An Stelle der zurückgetretenen Minister Andonowitsch und Lozanitsch ist der Regierüngskommisssar bei der serbischen Nationalbank, Gentschitsch, zum Minister des Innern ernannt, und der Finanzminister Petrovitsch mit der Leitung des Handels ministeriums betraut worden. Der Ministerwechsel ist ohne politische Bedeutung und ausschließlich auf die Krankheit beider Minister zurückzusühren. China. Wie der „Russischen Telegraphen-Agentur" auS Chabarowsk gemeldet wird, beabsichtigt die chinesische Regierung, in Wien und Rom selststä ndige diplomatische Ver tretungen zu errichten. Afrika. Die Sudanfrage taucht von Neuem auf. Die Verhandlungen der englischen Regierung mit König Menelik von Abessinien haben bisher zu keinem beide Seiten befriedigenden Einverständniß geführt. Bisher wußte man, daß zwischen England und Menelik Meinungsverschiedenheiten über die Zu- theilung der Provinzen Gedaref und Galabat bestanden, indem Menelik seine Ansprüche auf diese Provinzen, die auch England fordert, nicht aufgab. Die Ernennung des besonderen Ver trauensmannes Meneliks, Ras Makonnen, zum Verwalter Tigres, brachte man mit dem Entschlusse des Königs in Ver bindung, an seinen Ansprüchen gegenüber England sestzuhalten. Nach einer Drahtung der „Daily Mail" aus Kairo besetzten 3000 Abessinier unter Ras Tessama das Gebiet südlich von Nassar, das am linken Ufer des SobatflusseS 480 Meilen von Chartum gelegen ist. Die Abessinier fordern das Land von Nassar nach dem Natgebirge (?) am Weißen Nil als abessinisches Gebiet. Angeblich begleiten vier Franzosen die Expedition. — Wenn diese Meldung der „Daily Mail" zutrifft, drohen im Sudan neue Verwickelungen, da England diese mit bewaffneter Hand geltend gemachten Ansprüche Meneliks kaum als be rechtigt anerkennen wird. Gleichzeitig geht dem „Hamb. Korresp." aus Kairo eine Zuschrift zu, wonach dort aus Omdurman anscheinend beglaubigte Nachrichten eingegangen seien, die alle früheren Meldungen über den Zerfall des Anhangs deS Chalis in das Gebiet der Fabel verweisen. Der Chalif sei mit der Schaffung einer Operationsbasis und mit der Anhäufung von Kriegsmaterial und Fouragcvorräthen aller Art beschäftigt, zu dem ausgesprochenen Zweck, gleich nach dem Ende der Regen zeit kriegerische Operationen in größerem Maßstabe zu beginnen. Bei Abuzeid am oberen Nil sei vom Chalif ein befestigtes Lager errichtet, die Insel Abbat sei zum Stapelplatz gemacht worden, allen den Derwischen zuzuzählenden Stämmen habe der Chalis durch Boten aufgegeben, ihre sämmtlichen Krieger gleich nach der Regenzeit zu ihm stoßen zu lassen. Wenn diese Stämme seinem Rufe folgen, würde der Chalif ein Heer von 50000 bis 80000 Köpfen zusammenbringen. Ob der Chalif einen Vorstoß nilabwärts auf Omdurman plane oder sich ein neues Reich zwischen dem Rudolfsee und Kordofan gründen wolle, darüber fehlten in Kairo noch zuverlässige Nachrichten. Man wird diese Meldungen nicht in allen ihren Einzelheiten für unbedingt zu verlässig halten dürfen. Das Eine scheint jedoch daraus hervor zugehen, daß durch den vorjährigen Feldzug des Sirdars Kitchener geordnete Verhältnisse am oberen Nil keineswegs hergestellt sind, daß den Engländern vielmehr noch mancherlei Schwierig keiten zu überwinden bleiben, ehe sie dieses Ziel erreicht haben. Der Ausstand auf San Domingo zu Gunsten des Prä tendenten Jimenez macht in Havana eingetroffenen Nachrichten zufolge anscheinend doch Fortschritte. Allerdings sind die Nach richten mit Vorsicht aufzunehmen, nachdem Jimenez selbst soeben nach Havana zurückgekehrt ist und dort bekanntlich sein Haupt quartier hat. Er hat, wie er selbst angiebt, seine Landung aus San Domingo vertagt, „damit seine Generale sich erst der Haupt stadt bemächtigen könnten"; in Wirklichkeit aber, weil er von De- tektives verfolgt wurde und die Unmöglichkeit einsah, sich einzu schiffen. Was Jimenez „seine Generale" nennt, sind Offiziere, welche angeblich sich sämmtlich mit ihren Truppen für ihn er hoben. Er selbst giebt indeß das stärkste Corps, dasjenige des Generals Pachaco, auf 800 Mann an. Natürlich wird gleich zeitig berichtet, daß ein Theil der präsidentschaftlichen Truppen zu den Jimenisten übergegangen seien und Letztere bereits die Städte Manzanilla und Sabaneta besetzt haben und Monte Christo belagern, dessen Kommandant, General Guayabin, Verstärkungen erbeten hätte, da er sonst kapituliren müsse. — Ein etwas später in New-Jork eingetroffenes Telegramm meldet dagegen, daß voll ständige Ruhe in dem Gebiet der Mulattenrepubttk herrsche. Der Dreyfus-Prozeß in Keunes. Der weitere Fortgang der Geheimsitzungen ist im Sinne der Revisionisten ein sehr günstiger, woraus die Vertheidiger des An geklagten auch kein Hehl machen. Um so schlimmer gestalten sich die Dinge für den Biedermann Esterhazy. Die „Times" schreibt an der Spitze des Blattes, sie sei in der Lage, mitzutheilen, daß außer den im Borderau aufgeführten Mittheilungen von geringem