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189. Areiverger Anzeiger und Tageblatt. Seite 4, — 16. August. 18SS wird vermuthet, daß der Lokomotivführer des letzteren das Sperr- lignal übersehen hatte. An der Unfallstätte an Block 24 in der «Legend des Schiffthores .macht die Bahn gerade eine schärfere Kurve, so daß das Gleis nur auf eine kürzere Strecke zu über sehen ist, und da die Bahn daselbst nur zweigleisig ist, mußte der Personenzug dasselbe rechte Gleis benutzen wie der Güterzug. So gelang es nicht, den in schneller Fahrt befindlichen Personen zug rasch zum Stehen zu bringen und mit einen, weithin hör baren Krach fuhr er in den Güterzug hinein, dessen letzte Wagen sich sofort etagenhoch übereinander thürmten und auf beide Gleise legten. Die Maschine „Görlitz" des Personenzuges rückte noch eine Strecke vorwärts in die Kohlenlowries hinein, wobei die Kolbenstangen zerbrachen und ein Puffer über die etwa 8 Meter hohe Böschung hinab nach dem Elbquai geschleudert Wurde. Der dem Tender folgende Eilgntwagen und der zweite Packwagen blieben bis auf Beschädigungen am Puffer und dem eisernen Unterbau unversehrt. Dagegen wurden die beiden folgenden Personenwagen in grauenerregender Weise zersplittert. Der vordere Wagen wurde durch den Anprall in die Höhe ge hoben, die Räder nach seinem vorderen Theile zusammengeschoben, ' so daß sie seitwärts gerichtet unter den, Untergestell standen, seine Hintere Hälfte legte sich halb abgebrochen aus das eiserne ' Geländer und drohte hinabzustürzen. Zum Glück folgte dieser Schwenkung nach auswärts der zweite Wagen nicht, sonst wäre eine ganze Reihe Wagen in die Tiefe gestürzt. Ein weiterer > glücklicher Umstand lag darin, daß aus der Station Obervogel gesang der Zug in Folge seiner bedeutenden Länge sehr weit i vorrückte, so daß in die vorderen Wagen Niemand weiter einstieg, l Der erste Wagen blieb vollständig unbesetzt und auch- der zweite war nur von wenigen Passagieren besetzt, welche die Thüren des- : selben zumeist eingenmächtig geöffnet hatten. Im letzten Coupe saßen 7 Personen, darunter der Lelonom L. mit drei Kindern. Nach seiner Beschreibung sah er das Coupe plötzlich bis aus die Hälfte seiner Breite zusammen gehen, die Puffer des nachfolgenden Salonwagens drückten die Rückwand ein, der Fußboden gab sich auswärts, die Thür war nicht zu öffnen, und überdies verlöschte in diesem Moment auch das Licht. Die drei Kinder machten sich sofort be merkbar. Der Kleinste rief erfreut, es sei ihm nichts passirt, weil er aus dem Sitz gekniet habe; das ältere Mädchen bekam den Fuß nicht srei, aber es ging ziemlich gut ab, und nachdem L. die Scheibe eingedrückt hatte, zwängte er die Kinder und dann sich selbst durch das Fenster hindurch, um nun die ganze Ver wüstung vor seinem Abtheil mit entsetzten Blicken zu sehen. Sämmtliche Passagiere wurden, nachdem sich einige im Zug be findliche Diakonissinnen und die rasch herbeigerufenen Müitär- und Anstaltsärzte der Verwundeten angenommen hatten, über den Bahndamm nach der Stadtseite zu hinuntergebracht. — Mit den Ausräumungsarbeiten wurde rasch begonnen, so daß das stadtseitige Gleis Nachts in der 3. Stunde wieder fahrbar war. Wer am frühen Morgen au der Stätte des Unheils vorbeifuhr, erblickte von dem vorsichtig fahrenden Zuge aus die Lokomotive „Görlitz" tief in einen Kohlenwagen eingebohrt, das Gleis mit Kohlen besät, den einen Personenwagen halb noch an das Gleis sich anklammernd, mit dem Hintertheil aus dem verbogenen Ge länder ruhend und sich zum Sturze neigend, Dach und Boden zerbrochen, die Hinterwand eingedrückt und verbogen wie die Hülle einer Streichholzschachtel, die Sitze schräg auswärts gerichtet. Den zweiten Wagen hatte man schon theilweise weiter dcmolirt, aber auch hier war keine Spur von Wagenabtheilungen, geschweige von Sitzen zu sehen, und die Seitenwand fehlte gänzlich. Ein Stück weiter sah man einen zersplitterten Kobleuivagen weg- fahreu. — Aus dem Elbquai hatte sich eine große Menschen menge versammelt, um die Abfuhr der Trümmer zu beobachten, Puffertheile, Coupöthüren, Holzsplitter und Gestänge lagen auf dem Platz umher. Ein« Vorspann-Lokomotive hatte viel Mühe, die Wagen zu trennen. Zunächst sprengte die Kuppelung aus einander, dann hob es die Lokomotive selbst aus und die Räder sausten in der Lust. Bei jedem Anrücken rissen sich Wagentheile ab und stürzten nieder. Tie Ausräumungsarbeiteu wurden im Lause des Vormittags soweit beendet, daß von Mittag ab auch das zweite Hauptgleis wieder befahren werden konnte. Es findet sonach wieder ungehinderter zweigleisiger Betrieb statt. Einem Herrn in Copitz gelang es, ein ausgewachsenes Exem plar eines Fischreihers zu erlegen. Dieser gefräßige Fischräuber hatte eine Flügelspannweite von 1,75 Meter und dürfte ein ziemlich hohes Alter besitzen. Auf dem Bohnhof Coswig ist jetzt ein neues Signal ausge stellt worden, nämlich eine der Signalbrücken, wie sie deni Ver nehmen nach auf den sächsischen Staatseisenbahnen allgemein cnrgeiührt werden sollen. Die Signalbrücke ist in Eisen konstruirt und ruht zu beiden Seiten der Bahntrace auf einem steinernen Fundamente. Der obere Theil gleicht einem waagerechten Stege und überspannt di« gesammte Gleisanlage in der ganzen Breite. An der Rampe dieses Steges, zu dem eine Treppe emporführt, ist in der Fahrtrichtung, also rechts, mitten über jedem Gleise eine große grüne Scheibe mit weißem Rande angebracht, die abends durch eine Laterne oberhalb des Stegrandes ersetzt wird. Diese Scheiben bezw. Lichter sind mit einer Vorrichtung zum Stellen versehen, die von der Station aus bedient wird. So können die Scheiben derart in eine wagcrechte Lage gebracht werden, daß sie nicht mehr zu sehen sind, während die Lichter weiß oder grün sichtbar gemacht werden können. Die Signal drücken, die ein Eisenbahnbeamter erfunden haben soll, dienen zur Ergänzung der seitwärts am Bahndamm stehenden Signale und haben den Vortheil, daß sie vom Lokomotivführer, der ver pflichtet ist, sein Gleis sortgesetzt im Ange zu behalten, unbedingt gesehen werden müssen, da sich die «Scheiben bezw. Lichter ja direkt über dem fraglichen Gleise befinden. Würde z. B. ein Lokomotivsührer aus irgend welchem Grunde ein Armsignal über sehen, so könnte er, durch die Signalbrücke aufmerksam gemacht, einen event. begangenen Fehler noch rechtzeitig korrigircn. Ein interessantes Scharsschießen des Riesaer Artillcrieregiments sand am Sonnabend Vormittag aus dem Gelände zwischen Leutewitz und Heyda statt. Zahlreiche Zuschauer aus Stadt und Land hatten sich dazu zu Wagen, zu Rad und zu Fuß ein gesunden und theils unmittelbar am Dorse Leutewitz, theils schon am Gehölz Ausstellung genommen. Nachdem sich eine stattliche Suite hoher Offiziere emgefunden, ertönte das Signal „Avanciren". Vorerst rückten nur die Batterien der 1. und 2. Abtheckuug von der Straße her in die Feuerlinie, und gar bald entwickelten die Kanoniere eine lebhafte Thätigkeit. Dröhnend entluden sich die Geschütze und sandten ihre surrenden Geschosse nach den Artillerie zielen, die zwischen den Bäumen der Hcyda-Bahraer Straße in einer Entfernung von ca. 3000 Meter aufgestellt waren. Otwas näher, unterhalb der Kobelner Windmühle, waren auch Kolonnen ziele zu sehen. Verfolgte das schaulustige Publikum schon die Staubwolken, die die einschlagenden Geschosse aufwirbelten, mit Spannung, so wurden erst recht die Lichtblitze der in der Lust erplodirenden Schrapnells mit Interesse bemerkt, die ihren Blei hagel auf die abziehenden Truppen schütten sollten. Nach einer längeren Pause, während welcher Kritik stattfand, nahmen die 3. und 4. Abtheilung die Feuerlinie ein und eröffneten ein heftiges Schnellfeuer auf ziemlich nahe entwickelte Schützenlinien. Um 10 Uhr wurde „das Ganze halt" geblasen und das mili tärische Schauspiel war beendet. Dieser Tage waren es 200 Jahre, seit der Erfinder des Hammermechanismus im Klavier, Christian Gottlieb Schröter, zu Hohenstein geboren wurde. Schröters epochemachende Erfindung fällt in das Jahr 1717. Da er jedoch mit ihr nicht bervortrat, kam ihm 1719 Christofati in Venedig zuvor. Das Modell Schröters wurde dem sächsischen Hofe 1721 vorgeführt, diente aber erst seit 1730 bei Fertigung von Pianofortes zum Muster. Von seinem eigenen Ochsen überfallen wurde dieser Tage der Gutsbesitzer Neumann in Friedersdorf bei Zittau. Als der selbe ini Begriff war, daS plötzlich wild gewordene Thier im Stalle anzubinden, drückte dasselbe den Gutsbesitzer gegen die Wand, nahm ihn auf die Hörner und schleuderte denselben mit aller Gewalt eine weite Strecke davon. Neumann fiel zwar besinnungslos nieder, konnte sich aber bald wieder erheben und scheint, sofern sich nicht nachträglich noch innere Verletzungen be merkbar machen, mit dem Schreck und einigen Hautabschürfungen davongekommen zu sein. Nur einer glücklichen Wendung, die Neumann bei dem Angriff machte, hat er es zu danken, daß er von dem Ochsen mcht erdrückt worden ist. Gestern früh hat im Dorfe Zobes bei Neuensalz der Zim mermann Trampel aus Thoßfell den Zimmermann Schink aus Zobes auf der Dorfstraße mit einem Messer erstochen. Trampel vermuthete, daß er von vier Burschen, an denen er vorüberkam und unter denen sich Schink befand, solle geschlagen werden. Er hatte die Drohung: „Den ersten, der 'rankommt, steche ich nieder!" noch kaum ausgesprochen, als er auch schon zustach und Schink tödtlich traf. Sowohl der Mörder als auch der Er stochene war 20 Jahre alt. Eifersucht scheint die Ursache zu der That gewesen zu sein. Verschiedenes. * Der Ursprung des Namens DreufuS. Gegenwärtig, wo der Name Dreyfus wieder in Aller Munde ist, wird eS manche Leser interessiren, zu erfahren, auf welche Weise dieser unter den jüdischen Bewohnern Deutschlands, Frankreichs und der Schweiz so viel verbreitete Name entstanden ist. Dieser Name beruht aus einem ganz kuriosen Mißverständniß. Im Jahre 1555 sah sich der Kurfürst und Erzbischof von Trier, Johann, veranlaßt, die Juden aus seinem Gebiete zu vertreiben. Die Flüchtlinge aus Trier wendeten sich zum größten Theile in das benachbarte Elsaß und suchten dort neue Heimstätten. Damals führten die Juden, ihren alten Volksgebräuchen getreu, noch keine Familiennamen, während bei ihren christlichen Mitbürgern der Gebrauch erblicher Uebernamen schon seit zwei Jahrhunderten ganz allgemein ge worden war. Gelangten nun also die vertriebenen Trierer Juden irgendwo im Elsaß zur Niederlassung und erschienen sie auf den betreffenden Gemeindeämtern, um sich in die behördlichen Ein wohnerlisten eintragen zu lassen, so konnten sie nichts als ihre eigenen Rufnamen angeben. Die Registersührer aber setzten, um die Rubrik sür die Familiennamen auszufüllen, einen Hinweis aus den Abstammungsort der Leute ein, schrieben also: Treviraans, d. h. der Mann ans Trier (lat. Dreviri). Das Wort wurde freilich nicht ausgeschrieben, sondern entsprechend dem damaligen Kanzleistil setzte man nur die erste Silbe des Wortes und un mittelbar dahinter die Endung, etwas über die Zeile erhöht und mit zwei Querstrichlein unterzogen, also wie folgt: DrevS^. Aus einem sehr naheliegenden Mißverständniß ergab es sich nun bald, daß allen diesen Leuten nolens vvlsns im Volksmunde der Familienname Trevns angehängt wurde. Nun trat noch die Volksetymologie hinzu, die in Gemeinschaft mit der Analogie bildung den größten Sprachverderber und dabei zugleich Sprach weiterbildner ausmacht Unter Trevus konnte sich der gewöhn liche Menschenverstand nichts vorsteilen: vorstcllen aber muß man sich doch etwas können bei einem Namen, also ward flugs aus dem Namen Trevus ein Dreyfus gemacht, denn wenn man auch deutlich sah, daß die Leute nicht ans drei Füßen herumliefen, so klang das Dreysns doch viel anheimelnder, als das völlig unver ständliche Trevus. So entstand dieser jetzt so viel genannte Name. * AugS Cntgleisuug. Eine Katastrophe hat sich auf der Warschau-Petersburger Bahn ereignet. Der von Wirballen nach Petersburg gehende Schnellzug Nr. 12 ist zwischen den Stationen Antopol und Reschytza in Folge Scluenenberstung entgleist. Die Lokomotive und drei Waggons sind zertrümmert. Fünf Passagiere und vier Personen vom Zugpersonal wurden schwer oder leicht verletzt. Ein Passagier ist inzwischen gestorben. Aus Dünaburg wurden Acrzte telegraphisch an die Unglücksstätte berufen. * Bcrletzungen Ves Herzens zu vernähen und so der drohenden Verblutung Einhalt zu gebieten, ist ein Fortschritt der Wuudheilkunde, dem schon verschiedene Verletzte ihr Leben ver dauten. In Deutschland war wobl Pros. Rehn in Frankfurt a. M. der Erste, der kürzlich einen Messerstich erweiterte, um an daS Herz zu gelangen, und den Schnitt in der Herzwand durch Naht schloß. Der Todeskandidat wurde dadurch gerettet. Zehn Mal sind bereits ähnliche Eingriffe versucht worden — alle Benetzten schienen dem Tode verfallen. Sieben Mal waren Stichwunden, zwei Mal Schußvermnndungen und ein Mal eine Nadel im Herzen die Veranlassung. Sechs Operirte wurden dauernd geheilt, die anderen vier starben allerdings kurz nach der Operation. Bei Verwundeten, die fast verblutet sind, verspricht der chirurgische Eingriff natürlich den geringsten Erfolg. Oft wird überdies durch einen Messerstich neben dem Herzen noch die Lunge mit verletzt, und dann ist der Ausgang erst recht zweifelhaft. Da aber der Tod bei Herzwunden selten ganz plötzlich eintritt, so bleibt dem Arzte oft doch Zeit zu einem Eingriff, die auf jeden Fall benutzt werden muß. Nur wenn die Verletzung die Nerven getroffen hat, die die Herzbewegung regeln, dann steht das Herz augenblicklich still. Sonst ist nach den übereinstimmenden Beob achtungen die Blutung aus einer Herzwnndc weniger zu fürchten, als die aus einer großen Ader. Die Zusammenziehung des Herzmuskels bewirkt eine Schließung, so daß nur zeitweise Blut austreten kann. Es ist sogar schon vorgekommen, daß Stich- und Schußwunden, die quer durch das Herz gingen, von selbst sich schlossen und verheilten, ja, daß Kugeln in der Herzwand stecken blieben und darin eiuheilten. — Bemerkenswerth sür den günstigen Erfolg der Herzchirurgie ist ein Fall, den Sanitätsrath vr. Pagenstcchcr-Elberseld soeben in der „Deutschen Med. Wochen schrift" veröffentlichte. Ein 17jähriger Lehrling wird von einem Kameraden mit einem spitzen dolchähnlichen Messer (Klingcnlänge 1 Etm.) von vorn in die linke Brustseite gestochen. Er geht noch sechs Schritte weit, setzt sich hin, fällt in Ohnmacht, aus der er zwei Stunden später im Krankenhaus erst wieder erwacht. Eine halbe Stunde nach der Verwundung sieht vr. Pagenstecher den Ver letzten; er schien unrettbar dem Tode verfallen — Puls nicht mehr fühlbar, Athmung kaum wahrzunehmen. Die kleine Stichwunde hatte nach Außen nicht geblutet. Durch Niedriglegen deS Kopfe» und des Oberkörpers, damit daS Gehirn noch Blutzufluß erhält, hebt sich der Zustand etwas, doch kann der Kranke nicht sehen und nicht sprechen. Durch die innere Blutung nimmt die Herz dämpfung zu — sie geht fast über die linke Brusthälfte. Da somit keine Hoffnung ist, daß die Blutung von selbst steht, unter nimmt vr. Pagenstecher sechzehn Stunden nach der Verletzung einen Eingriff, dabei wird eine 3^/., Centimeter lange Herzwundt in der linken Kammer sichtbar. Sie ist scharf geschnitten und klafft kaum; aber ein kleiner Hellrother Blutstrom rieseltandauernd und gleichmäßig aus ihr heraus. Die Herzwunde wird vernäht; nach Schürzung der Knoten steht die Blutung sofort. Der Ein- griff hat auf die HerzthStigkeit nicht die geringste Rückwirkung. Obwohl sich auch aus dem Brustfell noch ein geradezu über wältigender Schwall von Blut ergoß, verlief der Fall günstig; und der Verletzte ist wieder völlig gesund geworden. Alle die Fälle von Herznaht, wie die Thierversuche zeigen, daß das Herz viel duldsamer ist, als man im Allgemeinen annimmt. Selbst in einem Falle, wo die Wunde durch und durch ging und so groß war, daß man mit dem kleinen Finger bequem in die linke Herz kammer dringen konnte, wurde durch die Naht Heilung erzielt. Die Herzchirurgie wird auch bei diesen Erfolge» sicher nicht stehen bleiben;'die größte Schwierigkeit für ihre Weiterentwicklung liegt zunächst noch in der mangelhaften Diagnostik. Aber ebenso, wie man heute die Bauchhöhle öffnet, wenn der Verdacht einer Darm verletzung vorliegt, wird der Arzt in Zukunft das Herz bloßlegen müssen, wenn er eine Herzwunde mit einiger Sicherheit vermuthen darf. * Vergiftung durch eine Leivenblouse. Dieser Tage hat in Wien ein junges blühendes Mädchen infolge einer Ver giftung durch eine grüne Seidenblouse unter schrecklichen Schmerzen den Tod gefunden. Die Unglückliche war, wie das „Jllustrirte Wiener Extrablatt" nach Mittheilungen der Familie erzählt, die 22 jährige Mizzi Schwarz, die Tochter eines in Hütteldorf allge mein bekannten und geachteten Zimmermeisters, ein schönes, ge sundes, lebensfreudiges Mädchen. Freitag vor acht Tagen be- theiligte sich die junge Dame an dem Leichenbegängniß des Hof zuckerbäckers C. Gruber in Liebhartsthal. Den Weg dahin legte sie in Begleitung einiger Anverwandten von Hütteldorf zu Fuß zurück. Sie trug eine grüne Seidenblouse. Durch den Marsch war das Mädchen in Schweiß gerathen und die Blouse hatte Farbe gelaffen. Da das Mädchen zufällig ein kleines „Wimmerl" unter dem Arme hatte, das bei der Bewegung auf dem Marsche wund gerieben wurde, gerieth die grüne Farbe in das Blut des Körpers. Als das Mädchen nach Hause kam, klagte es über - Schmerzen in der linken Brustseite. Man rief einen Arzt, der aber, da das Mädchen von dem Vorhandensein der Entzündung unter dem Arme nichts erwähnte und sich nicht untersuchen lassen wollte, nichts konstatiren konnte. Erst am nächsten Tag, als die Schmerzen in der Achselhöhle stärker wurden, machte sie den Arzt auf die Wunde aufmerksam. Dieser erkannte die Ge fahr und öffnete sofort die Stelle. Doch war es leider schon zu spät; das Gift war schon zu weit vorgedrungen. Nach kurzer Krankheit starb das Mädchen unter allen Anzeichen von Ver giftung. * Bon Vem Phlegma der russischen Schutzleute er- zählt ein russisches Blatt eine Anekdote, die als wahre Begeben heit gelten kann. Nach irgend einer Garnisonstadt wurde eiu neuer Gouverneur befohlen. Natürlich wurde er sofort mit Klagen über die städtische Polizei bestürmt. Unter Anderem wurde auch erwähnt, daß die Schutzleute nie da seien, wenn man sie brauche, und daß sie nie auf den ersten Alarmpfiff kommen. Der Gouverneur beschloß nun, diese Angelegenheit gründlich zu untersuchen. Die Polizeiverwaltung, d,e Feuerwehr und die Kaserne für 100 Schutzleute befanden sich in einem Gebäude, an dessen Eingang stets ein Posten Wache hielt. Zwanzig Schritt davon entfernt stand ein Triumphbogen. Eines Tages trat im Vorbeigehen beim Polizeigebäude der Gouverneur an den Posten heran und fragte: „Kennst Du mich?" — „Jawohl, Euer Hoch wohlgeboren!" — „Kennst Du auch die Instruktion?" — „Ja wohl, Ew. Hochwohlgeboren!" — „Würdest Du Deinen Posten verlassen, wenn hinter dem Triumphbogen Jemand gemordet würde?" — Niemals, Ew. Hochwohlgeboren!" — „Du bist ein braver Kerl! Was würdest Du nun thun?" — „Ich würde pfeifen, Ew. Hochwohlgeboren." — „Wozu?" — „Daß Jemand aus der Kaserne kommen soll!" — „Also, gut. Nehmen wir an, jetzt wird ein Mensch hinter dem Triumphbogen gemordet. Pfeife." — Der Posten pfiff, aber resultatlos. „Pseise immerzu," sagte der Gouverneur, „noch stärker, pfeife so stark, wie Du nur kannst!" — Der Schutzmann pfiff lange und unaufhörlich, aber Niemand kam. „Nun, jetzt ist es genug," sagte das gutmüthige Stadthaupt, „man hat ihn schon ermordet . . . ." Neueste Nachrichten. Kassel, 14. August. Se. Majestät der Kaiser ist heute Abend um 6 Uhr von Arolsen wieder in WilhelmShöhe einge troffen. Frankfurt a. M., 14. August. Die „Fr. Ztg." meldet aus New-Pork: Der Transportdampfer „Mac-Pherson" lies mit 1200 000 Pjd. Nahrungsmitteln nach Portorico ab. Paris, 14. August. Alle Anzeichen deuten darauf hin, das das Attentat gegen Labori vorbereitet war und zwar ist dasselbe auf den Plan der Nationalisten zurückzuführen. Paris, 14. August. Wie verlautet, ist Rochefort thatsächlich ins Ausland geflüchtet. Rennes, 14. August. Nach der Aussage eines Zeugen wurden gestern früh gegen 5 Uhr drei Personen von ver dächtigem Aussehen in der Nähe der Wohnung Laboris gesehen. Labori hatte zahlreiche anonyme Drohbriefe erhalten; zwei der selben enthielten Bedrohungen mit dem Tode. — Der Verwundete hat starkes Fieber. Die Aerzte fürchten, daß daS Rückenmark verletzt sei; sie können eine bestimmte Diagnose aber erst morgen stellen. Ein um 10 Uhr abends ausgegebenes Bulletin lautet: Zustand stationär, kein Fieber. Temperatur 37*/,°. Zustand also gegen früher gebessert. Orsowa, 14. August. Im Kohlcnschachte der Staatsbahn- gesellschast in Mohadia wüthet ein heftiger Grubenbrand. Der Betrieb mußte theilweise eingestellt werden. Tfchifu, 14. August. Hier kürzlich angekommene Missionare erklären, daß sie in der Umgegend von Chining eine gesahr- drohende Bewegung gegen die fremde« Christen nicht wahr genommen hätten. Eigene Drahtberichle. >«ach Schluß der Redaktion ringrgangen.) Kiel, 15. August. Zu Ehren der Offiziere des hier an- wcseuden schwedischen Geschwaders sand gestern Abend im Marine» ossizierskasino ein Bierabend statt. Heute unternahmen die schwe-