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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 23.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189906231
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990623
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990623
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-06
- Tag 1899-06-23
-
Monat
1899-06
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 23.06.1899
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143 Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Seite S. — -3. Juni. s«men Menschenmaterial umgehen und bei voller Aufrecht erhaltung unserer Autorität doch nicht vergessen, daß wir es mit Menschen zu thun haben, gegen die wir die Pflichten unseres christlichen Glaubens zu erfüllen haben. Unter der spanischen Herrschaft waren die Inseln in drei von einander unabhängige Verwaltungsbezirke eingetheilt. Wir werden daran bis auf eine kleine Modifikation sesthalten. Die drei Verwaltungsbezirke sollen nun bis aus Weiteres demkaiserlichcnGouvernementdcrSchutzgebiete in Neu-Guinea unterstellt werden. Wir werden uns auf erfahrene Beamte und auf die eingeborenen Polizeibeamten beschränken. Alle Beamte ohne Ausnahme sollen nur kommissarisch eingestellt werden. GS sollen dabei besonders praktische und in der Südsee erfahrene Männer verwendet werden. ! In konfessioneller Beziehung werden selbstverständlich nach dem Grundsätze der strengsten Parität die Interessen allen Missionsanstalten gleichmäßig gewahrt werden. Ich komme jetzt zu dem Punkte, wo in der Regel die Gcmüthlichkeit aufzuhöreu pflegt, nämlich zum K o ste n p u n k te. Umsoustwaren die Inseln nicht zu haben. (Große Heiterkeit.) Es kommt auch unter den besten Freunden nicht vor, daß man sich ohne Weiteres Inseln und Inselgruppen schenkt. Es gab auch bis jetzt keinen Preiskourant für die Südseeinseln. Da spielen ver schiedene Imponderabilien mit, aber als gewissenhafter Mann kann ich versichern, daß der für die Inseln bemessene Preis ein angemessener auch vom Standpunkte der Gerechtigkeit ist. Daß wirnichtzutheuer bezahlt haben, beweist der Um st and, daß in der amerikanischen Presse der Preis der Karolinen-Inseln auf 10 Millionen Dollars, also auf 44 Mill. Mark geschätzt worden ist, während die amerikanischen Delegirten während der Friedens verhandlungen mit Spanien für eine einzige Karolinen-Insel 4 Millionen boten. Wir hatten die Pflicht, dafür zu sorgen, daß durch unsere neuen Erwerbungen unsere Beziehungen zu den anderen Mächten nicht gestört würden. Wir haben dies erreicht, ohne uns unsererseits irgend wo irgend welche Gegenleistungen auferlegen zu lassen. (Beifall rechts.) Wir denken gar nicht daran, uns in der Südsee in Gegensatz stellen zu wollen zu Amerika, seine Interessen zu beeinträchtigen, wie wir auch nicht annehmen, daß Amerika ohne jeden Grund unS zu schmälern geneigt sein sollte. Dem rührigen und begabten japanischen Volke bringen wir auf richtige Sympathie entgegen. Es ist uns nicht eingefallen, die aufsteigende Linie dieses Volkes feindlich durchkreuzen zu wollen. In jener Gegend ist Platz für mehr als ein Volk. Wir hoffen, durch den Vertrag zwischen uns und Spanien in politischer und wirthschastlicher Hinsicht die srühern Divergenzen harmonisch auszugleichen und die Beziehungen zu Spanien so freundlich zu gestalten, wie es der Abwesenheit aller Interessen gegensätze zwischen diesen beiden Völkern und ihrem wohlver standenen Interesse entspricht. Das Geschäft, das wir mit Spanien abgeschlossen haben, ist ein ehrliches Geschäft, bei dem es .keinen Uebervortheilten gcebt und mit dem beide Theile zufrieden sein können. Für Spanien waren die Jnselnnur noch Bruchstücke eines eingestürzten Gebäudes, für «nS sind sie Pfeiler und Strebebogen für einen, so Gott will, zukunftsvollen Bau. Ich spreche daher die Erwartung aus, daß nach Maßgabe der natürlichen Vorzüge dieser Inseln und nach ihrer geographischen und politischen Lage uns ein kolonialer Zuwachs zufällt, der für unsern Handel und für unsere Machtstellung segensvoll sein wird. Dies wird eine bedeutsame Etappe aus dem Wege der deutschen Kolonialpolitik bezeichnen. Die verbündeten Regierungen vereinigen sich in dem Wunsche, daß der endgültige Uebergang dieser Inseln in den Besitz des deutschen Volles von Ihnen gutgeheißen werden möge. (Beifall rechts.) Politische Umschau. Freiberg, den 22. Juni. Deutschland. Ein Artikel der „Nordd. Allg. Ztg." drückt aus, daß die Regierung sich mit der Ablehnung deSStreikgesetzes nicht zufri eben geben will: „Die verbündeten Regierungen werden darauf beharren müssen, daß dem Uebel, dessen Ausbreitung man auch in den Reihen der Opposition beklagt, wirksam gesteuert wird. Die zur Zeit im Reichstag schwebenden Verhandlungen müssen Klärung bringen, bis zu welchem Grade ans die Mitwirkung der einzelnen Partei hierbei zu rechnen ist." (Bravo!) — Die „Ha inb urge r Nach ri ch t e n" sind mit der Rede des Fürsten Hohenlohe wenig, mit der Rede des Grafen Posadowsky nur zum Theil zufrieden: Der Sozialdemokratie gegenüber muß man nicht „beweisen", nicht „rechtfertigen" wollen — das ist vergeblich und bietet ihr nur Handhaben zu neuen Aufhetzereien — sondern man muß handeln und wenn der Reichstag nicht mitthun will, so muß mau ihn eben dazu zu zwingen verstehen. Wo aber ist der Manu, der das kann?— Die „Staatsbürgerzeitung" be dauert, daß vorgestern nicht der a lte Kanzler, Fürst Bismarck, am Bundesra t Hst ische gestanden hat. Sie schreibt: „Wie wäre er mit dem Rcichsregenten Lieber ins Gericht gegangen, wie hätte er die Nationalliberalen sammt ihrem neuen Kirchenlichte an die Wand gedrückt, wie hätte er den mit den Sozialdemokraten aufs Engste verbrüderten Herrn Lenzmann in den Sand gestreckt und wie hätte er das ganze Volk aufgerüttelt zum Kampfe gegen den Umsturz! Von alledem war gestern nichts zu verspüren. Unter den Blinden ist der Einäugige König, und so konnten denn die erwähnten drei Herren gestern mit vollem Rechte den Dank der Sozialdemokraten gnädig hin nehmen." Die „Berliner N. N." bestätigen, daß eine Erhöhung der landwirthschaftlichen Zölle von der Reichsregierung beab sichtigt sei, und schreiben: „Der Entwurf des neuen deutschen Zoll tarifs wird m erster Reihe eine Revision nicht allein der Getreide zölle, sondern der gesammtcn landwirthschaftlichen Zölle ins Auge zu fassen haben. Denn die Landwirthschaft bedarf nicht nnr für den Körnerbau, sondern auch für ihre übrige Produktion des -verstärkten Schutzes, wenn sie existenzfähig gemacht nnd erhalten werden soll. Seitens der deutschen Industrie werden die Frei händler Snkknrs für Bekämpfung eines erhöhten Schutzes der landwirthschaftlichen Produkte Deutschlands sicherlich nicht finden." — Der letzte Passus der Mittheilung weist darauf hin, daß die Industriellen keine Sonderiutercssen vertreten, sondern gern mit- thun, wenn eS sich um Besserung der landwirthschaftlichen Ver hältnisse handelt. Die englischen Zeitungen dürfen von sich sagen, daß sie im Lügen den größten Rekord auf dem Kontinent erzielten. Aus Gotha wird nämlich gemeldet, daß die Nachricht der „Daily Mail" von der geheimen Sitzung des Landtages wegen der Erb solgefrage und von der Acußerung des Ministers Strenge, Herzog Alfred werde abdanken — einfach aus der Lust gegriffen ist. Ueber Vielweiberei in der österreichischen Armee wird berichtet: Da ein großer Theil der in Bosnien rekrutirten Leute sich zu den Bekennern des Islams zählt, mußte die Armeeverwaltung mit der Thatsache rechnen, daß es auch Armeeangehörige geben könne, die mehrere Frauen haben. Das nun zur Ausgabe gelangte Normal-Armee-Verordnungsblatt für das Heer enthält Bestimmungen, in welchen dieses Verhältniß im gemeinsamen Heer besondere Berücksichtigung findet. Bei dem Gesetze bezüglich der Versorgung der Wittwen und Waisen heißt es z. B. im is 44: „Im Falle, als nach einem verstorbenen Unteroffizier, Gefreiten oder Soldaten mohamedanischer Religion mehrere anspruchsbcrechtigte Wittwen zurückgeblieben sind, wird die für eine Wittwe gebührende Pension gleichmäßig unter alle jeweilig vorhandenen pensionsbcrechtigten Wittwen vertheilt." Wittwen, deren Gatten vor dem Feinde gefallen sind, erhalten einen Zuschuß von 50 Prozent zur normalmäßigen Pension. Sind „mehrere anspruchsberechtigte Wittwen" eines Gefallenen vorhanden, dann wird der Zuschuß unter diese gleichmäßig ver theilt. Bezüglich der Waiscuversorgung bestimmt der tz 57: „Hinterläßt ein dem mohamedanischen Glauben angehörendcr Unteroffizier, Gefreiter oder Soldat eigene Kinder mehrerer recht mäßig angetrauter Frauen, so ist in Betreff der Beurtheilung, ob die Kinder Anspruch auf einen Erziehungsbeitrag oder Zu schuß haben, jede Wittwe, bezw. die Kinder jeder einzelnen Frau als eine Familie für sich zu betrachten." Der Grazer Staatsanwalt hat nun doch gegen die Freisprechung von Fraiß und Polzer die Nichtigkeitsbeschwerde eingebracht, offenbar auf Anweisung des Ministers. Fraiß wurden für den Fall der Entlassung aus dem Justizdieuste Stellen beim Steier märkischen LandeSansschuß, bei der Grazer Gemeinde und bei einem Berliner evangelischen Verein angetragen. Niederlande. Der „M. Allg. Zeitg." wird aus London in Bezng aus die Vorgänge in der Friedenskonferenz ge schrieben: Gewisse Elemente in England, in den Vereinigten Staaten, in Rußland und anderen Ländern bemühen sich noch immer viribus unitis, Deutschland vor der öffentlichen Meinung Europas und Amerikas als diejenige Macht hinzustellen, die im Haag den Störenjried spiele und die trefflichen Absichten der übrigen Staaten zn durchkreuzen suche. Es liegen sogar ganz augenscheinliche Anzeichen dafür vor, daß eine systematische Hetze in dieser Richtung sich vorbereitet, welche den Zweck verfolgt, die deutsche Politik in den Augen der ganzen civilisirten Welt zu verdächtigen. In der englischen Presse scheinen die „Daily News" die Führerrolle in diesem Feldzug übernehmen zu wollen. Bereits am 12. d. M. erschien in dieser Zeitung über Deutsch lands Stellung zu der Schiedsgerichtsfrage ein längerer Bericht ihres Berichterstatters im Haag, der an Anmaßung, Unverschämt heit und Entstellung der Thatsachen das Möglichste leistete. Der betreffende Korrespondent, dem selbst das allcrgewöhnlichstc Maß des Anstands und der internationalen Rücksichtnahme abgeht, hatte sogar die Ungezogenheit, seinem Bericht, gewissermaßen als Motto, ein Citat ans dem amerikanischen Spvttlied ans de» dentschen Kaiser voranzustellen. Die Auslassungen der „Daily News" sind in ganz ähnlichem Sinne gehalten. Daß gerade dieses Blatt, das man als ein ernstes und objektives Organ der öffentlichen Meinung in England zu betrachten pslegtc, sich aus ein derartiges Hctzgeschäst einläßt, hat vielfach Erstannen hervor gerufen, und es mag demgegenüber ausdrücklich hcrvorgehoben werden, daß die „Times" und andere große englische Blätter auf dieses Manöver nicht eingegangen sind. Sie haben die Vor gänge im Haag bisher znmeist in sachlicher und objektiver Weise erörtert. Deutschland hat der Friedenskonferenz jedenfalls mindestens ebensoviel Sympathie entgegengebracht wie andere Großstaaten und es ist ausrichtig bemüht, alle wirklich durchführ baren Projekte der Konferenz nach Kräften zu fördern. Man kann sich doch, sobald man auf praktisches Gebiet übergeht, der Thatsache nicht verschließen, daß speziell die Schiedsgerichtsfrage gewiß die sorglichste Prüfung erfordert. England und die Ver einigten Staaten haben sich, wie schon bekannt, nicht einmal darüber einigen können, den Grenzstreit in Alaska durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen, und doch gelten sie als die wärmste» Frennde der schiedsgerichtlichen Erledigung inter nationaler Differenzen. Man hat Anstoß daran genommen, daß man in Deutschland Zweifel darüber ausgesprochen, ob es möglich sei, ein völlig unparteiisches und ehrliches permanentes Schiedsgericht zu konstituiren. Wer etwa glaubt, daß man nicht anch in England in nicht voreingenommenen Kreisen eine ähnliche Ansicht hegt, dem empfehlen wir die Lektüre eines Artikels über diesen Gegenstand im „Spektator". Dort werden mit einiger englischer Färbung die gleichen Zweifel erhoben. Vielleicht ist Deutschland zu ehrlich gewesen, indem es, znm Unterschied von einigen anderen Mächten, ohne jede Heuchelei frei heraus bekannt hat, daß es sich nicht aus die utopistlschen, soudern nur auf die praktisch erscheinenden Projekte der Konferenz einlassen könne. Ob das Verfahren der deutschen Professoren Zorn und v. Stengel diplomatisch gewandt war, wollen wir dahingestellt lassen, denn wir kennen das, was im Haag geschehen ist, zn wenig, um darüber mit Sicherheit nrtheilen zu können. Ehrlich aber sind sie verfahren, vom Diplomateustandpunkt aus vielleicht zu ehrlich. In vornrtheilslosen englischen Kreisen habe ich gelegentlich der 'Ansicht Ausdruck geben hören, daß sic in eine Falle gegangen seien und daß sie, da sie mit offenen Karten spielten, unwill kürlich dazu beigetragen hätten, das Odium des Scheiterns eines utopistischen Projektes ohne Noth und ohne Grund ihrem Lande, dem man ohnehin so gern einen Stoß versetze, hätten ansladen lassen. Wir wollen und können, wie schon bemerkt, die Berechtigung dieser Ansicht nicht näher untersuchen. Jedensalls aber muß immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden, daß eine systematische Propaganda, welche ganz ungerechtfertigter Weise Deutschland als Störenfried hinzustellen sucht, im Gange ist. Frankreich. Nachdem Poincars und Waldeck-Rousseau mit ihren Versuche», die Krise in Frankreich zu lösen, ge scheitert sind, wird ein neuer Arzt ans Krankenlager der Republik gerufen, Herr Leon Bourgeois, dermalen Bevollmächtigter Frankreichs bei der Friedenskonferenz im Haag. In den April tagen von 1896, da die Weigerung des Senats, dem radikalen Kabinett Bourgeois die Madagaskar-Kredite zn bewilligen, dieses zu Falle brachte, war Herr Bourgeois vielfach Gegenstand bittersten Tadels seiner Parteigenossen, die ihm Mangel an Charakterstärke nnd Ansdaner vorwarfen und sein Znrückweichen vor den „alten Krokodilen" der ersten Kammer als eine Art Fahnenflncht betrachteten. Wenn inan sich der herben Tadcls- worte erinnert, die damals auf ihn mederhagelten, muß man sich zweifelnd fragen, ob er wirtlich der Mann sei, die ins lln- gemesscne wachsenden Schwierigkeiten der Lage zn bewältigen. 'Aber freilich, die Auswahl an auch nur halbwcgS zur Uebcr- nahme der Regierung geeignete» Persönlichkeiten ist gegen wärtig so gering, daß die Republikaner nicht allzu große Ansprüche machen dürsen, sollen nicht die Mslinisten die Macht an sich reißen. Gelingt eS, Waldeck-Rousseau für ein von Bourgeois zu bildendes Kabinett zu gewinnen, dann hätte dieses sofort stärkeren Halt. Bourgeois, der sich auf die Be rufung durch den Präsidenten Loubet hin vom Haag nach Paris begeben hat, findet eine „gute Presse"; die meisten republikanischen Blätter, abgesehen von den Herrn Mäline ergebenen, erklären sich bereit, ein Kabinett Bourgeois zu ünterstützen. Ob ein solches zu Stande kommt, ist allerdings noch nicht sicher; während die einen meinen, ein Ministerium Bourgeois-Waldeck-Rousseau- Poincarö sei wahrscheinlich, bezweifeln andere noch, daß Bourgeois ernstlich die Kabinettsbildung übernehmen werde. Diese An nahme dürste ihre Bestätigung in nachstehendem Telegramm finden: Paris, 21. Juni. Bourgeois begab sich heute, nachdem er im Lause des Vormittags verschiedene politische Freunde aus gesucht hatte, wieder in das Elysae und erklärte dein Präsidenten Loubet, er stelle sich ihm zur Bersügung um das Amt eines Vermittlers zu übernehmen. Dagegen halte er es nicht sür noth- wendig, daß er an die Spitze des Kabinetts trete, vielmehr würde er es vorziehen, nach dem Haag zurückzukehren. Bourgeois wird heute Nachmittag die Verhandlungen sortsetzen. Man nimmt an, daß Delcasse endgültig mit der Kabinettsbildung werde beauf tragt werden. Die Deputirtenkammer beschloß trotz des Widerspruches der äußersten Linken mit 382 gegen 175 Stimmen, sich bis zum Montag zu vertagen. Die erbitterte Stimmung der Offiziere macht sich in immerwährende» Kundgebungen Luft. Hier noch ein? Probe. Oberst Baron de Coubertin lobte sein Regiment sür die gute Haltung am Tage in Longchamps und fuhr dann fort: Ihr habt beim Vorbeimarsch viele Leute bemerken können, die riefen: „ES lebe Picquart!" Ich habe mich nur mit Mühe zurückhalten können, den Säbel zu ziehen und auf diese Leute einzuhaucn. Aber ich bin Soldat und ich muß die mir gegebenen Befehle ausführen. Auch Ihr müßt stets Disziplin zeigen. Eure Pflicht ist, unter allen Umständen blindlings die Befehle zu befolgen, die Euch gegeben werden, und Ihr dürft Euch nicht darum bekümmern, was man anderwärts dazu sagt. Ich füge noch Folgendes bei: Wenn Ihr vereinzelt oder gruppenweise in die Stadt kommt, und Ihr hört die Leute schlecht von der Armee reden, so kann es Euch begegnen, daß Ihr Euch zu Protesten Hinreißen laßt. Ich habe nichts dagegen, im Gegentheil, ich rathe Euch, recht heftig zu protestiren und zu manifestiren, ja im Bedürfuißfalle Euch auch Eurer Waffen zu bedienen! Griechenland. Das jetzt veröffentlichte Gutachten des zur Untersuchung der kriegerischen Ereignisse im Epirus dorthin ent sandten Oberst Stratos gipfelt in der Versicherung, daß die da maligen Marine- und Kriegsminister den Ausgang des Krieges leicht hätten anders gestalten können und wegen ihrer Unwissen heit, ihres Mangels an Initiative vor einen Gerichtshof gestellt werden müssen. Der „Daily Telegr." will wissen, für den Fall des Aus bruchs von Feindseligkeiten mit Transvaal werde der General Sir Redvers Buller zum Kommandeur der britischen Streitkräfte in Südafrika ernannt werden. Im Hauptquartier seien that- krästige Maßnahmen im Gange, um wirksame Vorkehrungen für eine Verwendung großer Massen von Kavallerie und Artillerie zu treffen. „Ein Prozent." Unter diesem Titel ist soeben im Verlage von Duncker L Humblot in Leipzig eine kleine Schrift des Berliner Privatdozenten vr. Adolph von Wenckstern erschienen, deren Grundgedanke kurz folgender ist: Infolge des Wachsthums der Bevölkerung und der Aus dehnung seiner Wirthschast vermehren sich die Einnahmen des deutschen Reiches von selbst ohne jedes stärkere Anziehen der Steuerschraube alljährlich in einem solchen Maße, daß es eine sehr niedrige und vorsichtige Schätzung ist, diese jährliche Zunahme sür die nächsten Jahrzehnte auf 1 Prozent zu veranschlagen. Würde nun dieses natürliche Plus der Reichseinnahmen von vornherein sür die in nächster Zukunft dringendste Ausgabe des Reiches, d. i. für den Ausbau seiner Seemacht, mit Beschlag belegt werden, so ließe sich auf diese Weise ohne jede neue Be lastung des Volkes im Laufe eines Menschenalters eine Flotte Herstellen, die allen Ausgaben gewachsen ist. v. Wenckstern stellt eine genaue Berechnuug auf, die mit dem Jahre 1904, also mit der Fertigstellung der mit dem Flottengesetz bewilligten Kriegs schiffe, beginnt nnd eine jährliche Zunahme der Reichseinnahmen um 16 Mill. Mk. ansetzt. Von 1903 bis 1920 sollen dann jährlich 100 Mill. Mk. Anleihen ausgenommen werden, im Ganzen also 17 Milliarden, die von 1928 bis 1962 amortisirt werden können. Die im Einzelnen aufgestellten Summen für Ersatz bauten, Verzinsung der Anleihe, Indienststellung neuer Schiffe, Bemannung, Hafen- und Garnisonbauten u. s. w. decke» sich mit der Zunahme der Reichseiunahmen. Dabei ist eine erhebliche Steigerung der Baukosten u. s. w. vorgesehen. Die 1 Prozent übersteigende Zunahme der Reichseinnahmen bliebe für andere Zwecke frei. Die Flotte, die v. Wenckstern auf diese Weise bis 1920 hergestellt und dann dauernd erhalten sehen will, soll sich auf 57 Linienschiffe, 15 große Kreuzer und 36 kleine Kreuzer belaufen. Es ist also in diesem Plan den Schlachtschiffen im Verhältniß die ihnen gebührende Rolle zugewiesen. Außerdem ist der Plan in: Einzelnen darauf bedacht, daß vor jener neuen, bedeutenden Flottenvermehrung die deutschen Wersten sich all mählich daraus einrichten könnten, sowie gleichzeitig darans, daß sie nicht nach einer plötzlichen Riesenarbeit späterhin ohne Auf träge daliegen, sondern möglichst gleichmäßig fortarbeiten können. Nnn wird heute in Deutschland die Zahl derer, die so weitaus- schauenden Flottenplänen zustimmen, ja noch recht gering sein: auch werden die Berechnungen und Voraussetzungen Weucksterns vielleicht starken Anzweifelungen begegnen. Aber „die Schaffung und Erhaltung einer deutschen Schlachtflotte" — so heißt der Untertitel des Schriftchens — ist so eminent wichtig für die Zukunft unseres Vaterlandes, unserer Weltmachtstellung und unserer wirthschaftlichen Entwickelung, daß jeder ernsthafte Ver such einer ziffermäßigen Darstellung und kritischen Prüfung dessen, was in dieser Richtung von 1904 an geschehen kann und Ivie es gcthan werden kann, nur zu begrüßen ist. Mit Recht weist v. Weucksteru nachdrücklich darauf hin, wie schwer es Deutschland durch seine Schwäche zur See gemacht ist, den Welt frieden zu sichern und seinerseits stets in Ehren den Frieden zu wahren: „Die schwache Stellung Deutschlands zur See ist in demselben Grade ein Anreiz znm Friedensbruch seitens der großen Seemächte als die deutsche Armee die Bürgschaft des Friedens zwischen Deutschland und den großen Kontinentalmächten ist. — Will Deutschland es nicht darauf ankommen lassen, daß der Napoleon dcS 20. Jahrhunderts, in diesem Falle vertreten durch die IntcnsisikationS- imd Expausionsbestrcbungcn Nord amerikas uud Englands, dem deutschen Reiche ein Jena und
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