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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 20.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189906203
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990620
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990620
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-06
- Tag 1899-06-20
-
Monat
1899-06
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 20.06.1899
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Freiberger und Tageblatt. Seite 2. — 20. Juni. nähme ist außer der Diedenhofener Garnison daS hiesige Fuß- artillerieregiment Nr. 8, das Königsregiment Nr. 145 und eine Abtheilnng des 16. Trainbataillons nebst der Feldbäckerei kom- naudirt worden. Man glaubt hier allgemein, daß die kaiserliche Familie zu der angegebenen Zeit auf Schloß ürville wohnen und dann nach Beendigung der Belagerungsübung der Kaiser sich be reits am 1. September und nicht erst am 4., wie kürzlich ge meldet wurde, nach Rastatt zu den Schwarzwaldmanövern be geben werde. Auf Schloß Urville wird alles zur Aufnahme der hohen Gäste bereit gehalten. Ueber den Sommeraufenthalt der Kaiserin wird dichtet: Die Prinzen August Wilhelm, Oskar und Joachim, st'wie Prinzessin Luise treffen Mittwoch, 21. Juni, in Berchtes gaden ein. Die Kaiserin folgt mit den drei älteren Söhnen erst Ende Juni oder Anfang Juli nach. Der Tag ihrer Ankunft ist noch nicht bestimmt. Nach Son zuständiger Stelle eingezogenen Erkundigung ist die Nachricht, der Kaiser werde seine Gemahlin begleiten, irrig. Der Kaiser wird überhaupt nicht nach Berchtes gaden kommen. Ein derartiger Besuch war nie in Erwägung gezogen. Danach ist auch die Nachricht von der Zusammenkunft mit dem österreichischen Kaiser hinfällig. Der Petersburger Korrespondent der „Polit. Korresp." meldet: Von unterrichteter Seite wird versichert, daß die Kom mentare, welche an die Rückgängigmachung der Verlobung des Prinzen Max von Baden mit der Großfürstin Helene von Rußland geknüpft werden, unzutreffend sind. Ebensowenig als politische Rücksichten s. Z. bei der Verlobung im Spiele waren, haben gegenwärtig Gründe politischer Natur zur Auf lösung der Verlobung beigetragen. Nach Mittheilung einge weihter Kreise ist vielmehr die allzu große Verschiedenheit im Alter der beiden Fürstlichkeiten und namentlich die Verschieden heit ihrer Temperamente die einzige Veranlassung der jetzigen Wendung gewesen. Dieser Vorgang wird aus die freundschaft lichen Beziehungen zwischen den Höfen von St. Petersburg und Karlsruhe keinen nachtheiligen Einfluß ausüben und noch weniger Darf daran gedacht werden, daß das ausgezeichnete Verhältuiß zwischen St. Petersburg und Berlin dadurch tangirt werden könnte. Ueber Aenderungen der Offizierskleidung wird der „Schles. Ztg." aus Berlin geschrieben: Von der vor drei Jahren erschienenen Offiziersbekleidungsvorschrist, durch welche der graue Offizierpaletot eingeführt wurde, ist soeben eine neue Ausgabe erschienen, die wieder bemerkenswerthe Aenderungen in der Osfizierskleidung anordnet. Eine dieser Änderungen betrifft die Handschuhe, bezüglich deren u. A. fortan bestimmt wird: Zum Dienstanzuge gehören rot HIb raune Handschuhe. Die im Felde und im Manöver vorgeschriebenen rothbraunen Handschuhe sind auch in der Reitbahn zulässig. Für die rothbraunen Hand schuhe, die aus Hundeleder anzufertigen sind, ist die Färbung der vom Kriegsministerium auszugebenden Probe maßgebend. Die rothbrannen Handschuhe dürfen nicht mehr als zwei Knöpfe haben; die Nähte sind von der Grundfarbe. Handschuhe aus weißem Wollen- u. s. w. Stosse sind zum Paradeanzug, bei Be sichtigungen, zur Kirche oder bei ähnlicher Veranlassung nicht zu lässig. Weiße GlacL-Handschuhe sind gestattet: 1) zu Gesellschaften (einschließlich Hosbälle), 2) zum Reiten (wasserdichte Handschuhe) außer bei Paraden, im Felde und im Manöver. — Neu ein geführt ist ferner der Umhang. Dieser, aus einem Stück ohne Aermel und Armlöcher gefertigt, soll die Hüfte bedecken und bei vorschriftsmäßiger Armhaltung mit den Fingerspitzen abschneiden: für Berittene ist er so lang anzufertigen, daß er bis eine Hand breit unter das Knie reicht. Der Umhang wird aus grauem, wasserdichtem Lama-, Loden- oder Paletot-Stoff hergestellt und zwar aus zwei Stücken, die in einer Rückcnnaht zusammenstoßen. Er hat einen eckigen Ueberfallkragen von der Höhe und den Farben (innen bezw. außen) des Mantelkragens; aus beiden Seiten über der Kragennaht sind stoffbezogene Knöpfe zur Befestigung einer Kapuze angebracht. Längs der Brustseite des Umhangs befindet sich links eine Unterleiste mit fünf Knopflöchern; dementsprechend rechts fünf graue Hornknöpfe. Innen aus der Rückennaht, in Taillenhöhe, sitzt ein Querriegel mit zwei Knopflöchern zur Be festigung des Umhanges an den Taillenknöpsen des Rockes oder des Paletots gegen Wind. — Die oben erwähnte Kapuze darf bei aufgesetztem Helm nicht sichtbar sein. Ihr Obertheil ist von Seide oder Calicot, das Untertheil vom Stoffe des Umhangs; sie ist mit einer Knopflochleiste zur Befestigung am Umhang versehen. Ueber die Trageweise des Umhangs und der Kapuze — di«, beiläufig bemerkt, schon beide während des deutsch-franzö sischen Krieges den bayerischen Offizieren im Loire-Feldzuge vor zügliche Dienste gethan haben — heißt es in den neuen Be stimmungen: Der Umhang kann allein oder zum Paletot, die Kapuze allein oder in Verbindung mit dem Umhang getragen werden. Die hochgeschlagene Kapuze liegt mit dem Obertheil unter der Kopfbedeckung; sie wird zum Umhang in der Regel innen angeknöpst, sodaß der Kragen außen bleibt; bei Regcnwetter ist os zulässig, die Kapuze außen an den Umhang anzuknöpfen. Wenn die Kapuze nicht hochgeschlagen ist, hängt sie flach unter dem Umhang. — Vom praktischen Standpunkte aus betrachtet, kann man diesen Neuerungen durchaus beipflichten, denn einmal ist der Umhang viel bequemer und leichter als der Mantel, der fortan hauptsächlich im Winter getragen werden dürste, ferner ge währt die Kapuze den bisher oft schmerzlich vermißten Schutz des Nackens gegen die Unbilden der Witterung, und endlich er scheinen dunkle Handschuhe weit praktischer als die bisherigen weißen, welche erhebliche Ausgaben für Reinigung erforderten. Oesterreich. Einen neuerlichen Versuch zurunterdrückung der gewissen Kreisen mißliebigen Presse unternimmt der Wiener Staatsanwalt. Alle Wiener Kaffeehausbesitzer erhielten folgende „Vorladung": „Sie werden hiermit anfgefordert, ein genaues Verzeichniß über die in Ihrem Lokale aufliegenden in- und ausländischen Zeitschriften gesondert bis spätestens 16. Juni 1899 zuverlässig bei dem gefertigten Kommissariate vorzulegen. "Wien, 13. Juni 1899. (K. k. Bezirkskommissariat L.)" Selbst verständlich verpflichtet kein Gesetzesparagraph die Betroffenen, dieser „Vorladung" Folge zu leisten. Aus Pilsen, 15. Juni, wird über czechische Ungezogenheiten berichtet: Die hiesigen czechischen Blätter veröffentlichen seit einiger Zeit Hetznachrichten gegen die Schüler der deutschen Staats- gewerbcschule und der deutschen Handelsschule in Pilsen und «wußten von einem angeblich provokatorischen Auftreten der Schüler und der Professoren dieser Anstalt zu berichten, denunziatorischc .Meldungen, die von den betreffenden Schuldirektionen bereits als völlig unwahr erklärt wurden. Tie Hetze der czechischen Blätter führte nun heute zu folgendem Vorfall: Ein deutscher Student, der auf der Promenade spazieren ging und eine Korn blume im Knopfloch trug, wurde von einem Wachmann angehalten und aufgefordert, die Blume zu entfernen. Da der Student dieser Aufforderung nicht Folge leistete, wurde er arretirt und auf das Polizeikommissariat geführt, wo er einem Verhör unter zogen und dann entlassen wurde. Derselbe Wachmann hielt auch ^rei Mädchen, die gleichfalls mit Kornblumen geschmückt waren' "n und verlangte von ihnen auch, daß sie diese Blumen entfernen wllten. Als die erschrockenen Mädchen der barschen Aufforderung nicht sofort nachknmen, nahm ihnen der Wachmann selbst die Blumen weg! — Es ist selbstverständlich, daß der Wachmann in höherem Auftrage handelte, als er die „Provokation durch die Blume" kraft seines Amtes abstellte. Nächstens wird man in Pilsen wohl auch die Kornblumen ans — Damenhüten als Heraus forderung der czechischen Nation konfisziren. Italien. Aus Paris wird gemeldet, daß die Aussichten des verhafteten Generals Giletta doch weniger hoffnungs voll seien, als vermuthet wurde; ein Prozeß wegen Spionage scheine unvermeidlich, wennschon die Schuldanzeichen nicht erheb lich seien. „Popolo Romano" bemerkt, das Verhalten des Generals scheine etwas leichtsinnig gewesen zu sein. Frankreich. Ans Paris, 15. Juni, wird der „Voss. Zeit." gemeldet: Hier einige urkundliche Beiträge zur Kenntniß der augenblicklichen Lage in Frankreich. Wie erinnerlich, hatte Herr Krantz, als er zum Kriegsminister ernannt wurde, sich ge rühmt, nie ein Wort von den Untersuchungsschriften in der Dreyfussache gelesen zu haben, nicht das Geringste von ihr zu wissen, aber von Dreyfus' Schuld überzeugt zu sein. Inzwischen ist das Urtheil des Höchsten Gerichts verkündet worden. Vor gestern nun traf Herr Siegfried, ein Elsässer, wie Herr Krantz, diesen beim Gastmahl des Ministers Delombre und be glückwünschte ihn zu seinen „entschlossenen Handlungen" (!!), die utu so verdienstlicher seien, als man seine früheren dreyfusfeind lichen Gesinnungen kenne. „Aber ich habe ja meine Gesinnungen nicht im Geringsten geändert!" rief Herr Krantz; „ich glaube nach wie vor an die Schuld der beiden Hauptpersonen der Angelegen heit: Dreyfus und Picquart." Wohlgemerkt: der Mann ist einst weilen noch immer Kriegsminister, und die Generalstabspartei hat in den letzten Tagen nach Kräften gewühlt, um Herrn Poincare zu bestimmen, ihn in sein neues Ministerium hinüber zunehmen. Der Kammerbeschluß, das Urtheil des Höchsten Ge richts durch Maueranschlag zu verbreiten, der Regierungsbefehl an die Verwaltung, diesen Beschluß auszuführen, sind ungefähr todter Buchstabe geblieben. Die wüthendsten Nationalisten unter den Bürgermeistern versagen es sich nicht, in amtlichen Schreiben an die vorgesetzte Behörde das Anschlägen ausdrücklich zu ver weigern. So schreibt Graf Roquefeuille, Bürgermeister von Minihy in der Bretagne: „Herr Präfekt, ich habe die Ehre, Ihnen anzuzeigen, daß ich, ehe ich das rechtswidrige Urtheil des Höchsten Gerichts anschlagen lasse, zuerst noch das Urtheil des Kriegs gerichts von Rennes über Dreyfus abwarte. Dieses Urtheil wird wenigstens nicht von den schändlicyen Kosmopoliten, sondern einzig vom Gewissen der Soldaten eingegeben sein, denen nur die Liebe zu Frankreich und die Ehre Frankreichs am Herzen liegt." Der Bürgermeister-Beigeordnete von Givre, in der Vendee, erklärt: „Ich weigere mich, den Anschlagzettel ankleben zu lassen, der Verfassung und Gesetz vergewaltigt und nur ein kniffliges Mittel ist, um auf das Kriegsgericht einen Druck auszuüben". Diese offenen Empörer werden schandenhalber zum Schein auf vier Wochen ihrer Amts- thätigkeit enthoben. Die meisten Bürgermeister aber, namentlich die bäuerlichen, die für Reklame noch keinen so entwickelten Sinn haben wie die Schloßherren, schreiben keine hochtrabenden Briefe, sondern wersen den Anschlagzettel in aller Stille in den Papier korb. Andere lassen ihn anheften, kleben aber einen anderen Zettel darüber. Einige änderten die Einleitungsformel: „Im Namen des französischen Volkes!" in die Worte ab: „Im Namen des jüdischen Volkes". Noch Andere fügten Randbemerkungen im Stil der „Libre Parole" hinzu u. s. w. Im Heere folgen die aufrührerischen Kundgebungen einander ohne Unterbrechung. Neulich war es der Divisionssührer General Hartschmidt, der in der Redeweise des „Jntransigeant" in einem Divisionsbesehl seinen Truppen einschärfte, die „Blätter der Verräther und BaterlandSlosen als Gesundheitspapier zu verwenden." Einige Tage später ereiferte sich General Metzinger in einem Corps- befehl gegen die Zeitungen, die „das Heer beschimpfen, indem sie die Sache eines elenden Verräthers Vertheidigen". Oberst de Saxce, wüthcnd darüber, daß Herr de Pressens« seine Schimps- reden gegen das Höchste Gericht in der „Aurore" niedriger ge hängt hatte, schrieb ihm einen von den rohesten Beleidigungen strotzenden Brief und versammelte vorgestery sein Regiment (das 10. Artillerfe-Regiment in Rennes) aus dem Paradeplatze und ließ nach einem Generalmarsch bei fliegender Fahne seinen Brief an Herrn de Pressens«, begleitet von einer entsprechenden Erläuterung, vorlesen. Aus allen Standorten kommt die Meldung, daß in den Kasernen das „Pet. Journ.", die „Croix", die „Libre Parole" eifrig verbreitet, die Soldaten dagegen, die sich beim Lesen der „Aurore", des „Siecle" oder der „Pet. Rspubl." ertappen lassen, hart bestraft werden. Also Auf lehnung, Zerrüttung, Widersetzlichkeit und Anarchie überall. In dieser Lage übernimmt das neue Ministerium das Staatswesen. Die Lösung der französischen Ministerkrisis ist nach dem Scbeitern des Kabinetts Poincare wieder vollständig ins Ungewisse gerückt. Von Delcasse, der nun zumeist als Ministerpräsident in Betracht kam, heißt es bereits, daß er ein entsprechendes Anerbieten Loubets ablehnen werde. Dagegen soll Waldeck-Rousseau bereit sein, den Auftrag zur Bildung eines Kabinetts anzunehmen und Alles aufzubieten, damit so rasch wie möglich zu Stande zu kommen. Eine interessante Kombination ist ferner über Nacht aufgetaucht: Casimir Perier, der frühere Präsident der Republik, soll Kriegsminister werden! Ob dieser Pla» verwirklicht wird, erscheint freilich noch sehr zweifelhaft. Es wird darüber gemeldet: Paris, 17. Juni. Am 17. Juli, dem Montag nach der großen Revue von Lonchamps, soll in dem 500 Personen fassenden, gut ventilirten, mit dem Gefängniß durch einen Korridor verbundenen Proviantsaale zu Rennes der Dreyfusprozeß beginnen. Der Präsident sowie die sechs übrigen Kriegsrichter sind gleich Dreyfus ehemalige Polytechniker. Die Dauer des Prozesses hängt von der Entscheidung prinzipieller Vorfragen ab, welche zur Kompetenz des künftigen Kriegs ministers gehört. Casimir Perier wird geradezu bestürmt, dies Portefeuille zu übernehmen. Als ehemaliger Offizier, der sich im Kriege ausgezeichnet, hätte er, so meinen die Erfinder dieser Kandi datur, abgesehen von seiner politischen Vergangenheit, genügende Autorität, eine Aera der strammen Disziplin vorzubereiten, welch: mit theilweiser Amnestie für die Vergangenheit vereinbar erscheint. Verlockend mag Casimir Perier die Aussicht sein, endlich Alles zu erfahren, was man dem Staatschef 1894 sorglich verbarg. In der Antirevisionspresse erregt die Möglichkeit des Eintritts von Casimir Perier in eine Kombination Waldeck-Rousseau Be stürzung. Dieser würde das Innere übernehmen, Senator Monis Justiz, Senator Renault-Morliere, welcher die Absetzung der Kriminalkammer energisch bekämpfte, würde ebenfalls ein Porte feuille erhalten, Delcasse, Guillain, Leygues und Mougeot könnten auf ihren Posten bleiben. An der serbisch-türkischen Grenze hat sich ein förm licher Krieg ohne Kriegserklärung herausgebildet, worüber folgende zum Theil sich widersprechende Drahtungen eingelaufen sind: Belgrad, 17. Juni. Westlich von Medvrtsch haben reguläre türkische Truppen ebenfalls die Grenze überschritten, Karonla und Ropaschitza eingenommen und verbrannt. Die Türken stehen in dichten Massen von Mutivoda über Ropaschitza hinaus bis Gorischte auf serbischem Gebiete. Die Regierung ertheilte allen Truppenkommandanten an der Grenze den Befehl, die türkischen Angriffe entschieden abznwehren, in keinem Falle aber türkisches Gebiet zu betreten. Belgrad, 17. Juni. Der Regierung zngegangene Nach richten besagen, die Unruhen an der Grenze, die man nach der bei der Annäherung der serbischen Truppen am 14. d. erfolgten überstürzten Zurückziehung der Angreifer für beendigt hielt, hätten sich in der Nacht vom 14. d. zum 15. d. mit größerer Heftigkeit wiederholt. Zahlreiche reguläre türkische Truppen und albanesische Banden hätten neuerdings die Grenzlinie an anderen Punkten verletzt und am Tage darauf den serbischen Posten Propachtitza angegriffen, geplündert und in Brand gesteckt. Hierauf hätten sie mehrere strategisch wichtige Positionen besetzt. Gegenwärtig sollen ernste Kämpfe in der Umgebung des Wachcorps von Braina und Gubartzi im Gange sein. »Budapest, 17. Juni. Dem „Pest. Lloyd" meldet man aus Belgrad: Die regulären türkischen Truppen im Vereine mit den Arnauten haben den Angriff auf die serbische Grenze wiederholt. Der Kampf längs der ganzen Grenzlinie im Jablaniczaer Be zirke dauert schon seit gestern Mittag. Auch das an die Grenze abgesendete dritte serbische Bataillon hat das Feuer begonnen; es verlautet, Serbien mobilisire schleunigst die Divisionen Schu- madija und Morava. Konstantinopel, 17. Juni. Amtliche türkische Kreise erklären, die Vorfälle an der serbischen Grenze seien von türkischer Seite nicht provozirt worden; sie seien dadurch entstanden, daß serbische Soldaten auf türkische Soldaten des Blockhauses in Prohnik schossen, welche von einem nahe gelegenen anderen Blockhause Wasser holten. Als Gendarmen hierauf die Gewehre der Er schossenen holen wollten, sei ein Angriff von den Serben erfolgt. Bereinigte Staaten. Vom 15. d. M. wird aus Manila gemeldet: Die Filipinos sind jetzt Herren des ganzen inneren Landes um die Laguna de Bay bis vor Cavite und unter die Mauern von Manila. Sämmtliche von General Lawton besetzte Plätze zwischen dem Pasigfluffe und Taytai bis nach Altcavite hinunter sind von den Amerikanern geräumt worden. Sumpf- und Typhusfieber räumen immer furchtbarer unter den nördlich bei San Fernando stehenden Brigaden und. unter den in Manila selbst stehenden Truppen auf. Detailberichte darüber werden von der Censur angehalten. Die Fortsetzung des Feldzuges gilt für die nächsten vier Mmate als vollständig unmöglich, und heute verlautet, General Otis habe die Zusammenziehung sämmtlicher Truppen nach Manila ange ordnet. Kriegssekretär Alger telegraphirte, 17000 Mann würden am 22. Juni von San Francisco nach Manila abgehen und weitere 15 000 folgen, sobald Transportdampfer zur Verfügung ständen. Diese neuen Truppen wären aber in der Regenzeit erst recht bloßes Futter für die herrschenden Seuchen. Ueber die Verhältnisse auf Samoa kurz vor und nach Ein treffen der Kommission sind jetzt briefliche Nachrichten aus Apia eingetrofsen, die naturgemäß nur noch wenig Interesse bieten; wir thcilen daraus das Folgende mit: „Ein Theil der Tanukrieger haust in entsetzlicher Weise rund um Apia und in dem ganzen von der Mataafa-Partei geräumten Terrain. Ueberall werden Befestigungen errichtet, kein Haus, kein Baum, kein Strauch wird geschont. Sie sind zu faul, die Kokospalme zu erklettern, um die Nüsse herunterzuholen, und darum werden die Palmen mit der Axt gefällt und quer über den Wegen liegen gelassen, allen Wagenverkehr unmöglich machend. Was der Axt widersteht, wird durch Feuer vernichtet. Während Mataafa aus Mitleid für seine Landsleute alle Anpflanzungen und Fruchtbäume nach Möglichkeit geschont hat, verwüsten die Tanu-Leute dauernd alles, was ihnen und ihren Stammesgenossen für Jahre hindurch Lebensunterhalt verschaffen könnte. Aber nicht genug damit. Alle Häuser in der Umgebung von Apia, aus denen die Weißen durch das Bombardement vertrieben wurden, und welche bis vor Kurzem zwar auch von den Mataafa-Leuten in Besitz genommen und dadurch schwerlich verbessert, aber immer hin vor der Zerstörung bewahrt worden waren, werden jetzt von den Tanu-Leuten in jeder nur denkbaren Weise dauernd un branchbar gemacht. Die den Häusern als Dächer dienenden Eisenplatten werden heruntergerissen und weggeschleppt, Fenster gerüste und Thüren ausgebrochen und als Feuerholz verwendet, Wassertanks durch Anbohren dauernd unbrauchbar gemacht. Die Folge davon ist, daß der größte Theil der Deutschen, welche ihre Häuser und Grundstücke verlassen mußten, auch bis jetzt nicht dahin zurückkehren konnte. Ueber 30 ansässige Deutsche mußten flüchten: nur sieben von diesen haben bis jetzt in ihre Häuser zurückkehren können. Schlimmer daran sind die außerhalb Apias wohnhaft gewesenen Deutschen, sie haben nicht nur alles verloren, was sie hatten, sondern auch nicht die Mittel, ihre mehr oder weniger zerstörten Häuser wieder wohnbar zu machen oder neu zu bauen, ja auch die Anpflanzungen auf ihren Grundstücken, aus denen sie zum Theil ihren Lebensunterhalt deckten, sind zer stört nnd für lange Zeit ertraglos. Im deutschen Konsulat ist bis jetzt nur ein Theil der erlittenen Schäden an Mobiliar in Höhe von ungefähr 80000 Mark angemeldet. Dagegen ist von der deutschen Handels- und Plantagen-Gesellschaft von dem auf ihren Pflanzungen und Stationen bis jetzt entstandenen Schaden dem Konsulat noch keine Mittheilung gemacht. Derselbe ist jedoch bis jetzt ans über 1 Million Mark zu schätzen; was noch hinzu kommen wird, ist vor der Hand nicht zu übersehen. Am 3. d. M. traf der neue Vorsitzende des Munizipalraths von Apia vr. Solf in Apia ein. Es ist geradezu unbegreiflich, daß dessen Abreise von San Francisco nicht verschoben worden war bis zur Abreise der Kommissare. So traf er zehn Tage vor den Letzteren mit Instruktionen hier ein, die der jetzigen Sachlage gar nicht entsprachen. Es gelang jedoch vr. Solf, den Antritt seiner Stellung bis zur Ankunft der Kommissare hinauszuschieben. Die Letzteren trafen am 13. d. M. mit dem amerikanischen Hilfs kriegsdampfer „Badger" hier ein. Bereits wenige Stunden nach Ankunft machten alle drei Kommissare gemeinsam auf allen Kriegsschiffen im Hafen Besuch und wurden von denselben mit 15 Schuß salutirt. Kaum war der „Badger" mit der Kommission an Bord im Hafen vor Anker gegangen, als Konsul Maxse an der Spitze von mehreren hundert Tanu-Kriegern, auf das Herrlichste herausgeputzt, durch die ganze Stadt marschirte und diese Truppe als Ehren-Bataillon an der Landungsbrücke und auf der Straße zum Empfang der Kommissare aufstellte. Soweit der Bericht. Inzwischen sind Konsul Maxse, Admiral Kautz und der „König" Malietoa-Tanu von der Bildfläche ver-
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