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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 04.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189906045
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990604
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990604
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-06
- Tag 1899-06-04
-
Monat
1899-06
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 04.06.1899
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197. Arelderger Anzeiger ««d Tageblatt. Sekte 3. — 4. Juni wurde ihm zuerst gesagt, waS nach Dreyfus' (als selbstverständlich betrachteten) Freisprechung zu geschehen habe, sei im einzelnen, weil verfrüht, noch nicht erörtert worden, daß aber prinzipiell und dem Vorkommen nach gar kein Zweifel darüber bestehen könne, daß er ohne weiteres und sofort Rang, Würden und sämmtliche Kechte in der Armee wiedererhalte. „Natürlich", fügte der be treffende Beamte deS Justizministeriums hinzu, „gebe ich Ihnen nur meine persönliche Meinung, wenn ich binzusüge, daß der Fall DreyfuS ein ganz verschiedener von all oenjenigen ist, mit denen wir bisher zu thun hatten. Es ist ein Ausnahmesall in jeder Hinsicht. Mir scheint, daß DreyfuS selbst nach seiner Wiedereinsetzung, kaum geneigt sein wird, im Heere weiterzudienen. Aber daS ist lediglich Privatkonjektur von mir." — Im Kriegs ministerium antwortete man: „Zweifellos wird Dreyfus, sobald seine Freisprechung erfolgt, nicht nur zur Wiedereinsetzung in seinen Rang in der Armee, sondern auch zur Forderung seines rückständigen Soldes und vollster Entschädigung berechtigt sein, daS ist feststehende Regel, die für ihn ebenso gilt, wie für jeden anderen. Die einfache Thatsache schon, daß er von einem ersten Kriegsgericht verurtheilt, von einem zweiten freigesprochen, giebt ihm alle früheren Rechte wieder, nur daß er gleichzeitig vollen Anspruch auf Entschädigung in jeder Beziehung erlangt. Der frühere italienische Militärbevollmächtigte in Paris, Oberst Panizzardi, erklärte dem römischen Korrespondenten der „Daily Mail", daß er jetzt, wo er nicht mehr zu schweigen brauche, sagen könne, daß man seit langer Zeit aus der italienischen Botschaft in Paris wußte, daß Esterhazy daS Bordereau geschrieben habe. Türket. Ein Prozeß gegen den Apostel Paulus. DaS Athener Blatt „Asty" erzählt folgende kuriose Geschichte: Eine griechische Wohlthätigkeitsgesellschaft in Konstantinopel veranstaltete jüngst eine Kollekte; in dem an die griechische Kolonie gerichteten Ausruf fand sich ein passendes Citat auS dem Briese des Apostels PauluS an die Galater. Einige Tage, nachdem der Ausruf er schienen war, kam zu dem Besitzer der Druckerei, die das „Doku ment" gedruckt hatte, ein türkischer Polizeimann und fragte nach der Adresse eines „gewissen Paulus", der an die Bewohner von . . . Galata (Vorstadt von Konstantinopel) umstürzlerische Worte gerichtet habe. Der Drucker, der bei der Geschichte kaum ernst bleiben konnte, erwiderte, daß besagter Paulus schon seit 18 Jahr hunderten todt sei. Das nahm der Polizist aber sehr krumm, weil er der Meinung war, daß man sich über ihn lustig mache. Der kecke Drucker, der sich weigerte, die Adresse des Apostels an zugeben, wurde einfach eingesperrt, und es bedurfte erst der Intervention deS griechischen Patriarchen, um die türkische Polizei zu veranlassen, ihren Gefangenen wieder freizugeben. Kreta. Ueber die erfolgrlose Mission des Obercommiffars Prinzen Georg auf seiner Reise durch die von ihm verwaltete Insel, wo er sich vergeblich bemühte, die Christen und Mohame- daner miteinander auSzusöhnen, wird auS der Stadt Candia ge schrieben: Der Prinz, welcher sich hier drei Tage aufhielt, hatte seinen ganzen persönlichen Einfluß angewandt, um der immer mehr überhand nehmenden Auswanderung der Muselmanen ein Ziel zu setzen, bei jeder Gelegenheit waren einflußreiche Beys hinzugezogen, aber alles dies war umsonst und die Massen-Aus wanderung dauert fort. — Trotz "H?r gegebenen Garantien fürchten die Muselmanen für ihre Sicherheit, die Christen zeigten während der Tage, wo der Prinz hier weilte, daß sie ihren Hast gegen die Muselmanen noch nicht überwunden haben. Allgemein beklagen sich die Letzteren über die Haltung der Christen, welche vor ihnen ausspuckten, einen Muselmanen zwingen wollten, in ihr Geschrei miteinzustimmen, und die rohesten Reden gegen die Türkei und den türkischen Glauben hielten. Nach August, das heißt, sobald die Ernten eingeheimst sind, dürfte es keinen Musel manen mehr hier geben, allwöchentlich schiffen sich 500—600 nach der Türkei ein, bis jetzt sollen bereits mehr als 10000 Musel manen, also ungefähr die Hälfte aller hier ansässigen, fortge wandert sein. Durch diese Massenauswanderungen wird Candia nicht nur noch mehr entvölkert, als wie es bereits durch die fort dauernden Kriege geschah, sondern die bereits herrschende Armuth wird noch mehr verschärft, indem die Auswanderer ihre gesammten Besitzthümer verlausen und das Land vollständig von Geld ent blößen. — Daß der Handel schwer unter diesen Zuständen zu leiden hat, braucht nicht erst gesagt zu werden, und selbst die Christen schrecken vor dieser Massenauswanderung zurück, da der Produktenhandel größtentheils in Händen türkischer Kaufleute liegt, die bei Weitem kaufkräftiger als die Christen sind, und werden es Letztere noch bitter zu büßen haben, daß sie nicht mehr dazu beigetragen haben, der türkischen Auswanderung Einhalt zu thun. Bereinigte Staaten. „Lassans Bür." meldet aus Manila: Die Philippiner besetzten am 31. Mai wieder ihre alten Stellungen rings um San Fernando und behelligten die amerikanischen Vorposten. General Otis drahtete an den Kriegsminister in Washington, er sei immer noch der Meinung, daß 30000 Mann zur wirksamen Beherrschung der Philippinen erforderlich seien. Oertliches und Sächsisches. Freiberg, den 3. Juni. — Prinz Georg unv Prinzessin Mathilde haben sich gestern Nachmittag zum Besuche des Königs nnd der Königin ! nach Sibyllenort begeben. > — Die Staatsbahnverwaltung läßt in der Einrichtung i der Monatskarten eine Neuerung eintreten, die in weiteren i Kreifen Anklang finden wird. Wie bekannt, werden solche Karten : auf die Dauer eines Kalendermonates verabfolgt. Versuchsweise gesellschaftlichen Beziehungen, welche ehedem in die exclusivsten SalonS "es Adelsviertels reichten. Nach den vorgestrigen Ausführungen Ballot-BeaupreeS verstand du Paty de ClamS Anwalt Menard, daß sein Klient kaum 48 Stunden zum Cherchemidi „Gefängniß" habe und rieth ihm daher, das Prävenire zu spielen und vom Justizminister brieflich einen „Richter zu verlangen". DieS ge schah; gleichwohl stellte sich du Paty de Clam hocherstaunt beim Besuche des Republicgarde-Capitäns, welcher nicht gekommen war, ihn zum Minister, sondern direkt ins Gefängniß zu führen. Unterwegs fragte du Paty de Clam genau wie seiner Zeit DreyfuS: „Wissen Sie vielleicht, was man mir vorzuwerfen hat?" Die Affaire du Paty de Clams wird, da im Kassationshof eine Enquete über daS ganze Material ausgearbeitet ist, rasch beendet sein, jedenfalls vor dem neuen Kriegsgericht gegen Dreyfus, das nicht vor August zu erwarten ist. Uebermorgen soll ein Kriegs schiff von Brest nach Cayenne abgehen, um Dreyfus abzuholen. Dieses Schiff kann frühestens Mitte Juli in Brest zurück sein. Man glaubt heute, in Rennes werde das Kriegsgericht zusammen- treten. Die Neuaufnahme des Zolaprozesses steht gleichfalls be vor. ZolaS Ankunft in Paris ist signalisirt. Ueber DreyfuS' zukünftige Stellung in der Armee hat der Korrespondent deS Daily Telegraph eine Reihe Be sprechungen mit den höchsten Beamten des Justiz- und Kriegs- ministeriumS gehabt, und giebt jetzt deren Ergebniß wieder: Es eines sozialdemokratischen Gewerkschaftshauses in Berlin: „So'ne Ochsiengesellschast! (Zuruf: Schluß!) Wer da Schluß gerufen hat, ist gewiß nicht in unserer Form organisirt? (Zuruf: Ja!) Na, denn war er vielleicht früher mal ein Lump!" — Der nächste Redner nahm sich einen Führer der Gewerkschaft vor und nannte ihn einen „abgefeimten, gemeinen Lügner und Verleumder, der nur Verdächtigungen ans Tageslicht streut. Er mag mich ver klagen! Ich werde Alles beweisen!" — In diesem Tone ging eS den ganzen Abend — eine drastische Illustration zu den sozialdemokratischen Phrasen von „Gleichheit, Freiheit, Brüderlich- Englanv. Parlamentarier, die nie im Parlament waren, sind in England eine nicht so ungewöhnliche Erscheinung. In den letzten zwanzig Jahren sind drei Mitglieder des Unter hauses gestorben, ohne jemals ihre Sitze eingenommen zu haben. ES sind dreS I. S. Wright, Sir George Harrison unv Sir Naylor Seyland. Sir Erkine May und Sir F. Leigton starben, ohne je das Oberhaus betreten zu haben. Frankreich. Heute erst durfte daS Erkenntniß des Pariser Kassationshofes verkündet werden und noch ein paar Wochen verstreichen, ehe das zweite Dreyfus-Kriegsgericht seines Amtes walten kann, allein schon ist der Beginn des Strafgerichts über die Fälscherbande im Generalstab zu verzeichnen; wie ein Draht bericht aus Paris meldete, ist vorgestern Abend Du Paty de Clam verhaftet und durch einen Offizier der republikanischen Garde in das Gefängniß Cherche Midi gebracht worden. Der Kapitän war im Lause des Nachmittags zweimal vergeblich in Patys Wohnung gewesen, erst beim dritten Male traf er ihn an und verhaftete ihn. PatyS Fragen nach dem Grunde der Ver haftung beantwortete der Kapitän damit, daß er sagte, er habe Befehl erhalten, nicht die geringsten Erklärungen über denselben abzugeben. Die Veranlassung zu Patys Verhaftung soll ein Brief sein, den dieser durch Vermittelung Zurlindens an den Kriegsminister richtete, und in welchem er sich beklagt, daß Ballot- Beauprö, Manau und Mornard auf Grund der Aussagen des Kapitäns Cuignet ihn mißhandelt hätten. Der Brief schließt: „Ich ersuchte Ihre Vorgänger wiederholt, mir, gegenüber diesen Anklagen, Gelegenheit zur Vertheidigung zu geben oder mich vor Gericht zu stellen. Diese Bitte ist mein gutes Recht, ich verlange meine Richter." Jetzt hat er ja seinen Willen; aber aus dem Gefängniß dürfte er so bald nicht wieder herauskommen. Es wird hierzu gemeldet: Der Gouverneur Zurlinden, welcher gestern Nachmittag zu Dupuy beschicken war, verbürgte sich, daß die antirepublikanischen Elemente des Militärcasinos ohne Einfluß seien. Kurz nach dieser Unterredung wurde die Verhaftung du Paty de Clams vorgenommen, welche Niemand überraschte, weder im Militärkasino noch außerhalb, du Paty d« Clam war seit Wochen von aller Welt gemieden. Briefe, welche er an frühere Gönner richtete, gelangten uneröffnet zurück in seine Wohnung, Avenue Bousquet 97. Diesem Boycott schloß sich selbst General Mercier an, dessen Ordres seinerzeit du Paty de Clam angeblich aussührte. Madame du Paty de Clam steht seit ih«m Verkehr mit Esterhazys Geliebter Pays außerhalb der xine Berurtheilung. Sehr günstig steht auch Marienwerder in Anbetracht der Freisprechungen. Es hat 16 Anklagen und nur 7 Verurtheilungen. München hat bei 1,6 Millionen Einwohnern ;12 Anklagen und 7 Verurtheilungen, Celle bei 2,6 Millionen lEinwohnern 24 Anklagen und 15 Verurtheilungen. DaS Königreich Sachsen hat verhältnißmäßig wenig An klagen, nämlich 18; aber nur ein einziger der wegen MajestätS- beleidigung Angeklagten kam mit Freisprechung davon. Von den Verurtheilungen lauteten 16 auf 2 und mehr Jahre, 36 auf 1 IbiS 2 Jahre und 259 auf 3 bis 12 Monate; die übrige» auf 'geringere Strafen. Ein Streikcomits hatte verschiedenen Meistern einen Lohntarif 'zur Genehmigung vorgelegt mit der Erklärung, daß anderweitige Maßregeln ergriffen werden würden, wenn der Lohntarif nicht gebilligt werde. Die Mitglieder des Streikcomitös wurden infolge dessen wegen Erpressung verurtheilt. Die dagegen eingelegte Revision ist vom Reichsgerichte zurückgewiesen worden. Der s. Z. in die „SimplicissimuS"-Affäre verwickelte, wegen 'Majestätsbeleidigung verfolgte und flüchtig gewordene Franklin Wedekind hat sich gestern Abend, direkt aus Paris kommend, der Leipziger Polizeibehörde freiwillig gestellt. „Genossen" unter sich! Die Maurercentral- wrganisation (Sitz in Hamburg) hatte wieder einmal die Berliner Lokalorganisation der Maurer angeblich zu Unrecht an- .geschwärzt und ihre Führer, wie behauptet wird, verleumdet. Darauf wurde ihr gestern in einer sozialdemokratischen Versamm lung von den Berlinern sehr kräftig geantwortet. Besonders böse kamen die Gewerkschaftsführer weg. Etwa ein halbes Dutzend hervorragender „Genoffen" wurde schlankweg als „ge- swrine Lügner" bezeichnet. Der Vorsitzende der Maurerlohn kommission, Kater, entwickelte in langem Vortrag die Angelegen heit, welche die Geister so erhitzte. Der große Verband treibe ischändliche Maulwurfsarbeit gegen die Berliner Lokalorganisation. In letzter Zeit fange er wieder an, mit Gewaltmitteln zu ar beiten. (Sehr richtig!) „Die Verbändler bringen es fertig, sechzigjährige Männer von den Bauten wegzugraulen und brotlos zu machen, wenn sie nicht in den Verband gehen wollen. In der Gasanstalt in Martinickenfelde ist es ebenfalls an einem armen Kollegen versucht worden. (Pfui!) Genoffen, so handelt man! Und wir beschweren unS doch, wenn uns der Staat zu waS zwingt! Wir haben noch nie den auswärtigen Genoffen die Solidarität gekündigt. (Beifall.) Wir haben vom 30. Januar biS heute schon über 15125 Mark, meist Streikunterstützungen, gegeben! (Hört, hört!) Ist denn das noch nicht genug?" (Stürmischer Beifall.) In der Besprechung erzählte ein Redner: „Genoffen, man hat die Leute besoffen gemacht, damit sie dann iu den Verband rin gehen. Wir geben immer daS Geld für die Herren an der Spitze, und die mästen sich davon. Und wnu behandeln sie unS noch so? Genoffen, ich, sage: Pfui Deibel!" (Pfui!) — Ein Redner erzählt, daß ihn die Verbändler auf dem Bau „mal rankriegen" wollten. Da er aber von Anderen in Schutz genommen wurdet riefen die Verbändler: '„Na, denn wickelt Euch mal diesen Strolch in Watte!" (Stürmische Pfuirufe.) Die Berliner „Genoffen" bauen sich jetzt ein Gewerk- schaftShaus. Sie haben zur Aufrechterhaltung der Ordnung einen Genossen angestellt, der als „Nachtwächter in 'n Hellen Sommer überzieher mit 'n Knüppel in de Hand" bezeichnet wurde. Ein Maurer sagte von diesem „Nachtwächter": „Mit „frecherHund" und „frecher Patron" hat er mir angeredet! (Pfui!) Und so WaS nennt sich noch sozialdemokratischer BezirkSsührer?" — Ein anderer „Genosse" erklärte: „DaS sozialdemokratische Gewerk- schastShauS soll ein Modell- (d. h. Muster- Bau sein? Nich in de Hand! Jcnoffen, ick sage Euch: Klamotten so groß wie mein Hut!" (Große Heiterkeit.) Ein weiterer Redner rief auS: „Wir wollen unsere Freiheit behalten und nicht in die Centralorganisation gehen, wo bloß ein paar gutbezahlte Generale herrschen und wo unsereins die Schnauze halten muß." (Beifall) — Ein Maurer M. schimpfte auf die Aktiengesellschaft zur Erbauung sollen nun im sächsischen Bahnbereiche auch sogenannte Ferien* karten ausgegeben werden, die vom 14. Juli bis einschließlich 18. August d. I. benutzbar sind und für die im Uebrigen die Tarifbestimmungen über Monatskarten und MonatS-Nebenkarten gelten. Diese Ferienkarten können in der Zeit vom 14. bis 31. Juli 1899 gelöst werden. — Gelegentlich der Feier des 50 jährigen Bestehens d«S Landwirthschaftlichen Kreisvereins Dresden hielt StaatSminister v. Metzsch eine Ansprache, in welcher er sich in bemerkenSwerther Weise über Vie Lage ver Landwirthschaft und die Stellung der sächsischen Regierung zu ihr äußerte Der Minister führte u. A. aus: „Wenn wir daS letzte Jahrzehnt im Landwirthschaftsleben ins Auge fasten, so müssen wir bekennen, daß unsere Landwirthschaft eine Zeit der Noth, böse Tage zu verzeichnen hat und daß diese Zeit noch nicht ganz überwunden ist. Seien Sie versichert, daß die Regierung den Ernst der Situation völlig würdigt und aus der Sachlage die Konsequenz zu ziehen weiß, die Konsequenz der Tbeilnahme und der Hilfe m ihrer Nothlage. Die Regierung ist sich zu gut bewußt, daß der vornehmste Produktionsstand, die Landwirthschaft, einer voll ständigen Gesundung bedarf, und die Regierung ist sich ihrer Pflicht bewußt, alle Produktivstände zu stützen, die Industrie, das Gewerbe ebenso wie die Landwirthschaft zu heben und zu stärken, wo sie nur kann. Gewerbe und Industrie können nicht gedeihen, wenn nicht eine kaufkräftige Landwirthschaft besteht. Die Aufgabe der Regierung ist, an die;em Punkte einzusetzen und der Landwirthschaft zu helfen, wo sie nur kann, und diese Hilfe sichert ihnen die Regierung auch für die weitere Zukunft zu. Wir wollen der Zukunft mit Zuversicht entgegengehen. Verzage» Sie nicht! Die Landwirthschaft wird blelben, was sie war und was sie ist: eine Schätzerin, Pflegerin, Ernährerin deS Volkes!" — Stadtverordneteusitzung, 2. Juni. Den Vorsitz führt Herr Stadtverordnetenvorsteher Täschner. — Eingegangen sind Berichte über Kastenrevisionen. — Dem Rathsbeschluß, be treffend den Ankauf der Bürgerfeldparzelle Nr. 1988 um 17 Mark pro Ar, sowie dem Vertrag mit Herrn Kaufmann' Valentin in Friedeburg über Zuleitung von Brauchwasser wird einstimmig und debattelos beigetreten. — Sodann gelangen 7 Berichte deS VerfastungsausschusteS zur Berathung, die bis auf den letzten Gegenstand glatt zur Erledigung kommen. Ein stimmig und debatteloS werden angenommen s) der Vertrag mit der Generaldirektion der Kgl. Sächs. StaatSbahnen über Einführung der Saubachwäster in die Kanalisation der Olbern hauerstraße (Berichterstatter: Herr Vizevorsteher Seim), b) der Vertrag mit Herrn Restaurateur Beck über Arealabtretung zur Verbreiterung der Gerbergaffe (Berichterstatter: Herr Vizevor steher Merbach), o) der Rathsbeschluß wegen Annahme deS Vermächtnisses des verstorbenen Frl. Zier (Berichterstatter: Herr St.-B. Bretschneider), ä) der Rathsbeschluß bezüglich An nahme der Stiftung der aufgelösten Tuchmacher-Innung (Be richterstatter: Herr St.-V. Blüher). Das Vermögen der Tuch macher-Innung, die für den 30. Juni ihre Auflösung be schlosten hat, beträgt 2880 Mark 50 Pfg. Die Zinsen dieses Kapitals sind zunächst zur Unterstützung von Lehrlingen von Tuchmachern oder Tuchhändlern FreibergS bestimmt, welche die gewerbliche Fortbildungsschule besuchen. Kann die Verwendung in diesem Sinne nicht erfolgen, so fällt das Vermögen an das Hospital, s) Auch die bereits aufgelöste Seifensieder-Innung hat ihr Vermögen im Betrage von 1582 Mark 52 Pfg. als Stiftung der Stadt zugewiesen und der Rath die Annahme der Stiftung beschlossen. Der Verfastungsausschuß (Berichterstatter: Herr St.-B. Blüher) schlägt jedoch vor, den hierzu vorliegenden .Beschluß deS RatheS auS formalen Gründen abzulehnen, sich ledoch im Prinzip mit der Annahme der Stiftung ebenfalls einverstanden zu erklären. Dieses Gutachten des Ausschusses wird einstimmig und debattelos zum Beschluß erhoben, k) Dem Rathsbeschluß, betreffend den Vertrag mit den Herren Gebr. Heberlein über Arealaustausch (Berichterstatter: Herr Vizevor steher Merbach) tritt daS Kollegium nach einigen sachlichen Er wägungen einstimmig bei. An der Debatte betheiligten sich die Herren Vizevorsteher Seim, St.-B. Ingenieur FuchS, Zemmrich, Fischer, Bretschneider, Bürgermeister vr. Schroeder, St.-B. Blüher, Vorsteher Täschner, Vizevorsteher Merbach. Z) Der Rath hat beschlossen, dem Verein für Kleinkinder bewahranstalten seinem Gesuche gemäß die städtischen Steuern, die dieser in seiner Eigenschaft als Grundbesitzer zu zahlen hätte, für die nächsten 5 Jahre zu erlassen. Dem Gutachten des Verfassungsausschusies (Berichterstatter: Herr Vizevorsteher Merbach) gemäß, stimmt das Kollegium dem Rathsbeschluß ein stimmig und debattelos zu. — Im Auftrage des Rechnungs- Ausschusses berichtet Herr St.-V. Wächtler alsdann über Rechnungen der kleinen Stiftungen auf das Jahr 1896. Nach der statistischen Aufstellung des Herrn Referenten beziffert sich das Stiftungsvermögen der Stadt auf 3957000 Mark. Die Rechnungen werden einstimmig und debattelos richtig gesprochen. — ES folgen weiter Berichte des Finanzausschusses. Zunächst berichtet Herr St.-B. Blüher im Auftrag der Mehrheit deS Finanzausschusses über einen anderweiten Beschluß des Rathes in der Angelegenheit der Herstellung des Fußweges und der Fahrbahn auf der Schillerstraße und zwar auf dem Trakte gegenüber dem Brauhof. Der Rath hatte ans den früher entwickelten und in der letzten Stadtverordneten-Sitzung vom 19. Mai d. I. aus führlich vorgetragenen Gründen, denen bereits damals die Mehrheit des Finanzausschusses des Stadtverordneten-Kollegiums beigetreten war, in seiner Plenarsitzung vom 24. Mai 1899 beschlossen, die Bäume an der Brauhofseite bis auf den obersten und den untersten zu beseitigen, die erforderlichen Mittel von 174 Mark zur Anpflanzung neuer Bäume zu verwilligen und die ohnehin für die nächsten Jahre bevorstehende Fahrbahn herstellung mit einem Aufwande von anschlagsgemäß 4300 Mark bereits im laufenden Jahre vorzunehmen. Dieser Beschluß des Raths liegt nunmehr dem Kollegium vor. Der Herr Bericht erstatter hebt hervor, daß sich bei der anderweiten Berathung der Sache auch der Rath in eine Mehr- und Minderheit ge spalten habe. Die Mehrheit des Finanzausschusses vom dies seitigen Kollegium empfiehlt die Annahme der Rathsvorkage. Namens der Minderheit des Finanzausschusses bittet Herr St.-V. Or. Schellhorn die Rathsvorlage abzulehnen. Die Niederdrückung der Straße erscheine nicht nothwendig; die Bäume sollten erhalten bleiben. In dem Beschlusse des Rathes, sowie in den beiden Gutachten des Finanzausschusses werden neue Gesichtspunkte zu dem Gegenstände nicht geltend gemacht,
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