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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 02.06.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189906021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990602
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-06
- Tag 1899-06-02
-
Monat
1899-06
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 02.06.1899
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Anlage zum Areiberger Anzeiger und Hageölaü. 18SS. .S 125 Freitag, den 2. Anni. (14. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) >ie nur alle her? Mädchenpensionat Ich stecke doch auch mitten drinnen und ein giebt, von denen sich auch manches erzählen läßt." „Eine so heitere Lebensauffassung hätte ich Ihnen vor einer Viertelstunde gar nicht zugetraut," bemerkte Treuberg, nicht sehr erfreut über diese Kritik. „Und diese Mädchen und Frauen!" fuhr Barbara, ohne auf ihn zu hören, fort. „Wo kennen Sie denn die nur alle her? Alt Sonne. Roman von Anton v. Perfall-Schliersee. ist bei Gerhcim gerade auch nicht, aber dieses Pack, das diese Herren uns da immer auftischen, das greift unsereins nicht mit der Feuerzange an. — Das liebelt und lumpt alles zusammen, daß es eine Schande ist und wir müssen cs uns auch gefallen lassen, so an den Pranger gestellt zu werden, weil die Herren, weiß Gott auf welcher Hintertreppe, in welch' sauberer Gesell schaft solche Erfahrungen machen. — Das ist dann das Weib! Ich danke!" (Fortsetzung folgt.) „DaS wäre freilich schön", erwiderte sie dann, „aber sehen Sie — ich bin ja am Ende ein ungebildetes Mädchen — aber aus dem Volke bin ich ja, für das Sie schreiben wollen — und nun muß ich Ihnen offen sagen, die Wahrheiten, die ich da oft zu lesen bekomme, die — die — will das Volk gar nicht und wird es nie wollen." „Welche Wahrheiten meinen Sie damit?" fragte Treuberg. „Nun, diese täglichen Wahrheiten, die sich gar nicht bestreiten lassen. Diese kahlen, kalten Zimmer der Armuth, dieses ewige Regenwetter, diese Schimpfworte, diese ständigen Trunkenbolde und Dirnen, diese garstigen Skandalgeschichten. — Das ist ja alles wahr, gewiß! Aber gerade wir Leute aus dem Volke wollen das nicht." „Ich verstehe Sie ganz gut", erwiderte Treuberg. „Sie wollen Unterhaltung, romantische Liebespaare, die sich natürlich am Schlüsse immer kriegen, prickelnde Schilderung des Reich thums, des Lebensgenusses. — O, ich hätte Ihnen reichlich damit aufwarten können. Aber das ist ja eben der Jrrthum, Fräulein Barbara. Wir sollen nicht unterhalten, sondern belehren, auf klären, bessern. Das ist unsere Mission!" „Gut — soll sie sein!" erwiderte Barbara, ohne auf den Spott ihres Nachbars weiter einzugehen. „Aber, mein lieber Herr, daß müssen Sie doch begreifen. Wenn Sie all' das wollen, das Volk belehren, bessern, dann müssen Sie es doch vor allem unterhalten, sonst kommen Sie ja nicht so weit, weil das Volk Sie gar nicht liest. Wenn Sie das nicht vereinigen können, hilft Ihnen das alles nichts, und warum können Sie es nicht ver einigen? In das kahlste Zimmer fällt ein Sonnenschein. Daß nicht eben so oft die Sonne scheint als es regnet, nicht eben so oft Frühjahr ist als Winter, können Sie auch nicht leugnen; ebensowenig, daß es unter uns noch recht anständige Menschen Lebensweise, hilflos, jedes Sinnes für Ordnung und Reinlichkeit bar und einer Erziehung unzugänglich, ferner die Idioten mittleren und höheren Grades, darunter viele Mikrocephalen, CretinS, Epileptiker, teilweise Gelähmte und Idioten von Geburt an, bei denen eine Besserung und Erziehung nur in höchst geringem Grade möglich ist. Als zweite Gruppe wird die „Oligophrenie" oder die Schwachsinnigkeit hingestellt. Hier handelt es sich um eine geschwächte Geistes- bezw. Gehirn-Entwickelung mit gleich zeitiger Schwächung der Ausbildung der Persönlichkeit. Man kann dabei weiter unterscheiden: Schwachsinnige niederen Grades, die keiner Erziehung zugänglich sind, Schwachsinnige mittleren Grades, die theflweise erziehungs- und besserungsfähig sind, drittens Schwachsinnige höheren Grades, ebenfalls theilweise er ziehungs- und besserungsfähig, häufig mit menschenfeindlichen Instinkten, endlich schwachsinnige Kinder, die ebenfalls in gewissem Grade erzogen und gebessert werden können und sich ebenfalls oft durch menschenscheues Wesen auszeichnen. Die dritte Grupp« der Geisteskrankheiten bildet gleichsam einen Uebergang zwischen denjenigen, die sich an dem noch unentwickelten menschlichen Gehirn zeigen, und denen, die bei dem vollentwickelten Gehirn auftreten, die dahin gehörigen Krankheiten werden unter der Bezeichnung „Paraphrenie" zusammengefaßt, innerhalb derer eine milde und eine schwere Form unterschieden wird. Die Paraphrenie im All gemeinen kennzeichnet sich durch Anomalien und Verkehrtheiten in der Entwickelung des Gehirns und damit des geistigen Ver mögens nebst entsprechenden Erscheinungen in der Ausbildung der Persönlichkeit. Die leichte Form äußert sich in Disharmonien der Geistesentwickelung nebst einem schwankenden Jch-Bewußtsein, hierher sind alle sogenannten Grenzsälle zwischen geistiger Gesund heit und Irrsinn zu rechnen, z. B. die Exzentrischen, Mystischen, gewisse Typen von Revolutionisten u. s. w. Die schwere Form der Paraphrenie umfaßt eine weit größere Mannig faltigkeit der Erscheinungen. Da sind zunächst die Menschen mit geistigen Zwangsvorstellungen und unwiderstehlichen Anreizen zum Beispiel die Platzangst, der Zweifelwahnsinn, die Trunksucht, die Stehlsucht u. a., ferner Geistestäuschungen in rudimentärer Form, wie sie sich bei den krankhaft Zanksüchtigen, Verliebten, Eifersüchtigen, Mystisch-Religiösen rc. zeigen, sodann die mit moralischen und geschlechtlichen Verirrungen, zu denen besonders der oftgenannte moralische Wahnsinn und die große Zahl der krankhaften geschlechtlichen Neigungen zählt, dann folgen die verbrecherischen Instinkte, wie sie sich bei den geborenen Ver brechern zeigen; dann die Hallucinationen und systematischen Sinnestäuschungen, kurz die verschiedenen Formen der eigentlichen Verrücktheit, weiterhin die sogenannten cirkulären und periodischen Geistesstörungen, wobei verschiedene Wahnvorstellungen einander in bestimmter Folge abwechseln, dann die schweren Nerven erkrankungen bei der Epilepsie, Hysterie, Hypochondrie, im Veits tanz und ähnlichen Typen, endlich diejenigen Krankheiten, die mit der Entwickelung der Mannbarkeit Zusammenhängen (Jugend- Wahnsinn). Die vierte große Gruppe der Geisteskrankheiten, vielleicht die wichtigste und die am meisten verbreitetste von allen ist die sogenannte „Phrenopathie", bei der Erkrankungen oder, Entartungen im fast voll entwickelten Gehirn und nach einem, scheinbar gesunden Zustande desselben eintreten. Hierzu sind zu rechnen die Melancholie, die eigentliche Manie (die Raserei), der Stumpfsinn, die akute Geistesverwirrung und die Verwirrung aus Geistesschwäche, dann die Geistesstörungen durch Vergiftung: das Delirium trsmoub der Akoholiker, der Säuferwahnsinn, die Gehirnerkrankungen durch Bleivergiftung, der Morphinismus, der Cocainismus, der Ergotismus (Mutterkornvergiftungen durch Genuß schlechten Brotes) und die Pellagra (Vergiftung durch ver dorbenen Mais), ferner geistige Störungen infolge parasitischer' Ansteckung, darunter der Kindbett-Wahnsinn, das akute Delirium und die schweren Delirien infolge von Influenza, Scharlach, akuter Gehirnhautentzündung, tuberkulöser Gehirnhautentzündung rc. Weiterhin die Geistesstörungen infolge besonderer körperlicher Veranlagung, z. B. durch Gicht, Myxödem und möglicherweise auch diejenigen durch Zuckerkrankheit, Syphilis und ähnliche- Krankheiten, fernerhin der Zustand infolge chronischer fort schreitender Gehirnentzündung, dann der chronische Gehirnschwund und der Greisenwahnsinn in mittlerem und hohem Alter, Ge-' hirnkrankheiten durch Verwundung und endlich diejenigen durch' Wucherungen und Blutungen, wozu die verschiedenen Arten von Gehirnerweichungen und Gehirngeschwulsten gehören. In einer fünften Gruppe faßt der englische Forscher unter dem Namen der „Lipophrenie" diejenigen Zustände des Gehirns zusammen, die gewissermaßen das Ende der geistigen Zerrüttung und die. Auflösung des Gehirns bezeichnen und die endliche Folge der vorher angeführten Wahnsinnserkraukungen bilden. * Eine Pferdekur. Eine Kur, die für ihn theure Folgen hat, unternahm vor einigen Tagen ein Herr in Rosenberg bei dem kranken Pferde eines Nachbars. Er behauptete, von der Thierarznei mehr zu verstehen, als drei Thierärzte zusammen und rieth, dem Pferde eine vom Thierarzt verordnete Medizin in die Nüstern zu gießen. Als der Besitzer des Pferdes sich hiergegen sträubte, that er es mit dem Bemerken, er könne doch nicht mehr, als das Pferd bezahlen, wenn es nicht helfe. Nach dem er dem Pferde zwei Flaschen Medizin in die Nüstern ge gossen hatte, verendete dieses in kurzer Zeit. Die thierärztliche- Sektion ergab, daß das Pferd nur in Folge der Kur eingegangen ist. Der Herr ist nun gezwungen, das ziemlich werthvolle Pferd, sowie alle Kosten zu bezahlen. * Allerlei Gelehrsamkeit finden wir in den „Lust. Blätt.": Herr und Frau Silberstaub besuchen auf ihrer Hochzeitsreise Rom und besteigen den Kapitolinischen Hügel. Es entspinnt sich folgendes Gespräch: Sie: „Ach sieh nur mal, hier werden in einem Käfig lebende Wölfe gehalten; was mag das nur bedeuten?" Er: „Das geschieht zum Andenken daran, daß einstmals hier an dieser Stelle eine säugende Wölfin Romeo und Julie genährt hat." — In der Jnstruktionsstunde über vaterländische Ge schichte fragt Leutnant v. H. den Musketier Kulle: Was machte Napoleon im Jahre 1813, nachdem er mit seinem Heere in Ruß land seinen Untergang gefunden hatte? — Kulle: Er schloß mit den Mächten einen Waffenstillstand. — Leutnannt vH.: Gut. Was machte nun Napoleon während des Waffenstillstandes? — Kulle: Er ließ die Gewehre zusammsetzen und wegtreten. Aremdenlifte vom S«. Mai 1«VS. «ebner, Leuteuant zur See a. D., Berlin, Hotel d« Sax«. Ahner. Spinnereibesitzer, Pobershau, Hotel R. Hirsch. Berliner, Kaufman«, Plauen i. B-, Hotel Stadt Altenburg. Bellair, Kaufmann, Berlin. Hotel Kronprinz. Braun, Mulflcnbejitzer, Döbeln, Hotel d« Saxe. Becker, Fabrikant, Hainichen, Hotel .de Saxe. Bechler, Kaufmann Berlin, Hotel be Saxe. Dennhardt, Kaufman«, Marienberg, Hot« Treuberg fühlte das Bedürfniß in sich, nachdem er einmal soweit gegangen, diesen Mann für sich zu gewinnen, und er glaubte den rechten Fleck zu kennen, wo er anzupacken war. „Sie haben wohl auch bessere Zeiten erlebt", begann er, „als hier noch ein friedliches Dorf war?" Dorn winkte mit der Hand. „Vorbei!" „Der Gerheim ist auch keine angenehme Nachbarschaft, gerade für Ihr Gewerbe?" Jetzt zuckte es schon im Antlitz Dorn's. „Ober machte sich das noch nicht so fühlbar für Sie — für Ihr Handwerk? meine ich." „Fühlbar? Er warf den Löffel auf den Tisch. „Umbringen thut er mich einfach, der Gerheim, das Verdammte daran ist aber, daß es gar nicht nöthig wäre. WaS ist denn Unsereins für ein Bissen für diese Leut'! — Nicht der Mühe werth, danach zu schnappen — meint man — aber doch — doch! 's muß doch was b'sonders Gut's sein. Daß man mit dem Werkzeugmachen nimmer konkurriren kann, ist ja eine alte Sache, sagt man auch nichts, das ist einmal der Fortschritt, und am Ende kommt er wieder dem Arbeiter zugute, der billiger einkauft. — Eine Schmiede machte er auf da drüben! Eine ganz gewöhnliche Schmiede für die Straß'! Um's letzte Hufeisen rauft er mit mir, mit dem Dorn, der seit Menschengedenken der Schmied von Walldorf war. Sehen S', das macht einem 's böse Blut." „Du hast ja keinen Tropfen böses Blut", bemerkte Barbara lachend. „Natürlich, weil ich nicht lärm' und schrei wie andere Leut'. Ich hab' eben gar kein Recht dazu. Was mir die Zeiten ge nommen» über die man lästert, geben sie mir ja wieder, ich brauch ja nur zuzugreifen. — Das Doppelte hält' ich schon bekommen für mein Anwesen, WaS es vor zwanzig Jahren noch werth ge wesen ist. — Ja, eine Dummheit ist's, wenn ich dem Gerheim Schuld gieb, eine Hartköpfigkeit . . ." Das war wohl das tägliche Tischgespräch zwischen Vater und Tochter. Treuberg schloß das aus der völligen Gleichgiltigkeit, mit welcher Barbara den wachsenden Zorn des BaterS mit ansah. „In wenig Jahren bekommen Sie das Vierfache, sage ich Ihnen," bemerkte Treuberg mit einer plitzlich über ihn kommenden Sicherheit. „Das heißt, die da" — er deutete auf seine Tochter — „sagt cs Ihnen." Treuberg verdroß diese Voraussetzung seiner unselbständigen Meinung. „Und wenn'S dann anders kommt?" fuhr der Schmied mit dunkelrothem Gesicht fort. „Dann ist der Teufel loS, dann ist Gott und die Welt und der Staat daran Schuld, und man möchte Alles in die Luft sprengen — und die — er wies von Neuem auf seine Tochter — die wäre die Aergste von allen. Ich sage Ihnen, die reinste Brandfackel! Weiß Gott, wo sie's eingesaugt hat. In der Stadt drinnen halt — da fließt's ja im Rinnstein und betäubt das Gehirn . . ." Das Schweigen Barbaras, ihr gleichmäßiges Fingertippen auf dem Tische, während sie ihren Tischnachbar betrachtete, brachte den Alten immer mehr »och in Harnisch. „Und ich muß Sie schon ernstlich bitten," wandte er sich mit blitzenden Augen an den Dichter, „dem Mädel den Kopf nicht noch mehr zu verdrehen mit diesen dummen Geschichten . . ." Barbara ließ dem Schriftsteller gar nicht mehr Zeit, sich gegen dieses Ansinnen zu wehren. „Vater," sagte sie energisch, das Tischzeug zusammenräumend, „schäme Dich, Du kennst meinen Kopf so gut, daß Du sehr wohl weißt, wie schwer er sich verdrehen läßt." Sie verließ erregt mit dem Geschirr das Zimmer. „Sie mißverstehen, glaube ich, Ihre Tochter," bemerkte Treu berg. „Sie will ja nur das Beste." „Freilich will sie das," entgegnete der Schmied, mit sich selbst unzufrieden. „Plagt und schindet sich das ganze Jahr und hats gar nicht nöthig. — Aber der Trotz taugt nichts, und es ist nichts Anderes als Trotz — Haß! — Jawohl, Haß gegen die ganze Gesellschaft da drüben! Weiß der Teufel, wie er so in sie fahren konnte! Allerdings, man machts den Mädels auch danach, das ist immer das Wild, vogelfrei! Der Lohn wird herabgedrückt, für ein Mädel langts ja leicht, besonders wenn es sanber ist und pfiffig. — Dann wird allerhand ausgeschnappt von den Redensarten, wie sie jetzt in der Luft liegen. Sehen Sie, darum bat ich Sie vorhin, Sie sind ja auch jung, ein Studirter noch dazu." — Treuberg gab sich alle Mühe, dem Alten den Glauben betreffs leiner Anschauungen zu nehmen. Es gelang ihm dies um so leichter, als er sich nicht zu verstellen brauchte. Er hatte bis jetzt über soziale Probleme wenig nachgedacht, und wenn es ge schah, wie bei dem „Hunger", so betrachtete er dasselbe lediglich von dem künstlerischen Standpunkt aus. Dorn war völlig beruhigt, als Barbara mit einer Handarbeit wieder eintrat und sich an den Tisch setzte. Auch in ihrem Antlitz war jede Erregung verschwunden, sie schlug einen so herben Ton an, daß Treuberg fast die Absicht dahinter witterte, ihn den unangenehmen Auftritt vergessen machen zu lassen. Sie erzählte harmlose Geschichten aus ihrem Berusskreis mit einer Lebendigkeit der Darstellung, welche Treuberg verwunderte. — Dieses Mädchen war ja eine vortreffliche Mitarbeiterin. Sie wuchs jetzt schon in seinen Augen zur Heldin eines seiner künf tigen Werke heran. Dann kam die Reihe an ihn. „So, jetzt erzählen Sie einmal aus Ihrem Leben, Ihrem Berufe. Ich bin schon lange gespannt darauf. — Glauben Sic nur ja nicht, daß ich so unbelesen bin!" Sie nannte ihm eine Auswahl ihrer Lektüre, die manche hochgestellte Dame hätte er- röthen machen können. Bald ging es ihm wie vor wenigen Tagen im Coups Ringelmann gegenüber, der Eifer riß ihn mit fort. Er schilderte seine künstlerische Umwandlung, seine neuen Pläne, alles was ihn bewegte. ' „Ich will der Wahrheit allein dienen, von nun an alle Schäden der Gesellschaft schonungslos aufdecken, für das Volk zu schreiben ist jetzt mein ganzer Ehrgeiz", so schloß ^c seine Rede. Barbara hatte ihm aufmerksam zugehört; ost legte sie die Arbeit weg und betrachtete den jungen Mann an ihrer Seite mit sichtlichem Wohlgefallen. Verschiedenes. * Eine nette Kommode. Der Möbel- und Antiquitäten händler Truschi in Cannes war dieser Tage damit beschäftigt, die Schubladen einer alten Kommode zu säubern, welche er aus einem Nachlasse mit anderen Möbeln gekauft hatte. In einer dieser Laden fand er vier Blechbüchsen, die ihm durch Form und Gewicht auffielen. Der sricdsame Kaufmann war nicht wenig überrascht, als er nach Oeffnen der Büchsen sah, daß dieselben mit Dynamitpatronen gefüllt waren. Die herbeigerufenen Unter offiziere des Artillerie-Depots versicherten ihm, daß eine Explosion daS ganze Häuserviertel m die Luft gesprengt hätte. Der Ver storbene, aus dessen Nachlaß diese nette Kommode gekauft wurde, war Unternehmer für Straßcnbauten gewesen. Herr Truschi war durch einige Tage vor Schreck dem Wahnsinn nahe und glaubte jeden Augenblick, in die Luft fliegen zu müssen. * New-Uorker Kinderräuber. Wie aus der nordamerika nischeu Metropole geschrieben wird, hat eine gewisse Sorte von Leuten, die nicht gern arbeiten und doch gut leben wollen, es in letzter Zeit zu einer wahren Kunstfertigkeit darin gebracht, Schmucksachen und werthvolle Schooßhündchen zu „finden" und diese so lange einzubehalten, bis in den Zeitungen eine Annonce erscheint, die dem Wiederbringer des betr. Gegenstandes resp. ViersüßlerS eine gute Belohnung zusichert und außerdem die magisch wirkende Klausel enthält „Ko guestlons asksä" (man stellt keine Fragen). Seit Kurzem beschränkt man sich aber nicht mehr darauf, Hunde und Juwelen mit einstweiligem Beschlag zu belege», sonder» man raubt Kinder unter drei Jahren, für die dann geradezu unverschämte Lösegelder gefordert werden. Die Methode der Kindereutführer besteht darin, die Eltern des ge stohlenen kleinen Wesens erst eine Nacht in Verzweiflung zu bringen zu lassen, sie dann zu benachrichtigen, daß sich das Kmd in Sicherheit befindet und nur für die und die Summe heraus gegeben werden wird. Um die geängstigten Angehörigen daran zu hindern, der Polizei Anzeige zu erstatten, droht man, das Kleine in diesem Falle vorher umzubringen und auch den Denunzianten bei der ersten Gelegenheit niederzuschießen. Polizeichef Devery behauptet, daß eine ganze Bande äußerst ge riebener Schurken gemeinsam operire und daß sie sich zur Er reichung ihres Ziels falscher Kindermädchen bediene. Bisher war es unmöglich, den Räubern auf die Spur zu kommen. Unter den Müttern New-Jorks herrscht eine Aufregung, die sehr an die Epoche Jack des Aufschlitzers in London erinnert. * Wievtel Geisteskrankheiten es giebt, läßt sich aus einer Zusammenstellung ersehen, die vr. Lloyd Andriezen im Journal of Mental Science veröffentlicht hat. DaS Streben der Wissen schaft ist seit langem darauf gerichtet, eine geeignete Klassifikation der Geisteskrankheiten zu schaffen, die selbstverständlich von größter Wichtigkeit für die Entwickelung der Forschung und Erkenntniß dieser beklagenswerthesten aller menschlichen Leiden sein muß, bisher aber ist man nach dieser Richtung zu keinem befriedigenden Ziele gelangt. Wenn auch abgewartet werden muß, ob nnt der neuen Arbeit diesem Mangel endgiltig abgeholfen ist, so ist die neue Einteilung der Geisteskrankheiten durch den englischen Gelehrten jedenfalls von großem Interesse. Als Grundsatz ist dabei die Ansicht angenommen worden, daß Geisteskrankheiten in jedem Entwickelungsstadium des Gehirns und seiner Thätigkeit Vorkommen können. Hören wir nun, welche Erkrankungen des Geistes vr. Andriezen im Besonderen unterscheidet, wobei fünf große Gruppen zu betrachten sind. An die erste Stelle setzt er oie „Aphrenie", eine Bezeichnung, die sich etwa mit dem bekannteren Jremdworte „Idiotie" oder Jdiotenthum deckt. Diese Gruppe von Geisteskrankheiten zeichnet sich durch einen Stillstand der Geistes- bezw. Gehirn-Entwickclung aus, ucbst völliger Abwesen heit oder hochgradigem Mangel in der Ausbildung der Persönlich keit. Dazu gehören einmal die Idioten mit völlig vegetirender
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