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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 19.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189905191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990519
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990519
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-05
- Tag 1899-05-19
-
Monat
1899-05
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 19.05.1899
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E» eine Depesche haben müsse. Schließlich riSkirte er aber ein Telephongespräch mit seinem Kollekteur in Treuen — und siehe da! Dieser bestätigte ihm den Gewinn von etwa 42000 Mark mit dem Bemerken, daß er soeben im Begriff gewesen sei, das „Glückstelegramm" abzuschicken. Der junge Mann wußte sich nun vor freudiger Aufregung nicht zu fassen, er wurde abwechselnd roth und kreidebleich, phantasirte von Reitpferd und Equipage rc. und ließ u. A. auch den denkwürdigen Ausspruch fallen: „Ihr seid Alle noch nicht dumm genug dazu!" Seinen Chef ersuchte er um einen am Abend anzutretenden Urlaub, dieser meinte aber lächelnd, er möchte nur gleich den nächsten Zug benutzen, damit er nicht das ganze Contor in Aufregung bringe. Ein Bedenken äußerte der Glückspilz aber doch, ehe er abreiste: Er ist noch nicht mündig und fürchtet, daß sein Vater die Summe beschlagnahmen werde. (Das wird der Vater hoffentlich auch thun, damit der junge Herr daS Reitpferd und die Equipage bleiben läßt!) Kunst, Wissenschaft, Literatur. ** Der Spielplan der Königlichen Oper in Dresden für die Feiertage ist wie folgt abgcäudert worden: Sonnabend: „Rienzi", Sonntag: „Oberon", Montag: „Der Rattenfänger von Hameln", DieuStag: „Die Afrikanerin". Berg- und Hüttenwesen. N Personalverärrverungerr im Bereiche der fis kalische» Hüttenwerke. In die durch Ernennung des prä- dizirten Hüttenmeisters Großmann zum Hauptbergkassirer frei gewordene Stelle des Hüttenrendanten bei der Muldner Schmelz hütte wurde der Hüttenrendant Brause versetzt. Demselben wurde gleichzeitig die Verwaltung der Betriebskrankenkasse der Mal. Hütten und die Rechnungsführung für die Münze übertragen. — An Stelle Brausek wurde der Hilfswardein Tzschöckel zum Vizehüttenmeister bei der Muldner Schwefelsäurefabrik und Zink hütte ernannt. — Den zeitherigen Hilfswardeinen wurde der Titel „Hüttenchemiker" verliehen. — DerHüttenchemiker Schiffner wurde in gleicher Diensteigenschaft nach der Muldner Hütte ver setzt, während dessen bisherige Stelle dem Hüttenassistenten Mietzschre übertragen wurde. — Der bei den Hütten beschäf tigte Kurspraktikant Hütteningenieur Rudolph Hoffmann wurde -als Hüttenassistent angestellt. — Zu Materialverwaltern Wurden ernannt: Für die Muldner Schwefelsäurefabrik u. Zink hütte der Materialsteiger bei der Muldner Schmelzhütte Karl Otto Franke; für die dortige Arsenikhütte und Thonwaarenfabrik "'der Materialsteiger daselbst Ernst Louis Heede; für die Hals- brückner Schwefelsäurefabrik und Bleiwaarenfabrik der Material steiger bei der Halsbrückner Schmelzhütte Louis Leberecht Lantzsch. — Von den frei gewordenen Materialsteigerstellen wurde die jenige bei der Muldner Schmelzhütte dem Materialschreiber bei der Halsbrückner Schmelzhütte, Ernst Heinrich Johne, und die chei der Halsbrückner Schmelzhütte dem Materialsteiger bei der Halsbrüiöler Schwefelsäure- und Bleiwaarenfabrik, Oswald Hein- ,rich Heede, übertragen. Die durch erfolgte Pensionirnng des WaagesteigrrS Haufe fett 1. März d. I. offene Waagesteigerstelle bei der Halsbrückner Schmelzhütte wurde mit dem 1. Betriebs schreiber Karl Oswald Zehl besetzt. — In die durch Besörderung Johnes erledigte Stelle des Materialschreibers bei der Halsbrückner Schmelzhütte rückte der Waageschreiber das., Adolph Herm. Berger, ei«. — Die durch Ausrückung Zehls erledigte Stelle des 1. Betriebs- schreiberS bei der Halsbrückner Schmelzhütte wurde dem 2. Be triebsschreiber daselbst, Ernst Richard Rudolph, und der bis jetzt unter Verwendung eines Hülssschreibers versorgte Posten des 1. Betriebsschreibers der Muldner Arscnikhüttc und Thon waarenfabrik dem Hülfsbauschreiber bei der Halsbrückner Schmelz- Hütte, Franz Bruno Conrad, übertragen. — Für dieamI.Juli d. I. durch Prnsionirung freiwerdende Stelle des BausteigerS bei der Halsbrückner Hütte wurde der Kunst- und Maschinensteiger bei dem fiskalischen Erzbergwerke Beihilfe - Kurprmz, Johann Hermann Richter designirt. Verschiedenes. * In der „Deutschen Militärärztlichen Zeischrist" veröffentlicht ein Stabsarzt in Berlin über die Zahnpflege in der Armee einen Aufsatz, der von allgemeinem Jntereffe ist. Denn einmal sind die gefahrdrohenden Krankheitszustände, welche selbst leichtere Fäulnißvorgänge in den Zähnen zur Folge haben können, nicht selten; sodann macht der Verfasser praktische organisatorische Vorschläge, die Beachtung verdienen. Er hat rund 1000 Mann seines Regiments auf die Beschaffenheit ihrer Zähne untersucht und dabei 4659 faulige oder wegen Karies bereits entfernte Zähne fcstgestellt, sodaß also aus jeden Kopf annähernd 4'/, mehr oder weniger kariöse Zähne entfallen. Durch solche Wahrnehmungen und durch die Thatsache, daß unter den 1000 untersuchten Per sonen nur 164 mit vollständig intakten Kauwerkzeugen sich be fanden, werden wir gebieterisch aus die Nothwendigkeit einer gründ lichen Zahnpflege hingewiesen. Die Frage aber, ob die in der Armee in dieser Richtung bereits getroffenen Maßnahmen ausreichen, um der Entstehung, beziehungsweise der weiteren Fortentwickelung bereits vorhandener Zahntäries mit Erfolg entgegen zu arbeiten, wird von dem Verfasser nicht bedingungslos bejaht. Bekanntlich fällt die Hauptaufgabe bei der Zahnpflege naturgemäß den Mann schaften selbst zu; ihnen ist die Benutzung der Zahnbürste zur Pflicht gemacht. Allein der Kenner weiß, daß bei vielen Personen 'die Zahnbürste überall ihre nutzbringende Verwendung findet, nur nicht zur Reinigung der Zähne. Die Unteroffiziere freilich tragen die Verantwortung für die richtige Ausführung der Vor schrift über den Gebrauch der Zahnbürste. Die Thatsache aber, daß unter 85 von dem Verfasser untersuchten, größtentheils jungen Unteroffizieren nur 13 mit ganz gesunden Kauwerkzeugen sich befanden, während auf den Nest 541, demnach auf jeden Einzelnen fast 8 kariöse Zähne entfielen, beweist zur Genüge, wie wenig von ihrem Verständniß für die Zahnpflege und von ihrer Ueberwachung der Untergebenen in dieser Beziehung zu er warten ist. Hier kann, wie der Verfasser meint, nur die dauernde Kontrolle durch den Compagniechcf oder durch einen Compagnie- vffizier eine nachhaltige Wirkung üben. Der Soldat muß aus Beispielen lernen, daß die Vernachlässigung der eigenen Person auch auf Gebieten, die indirekt — durch Verdauungsstörungen, mangelnden Schlaf — die körperliche und geistige Leistungsfähig keit des Soldaten herabsetzen, unter Umständen bestraft wird. Die Aufgabe des Sanitätspersonals ergiebt sich aus dem wissen schaftlichen Erfahrungsfatze, daß überall, wo der kariöse Prozeß -er Zähne bereits begonnen hat, ver Ersatz der verlorenen Zahn substanz u. s. w. durch sachkundige Hand ein unabwendbares Er- forderniß bildet. Hilfeleistung durch Privatzahnärzte aber würde, wie die angeführten Zahlen erkennen lassen, den Medizinalfonds in unzulässigem Grade belasten. * Uebcr eine Bcgnaviguug wird der „Freis. Ztg." be richtet; Im Jahre 1892 wurde folgender trauriger Fall durch die Zeitungen bekannt. ES lebt« in Berlin ein ganz verkommener Mensch, der allen Lastern ergeben war; er verlor seine brave Frau durch den Tod, und eS verwahrlosten hierauf die zurück gebliebenen Kinder. Das Elend verschlimmerte sich noch dadurch, daß der Vater den Kindern eine Stiefmutter in einer lüderlichen Person zuführte, sodaß die armen Kleinen arg mißhandelt wurden und Hunger leiden mußten. Da kam dem ältesten der Kinder, einem 13 jährigen Mädchen, in der Verzweiflung der Gedanke, daß sie mit ihren Geschwistern in den Tod gehen wollte, um, wie es sagte, ins Paradies zu ihrer guten Mutter zu kommen. So ging das Mädchen denn mit ihren Geschwistern an den Schiff fahrtskanal und stieß zuerst ihren Bruder in das Wasser hinein. Darauf wollte auch sie dem Bruder nachspringeu, zögerte aber, wurde festgenommen und in Untersuchung gezogen. Da es keinem Zweifel unterlag, daß das Kind die That mit reiflicher Ucber- legung ausgeführt hatte, so blieb nichts übrig, als die Anklage wegen Mordes zu erheben, und das unglückliche Kind wurde unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden mildernden Umstände zu 3 Jahren und 3 Tagen Gefängnißstrase verurtheilt. Die 3 Tage galten als Strafe für einen Diebstahl. Das Mädchen hatte nämlich ihrer Stiefmutter einige Groschen genommen, für welche sie für sich und ihre Geschwister Brot kaufte. Auf Ver wenden des damaligen ersten Staatsanwalts Drescher (jetzigen Oberstaatsanwalts in BreSlau) wurde das Mädchen anstatt inS Gefängniß vor der Hand i« Zwangserziehung gegeben, die im Laufe der Zeit besten Erfolg hatte. Das Kind ist ein braves und tüchtiges Mädchen geworden, daS in Berlin in Dienst steht. Und jetzt hat auch auf weitere- Verwenden der Kaiser die volle Begnadigung ausgesprochen. " Eine mysteriöse Geschichte wird dem „Frkf. Gen. Anz." berichtet: Die 18 Jahre alte Tochter des Einwohners Rösenbeck, Sofie mit Namen, war in Wiesbaden bei Baumeister Willet als Dienstmädchen in Stellung und hatte sich durch gute Führung die volle Zufriedenheit ihrer Herrschaft erworben. Am Sonntag, den 7. Mai, Nachmittags 3 Uhr, verließ das Mädchen das Haus des Dienstherrn, unter dem Vorgeben, mit einerFreundin„Käthchen", die eS erwarte, einen Waldspaziergang machen zu wollen. Seit dem ist das junge, hübsche Mädchen spurlos verschwunden, und alle Nachforschungen von Eltern und Geschwistern sowie der Be hörden haben bisher keinen Erfolg gehabt. Eine Aufforderung in öffentlichen Blättern, die Freundin „Käthchen" möge sich melden, ist ebenfalls vergebens gewesen. Eine Eltviller Frau will die Verschwundene am letzten Montag in Mainz in Gesellschaft einer besser gekleideten Frau gesehen haben. Nun erhielten die Eltern einen aus Koblenz vom 13. Mai abgestempelten Brief, wonach die Tochter schreibt: „Liebe Eltern! Als ich heute Morgen erwachte, lag ich in Arenberg (Dorf bei Koblenz, wo die bekannte Wall fahrtskirche sich befindet) im Walde. Ich sah seit Sonntag nichts mehr, da stand ei« alteS Weib vor mir, welches mit Briefpapier handelt. Ich frug sie, wo ich wäre. Da sagte sie zu mir, Du weißt, wo Du bist. Sie gab mir Papier zum Schreiben und zum Glück eine Freimarke. Sie sagte zu mir, ich müßte am besten nach Koblenz fahren und an der Ausfuhr oder am Warte häuschen warten, wenn ich kann, komme ich zu Dir. Als ich er wachte, war Vater und Mutter da, ich hatte weder Hut noch Schirm, noch Kape, mein schwarzer Oberrock lag auf meinem Schoß, ich zittere an Arm und Beinen und kann weder gehen noch stehen. Sophie." Dieser Brief ist sofort an die Polizei nach Koblenz abgegangen und der Vater hat auch selbst persönlich Nachforschungen in Koblenz und Arenberg angestellt, jedoch ver geblich. Niemand hat die Vermißte gesehen. Das Mädchen scheint daS Opfer eines Schurkenstreichs geworden zu sein; denn daß sie freiwillig auf schlechte Wege gegangen, halten Eltern und alle, die sie kennen, für ausgeschloffen. In seiner Gutmüthigkeit ist das arme Ding offenbar in verbrecherische Hände gerathen und vielleicht in das Ausland geschleppt worden. Der obige Brief ist wohl das Produkt einer Nöthigung und gemacht, um Eltern und Behörden irrezuleiten. Die Behörden, auch die in Mainz, erhielten Photographien der Gesuchten zur Unterstützung ihrer Recherchen. * Diebesprümien. Den allezeit praktischen Engländern kommt die Ehre dieser Erfindung zu, die zuerst wohl überrascht, aber doch genial ist. Sie basirt auf der höchst einfachen und doch sehr richtigen Erwägung, daß, wenn man schon bestohlen werden soll, es besser ist, sich mit dem Dieb gut zu stellen und ihm seinen Theil in freundschaftlicher Verhandlung zu fixiren, als ihm allein diese Rolle zu überlassen. Die königliche Bank in England hat, so erzählt das „Journal des Debats", seit längerer Zeit dieses Prinzip befolgt, und in jedem ihrer jährlichen Budgets widmet sie diesem Gegenstand einen Spezialbericht. Zum ersten Mal wurde diese Idee um das Jahr 1850 ausgeführt. Damals erhielten die Bankdirektoren eines. Tages den Besuch eines Kloakenreinigers, der behauptete, ein neues Mittel entdeckt zu haben, um in Keller zu gelangen, in denen Gold- und Silber barren aufbewahrt werden, und der für Geld sein Geheimniß preisgeben wollte. Zuerst blieben die Direktoren ungläubig, denn sie dachten an alle die Vorsichtsmaßregeln, die Gitter, die Mauern und die bewaffneten Wächter; aber schließlich erlaubten sie dem so sicher austretenden Manne doch, einen Versuch zu machen. Zur verabredeten Zeit stiegen sie in die Keller der Bank hinab, hörten nach kurzer Zeit unterirdischen Lärm und sahen nach zweistündiger Arbeit aus dem geöffneten Boden den Cloakenreiniger triumphirend hervorkommen. In den Kellern lagen 3 Millionen Barren. Nun sicherte die Bank dem genialen Arbeiter eine lebenslängliche Rente von 40 000 Mark zu. Das Beispiel wurde aber verhängnißvoll. In der Hoffnung auf einen gleichen unverhofften Fund suchten nun massenhaft Leute nach bisher unbekannten Schlichen. Die Bank wurde von Bittstellern belagert. Einige theilten neue Arten des Diebstahls, der Gaunerei und des Einbruchs mit, Andere wieder Mittel zur Vertheidigung gegen solche Einbrüche. Die Bank prüfte ganz kühl, erwog das Für und das Wider und zahlte dem Erfinder, wenn seine Mit- theilung ihr brauchbar erschien, je nach den Chancen des Erfolges. So kaufte sie erst ganz kürzlich für 80 000 Mark das Geheimniß eines jungen Chemikers, der ein Mittel entdeckt hatte, um die Farben, das Papier und die Wasserzeichen der Kassenscheine täuschend ähnlich nachzuahmen. Obgleich die Bank für diese Prämien an Gauner seit 50 Jahren erhebliche Summen bezahlt hat, so ist sie doch sehr zufrieden mit diesem System und behauptet, sehr ökonomisch zu Verfahren. Jedenfalls hat es seine Vortheile: der Erfindergeist einer ganzen Klasse von Engländern ist dadurch sehr angeregt worden, und eine neue Industrie ist entstanden, die gerade für berufslose Leute sehr nutzbringend werden kann. — * Neues von Evison. Erfinder Edison hat schon wieder etwas Wunderbares versprochen. Diesmal soll es die Herstellung von Panzerplatten sein, welche „die ganze Schiffstheorie, nament lich den Bau von Kriegsschiffen, revolutioniren" werden. Edison will durch ein gewisses elektrisches Verfahren die Stahlhärtung sechszölliger Panzerplatten erzeuge», die an Stärke den sünszehn- zolligcu Kruppschen und Harveyschen Platten gleichkommen und außerdem noch allerlei besondere Vorzüge haben. Auch soll die Erfindung die Herstellung von Stahlschienen „revolutioniren". Es ist Zeit, daß Edison eine Liste aller von ihm versprochenen „Revolutionen" veröffentlicht. Niemand vermag das Alles im Kopf zu behalten. * Der Mordanschlag eines BaterS gegen seine Tochter aus einem schier unglaublich nichtigen Grunde kam dieser Tage vor dem Londoner Gericht zur Verhandlung. Man schreibt darüber: Robert Kershaus, ein fünfundfünfziglähriger Bürger aus Sheffield, überraschte eines Tages seine Tochter, die sie Malerakademie besucht, wie sie nach einer Statue des Amor Akt zeichnete. Diese „Frivolität" brachte den prüden Engländer oerart in Wuth, daß er sich zunächst in die Kneipe begab, um seinen Aerger in Whisky und Brandy zu ertränken. Als er nach einigen Stunden nach Hause zurückkehrte, saß seine Tochter am Kamin und las. Er stürzte auf sie zu und fragte sie zornig, ob sie noch eine Tochter wäre. Als das erschreckte Mädchen es bejahte mit )em Hinzufügen, daß sie ihren Vater liebe und ehre, zog der Trunkenbold einen Revolver aus der Tasche und feuerte mit den Worten: „Nein, Du bist mein Kind nicht mehr!" zwei Schüße auf sie ab. Der eine Schuß drang der Unglücklichen in die linke Backe und zerschmetterte ihr den Unterkiefer. Der um das sittlich- Wohl seiner Tochter „besorgte" Vater wurde von den Geschworenen ;u sieben Jahren Zuchthaus verurtheilt. * Aus Innsbruck wird berichtet: I« Aenbach wüthet em ürchterliches Feuer, dem gegenüber die Feuerwehr ohnmächtig st. Bisher sind 37 Wohnhäuser eingeäschert. * AuS Rostow am Don wird gemeldet: Der Don steigt -urchtbar rasch, seit Jahren erreichte er nicht eine solche Höhe. In den unteren Stadttheilen stehen die Häuser drei Meter unter Wasser. Viele Dörfer sind überfluthet, und eine Anzahl Bauern häuser sind vom Strom fortgeriffen. sAuch Menschen sollen m den Fluthen umgekommen sein. In den letzten Tagen hat auch ein Hagel in meilenweiter Umgegend den Winter- und Sommer saaten großen Schaden zugefügt. * Bewaffnete Damen. Me aus New York geschrieben wird, ist dort ein Mr. Gratz gegenwärtig eifrig damit beschäftigt, die jungen Damen von der außerordentlichen Nützlichkeit deS Revolvers zu überzeugen und sie zu veranlassen, stets und ständig bewaffnet zu gehen. Mr. Gratz trägt sich mit dem Plan, Revolverclubs für Mädchen zu organisiren und den Geübtesten im Gebrauch dieser Waffe Ehrenpreise zu Theil werden zu lassen. Der Mann ertheilt natürlich persönlich den Unterricht in der Handhabung des Revolvers und behauptet, daß sein „Werk" schon viel Gutes gestiftet hätte. Zahlreiche Frauen, die früher in hohem Maße ängstlich waren und in steter Furcht vor Einbrechern schwebten, scheuen sich jetzt nicht, allein in einem Hause zu bleiben, wenn es die Umstände erfordern. Im Allgemeinen hat das zarte Geschlecht eine sehr sichere Hand. Einzelne Damen können, nachdem sie kaum eine Woche hindurch täglich geübt haben, schon einen Sperling vom Baum schießen. Die Industrie hat sich diese , neue Caprice bereits zu Nutze gemacht. In den Schaufenstern sieht man reizende Gürtel, in denen zierliche Waffen ohne Gefahr für die holden Rcvolverheldinnen getragen werden können. * Ein altgriechisches Wiegenlied sollen wir, wie Wenigen bekannt sein dürfte, in unserem allgemein verbreiteten Heiapopeia besitzen. Ein bayerischer Herzog hatte, so wird erzählt, eine Prinzessin vom griechischen Kaiserhof in Konstantinopel zur Gemahlin. Diese dichtete selbst für ihre Kinder ein Wiegenlied mit dem Refrain: ,cheuäe um paiäion, beucks um pai (t»oz /«o» //ov nai)", zu deutsch: „Schlafe, mein Kindlein," schlafe, mein Kind." Im Munde der des Griechischen unkundigen Wärterinnen wurde daraus das bekannte „Heiapopeia". Bis heute hat in Bayeni, überhaupt in Süddeutschland, die Form dcS Refrains eine größere Aehnlichkeit mit dem ursprünglichen, griechischen Wortlaut bewahrt; mau singt dort: „UsiU xo xeiäi, dsiäi po xvi." >. Neueste Nachrichten. Berlin, 17. Mai. Heute Morgen fand im Walde bei Pots dam ein Pistolenduell zwischen einem Offizier und einem Civilisten statt. Der Offizier soll beim zweiten Gang eine schwere Ver letzung davongetragen haben. Braunschweig, 17. Mai. Das Waarenhaus Rudolf Kar stadt in der Schuhstraße ist heute Abend völlig nieder gebrannt. Der Schaden an Waaren und Gebäuden be trägt etwa eine halbe Million. Das Feuer ergriff rapid alle vier Etagen, sodaß die Angestellten in Gefahr ae- riethen und zum Theil aus den Fenstern springen und sich über die Dächer retten mußten. Mehrere verwundeten sich dabei schwer. Es erhält sich das Gerücht, daß unter den Trümmern Leichen liegen. Die Ursache des Brandes soll Kurzschluß bei der elek trischen Beleuchtungsanlage sein. Frankfurt a. M., 17. Mai. Die „Frkf. Ztg." bringt unter Reserve die Meldung, daß in Hofkreisen von' einer nahe bevorstehenden Verlobung der Königin Wilhelmina von Holland mit dem 1874 geborenen Prinzen Alexander von Teck, dem jüngsten Bruder der Herzogin von Jork, gesprochen werde. Der demnächst im Haag zu erwartende Besuch der Herzogin von Albany wird mit diesem Projekt in Verbindung gebracht. Königsberg, 17. Mai. Zwei Entlastungszeugen im Rosen« gartschen Mordprozesse, die Frauen Pusch und Siegrahn, sind unter dem Verdachte des Meineides verhaftet worden. Wien, 17. Mai. Bei einem Ausfluge, den eine Gesellschaft von 5 Personen mit einem Automobilwagen unternahm, fuhr dec Wagen infolge Herausspnngens eines Hebels den Bergabhang hinab. Der Wagen stürzte um, wobei alle Insassen mehr oder weniger schwer verletzt sind. Haag, 17. Mai. Alle Vertreter auf der Friedenskonferenz sind jetzt angekommen. Man glaubt allgemein, daß morgen der Minister des Aenßeren de Beaufort zum Ehrenpräsidenten und Baron v. Staal zum Präsidenten der Konferenz ernannt werden. Die Vertreter erhalten zahlreiche Dokumente, die von den Friedensvereinen der verschiedenen Länder abgesandt sind. In der Stadt herrscht reges Leben. Die Hotels, wo die Vertreter wohnen, sind mit den Fahnen der Nationen geschmückt, die aus der Konferenz vertreten sind. Der frühere niederländische Minister des Aeußeren und erster niederländischer Ver treter auf der Konferenz van Karnebeek giebt heute Abend allen Vertretern ein Diner, um ihnen zu ermöglichen, sich vor der Eröffnung der Konferenz kennen zu lernen. Die Vertreter der Presse werden zu den Sitzungen der Konferenz nicht zugelaffen, doch werden einige Journalisten Eintrittskarten erhalten zu der morgigen Sitzung, um die Eröffnungsrede Beauforts anhören zu können. Sobald aber die ordentliche Sitzung mit der Wahl der Kommission zur Ausarbeitung des Progranims beginnen wird, verlassen die Journalisten den Saal. Bei der morgigen Sitzung wird der Minister Beaufort die Eröffnungsrede halten und Baron v. Staal, falls er zum Präsidenten ernannt wird, was als sicher erscheint, eine An sprache an die Versammelten richten, in der er, oh*e in Einzel-
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