Suche löschen...
Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 05.05.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-05-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189905053
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990505
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990505
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-05
- Tag 1899-05-05
-
Monat
1899-05
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 05.05.1899
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
schleunigt. Ich bin Optimist, aber eS eichener mir doch bedenk lich, daß Männer aller Gesellschaftsschichten, Aerzte, Professoren, Anwälte u. s. w. sich der Sozialdemokratie anschließen. Die heutigen Zustände erinnern an die Zeiten vor der französischen Revolution! Im Jahre 1848 war die Mehrzahl der Königs treuen ganz pessimistisch gestimmt. Nur einer erinnerte daran, daß die Hohenzollern ihren eigenen Stern haben. Und er hat Recht behalten! Ich hoffe, es kommt die Zeit, in der man die Sozialdemokratie anders betrachtet und behandelt, als es jetzt seitens der Mehrheit deS Hauses geschieht. (Beifall rechts.) Abg. Büsing (natlib.): Die Antragsteller unserer Partei haben darüber keinen Zweifel gelaffen, daß sie nur für ihre Person gesprochen haben. Ich will aber vor der Oeffentlichkeit noch einmal konstatiren, daß ein großer Theil meiner politischen Freunde eine andere Stellung einnimmt. (Hört! hört! links) und daß wir die Anträge nicht als die geeignete Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen ansehen. (Hört! hört! links; lebhafter Beifall rechts.) Abg. vr. Wiemer (freis. Volksp.): Der Heylsche Vorschlag, Gewerbegerichts-Abtheilungen als Arbeitskammern zu konstituiren, sei unzweckmäßig, obwohl er und seine Freunde prinzipiell für die Errichtung von Arbeitskammern seien. Der Heylschen Idee eines Einigungsverhandlungszwanges könnten sie im Besonderen nicht beistimmen. Was den Antrag Hitze anlange, gemeinsame Organisation von Arbeitern und Arbeitgebern in Arbeitskammern, so ständen sie auf demselben Standpunkte, selbstverständlich unter Festhaltung der Forderung nach gesetzlicher Anerkennung der Be rufsvereine. Durchaus sympathisch sei ihm auch der Antrag Pachnicke, Errichtung eines Reichsarbeitsamtes. Phantasiegebilde sei aber jedenfalls die Hoffnung HitzeS, mit dieser sozialpolitischen Maßnahme die Sozialdemokratie überwinden zu können. Man dürfe überhaupt nicht fragen, wie eine Maßnahme auf die Sozial demokratie wirke, vielmehr habe einfach zu geschehen, was die soziale Gerechtigkeit erfordere. Abg. vr. Kropatscheck (kons.): Es ist mir nicht klar ge worden, ob der Vorredner gegen oder für die Anträge gesprochen hat. (Heiterkeit.) Er erschien mir wie ein gefesselter Luftballon, der vergeblich sich in die reinen Lüfte sozialpolitischer Reformen erheben will. (Große Heiterkeit.) Der Antrag, den Berufs- Vereinen die Rechtsfähigkeit zu verleihen, lehnen wir ab. Die Anträge des Frhrn. v. Heyl sind mir ihrer Tendenz nach ganz sympathisch, aber in ihren Details so wenig durchsichtig, daß ich ihm nicht zu folgen vermag. Die Organisation der Berussver- eine beurtheilen wir von dem Standpunkte aus, daß solche Or ganisationen mit großer Vorsicht zu behandeln sind, weil auS allen solche» Neuordnungen nur die Sozialdemokratie neue Vor theile ziehe. Alles, was in sozialpolitischer Beziehung geleistet worden ist, haben die staatserhaltenden Parteien geleistet. Nicht aus Furcht vor der Sozialdemokratie; denn als diese Partei noch so klein war, daß man sich nicht vor ihr zu fürchten brauchte, da haben wir schon Sozialpolitik getrieben. Ich erinnere nur an di« früheren Abgeordneten v. Kleist-Retzow und Hartmann. Die Sozialdemokratie lehnt alle Gesetze ab, weil sie ihr nicht weit genug gehen. Sie kann sie ja auch nicht annehmen, denn ihr Ziel ist, die verdammte Zufriedenheit zu beseitigen. Abg. Bebel hat einmal gesagt, die Gesetze, die wir annehmen, nehmen wir als kleine Wegzehrung mit. Nun fürchte ich zwar nicht, daß Herr Singer z. B. als blutgieriger Revolutionär auf den Barrikaden stehen wird (Heiterkeit), aber weshalb sollen wir den Herren die Wegzehrung geben? Wozu das Messer schleifen, mit dem man uns ans Leben will. Wenn Jemand predigte, daß alle katholischen Kirchen zerstört werden müssen, würde der wohl noch länger in der katholischen Kirchengemeinschaft geduldet werden? Wir aber sollen Sie, die Sie der bürgerlichen Gesellschaft den Untergang geschworen haben, in dem auf dieser Ordnung aufgebauten Staat als gleichberechtigte Mitglieder dulden? (Sehr gut! rechts.) Eine Berufsorganisation, in der nur verständige Arbeitgeber und Arbeiter sitzen, die noch nicht von der Sozialdemokratie angekränkelt sind, würde ich für ganz zweckmäßig halten, aber ich glaube nicht, daß es solche Arbeiter giebt. Man könnte wenigstens diese Frage in einer Kommission behandeln, obwohl ich so pessimistisch bin, daß ich nicht glaube, eine so bedeutende Frage könne durch eine neue Sorte von Vereinen gelöst werden. Viel könnte unsere Beamtenschaft ohne Gesetze in dieser Richtung wirken, wenn sie bester organisirt wäre. Auch die Schule und die Kirche müßte helfen. Und dabei müßten wir in einer Hand das Schwert und in der anderen die Kelle haben, um abzuwehren und aufzubauen. (Beifall rechts.) Abg. Molkenbnhr (soz.): Stumm und Kardorff hatten ganz richtig erkannt, daß es dem Anträge Hitze jedenfalls nicht gelingen werde, die Sozialdemokratie umzubringen, wie Hitze das anscheinend hoffe. Das von Pachnicke vorgeschlagene Reichs arbeitsamt werde jedenfalls einen Fortschritt bedeuten, ebenso die Arbeitskammern. Wenn Stumm eine Gefahr darin sehe, daß die Arbeiter in diesen Kammern zu Worte kommen würden, dann dürfe man ja überhaupt nichts Neues mehr einführen, da die Sozialdemokraten doch nun einmal überall eindrängten. Abg. Stöcker (christl.-soz.) bedauert lebhaft, daß dieRcichs- parteiler gegen die Arbeiterkammern seien. Noch viel mehr sei die Aeußerung Kardorffs zu bedauern, daß den Sozialdemokraten auf 5 Jahre das Wahlrecht zu entziehen sei. Solche Aeußerungen seien im höchsten Maße gefährlich und politisch unklug. Kardorff ermögliche eS damit nur den Sozialdemokraten, zu sagen: da seht Ihrs, solche Pläne hat man auf jener Seite! Kardorff ver stehe von den Verhältnissen gar nichts (Heiterkeit), so namentlich auch in Bezug auf den Inhalt der kaiserlichen Erlasse. Thatsache sei, daß diese Erlasse eine Vertretung der Arbeiter wollten, und deshalb trete auch er für die Arbeitskammern ein, weil diese zum Frieden dienten. Außerdem bestünden die Arbeiter ja nicht nur aus Sozialdemokraten. Mit solchen Mitteln, wie Entziehung des Wahlrechts, würde man nur eine große Menge von Arbeitern .direkt in die Umsturzpartei hineintreiben. Stumm wolle Alles auf dem Wege der Knappschaften machen, aber das sei doch eine zu alte Form, die in die heutigen politischen Verhältnisse nicht mehr passe. Das patriarchalische System gehöre einer ver gangenen Zeit an, man könne aus diesem nicht moderne Ver hältnisse ausbauen. Die moderne Zeit fordere Gleichberechtigung der Stände, nur so seien die Sozialdemokraten zurückzugewinnen und wieder eine gewisse Harmonie zwischen Arbeitern und Arbeit gebern zu ermöglichen. Werden solche Reden, wie die von Stumm und Kardorff, weitergesührt, so machen sie unseren christlichen Brüdern die Arbeit der Versöhnung der Arbeitnehmer furchtbar schwer. (Lebhafter Beifall.) Abg. Freiherr v. Stumm (Rp.): Herr Stöcker hat ge fragt, was sollen wir thun, um die noch nicht sozialdemokratischen Arbeiter vor der Sozialdemokratie zu bewahren und die sozial demokratischen zu uns zurückzuführen? Nun, ich glaube, durch Ausdehnung der Diskussionsfreiheit wird man die Sozial demokraten nicht zu Staatsfreundcn machen. Die Gleichberechtigung der Arbeiter mit den Arbeitgebern haben wir niemals bestritten; und in den Knappschaften ist dies Prinzip auch durchaus beob- die gegen daS die 1883 1884 1889 1890 1891 1881 1893 1895 1895 1890 1894 Unfallversicherung, Jnvaliditäts- und Altersversicherung, Gesetz, betr. Einführung der Gewerbegerichle, Arbeiterschutzgesetz, erste Börsensteuervorlage, zweite Börsensteuervorlage, chon vor der Maifeier angekündigt worden waren, zu verlängern und erst am nächsten Montag wieder zur Arbeit zurückzukehren. Dann werden aber zum Theil ihre Plätze schon anderweitig be- etzt sein. Auf einen allgemeinen Ausstand wird man es kaum »kommen lasten, wie aus den Reden der Führer zu entnehmen t. Zeit und Anlaß sind nicht günstig. Die „Hamb. Nachr." schreiben: Die derMaifeier gewidmete Nummer des sozialdemokratischen CentralorganeS, des „Bor wärt S", enthält zwei Artikel, die lehrreich sind. Der erste be- chäftigt sich mit dem Arbeiterschutz seit dem Pariser Kongreß und geht alle Nationen Europas durch. Dabei stellt sich heraus, daß Deutschland an der Spitze marschirt, und kein Staat in dem Maße wie das deutsche Reich seine Pflichten gegen die hand arbeitenden Klaffen zu erfüllen bemüht ist. Der zweite Aufsatz beschäftigt sich mit der Entwickelung der Sozialdemokratie Europas. Zur Maifeier hat die dänische Sozialdemokratie eine Uebersicht der sozialdemokratischen Parteiverhältnisse aller Länder veranstaltet, und daraus ergiebt sich, daß keine sozialdemokratische Organisation o stark und so geschloffen ist, als die deutsche Sozialdemokratie, ne — alle Gesetze abgelehnt hat, die seit 1883 zu Nutz und Frommen der wirthschaftlich Schwachen durchgesetzt worden sind. )ie sozialdemokratische Fraktion hat gestimmt: Krankenversicherung, an Unfall-, Kranken- und Ältersentschädigung dem Arbeiter aus Kosten der Arbeitgeber und der Allgemeinheit zuführen. Die Lehre aus diesen Angaben ist so handgreiflich, daß man sich nicht wundern kann, wenn der denkende Theil der Arbeiterschaft all mählich vorsichtig wird. Obwohl der am 1. Mai an die Gewerk- chaften und Arbeiter Berlins von der Berliner Gewerkschasts- !ommission erlassene Aufruf so eindringlich als nur möglich war, und die sozialdemokratische Parteileitung angesichts der verworrenen Verhältnisse in der Partei Alles darangesetzt hat, so demonstrativ als möglich aufzutreten, lauten die Berichte aus der Hauptstadt übereinstimmend: Auf fast allen Bauten und Werkstätten wurde gearbeitet; die auf Vormittag anberaumten Gewerkschastsversamm- ungen waren zum Theil sehr schwach besucht, so daß die Ein- beruser über die Theilnahmlosigkeit klagten. Anderswo hat die Sache einen ähnlichen Verlauf genommen, so daß man sagen kann, die Maifeier der Sozialdemokratie hat Fiasko gemacht. Oesterreich. Offenbar hat eS sich bei der Festnahme des Psarrers Vio. tkeok. Eveling aus Krefeld durch die Polizei den Behörden darum gehandelt, vertrauliche Schriftstücke über die Los von Rom-Bewegung zu erlangen. Aus Wien erhält die „Tgl. Rdsch." folgenden darauf hindeutenden Drahtbericht: „Zu der bereits gemeldeten Ausweisung des Pastors Eveling aus Krefeld wird noch bekannt, daß bei seiner sehr pein lichen Leibesuntersuchung durch die Polzei in Wien sämmtliche Briefe und Aufzeichnungen mit Beschlag belegt wurden. Es be- inden sich darunter Protokolle über vertrauliche Verhandlungen n Dresden, Unterhandlungen mit dem Oberkirchenrath, eine Liste der Vertrauensmänner, ein Agitationsplan und Anderes." Aus den jüngsten Tagen der Aera Thun seien — abgesehen von den zahllosen Beschlagnahmen der deutschradikalen Blätter, insbesondere der Provinzblätter, sowie von Versammlungs-Ver boten und Auflösungen — wieder folgende Maßregelungen undSchikanirungen der Deutschen erwähnt: Auch das Briefgeheimniß wird von den Behörden nicht geschont und Briefe sowie Pallete, in denen sie Flugschriften betreffend die „Los von Rom"-Bewegung vermuthsn, beschlagnahmt, wie dies z. B. dieser Tage in Haida i. B. der Fall war. Abgeordneter Schönerer hatte an einen dortigen Parteigänger auf dessen Ver langen mehrere Flugschriften „Los von Rom" gesandt, dieselben wurden aber von der Post unterschlagen und der Behörde aus geliefert. — Auch in Prag scheint das „schwarze Kabinet" im Ge brauche zu sein, da mehrere Briefe eines deutschen Studenten vereins auf der Post geöffnet und der Behörde übergeben wurden. Auf Grund der aufgefangenen Briefe wurde die Untersuchung gegen den Verein eingeleitet. — Ueber weitere Vorgänge dieser Art theilt ein Drahtbericht aus Wien das Folgende mit: „Be schwerden über Eröffnung geschlossener Briefe aus Deutschland, in denen die Behörden Drucksachen vermuthen, laufen unter Bei legung der betreffenden erbrochenen Briefumhüllen täglich bei deutschen Führern ein." Das italienische Kabinett hat die Demission eingereicht. Frankreich. Viele Blätter, die sich über die Stimmung der Abgeordneten aussprechen, wollen wahrgenommen haben, daß viele, die bisher entschiedene Gegner der Wiederaufnahme waren, mit geänderten Anschauungen aus ihren Wahlkreisen zurückgekehrt sind; zwei Drittel der Abgeordneten sollen jetzt der Auf hebung des 1894er Urtheils günstig sein und nur fordern, daß an den Fälschern keine Vergeltung geübt werde. Aus Paris, 30. April, wird der „Voss. Zeit." geschrieben: Es scheint, daß der Abdruck der Untersuchungsschriften des höchsten Gerichts im „Figaro" nunmehr abge schlossen ist. Es fehlen höchstens noch einige Nachträge und Beilagen und ein Theil der Aussagen, die vor den vereinigten Senaten abgelegt und noch nicht zum Druck befördert wurden. Das Bild der Untersuchung ist jedenfalls festgelegt und kann keine wesentliche Veränderung mehr erfahren. Wer sich die Mühe genommen hat, die Veröffentlichungen des „Figaro" zu lesen, der kennt jetzt den Fall DreysuS auS den Urkunden, in zuverlässiger Weise, ebenso genau wie die Richter selbst, die über das Wiederaufnahme-Gesuch zu entscheiden haben werden. Was man hier in Form beschworener und eigenhändig unterzeichneter Zeugenaussagen hat lesen können, läßt alles hinter sich, was man jemals bei Weißen erfahren oder für möglich gehalten hat. Der Generalstab erfährt 1894, daß ein Verräther an der Arbeit sei, wahrscheinlich im Generalstab selbst. Das für den deutschen Militärattache bestimmt gewesene, doch nie in seine Hände ge langte Begleitschreiben, dem fünf militärische Mittheilungen bei gelegen hatten, ist dem Vorsteher der Nachrichtenabteilung zu getragen worden. Eine flüchtige Vergleichung mit der Schrift der probeweise zum Generalstab befohlenen Offiziere lenkt den Verdacht auf Hauptmann Dreyfus. Sandherr, Henry, du Pach Politische Umschau. Freiberg, den 4. Mai. Deutschland. Die „Münch. N. N." melden, in Berchtes gaden seien Grand Hotel und Kurhaus für die Kaiserliche Familie bis zum 5. August gemiethet. Die Kaiserlichen Kinder würden am 15. Juni, die Kaiserin am 20. Juni und der Kaiser, um seine Gemahlin abzuholen, Ende Juli auf einige Tage dort erwartet. AuS Straßburg wird von gestern gemeldet: Der Kaiser und die Kaiserin, welche auf der Fahrt vom Statthaltcrpalais zum Bahnhose von der dichtgedrängten Menschenmenge überaus herz lich begrüßt wurden, fuhren heute Mittag 1*/, Uhr mittels Sonderzuges nach RoSheim ab. An der Fahrt nahmen auch der Statthalter Fürst zu Hohenlohe-Langenburg mit Gemahlin, sowie das kaiserliche Gefolge theil. Von Rosheim aus werden die Majestäten zu Wagen nach dem Odilienberge und nach Be sichtigung der Sehenswürdigkeiten des Klosters St. Odilien nach Oberehnheim fahren. Die Rückkehr nach Straßburg erfolgt abends 6 Uhr. Die jüngsten Kinder des Kaiserpaares» Prinz Joachim und Prinzessin Viktoria Louise, sind vormittags gleich nach ihrer Ankunft nach Kürzel weitergereist und dort eingetroffen. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Staatsminister von Bülow, feierte gestern seinen fünfzigsten Geburtstag. Vom Kaiser erhielt Herr von Bülow ein silbernes Schreibzeug als Geburtstagsgeschenk, das, im Atelier des Hofjuweliers I. H. Werner in künstlerischer Weise hergestellt, den Namenszug des Kaisers trägt. Der Seniorenkonvent des Reichstages beschloß als Vertretung zu der Sonnabend Mittag stattfindenden Leichenseier für Simson das Bureau des Reichstages zu entsenden. Auch jedem Mitgliede des Reichstages solle die Betheiligung freistehen. Zu dem Entwürfe einer Fernsprechgebühren- Ordnung haben die Abgg. vr. Oertel u. Gen. in der Reichs tagskommission einige Anträge gestellt. Zum Postzeitungstarif hat die Subkommission den Antrag gestellt, die Zeitungsgebühr so fcstzusetzen: a) 3 Pfg. für jeden Monat der Bezugszeit; b) 15 Pfg. für jedes wöchentliche Erscheinen; o) 10 Pfg. für jedes Kilogramm Uebcrgewicht, wobei für jedes wöchentliche Erscheinen 1 Kilogramm frei bleibt. Das Gewicht wird nach dem Zeitungsgewichte des Vorjahres sestgestellt und berechnet. Entschädigung für Selbstverpackung soll nicht ge währt werden. — Die „Deutsche Tageszeitung" bemerkt hierzu: Das Ergebniß dieser Neugestaltung würde sein, daß zwar eine durchschnittliche Mehrbelastung stattfindet, daß aber diese Belastung überall mäßig ist und die kleinere und mittlere Presse wenig oder gar nicht trifft. Damit ist der Zweck des vr. Oertelschen Antrags auf einem bessern Wege noch erreicht." — Wir unserer seits meinen, daß durch diese Neugestaltung noch immer in erster Linie eine Einnahme-Steigerung für die Po st angestrebt und erreicht worden, ist, und zwar ausschließlich auf Kosten der kleinen und mittleren Zeitungen, während die theuren politischen Blätter eine durch nichts ge rechtfertigte Erleichterung erfahren! Ueber die Aussperrungen wegen der Maifeier in Berlin liegen heute einige genauere Angaben vor. In der Holz industrie sind in 78 Werkstätten rund 1900 Tischler ausgesperrt ; hierzu kommen noch 285 Möbelpolirer, sowie Holzbearbeitungs maschinen-Arbeiter und einige Hilfsarbeiter. In der Metal industrie sollen elf Firmen mit mehreren hundert Formern :c. betheiligt sein, im Baugewerbe sind etwa 100 Zimmerer uni ebenso viel Maurer auf einige Tage auSgesperrt, so daß, da noö mehrere hundert Arbeiter der Bekleidungsindustrie, ferner noü Kistenmacher, Stuckateure und ungelernte Arbeiter hinzukommen, wohl über 4000 Arbeiter feiern müssen. In den Versammlungen ! der Arbeiter ist beschlossen worden, die Aussperrungen, die ihnen achtet. Aber Einrichtungen zu schaffen, die nur der Sozial demokratie Gelegenheit zur Ausdehnung ihrer Agitation geben, dazu können wir unS nicht entschließen. Die Erklärung des Herrn Büsing, die er im Namen eines großen TheileS seiner Partei abgegeben hat, beweist doch, daß ich nicht so allein stehe. Und Herr Kropatscheck hat sich auch nicht sehr konnivent gegen die Anträge erwiesen; er hat nur den Antrag Hitze als berechtigt anerkannt, dem ich ja auch bis zu einem gewissen Grade zu stimme. Gegen eine korporative Organisation bin ich nicht, denn die Knappschaftsvereine, die ich als Muster hinstelle, sind ja auch eine korporative Einrichtung. Eine große Anzahl gewichtiger Blätter, auch die konservative Korrespondenz hat sich gegen die Anträge ausgesprochen. Nur die Gegner der Sammlung haben sich für die Anträge erklärt. Da hieß eS nach den ersten Ver handlungen, ich hätte mit tonloser Stimme meine fadenscheinigen Gegengründe vorgebracht, Herr Bassermann habe mir den Dolch ins Herz gestoßen. (Heiterkeit.) Ich meine, die Herren haben mit ihren Anträgen der Politik der Sammlung den Dolch ins Herz gestoßen! Die Berufung der nationalliberalen Antragsteller auf Herrn Oechelhäuser war gänzlich verfehlt. Das patriarchalische Verhältniß zu meinen Arbeitern, das man mir vorwirft, ist nichts anderes als die persönliche Fühlung, die ich mit jedem Arbeiter unterhalte. DaS halte ich für sehr wichtig. Wenn der Besitzer sich dem persönlichen Verhältniß zu seinen Arbeitern entziehen will und seinen Besitz in eine Aktiengesellschaft umwandelt, so finde ich das sehr unrichtig. Aber selbst in der Form der Aktien gesellschaft läßt sich das persönliche Verhältniß wahren. Daß der Gedanke der Arbeitskammern schon 1810 in Frankreich aus geführt sei, wie Frhr. v. Heyl behauptete, ist ein Jrrthum. Die onvriers, die er für Arbeiter ansieht, sind nichts anderes als selbstständige Handwerker. Sehr viel später hat man wirkliche Arbeiter zugelassen und die Organisation derjenigen unserer Gc- werbegerichte ähnlich gemacht. Als Einigungsamt fungiren diese Gebilde nur, wenn beide Theile der Streitenden sie als Schieds gericht anrufen. Gegen die Art und Weise, wie Herr v. Heyl dem Herrn GeneralsekretärBueckentgegengetreten ist, muß ichEinsprucherheben. Bueck hat in seinem Bericht an den Centralverband nichts weiter ausgeführt, als was Herr v. Heyl selbst geäußert hat. Herr v. Berlepsch kann unmöglich als Kronzeuge angeführt werden, daß meine Anslegung der kaiserlichen Erlasse unrichtig ist. Herr v. Heyl hat selbst vor nicht zu langer Zeit ausgesprochen, daß die Knappschaftsvereme der Ausgangspunkt der sozialen Reformen gewesen sind; deshalb müssen sie auch für die Folge als Richt schnur dienen. Zu einer Versicherung der Arbeitslosen sind Arbeitskammern nicht nöthig. Herr Rösicke hat sich auf einen Ausspruch des Herrn v. Miquel berufen, indem er die Organi sation der Arbeiter empfahl, er hat aber nicht hinzugefügt, daß Herr v. Miquel, wie er selbst erklärte, nur für seine Person sprach und daß er der Meinung war, solche Organisationen müßten auS sich selbst heraus erwachsen und nicht künstlich ge schaffen werden. Weiterberathung Donnerstag. das Börsengesetz, „ Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, „ erste Gesetz zur Bekämpfung des Wuchers, „ verschärfte Gesetz zur Bekämpfung des Wuchers, 896 „ „ bürgerliche Gesetzbuch. Alle diese Gesetze hat die sozialdemokratische Führung zu verhindern gesucht, insbesondere die ganzen Arbeiterversicherungs- und Arbeiterschutzgesetze, die heute täglich — wie statistisch feststeht — allein an baarer Unterstützung mehr als eine Million Mark
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)