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I. Weilage zum Ireiöerger Anzeiger und Tageblatt. 1SSS. 93. Sonntag, Sen ZS. April. Für die Monate AI»! M <!«»! nehmen alle Postanstalten, Landbriefträger und hiesige wie auswärtige Ausgabestellen Bestellungen auf den »Freiberger Anzeiger und Lageblatt" mit den drei Gratisbeilagen: „ZllustrirteS SonntagSblatt", „Romanbeilage", „Landwirthschaft- lich« Mittheilunge» für daS Erzgebirge", sowie der humoristischen illustrirten Beilage „Seifenblasen", zum Preise von , 1 AUr S« entgegen. o , Fröhllagsstörm. Äoman von Nataly von Eschstruth. (71. Fortsetzung.) Nachdruck verboten.) Die Wege waren naß und weich. Da die Lust bei aller Schärfe warm war, so thaute der Schnee aüsogleich und ver wandelte die Straßen in Wasserlachen und Schlamm. Josef ritt scharf zu, er sah auch bereits die windzerrissenen Rauchwolken der Lokomotive über den Bahndamm jagen, als er die letzte kleine Wegbiegung vor dem Bahnhof hinter sich gelassen. DaS Wetter ward von Minute zu Minute unwirthlicher. Der geschlossene Wagen von Lichtenhagen stand hinter dem niederen Gebäude, um möglichsten Schutz gegen den Sturm zu suchen. Der Kutscher stand neben den Pferden und hielt sie, das Glockensignal und die scharfen Hagelschauer hatten sie wohl scheu gemacht. Josef sah zu seiner Ueberraschung, daß nicht die alten Kutsch- pjerde, sondern zwei junge, neu angekaufte Jucker eingespannt waren, welche noch nicht einmal perfekt eingefahren waren. „Um Himmelswillen, Schaal, bei diesem Wetter die neuen Pferde?" rief er erschreckt. „Ja, leider, leider, gnädiger Herr? Die Melusine hat sich doch bei dem Glatteis gestern das ganze Bein aufgeschlagen, da war bei der Geschwulst an Fahren nicht zu denken." „Ach richtig, ich hatte es ganz vergessen! Sehr fatal! Hoffentlich werden Sie mit den Thieren fertig?" Joses sah besorgt aus, aber Schaal machte eine beruhigende Handbewegung. „Da seien der gnädige Herr ganz beruhigt. Racker sind's zwar, aber ich gehe nun an die dreißig Jahre mit Pferden um. Geben Sie, bitte, die Zügel, Herr Baron, ich kann den Rübezahl gut halten, derweil Sie die Herrschaften empfangen!" Josef stand allein auf dem Perron. DaS Schneetreiben ward immer heftiger, und wen nicht der Dienst gewaltsam hinauStrieb, der blieb heute gern in der schützen den Stube zurück. Nur die beiden Postbeamten und der Inspektor hatten sich, frierend, in die Mäntel gewickelt, auf dem einsamen Bahnsteig eingefunden. Der Verkehr war auf dieser kleinen Station selten ein reger, heute stockte er vollends. Mit heißem Athem fauchte der Zug Hera». Der Schaffner riß ein Damencoupö auf und reichte einer aussteigenden Frauengestalt das Handgepäck hastig heraus. Josef blickte gleichgiltig über sie hinweg, die Reihe der Coupss entlang, angestrengt nach dem lieben Antlitz deS Pflege bruders forschend, welches doch nun an einer der Scheiben er scheinen wird. Vergeblich — die Pfeife schrillt, die Schaffner springen auf, die Thür deS Postwagens schlägt hinter dem heraus fliegenden Briefsack wieder zu. „Fertig! — Weiter!" Auss Höchste überrascht starrt Josef dem Zug nach, welcher sich langsam wieder in Bewegung setzt. Sie kommen nicht? — Was bedeutet daS? Und als er sich umwendet und hastig nach dem Wagen schreiten will, sieht er eine schlanke Mädchengestalt allein und ver lassen neben ihrem Handgepäck stehen, sich sichtbar rathlos aus dem sehr schnell wieder einsam gewordenen Perron umsehend. Josef zögerte unwillkürlich im Vorüberschreiten, sein Blick trifft das Antlitz, von welchem der Sturm den dichten Schleier zurückreißt, und Plötzlich steht er, streckt mit lautem Aufschrei höchster Ueberraschung die Hände vor, als sähe er ein Gespenst, und taumelt dann jählings einen Schritt näher. „Charitas!" Die Fremde wendet daS Haupt; starr, weit aufgerifsen richten .ich die dunklen Augen auf ihn, ihre Hände in der kleinen Pelz muffe zucken empor und pressen sich gegen das Herz. Sie steht lautlos, wie gelähmt, nur ihr Blick bekommt wieder Leben, wie ein heißer, leuchtender Strahl glüht; es verrätherisch in ihm auf. Ihre Lippen zittern — sie möchte sprechen, sie kann nicht. Da steht er schon vor ihr und faßt krampfhaft ihre Hände. „CharitaS . . . wohin? — Wohin führt Sie Ihr Weg?" stößt er hervor, wie ein Mensch, welcher, ein uugeheueres, unfaßliches Glück ahnt, aber noch nicht daran zu glauben wagt. Kommt sie zu ihm? Flüchtet sie sich vor der Größe ihres Elends in seine Arme? Heiße Glnth flammt in ihre Wangen, und dann wird sie bleicher noch denn zuvor. Angstvoll schüttelt sie das Haupt und ringt nach Worten. „Ich werde bei Frau Geheimrath von Damasus auf Lichten hagen erwartet, ich soll einen Wagen hier vorfinden." Als Haie ihn ein Schlag getroffen, weicht Josef zurück. Eine furchtbare Veränderung geht in seinen Zügen vor sich, er blickt 'n ihr Antlitz wie ein Sterbender. „Zu Frau von DamasuS .... und Klaus Sterley hat Sie dort angemeldet?" Sie nickte lebhaft überrascht. „Ganz recht, doch um Alles in der Welt . . . woher wissen Sie?" Me ein Aufstöhnen ringt es sich auS seiner Brust, er deckt sekundenlang die Hand über die Augen, ob zum Schutz gegen Schnee und Sturm . . . Charitas weiß es sich nicht zu deuten. Dann richtet er sich hoch auf, ein flammender Blick trifft sie, wie Zorn und Verachtung, wie wilder, aufbäumender Stolz. „So find Sie die Dame, welche ich erwarte!" sagte er kalt, mit sehr förmlicher Verbeugung. „Ich bitte um Verzeihung, daß ich nicht sofort den Gast der Geheimräthin in Ihnen vermuthete, ich erwartete Sie jedoch in Begleitung meines Bruders!" „Ihres Bruders?!" „Klaus Sterley ist mein Bruder, wußten Sie daS etwa nicht?" Sie zuckt zusammen, ein Blick namenloser Qual bricht aus ihren Augen. „Herr Sterley Ihr Bruder? Allbarmherziger Gott!" Sein finsterer Blick streift sie. „Sie verschwiegen mir den Namen Ihres Bräutigam?, als Sie mir Ihre Verlobung mittheilten, sonst hätte ich vielleicht daS Räthsel gelöst, wenn KlauS keine Zeit fand, Ihnen von seinen Angehörigen zu sprechen!" Wie schneidende Ironie klang eS durch seine Worte, dann wandte er sich hastig um. „Dars ich aber bitten, mir zu folgen? Ich möchte Sie nicht länger dem Unwetter aussetzen, dort wartet der Wagen." Er schritt, ohne sie noch einmal auzusehen, voraus, und der Sturm fuhr heulend zwischen ihnen daher, als wolle er sie für ewige Zeiten auseinauderreißen. Frühlingsstürme! Noch einmal fassen und packen sie zu doll wüster, unbarmherziger Kraft, noch einmal schütten sie, wie eisigen Schnee alles Winterleid über blutende Herzen. Aber der Schnee hat keine dauernde Gewalt mehr, er schmilzt unter dem Lenzes- hauch, welcher schon jetzt daS Brausen durchllingt! „Winter- stürme wichen dem Wonnemond!" Mit wankenden Knieen folgte CharitaS. Sie hat das Gefühl der Verzweiflung: „Fort von hier! um jeden Preis! Und ooch giebt es keinen anderen Weg für sie als diesen einen, auf welchem sie der rauhe Sturmesodem des Schicksals vorwärts peitscht. Sie kann nicht denken, nicht überlegen, sie kann sich in diesem Augenblick keine Rechenschaft ablegen von dem, was sie gethan, von dem, waS geschehen, sie empfindet es nur wie eine dumpfe, bleischwere Last auf dem Herzen — elend, elend zum Sterben! Josef öffnet den Wagenschlag und tritt zu den Pferden, die Zügel zu fassen. „Holen Sie das Gepäck, Schaal." Von ihr abgewandt steht er, und CharitaS sinkt mit ge schloffenen Augen in die Wagenpolster zurück, es heult und saust und dröhnt um sie her, seine hohe Gestalt ragt aus dem wüsten Schneetreiben empor, wie Milliarden von feindseligen Gewalten stürzen sich die bleichen, kleinen Geister auf ihn, trennend zwischen ihn und sie. Schaal bringt daS Gepäck. „Auch einen Koffer, gnädiges Fräulein — oder nur diese beiden Handtaschen?" Sie schüttelt mechanisch den Kopf. „Keinen Koffer", sagt sie so leise, daß der Alte eS kaum versteht. „Und der junge Herr Sterley ist nicht mitgekommen?" fragt Schaal abermals. Charitas preßt die Lippen zusammen. Daun stößt sie kurz hervor: „Nein, er kommt später." „Na, dann darf ich wohl zufahren, die Pferd« stehen so wie so nicht mehr. Er scheint noch momentan zu warten, daß Herr von ToriS- dorff sich verabschiede, aber Josef winkt ihm nur kurz rmt der Hand, und der Schlag kracht zu. (Fortsetzung folgt.) Verschiedenes. * Zu einem eigenartigen Zwischenfall kam es während der vorgestrigen Sitzung deS Strafsenats deS Berliner Kammer- gerichtS. Als nach Erledigung einer Revisionsverhandlung der Vertheidiger, ein junger Rechtsanwalt, auf den bereits im Ge richtssaale anwesenden Vertreter deS Angeklagten in der folgen den Strafsache (Justizrath Munckel) hinzutrat und ihm seine Robe überreichen wollte, nahm der Vorsitzende Senats- Präsident Groschöff Veranlassung, gegen dieses Verfahren Stellung zu nehmen. „Die Herren Anwälte", erklärte er, „möchten be denken, ob es der Würde des Gerichts entspreche, die Robe hier auszutauschen und eine solche „Maskerade" im Gerichtssaale vorzunehmen." * Leid fruchtbar und mehret euch! Als zahlreichstes Geschlecht dess ganzen Erdballs kann wohl dasjenige der Webb gelten, welches einer amerikanischen Zeitung zufolge das Gebiet von Cumberland im Staate Kentucky bevölkert. Der Patriarch dieser außergewöhnlichen Familie, Mr. Jason Webb, steht heute im Alter von 80 Jahren und hat nicht weniger als 19 Kinder gehabt, denen wiederum 175 Enkel und 100 Enkelkinder ent sprossen sind, in Summa also — für den Augenblick— 444 Nach kommen. Mjt ihm jedoch macht unsere Stammtafel erst den Anfang. Sein mit 78 Jahren verstorbener Bruder Miles Webb hinterließ eine Descendenz von 400 Seelen, darunter 105 Enkel und 150 Enkelkinder. Pelly Webbs direkte Nachkommenschaft erreicht eine Höhe von 230 Mitgliedern, deren Mehrzahl sich noch am Leben befindet. Dem 75jährigen Bruder Sally Webb ent stammen in erster Generation 13, in zweiter 80, in dritter 65 und in der vierten 50 Kinder. Latty Webb ist als Mutter von elf Kindern das Familienoberhaupt von 201 Sprößlingen. Der letzte in der Reihe endlich, Harry Webb, sieht eine Nachkommen schaft von 166 Köpfen um sich. Rechnet man zu diesen un mittelbaren Abkömmlingen nun noch die angeheiratheten Ver wandten hinzu, so ergiebt sich die respektable Ziffer von 12000 Personen, ans denen eine einzige Familie sich zusammensetzt. Und diese erstaunliche Entwickelung hat sich innerhalb vier Gene rationen vollzogen. * Von den New-Yorker Millionärinnen ist ost die Rede. Aber es handelt sich in der Regel um die Frauen von Millionären, die die allgemeine Aufmerksamkeit durch die Art auf sich ziehen, wie sie die ungeheuren Vermögen ausgeben, die von ihren Vätern oder Ehemännern erworben sind. Anders steht es mit den zwei amerikanischen Frauen, von denen L. de Norvins in dem neuesten Heft der „Revue des Revues" erzählt. Diese sind eigentliche Millionärinnen; sie haben beide ihre kolossalen Vermögen selbst erworben. Mrs. Henrietta Kina, mit dem Beinamen „Königin des BiehS", ist die erste. Als ihr Mann, der in Texas eme Thierzüchterek eingerichtet hatte, io Jahre 1885 starb» hinterließ er ihr durchaus kein Vermögen. Aber die energische Frau scheute sich vor der Arbeit durchaus nicht. Sie vergrößerte ihr Gut, vermehrte den Viehbestand be deutend, schuf sich neue Absatzwege und nahm den Verkauf selbst in die Hand. In kurzer Zeit hatte sie ein Vermögen, mit dem viele Andere sich Wohl zur Ruhe gesetzt haben würden, aber daS Millionenfieber hatte sie gepackt, und sie arbeitete nur noch eifriger. Heute schätzt man den Umfang ihres BesitzthumS zwischen 600000 und 700000 Hektar. Es ist «in wahres König reich, daS von seiner Besitzerin mit der Autorität eines absoluten Herrschers regiert wird. Ihr Wille ist Gesetz, und man gehorcht ihr ebenso respektvoll, als ob sie den ganzen Gesetzesapparat einer organisirten Gesellschaft zu ihrer Verfügung hätte. MrS. King ist eine Frau von etwa fünfzig Jahren, mit einem energischen Gesicht. Sie hat auf ihren Güten: selbst zwei prächtige Wohnungen, aber sie residirt lieber in einem wahren Palast, den sie sich kürzlich in der Stadt CorpuS-Christi (TexaS) hat bauen kaffen. Man vermag sie aber nur richtig zu schätzen, wenn man sie auf ihren großen Inspektionsreisen begleitet, die sie zweimal im Jahre vornimmt, einmal im Frühling, um de» Viehbestand zu besichtigen, das zweite Mal im Herbst, um nach den Weideplätzen und den Einrichtungen zur Ueberwinterung »» sehen. Auf Hunderten von Wagen gehen diese Reisen vor sich; zahlreiche Leute werden eingeladen, und eine stattliche Eskorte von Hirten, Cowboys, Wächtern, Köchen und Dienern begleitet den Zug. MrS. King weiß natürlich gar nicht mehr genau, wie groß ihr Viehbestand und ihr Grundbesitz ist. Bor zehn Jahren besaß sie ungefähr 250000 Kühe, Stiere und Färsen, 50000 Kälber, 9000 Schafe und 2500 Pferde. Ihr Oberinspektor, der am besten i» dem ganzen Betriebe Bescheid weiL giebt an, daß in der gejammten Domäne heute mehr als 800000 Stück Hornvieh, 160 000 Schafe und 10000 Pferde vorhanden sind. Jedes Jahr verschickt man ungefähr 300000 Stück Vieh, die für eine Summe von 75 bis 100 Mill. Francs verkauft werden. DaS Königreich der MrS. King hat eine eigenartige Organisation, in der alles bis inS Kleinste ge regelt ist. Die Bevölkerung der Domäne beträgt inSgesammt 2500 Personeu, in jedem Dorf ca. 100. Alle Angestellten habe» die Verpflegung, die Wohnung, den Arzt und die Medikamente unentgeltlich. Nur für ihre Kleidung müssen'sie selbst sorge». Das Personal der Mrs. King ist unabhängiger und steht sich besser als die „Leibeignen" der Hüttenwerke von Rockfeller und Knight. .... Die zweite Dollar-Königin ist MrS. Susan» BranSford Emery. Sie ist noch sehr jung, sehr hübsch und hat ihre Millionen mit ganz verblüffender Geschwindigkeit erworben. Ihr Mann, A. C. Emery, starb vor fünf Jahr«», als sie noch kaum zwanzig Jahre alt war, und hinterließ ihr als einziges Vermögen Bergwerke, die man für ganz werthlos hielt. MrS. Emery aber machte sich unverzüglich an die Arbeit. Nach einer genauen Untersuchung der Erze gelangte sie zu der Urberzeugu»g, daß genug Silber darin enthalten wäre, um die Ausbeutung rationell zu machen. Ihre Energie wurde belohnt. Jeden Tag erschien die Mine reichhaltiger. Schon am Ende deS ersten Jahres zog sie monatlich 30000 Fr. auS der Mine. Diese Mine, „Silver King" genannt, stößt an den „Great Ontario", daS reichste Silberlager der Welt. Der Ertrag des „Silver King" vermehrte sich unaufhörlich. Indessen war MrS. Emery noch nicht damit zufrieden, sondern erwarb im vorigen Jahre noch den „Grand Central", ein Goldlager in dem reichen Berg werk-Distrikt von Euröka. In einem Jahre warf ihr die neue Mine 5 Mill. Fr. ab, und sie Hot sich geweigert, sie einer Ge sellschaft für 50 Millionen abzutreten. MrS. Emery, deren Schönheit berühmt ist, ist das Schooßkind der „Vierhundert". Alle Welt drängt sie, sich in New-York niederzulassen, aber bis jetzt hat sie sich noch nicht entschließen können. Als die letzte Präsidentenwahl stalisand, machte Mrs. Emery Reisen durch ganz Amerika, um für Bryan gegen die Goldwährung Propa ganda zu machen. Es ist natürlich, daß die hübsche Dollar königin zu den am meisten umworbenen Frauen Amerikas gehört. Im letzten Jahre hatte sie nicht weniger als 138 Bewerber. * Wege« Mordversuchs auf ihre eigene Familie ist in München die Frau des wohlhabenden Schlächtermeisters Sauter verhaftet worden. Frau Sauter ist 30, ihr Ehemann 60 Jahre alt. Obwohl Mutter mehrerer Kinder, verliebte sie sich sterblich in einen Schauspieler und wollte um jeden Preis eine Vereinigung mit dem Geliebten herbeiführen; da ihr aber die eigene Familie im Wege stand, sollte diese auS der Welt geschafft werden und mit dieser auch eine Kollegin des Schauspielers, mit der er in intimerer Beziehung stand. Frau Sauter wandte sich zu diesem Zwecke an eine Kartenlegerin, die nebenbei allerlei Zaubertränkchen fabrizirte. Der Lohn für den Familienmord wurde auf hundert Mark festgesetzt. Die kluge Pytia ging schein bar auf den Vorschlag ein und gab der morblustigen Ehebrecherin ein unschuldiges Tränklein, das diese ihrem Manne in daS Esten mischte. AIS der Trank seine Wirkung verfehlte, forderte Frau Sauter ein stärker wirkendes Mittel. Nun wurde der Karten legerin die Sache ungemüthlich und sie ließ durch eine dritte Person die Polizei verständigen. Der Polizei war eS nun vor Allem darum zu thun, Beweismaterial zu sammeln. Diese Beweisaufnahme gestaltete sich zu einer dramatischen Scene, die ein Münchener Blatt folgendermaßen schildert: Die Kartenlegerin mußte an die Sauter einen Brief schreiben, worin sie zu einer Unterredung nnd Empfangnahme deS „neuen untrüglichen" Mittels cinlud. Zwei Polizeibeamte wurden im Nebenzimmer postirt, wo sie jedes Wort des Gesprächs vernehmen konnten. Frau Sauter erschien und entwickelte auf die ihr von der genau instruirten Frau vorgelegten Fragen eingehend den Plan, wie sie nach und nach die ganze Familie tödten wolle. Zum Schluffe unterschrieb sie sogar einen Schuldschein, auf Grund dessen sie sich verpflichtete, 250 Mark an die Frau zu bezahlen, sobald ihr Mann gestorben sei. Dieselbe Summe sollte dann für jedes ge- tödtete Kind bezahlt werden. AhnungSloS, daß sie sich selbst di« Schlinge um den Hals gelegt hatte, ging Frau Sauter fort. Mit Rücksicht auf den allseitiggeachteten Gatten wollte die Polizei von einer Aussehen erregenden Verhaftung der Frau Abstand nehmen; sie wurde unter einem Vorwand zur Polizeidirektion geladen und dort in Hast genommen. Ihr Gatte hatte keine Ahnung von dem verbrecherischen Verhältnisse seiner Frau. Der Mordplan war so abenteuerlich und romanhaft angelegt, daß e» wohl zunächst nothwendig erscheint, Frau Sauter auf ihren Geisteszustand zu untersuchen.