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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 26.04.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189904269
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990426
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990426
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-04
- Tag 1899-04-26
-
Monat
1899-04
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 26.04.1899
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Anlage zum Areiönger Anzeiger und Hageölatt. W 95. Mittwoch, den 26. AM. 1899. FröhliugsstSme. Roma» von Nataly vo« Eschstruth. (73. Fortsetzung.) Nachdruck verboten.) L4. Kapitel. In der HauSthür von Lichtenhagen stand Frau v. Damasus und blickte dem Wagen sorgenvoll entgegen. Sie hatten sich Alle im Hause um die Reisenden gesorgt, welche von diesem Unwetter überrascht waren, und Mamsell Tinchen hatte die Hände gerungen und geschluchzt: „Schaal ist mit den neuen Pferden fort, da giebts bei dem Wetter sicherlich ein Unglück! Ach, gnädige Frau, Sie sollen sehen, man bringt uns die Gäste als Leichen ins Haus!" und wehklagend war sie an den Leinenschrank getreten und hatte schon die Tücher zurecht gelegt, mit welchen sie, altem Brauch gemäß, die Spiegel ver hängen wollte; denn einen Todten im HauS und offene Spiegel, das wäre ja unverantwortlich gewesen! Auch die Geheimräthin war durch Mamsells grausige Pro phezeiungen geängstigt und von ihrer Besorgniß angesteckt worden, und Fräulein Rothtraut schien vollends außer sich und lief von einem Fenster an das andere, mit immer blasser werdendem Ge sichtchen und ein paar Augen, welche bei der gruseligsten Ge spenstergeschichte nicht entsetzter hätten dreinschauen können. Und als die Zeit verging und der Wagen noch immer nicht kam, da fuhr Mamsell mit dem Schürzenzipfel über die Augen und sprach dumpf: „Nun find sie sicher todt, ich werde gleich mit Wachholderbeeren räuchern!" Das war zu viel für Rothtraut, sie schluchzte so verzweifelt auf, daß Mamsell nur den einen wehmüthigen Vergleich dafür wußte: „Als ob sie der Bock gestoßen hätte!* Und wie sie so kreuz-unglücklich auf der alten, eichenen Truhe saß und ihr Taschen tuch kaum Platz für all die Thränen bot, da versammelten sich die Getreuen um sie her, Mamsell, Frau Menz und die dicke Emma, und weinten auf daS Herzzerreißendste mit. Da klang Pserdegetrapprl, und Alles hob betroffen die Köpfe. „Seht nicht aus!* kreischte die Mamsell. „DaS ist der schwarze Thanatos, der kommt auf seinem fahlen Roß und meldet sie an!" Mamsell war gebildet und belesen, und weil Rothtraut auch schon mal bei heimlicher Kerze den Heirich Heine verschlungen hatte, so schüttelte sie sich vor Grausen und stöhnte: „Es ist ent setzlich!" Es war auch bei dem Schneegestöber so dunkel und un heimlich im Hause. „Rothtraut! Mamsell! Gott sei Dank, sie kommen!* schallte die Stimme der Geheimräthin vom Fenster her, und dann klangen ihre hastigen Schritte auf dem Flur; sie eilte zur Hausthür. „Sie kommen!" schrie Rothtraut aus, und Mamsell wischte resolut die Augen. „Welch ein Glück! Dann sparen wir die Wachholderbeeren!" Vor der Treppe hielt Herr von ToriSdorff auf seinem Gold fuchs, hinter ihm der Wagen, an welchem der Gärtner bereits eifrig den Schlag aufriß. Eine junge Dame stieg aus und griff zurück nach dem Gepäck. In demselben Augenblick schallte der leise Jubelschrei von der Hausthür her. Rothtraut, in all' der ungestümen Freude über die Rettung der Todtgeglaubten, stürmte die Steintreppe herab, daß die goldenen Löckchen im Winde flogen. Sie war so aufgeregt, so außer sich vor Glückseligkeit, daß sie kaum wußte, was sie that. Sie flog auf Josef zu, reichte ihm jubelnd die Hände ent gegen und schmiegte sich an daS Pferd. „Sie sind da! Sie sind gesund und heil geblieben! Ach du lieber Gott, wie habe ich mich jo furchtbar um Sie geängstigt!" Josef blickte ganz betroffen und gerührt über solch ein Will kommen in die röthgeweinten Augen. Er hielt ihre kleinen Hände und drängte das Pferd etwas von ihr zurück. „Aber Fräulein Rothtraut, warum denn geängstigt?* fragte er überrascht. „Ach bei dem schrecklichen Wetter . . und Mamsell sagte, es gäbe ein Unglück", stammelte die Kleine, und dann zog sie schnell die Hände zurück, sah ganz verwirrt und verlegen um sich und flüsterte: „Aber wo ist er denn?" „Wer, Fräulein Rothtraut?" „Ei — Ihr Bruder — Herr Sterley?" Er konnte kaum verstehen, was sie sagte, er mußte sich tief zu ihr hinab neigen. Er lächelte seltsam, es sah aus, als beiße er die Zähne zusammen. „Klaus kommt erst später. Wollen Sie aber nicht Fräulein Beckwitz begrüßen?" „Kommt erst später?" wiederholte sie bitter enttäuscht, und machte ein Gesichtchen, als ob sie sagen wollte: dann hätte ich mich ja garnicht zu ängstigen brauchen. „Rothtraut!" klang die Stimme der Geheimräthin, „wilde Hummel, vergißt Du ganz, daß noch andre Menschen auf ein Willkommen warten?" Die Kleine schnellte herum uud ihr Mündchen, welches soeben die Unterlippe noch schmollend vorgeschoben, lachte wieder und zeigte die weißen Perlzähnchen. Sie eilte zn Charitas und streckte auch ihr die Hände ent gegen. „Grüß Sie Gott, liebes Fräulein Beckwitz! ich bin gar zu froh, daß Sie da sind!" Wie eine Träumende starrte Charitas in die blauen Augen der Sprecherin, welche verriethen, wie sehr sie um den Freiherrn von Torisdorff geweint hatten. Mit zitternden Händen umschloß sie die Fingerchen der Kleinen, sie wollte sprechen — sie vermochte eS nicht. „Ich bitte dringend, daß die Damen näher treten!" rief Josef mahnend. „Sie werden sich erkälten, Fräulein Rothtraut! Bitte, gnädigste Frau, sorgen Sie in allen Dingen für Fräulein Beck witz, und entschuldigen Sie, wenn ich nicht absteige, ich möchte direkt zurück und die durchnäßten Kleider wechseln! Seien Sie willkommen, Fräulein Beckwitz —" er zog grüßend den Hut und riß das Pferd herum, noch ein Blick traf Rothtraut, welche bittend die Hände hob. „Auf Wiedersehn!" nickte er kurz, und Rübezahl sauste auf flüchtigen Hufen davon. Frau von Damasus aber nahm den Arm ihrer Pflege befohlenen und blickte voll ehrlichen Entzückens in daS schöne, bleiche Angesicht. „Schnell, schnell inS Warme, mein liebeS Fräulein!" sagte sie herzlich. „Sie werden tüchtig durchfroren sem, nach dieser schrecklichen Fahrt; mein Gott,Sre beben ja vor Kälte! — Emma! nehmen Sie die Sachen und bringen Sie dieselben gleich auf das Zimmer des gnädigen Fräuleins!" * ch Allem — endlich allem! * TharitaS sank wie zu Tode erschöpft auf einen Stuhl in ihrem Zimmer nieder und preßte die eisige Hand gegen die Stirn. Wo war sie? Was bedeutet dies alles? Wer sind die Menschen um sie her? Wie ein verworrener, entsetzlich quälender und wüster Traum deucht ihr alles. Sie kann keinen klaren Gedanken fassen; —sie sieht nur eins — das junge, wonnige, blondlockige Kind voll göttlichen Jubels an das Roß deS Geliebten geschmiegt, voll Todesangst weinend um ihn, den sie in Gefahr geglaubt, — und er, der sich tief und vertraulich zu ihr herabneigt, der mit ihr flüstert... Ein leiser Klagelaut — CharitaS preßte die Hände gegen das Herz. Wie weh, wie sterbensweh ist ihr zu Sinn. Liebt Rothtraut ihn — ihn, den katholischen Priester, der für die Welt verloren ist? Was bedeutet das alles? Ist sie krank? Sind dieS alle- nur Fieberphantasieen? Es klopft an die Thür. „Kann ich Ihnen etwas helfen, liebeS Fräulein CharitaS?" schmeichelte die Stimme der Kleinen. „Bitte kommen Sie bald, die Suppe steht schon auf dem Tisch." Charitas erhebt sich und streicht über die Stirn. Rein, sie ist nicht krank, sie darf auch jetzt nicht krank sein — im Gegentheil, sie bedarf ihrer ganzen, vollen Willenskraft und Stärke, um voll demüthiger Ergebung den Dornenweg der Strafe zu wandeln, welche ihre Unduldsamkeit, ihre Flucht aus dem Hause der Pflegeeltern nach sich zog. Sie strich glättend über daS Haar und öffnete die Thür. „Ich bin bereit, Fräulein Rothtraut*, sagte sie freundlich; aber ihre Stimme war klanglos und ihr Antlitz schien von Marmor. „Bereit? — Mein Gott, Sie haben aber noch Ihr nasses Kleid an! Haben Sie denn im Schnee gekniet? Sehen Sie doch hier die ganze Border- und Seitenbahn ist zum ausringrn!" (Fortsetzung folgt.) Verschiedenes. * V«m der Martinschen Hilssexpedition zur Auf suchung Andrees. Aus Stockholm, 19. April, schreibt man den „Münchn. Reuest. Nachr.": Die vom schwedischen Staate ausgerüstete Hilssexpedition nach Sibirien hat, wie schon kurz gemeldet wurde, denselben negativen Verlauf genommen, wie die srüberen, von Stadling, Wellmann und Uethorst veranstalteten Nachforschungen. Das Mißtrauen, das gleich nach dem ersten Austreten der sibirischen Alarmnachrichten auf maßgebender Seite sich geltend machte, sollte sich noch früher als begründet erweisen, wie man nach Lage der Dinge vermuthen durfte. AmanuensiS Martin hat mit rühmenswerther Energie gleich nach seinem Ein treffen im TomSker Distrikte alle Spuren ausgenommen, die alS etwaige Unterlage des ganzen Gerüchtes anzusehen waren. Durch AuSsragung der leitenden Amtspersonen und Regierungsvertreter eruirte er, daß der vielberufene Pelzjäger N. Ljalin als der eigentliche Urheber ter ganzen Affaire zu betrachten sei. Ljalin hat, obwohl ihm doch die Zwecklosigkeit seines Vorgehens klar vor Augen liegen mußte, mit einer Hartnäckigkeit und Frivolität an den Behauptungen über die angeblich von ihm gemachten Andree- Funde festgehalten, daß selbst die russischen Behörden Veran lassung fanden, gegen den phantasiebegabten Tundrajäger auf gerichtlichem Wege vorzugehen. AmanuensiS Martin ließ sich durch diese uiederschlagenden Ausschlüffe nicht abhalten, noch auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Er drang, soweit es bei der trostlosen Beschaffenheit der sogenannten „Landwege* möglich erschien, direkt in die „Taiga" (sibirischer Urwald) vor, zog überall Erkundigungen darüber ein, ob möglicherweise von anderer, einwandfreierer Seite Beobachtungen betreffs der Andreeschen Expedition gemacht worden seien, und richtete sein Hauptaugenmerk vor Allem auf die Aussagen der eingeborenen Nomadenstämme, die aus verständlicher Scheu vor dem weit läufigen Apparate der russischen Exckutivbehörden Anstand ge nommen haben konnten, die eine oder andere positive Wahr nehmung amtlich zu Protokoll zu geben. Auch nach dieser Rich tung hin war das Ergebniß der Martinschen Rekognoszirungen gleich Null. Tungusische Nomaden — von denen bekanntlich der Fund von Krasnojarsk zuerst gemeldet sein sollte — gab es in diesen Theilen des Landes überhaupt nicht; Ljalin selbst war während des ganzen verflossenen Jahres nicht in der Umgegend von Krasnojarsk gewesen, konnte mithin auch nicht das erwähnte Rencontre mit den Eingeborenen gehabt haben. Dahingegen wimmelte die ganze „Taiga" förmlich von Naubwild aller Art; insbesondere gab es Eisfüchse und Wölfe in großer Zahl, so daß — wenn Andree wirklich in jenen Distrikten gelandet bezw. seinen Tod gefunden haben sollte —, von einer Erhaltung der Leichen während eines Zeitraumes von etwa anderthalb Jahren schon mit Rücksicht auf die umherlungernden Raubwildrudel keine Rede hätte sein können. In Schweden haben die Eröffnungen des Amanuensen Martin. einen außerordentlich günstigen Eindruck gemacht. Man bedauert es nicht, durch seine zwar kostspielige, aber zuverlässige Expedition endlich die Grundlosigkeit der sibirischen Fundlegende bestätigt zu sehen; vermag man doch aus dem gänzlichen Mangel an positiven Anhaltspunkten für eine eventuelle Landung Andrees auf sibirischem Boden die formale Gewißheit zu holen, daß die wirkliche Route der schwedischen Aeronauten nicht einen östlichen, sondern einen westlichen Kurs, d. h. auf den grönländischen Archipel zu beschrieben haben muß. Die Vorarbeiten zu der vom Prof. Uethorst in Angriff genom menen Entsatz-Expedition nach dem östlichen Theile des grön ländischen Kontinents werden unter diesen Umständen mit doppeltem Eifer gefördert. Die erforderlichen Geldmittel für das letzt erwähnte Unternehmen sind, wie bekannt, durch eine reichlich bemessene Dotation deS RikSdags inzwischen bereits zur Verfügung gestellt worden. * Galante Rache. Neben jenen unausstehlich langweiligen Hn äs Sisds-Cavalieren, die es ihrer Würde schuldig zu sein glauben, mit blasirter Miene durch das ihnen fade erscheinende Dasein zu flaniren, giebt es thatsächlich noch lebenslustige junge Männer, die den Sinn für das Romantische durchaus nicht ver loren haben, wie ein amüsanter Vorfall beweist, der die fashionable Gesellschaft von Nizza sehr belustigt hat. Eine verwittwete Gräfin de R. . . weilt mit ihrem Vierteldutzend bildschöner Töchter, allgemein genannt „die drei Grazien", seit Kurzem an der Riviera. Die vier Damen werden überallhin eingeladen und befanden sich auch auf einem Kostümball, den die Vicomtesse Lruvelier dies« Tage in ihrer zwischen Beaulieu und Nizza gelegenen Billa veranstaltet hatte. Leider sind die Tomtessen R. vermögenslos und aus diesem Grunde ist die kluge Mutter be müht, ihre jungen Schönheiten für reiche Bankiers, alternde Nabobs und allenfalls noch für pensionirte höhere Offiziere vo» altem Adel mit hinreichendem Einkommen und rheumatisch«» Gliedern zu reserviren. Als die „drei Grazien* L 1» greegai» gekleidet in zartrosa AtlaSpeplums mit Perlenbandeaux in dH dunklen Locken im Ballsaal erschienen, ging ein Murmeln des Bewunderung durch die Gruppen der anwesenden Herren, und bald sahen sich die reizenden Mädchen von einem Schwarm flottev jugendlicher Cavaliere umringt. Die liebeschmachtenden Jüng linge hatten aber kein Glück. Einer nach dem anderen wurde kühl, fast beleidigend abgesertigt, und die wohlinstruirten, gehör» samen Töchter ließen sich dann von den drei reichsten und leid« auch ältesten Ballgästen nach dem Wintergarten und den Galerie» entführen, um bei allerlei Erfrischungen die Stunden zu vech Plaudern. Sehnsüchtig horchten die tanzlustigen jungen Geschöpfe auf die prickelnden Weisen aus dem Ballsaal, und als ihre be» jährten Anbeter sich gegen 1Uhr in die Spielzimmer zurückzogech athmeten sie hoffend und erleichtert auf. Schon wollten sie sich verstohlen unter die Tanzenden mischen, da trat ihnen die stets wach» same weise Mutter in den Weg und erklärte, eS seiZeit zurHeimfahrt. Wo aber war der gräfliche Wagen? Jacque und Jean wurden mit wa hrerVerzweiflung gesucht, nirgends jedoch konnte man diePflichtver- gessenen erspähen. Eine leichte Viktoria hielt in der Nähe deS Portals und der nachlässig am Gitter lehnende Kutscher erbot sich, die Damen nach der Studt zu fahren. Man acceptirte feint Dienste und fort ging eS auf der glatten mondbeleuchteten Chaussee. Die Comtessen befanden sich begreiflicherweise in schlechtester Stimmung, die Gräfin dagegen war vorzüglich ge launt, denn sie hatte die Ueberzeugung, daß ihr ältestes Kind in absehbarer Zeit die Gattin eine- vielfachen Millionärs sein würde. Die Damen sollten sich jedoch nicht lange ihren Gedanken überlassen bleiben. Obwohl Nizza noch weit entfernt war, hielt die Equipage plötzlich an, der Kutscher sprang von seinem Sitz und pfiff eine markante Melodie vor sich hin. Im nächsten Augenblick war das Gefährt von einem halben Dutzend junger Herren in elegantem Abendanzug mit einer weißen Gardenie im Knopfloch umzingelt, die schreckgelähmten jungen Mädchen wurden mit sanfter Gewalt herausgehoben und während die Mutter hülferufend die Hände rang, umfaßten drei der vornehmen Wege lagerer je eine der holden Grazien und stellten sich mit ihnen in Tanzposition auf. Die übrigen Herren hatten inzwischen zwei Mandolinen zum Vorschein gebracht, auf denen sie eine lustige Polka klimperten, nach deren Klängen sich die drei Paare sofort zu drehen begannen. Dann tauschte man die Musikinstrumente und die Damen auS und wieder schwebten drei Paare diesmal im wiegenden Walzerschritt über die einsame Landstraße. Dit entsetzte Gräfin hatte sich mittlerweile heiser gerufen, aber keine andere Antwort erhalten, alS lustige Lachialven auS Männer» munde. Endlich schien sich der bei den Pferden stehende Kutscher ihrer erbarmen zu wollen. Er warf seinen langen Mantel ab, trat mit einer Verbeugung an den Wagenschlag und hob die jammernde Mutter »ans ka^on heraus. Sie fest umschlingend, wirbelte er mit ihr davon. „Monsieur de S., Sie werden mir für diesen Streich büßen!" rief Madame athemlos. Sie hatte in ihrem Partner einen Marineoffizier erkannt, den ihre jüngste Tochter auf ihren Wunsch zu Anfang des Balles bei der Vicomtesse so schnöde hatte abfallen lassen. Der übermüthige junge Mann that als hörte er nichts; er gab seine Tänzerin nicht eher frei, bis die Mandolinen eine Pause machten. Nun vereinigten die Comtessen ihre Bitten mit denen der Herren, noch einen letzten kleinen Walzer tanzen zu dürfen und von der allgemeinen Fröhlichkeit angesteckt, gab die Gräfin ihre Einwilligung. Jetzt spricht man ganz offen davon, daß dieses romautische nächtliche Abenteuer zwei Hochzeiten im Gefolge haben wird. — Wenn e- nicht wahr ist, so ist es doch gut erfunden. * Bon einem Bogelidyll berichtet das „TeltowerKreisbl.*: Im Vororte Zeuthen an der Görlitzer Bahn hatte sich vok Kurzem eine Blaumeise den Briefkasten der Reichspost zum Bau eines Nestes auSerwählt. DaS muntere Thierchen begann fleißig Strohhalm und Federn herbeizutragen, und die in den Kasten gelegten Briefschaften wiesen bald Vermerke auf, die zweifellos von ihm herstammten. Wiederholt wurde das Bögelchen bei der Entleerung des Briefkastens verscheucht, aber es kam immer wieder. Am letzten Sonntag aber hatte es das Unglück, sich in dem Sacke zu fangen, in den der Brieflasten entleert zu werden pflegt. Der Gefangene wurde nun vor den Vorsteher des dortigen Post amts gebracht, damit er sich wegen der „besonderen Vermerlc*, die er auf den Briefschaften angebracht hatte, verantworte. Det Vorsteher sah aber den Fall milde an und setzte das Vögelcheik wieder in Freiheit. Die Blaumeise will nun jedenfalls weitere Konflikte mit der Reichspost vermeiden, denn sie hat ihr Quartier nicht mehr ausgesucht. * Das Land der Stenographistinnen ist Amerika, Hier sind, wie eine Statistik lehrt, hundertundzwanzigtausend Damen täglich und ständig damit beschäftigt, von denen zwanzig» tausend allein auf New-Dork kommen. Das Beste daran aber ist die Bezahlung, die diese Damen finden. Eine geschickte Steno graphistin verdient in Amerika zum Mindesten 100 Dollars im Monat, also etwa 400 Mark nach unserem Gclde. Man schätzt den Gesammtverdienst dieser 120 000 stenographirenden Frauen auf etwa 70 Millionen Dollars im Jahre. Natürlich fehlt unter solchen Umständen auch eine diesbezügliche Vereinigung nicht: sie nennt sich „Allgemeiner nationaler Verband stenographirender Frauen" und florirt glänzend. * Ein Scheusal. Die Frau deS Haushälters Kipka in Ratibor hatte, wie s. Z. berichtet, in der Nacht zum 20. März d. I., nachdem ihr Mann ihr am Tage vorher Vorwürfe wegen eines gegen sie eingeleiteten Verfahrens wegen Meineids gemacht hatte, versucht, ihren Mann durch Axthiebe zu ermorden. Um 4 Uhr morgens stand sie auf, nahm eine Axt und versetzte ihrem Ehemann vier Schläge auf den Kopf. Während der Mann nach dem Kopfe faßte, führte die Frau mit der Axt einen weiteren Schlag und trennte ihrem Manne zwei Finger von der linken Hand. Drei von den Verletzungen des Mannes, der im städtischen Krankenhouse Aufnahme gesunden hatte, waren sehr schwer, die eine war leicht. Jetzt stand Frau Kipka vor dem Schwurgericht in Ratibor, um sich wegen Meineids und versuchten Mordes zu verantworten. Die Verhandlung endete mit der Berurtheiluna der Angeklagten wegen beider Strafthaten zu insgesammt zwölf Jahren Zuchthaus. Beim Verlassen des Gerichtssaales wendete sich die Angeklagte gegen den Ehemann und ihre als Zc^en vernommenen Kinder, spie vor ihnen auS und sagte: „^er Teufel soll Euch holen."
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