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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 11.04.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189904117
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990411
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990411
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-04
- Tag 1899-04-11
-
Monat
1899-04
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 11.04.1899
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N. «PM Arelberger Anzeiger «nd Tageblatt. Seite S. LS 82. offizielle Gesuch um die sofortige Etuleituug einer Untersuchung nicht nur über mein Privatleben und meine Txtstenzmittei, sondern auch über meine bisherige Amtsführung ülS Untersuchungs richter. Diese Untersuchung wird den General Roget vernichten, sowie diejenigen oder denjenigen meiner Kollegen, die seinekAngave nach d«n General die willkommenen gehässigen Verleumdungen hinterbrachteu. BertuluS fügt noch hinzu, daß er später nochmals vor den KassationS- hof geladen wurde und nachwies, die Worte „Basel und „0" existirteit tatsächlich auf einem bei Esterhazy konfiSzirteN Tchrist- stüch jedoch auf einem anderen als dem, worauf Rüget seins» Gegenbeweis führte. Außerdem befinde sich in den Anlagen der Enquete ein Brief BertuluS an Loew, der hinreichend beweis kräftig sei, welcher Bearbeitung auch die von Henry auS dem Kabinett BertuluS mitgenommenen Stücke später unterzogen worden sein mögen! Auch betreffs der dramatischen Unterredung mit Henry erklärt BertuluS sichere Zeugen zu besitzen, die seine Darstellung beweisen. Eine für die außerhalb Frankreichs von keinem unbefangenen Beurtheiler bezweifelte Schuld Esterhazys sowie für die Schuldlosigkeit des Kapitäns DreyfuS sehr charakteristische Aussage machte der französische Maior Hartmann vor der Kriminalkammer des KafsationShofeS. Der „Figaro" veröffentlicht diese Aussagen des Majors der Artillerie Hartmann, der auf Ersuchen der Vertheidigung seine Aussagen machte. Hartmann giebt eine lange, technische Auseinandersetzung über die Einzelheiten betreffend daS Geschütz 120. Dieses Ge-/ schütz sei im Jahre 1894 keineswegs neu gewesen, das Modell* war schon 1890 endgiltig angenommen und in demselben Jahre in allen Einzelheiten bekannt. Hartmann fügt hinzu, die Be merkungen in dem Bordereau über daS Geschütz 120 und die hydraulische Bremse seien von einem Offizier irgend einer Waffe»-- gattung, aber nicht von einem Artillerieoffizier hergestellt. Er bespricht dann Punkt für Punkt alle durch das Bordereau an geregte Fragen und kommt zu dem Schluffe, daß es möglich sei, daß Esterhazy der Schuldige sei, daß es aber unmöglich DreyfuS sei. Gegenüber dem General Gonse behauptet Hartmann, daß die Schießvorschrist keineswegs ein vertrauliches Schriftstück ge-, wesen sei, sondern daß sich Offiziere aller Waffengattungen, selbst bürgerliche Personen, dieselbe verschaffen tonnten. Major, Hartmann ist gegenwärtig Eskadronskommandant im 22. Artillerie- Regiment. Dem „Echo de Paris" zufolge werden im Hinblick auf die einander widersprechenden Aussagen deS Generals Roget und des Untersuchungsrichters BertuluS die vereinigten Kammern des Kassationshofes eine Sitzung abhalten, um die Frage einer nachträglichen Untersuchung zu prüfen. Man behauptet, dear „Figaro" seien die Zeugenprotokolle durch einen General äbev- mittelt worden, dem Boisdeffre auf alle mögliche Weise zu schadet versucht habe. Der General habe auch dem Kriegsminister Frey- cinet die Urheberschaft dieser Uebermittelung eiEstanden und Freycinet habe kein Wort deS Tadels für den General gehabt.' Der Journalist Strong erklärt in einem Schreiben an die „Aurore", die Behauptung RogetS, er — Strong — habe sich Esterhazy zur Verfügung gestellt, um zwischen diesem und dem sogenannten Syndikate den Vermittler zu spielen, sei lügenhaft. Die nationalistischen Blätter behaupten, der Staatsanwalt von Aix habe über BertuluS, als dieser in Nizza war, an den Justiz Minister einen Bericht erstattet, in welchem er auseinanderseA daß BertuluS in nationaler Beziehung verdächtig sei. Der Prozeß gegen den „Figaro" wegen der Veröffentlich«»- der Zeugenaussagen vor dem Kassationshof endete mit der Ber- urtheilung des Chefredakteurs und des Verantwortlichen Redak teurs zu — je 500 Francs Geldstrafe auf Grund de- Gesetzes über die Presse vom Jahre 1881. OerMches «nd Sächsische». kFreiberg, den 10. April. — Der alljährliche Maiaufenthalt des KöNigspaarsS i» Sibyllenort wird demnächst beginnen. Der König begiebt sich bereits Anfang Mai nach dem schlesischen Windsor, während die Königin erst Mitte Mai in Sibyllenort erwartet wird, weil sie' sich erst einer Kur in Karlsbad zu unterziehen gedenkt. — Die Frühjahrskontrollversammlungen im «ou trollbezirk Freiberg, an denen sämmtliche Reservisten und Landwehrleute I. Aufgebots einschließlich Halvinvaliden, die Ersatz- Reservisten der Jahresklassen 1886—1898 und die zur Disposition der Ersatz-Behörden entlassenen Mannschaften theilzunehmen haben, finden in folgender Ordnung statt: Freitag, 21. April, vormittags 10 Uhr im Gasthof zu Großhartmannsdorf die Ort schaften: Weigmannsdorf, Mulda, Randeck, Helbigsdorf, Müdis- dorf und Großwaltersdorf. Mittags 12 Uhr ebenda die Ort schaften: Großhartmannsdorf, Granitz, Kleinhartmannsdorf und Zethau. Sonnabend, 22. April, vormittags 9 Uhr im Gasthof zum Kronprinz in Brand die Ortschaften: Brand, Linda und Oberreichenbach. Vormittags 11 Uhr ebenda die Ortschaften: Berthelsdorf und Erbisdorf. Nachmittags 1 Uhr ebenda die> Ortschaften: Niederlangenau, Oberlangenau und St. MichaeliS. Montag, 24. April, vormittags 9 Uhr in Freiberg, Restaurant „Tivoli": die Jahresklassen 1898, 1897, 1896 und 1895 der Stadt Freiberg. Vormittags 11 Uhr ebenda: die Jahresklasse» 1894 und 1893 der Stadt Freiberg. Nachmittags 3 Uhr eben da: die Jahresklassen 1892 und 1891 der Stadt Freiberg. Dienstag, 25. April, vormittags 9 Uhr ebenda: die Jahresklassen 1890, 1889 und 1888 der Stadt Freiberg. Vor mittags 11 Uhr ebenda: die Jahresklassen 1887 und 1886 der Stadt Freiberg. Nachmittags 3 Uhr ebenda die Ortschaften: Halsbach, Naundorf, Niederschöna, Hetzdorf mit Hutha, Herru- dorf, Erlicht, Oberschaar, Haida und Krummenhennersdorf. Mittwoch, 26. April, vormittags 9 Uhr ebenda die Ort schaften: Kleinwaltersdorf, Langhennersdorf, Seifersdorf, Reichen bach, Großvoigtsberg und Kleinvoigtsberg. Vormittags 11 Uhr ebenda die Ortschaften: Zug, Langenrinne, ^Weißenborn und Lichtenberg. Nachmittags 3 Uhr ebenda die Ortschaften: Ober- bobritzsch, Niederbobritzsch, Kleinschirma und Friedeburg. Donnerstag, 27. April, vormittags 9 Uhr ebenda die Ortschaften: Freibergsdorf, Oberschöna, Wegesarth und Bräuns- dorf. Vormittags 11 Uhr ebenda die Ortschaften: Lößnitz, Loß nitz, Tuttendorf, Conradsdorf, Falkenberg, Hilbersdorf und Sohra. Nachmittags 3 Uhr ebenda die Ortschaften: Colmnitz, Halsbrücke, Sand mit Grüneburg, Rothenfurth und Großschirma. Gestell ungsbefehle werden nicht ausgegeben. Nichterscheinen oder Er scheinen zu einer anderen als der befohlenen Kontrollversamm lung wird als Ungehorsam angesehen und hat Arrest zur Folge. Während der Kontrollversammlung selbst wird die strengste militärische Disziplin verlangt, Schirme und Stöcke siird weg- zulegen. — Kürzlich wurde über ein neue- GinderufvUO-ver' fahren, das demnächst versuchsweise für das Mobilmachungsjahr 1899/1900 eingeführt werden solle, berichtet. Wie vo» maß gebender Seite hierzu mitggtheilt m*rd, hat dieses neue Giuve- worfen wurde. Um dem Frhrn. v. Hammerstein die Verbüßung von noch 100 Tagen Zuchthaus zu ersparen, ist von Freunden einer Familie die Summe von 1500 Mk. aufgebracht worden. Ls ist noch fraglich, ob Frhr. v. Hammerstein nach der Straf- erbüßung bei seiner Familie in Friedenau verbleiben oder nach dem Ausland gehen wird. Ueber die Beschlagnahme-Praxis in Oesterreich lesen vir in der „Tägl. Rdsch.": Von dem Wirken der „Beschlagnahmt" n Oesterreich wird ein radikal-Nationales Blatt in Deutschböhmen, dir „Duxer Deutsche Zeitung", neben den gleichgesinnten „Egerer Nachrichten" ganz besonders betroffen, und zwar be zeichnender Weise iw Interesse der Klerikalen. Es vergeht keine Woche, an der nicht die zur Ausgabe bereite Auflage statt in die Hände der sehnsüchtig wartenden Abonnenten in die Hände be- sehungsweise in den Tragkorb des Amtsdieners der Bezirks- Mptmannschaft gelangt. Sobald eine abfällige Bemerkung über die Klerikalen erscheint, muß zu einer Neuauflage geschritten werden. Die letzte Beschlagnahme erfolgte aus zarter Rücksicht nahme auf einen Hetzgeistlichen, Namens Schlosser, Pfarrer in Olbertitz. der auf der Kanzel den vr. Martin Luther als ein misetavles, verkommenes Subjekt schilderte, worauf jenes Blatt dem Pfarrer den Rath gab, sich in das Studium der Geschichte >er römischen Päpste zu vertiefen und aus demselben die „ver- ommenen Subjekte" alS abschreckende Beispiele für seine gläubigen Schäflein herzuholen. — Der Schriftleiter Schwaab hat übrigens die Chikanen satt und wird sich an den Abgeordneten Wolf wenden, damit diese Angelegenheit einmal im Reichsrathe zur Sprache kommt. Mit den Maßregelungen wird zwar der Schrift leiter materiell geschädigt, die Haltung desselben jedoch keineswegs geändert. — AuS eigenem Antriebe thut die Regierung nicht das Mindeste, wenn es sich um die Abwehr katholischer Uebergriffe handelt. Im Gegentheil, es scheint manchmal, als ob die alten Zeiten der Gegenreformation wieder lebendig werden 'sollten; mit solcher Bereitwilligkeit stellt die Staatsgewalt ihre ZwangS- und Strafbefugniß der katholischen Priesterschaft zur Verfügung. Und wie ist es umgekehrt?! Bekanntlich hat kürzlich einer der ärgsten Hetzpriestcr von Wien, der Pfarrer Deckert, eine ganz erbärmliche Schmähschrift zur Verunglimpfung vr. Martin Luthers heransgegeben, die nun mit allen Künsten parteipolitischer Betriebsamkeit unter daS Publikum gebracht wird. Unter dem Anschein wissenschaftlicher Gründlichkeit will dieser „hochwürdige" Agitator den Nachweis führen, daß Luther eines Abends betrunken in sein Bett gebracht und an dessen Pfosten den folgenden Morgen erhängt aufgefunden worden sei. Das sei der Gründer der protestantischen Religion, in deren Hut unzufriedene Katholiken nun flüchten wollen. Ueberdies sei es ein Unsinn, aus deutschem Nationalgefühl lutherisch werden zu wollen; denn Martin Luther — man höre und staune — sei undeutsch und deutschfeindlich, keineswegs, wie die Protestanten vorgeben, daS Ideal eines deutschen Mannes gewesen. Das gesammte Machwerk Deckerts ist so recht nach den Paragraphen des österreichischen Strafgesetzes eine „Herabwürdigung" einer gesetzlich anerkannten „Religions genossenschaft", aber da giebt eS keinen Staatsanwalt, der den frechen Hohn dieses Pfarrers vor Gericht der verdienten Sühne zuführen würde. Unbegreiflich ist es, daß der Wiener evangelische Oberkirchenratb nicht mit aller Strenge den Protestantismus, dessen Wohl ihm anvertraut ist, gegen derartigen Unflath bei der Regierung in Schutz zu nehmen versucht. Inzwischen erhält das Blatt über die Aufsehen erregende behördliche Haussuchung bei zwei Wiener Buchhändlern, worüber bereits drahtlich berichtet wurde, folgende nähere, zum Theil höchst befremdliche Mittheilungen: „Die behördliche Kommission ging mit großer Rücksichtslosigkeit vor, erschien gerade zur Geschäftszeit und nahm Schriften in großer Menge in Beschlag. Druckwerke, welche seit langer Zeit im Buchhandel erschienen sind und in Oesterreich vollkommen unbeanstandet blieben, wurden zusammengerafft und von der Kommission einfach mitgenommen. Es dürfte gerade für Leser im deutschen Reiche lehrreich sein, zu erfahren, was von der Kommission Alles mit Beschlag belegt wurde. Vor nehmlich hatte man es auf alle Schriften abgesehen, welche sich mit der „Los von Rom-Bewegung" befassen, aber einmal oei der Arbeit nahm die Kommission überhaupt alle nationalen Schriften. Es wurden mit Beschlag belegt: Pfarrer Bräunlichs „Befreiung von Rom", „Was trennt uns von Rom?"; Scholl: „Gegen Nom und römische Anmaßung". Weiter aber auch sämmtliche in I. F. Lehmanns Verlag (München) erschienenen deutschen Hefte wie: „Deutschnationales Vereinswesen"!!, „Deutschthum und Madjarisirung", „Das Deutschthum in Steiermark" von Abg. Hofmann-Wellenhof!! Fritz Bley: „Weltstellung des Deutsch thums", die Zeitschrift „Kynast", Prölls „Der Kampf der Deutschen in der Ostmark", „Ungarns Tausendjährung" von Wastian, ferner „Kann sich die österreichische Armee den Ein flüssen der Nationalitätenkämpfe entziehen?" u. s. w. Außerdem wurden Postkarten, welche das Bildniß Grillparzers oder deutsch nationaler Abgeordneten trugen, mit Beschlag belegt". — Es handelt sich hier offenbar um den Anfang einer durchgreifenden polizeilichen Maßregelung der Deutschnationalen und man kann begierig sein auf das, was folgen wird! Frankreich. Die Entwickelung, die die Veröffentlichung der Untersuchungsjchriften nimmt, erklärt und rechtfertigt vollständig die maßlose Aufregung der Nationalisten über den gelungenen Streich des „Figaro". Jede einzelne Person, die General Roget in seinen Aussagen genannt hat, Untersuchungsrichter BertuluS, Josef Reinach, Hadamard, Mathias Dreyfus, Oberstleutnant Cordier, erklärt ihn in offenen Briefen an den „Temps" oder die „Agence Nationale" für einen Lügner und verlangt, ihm gegen über gestellt zu werden. Jede einzelne Thatsache, die er anführt, wird öffentlich als Vermuthung oder absichtliche Erfindung nach gewiesen und von dieser einzigen Kraft der Anklage bleibt schlechterdings nichts übrig. Nach Fällung des Urtheils hätte dies nur sittliche, kaum aber eine praktische Bedeutung gehabt; vor der Urtheilssällung ist es für die Nationalisten äußerst störend. Heute heißt es, Ministerpräsident Dupuy werde in seinem Wahlkreise Puy eine große Rede halten, die bestimmt sei, den Eindruck der „Figaro"-Veröffentlichungen nach Möglichkeit abzuschwächen. — Der „Temps" giebt folgende Erklärungen BertuluS wieder: Das Plaidoyer des ehemaligen Kabinetschefs Cavaignacs konnte mich nicht überraschen bei einem Mann, der sich so blind zum Vertheidiger Esterhazys und einer Bande von Fälschern aufwarf, die seine Umgebung beherrschen. Die Aus führungen Rogets vertragen keine Analyse unparteiischen Geistes, besonders wenn man alle vor dem Kassationshof vorgebrachten Dokumente in Händen haben kann. Ich habe keine Lust, heute eine detaillirte Kritik zu liefern, ich erspare mir dies für mein bevorstehen- > des Erscheinen vor den Vereinigten Kammern des Kassationshofs. > Th:".".ch!ich erscheint mir es unmöglich, daß das höchste Gericht es : ablehne, mich dem General Nogei, meinem Verleumder, gegen- i überzustellen. Ich verlange dringend eine Konfrontation. Außer- - dem richte ich heute noch an den Präsidenten Mazeau und den - Generalstaatsanwalt, meine beiden höchsten Vorgesetzten, das ^Kaisers soll dann di« Wahl auf den Münchener StaatSrechtslehrer I > Frhr. v. Stengel gelenkt worden sein. Es ist nun ein eigrn- Uhümlicher Zufall, daß dieser Gelehrte um die Weihnachtszeit eine kleine Schrift, „Der ewige Friede", herausgegeben hat, die sich allerdings ausschließlich mit der Frage beschäftigt, ob ein ewiger Friede erwünscht und möglich sei, diese Frage aber nach beiden Richtungen auf das Entschiedenste verneint. Es werden hierfür freilich nicht andere als allbekannte Gründe angeführt, aber doch theilweise mit einer Schärfe im Ausbruch welche Herr v. Stengel gewiß vermieden hätte, wenn ihm schon damals seine Wahl zum Friedensdelegirten bekannt gewesen wäre, die aber * genügt, vielen „Friedensfreunden" jetzt als recht unerwünscht zu ! erscheinen. Wohl mit Unrecht. Denn im Haag wird es sich nicht j um eine Herbeiführung des ewigen Friedens handeln, sondern um Berathung von Maßregeln zu einer humaneren Kriegsführung und' einer möglichen Vermeidung von Kriegen in Fällen beileg barer Meinungsverschiedenheiten. Diesen Zweck der Konferenz billigt aber Frhr. v. Stengel vollkommen. Er sagt u. A. am Schluß: „Gewiß wird Niemand einen blutigen Krieg mit seinen Schrecknissen herbeiwünschen, und nicht bloß die Friedensvereinler werden es begrüßen, wenn die auf Veranlassung der russischen Regierung zusammentretende Friedens-Konferenz bewirkt, daß der schon so lange gefürchtete Weltkrieg nicht ausbricht." Nach der „Kreuzztg." entbehren die Gerüchte von einer bevor stehenden neuen Uniformirung der preußischen Feldartillerie jeder Begründung. , Der deutsche Pavillon für die Pariser Weltausstellung, der bekanntlich einen mittelalterlichen Herrensitz darstellen und chen Platz bei der Almabrücke am Seinequai erhalten soll, wird vom Inspektor der kaiserlichen Schlösser Radke, welcher gleichzeitig mit Kommissar Richter in Paris eintraf, demnächst in Angriff genommen werden. Kaiser Wilhelm prüfte und genehmigte den Plan und die Details. Ist eine Beschimpfung Luthers — grober Unfug oder Vergehen gegen die Religion? Der Schuhmachermeister Karl Magel in Sulau ist am 23. Januar vom Landgerichte Oels wegen tzroben Unfugs zu drei Wochen Haft verurtheilt, von der An klage des Neligionsvergehens aber freigesprochen worden. Nagel ssteht, so heißt es im Urtheile, im Rufe eines „fanatischen .Mholiken" und ist durch das Lesen gewisser Schriften zu der Meinung gekommen, daß Luther sich erhängt und drei Meineide geleistet habe. Dieser Meinung gab er eines Tages im M.'schen Gasthause in Sulau in drastischer Weise mehreren Personen gegenüber Ausdruck. Diese Personen nahmen Aergerniß an den Aeußerungen und erzählten anderen Einwohnern von der Sache. Dadurch hat sich, wie cs im Urtheile heißt, eine große Erregt- der Bewohner des Städtchens bemächtigt und diese sind da durch beunruhigt worden. Deshalb und weil es an einer Be schimpfung fehle, ist grober Unfug, nicht aber ein Religions dergehen angenommen, worden. Auf die Revision des Staats anwalts, sowie des Angeklagten hob das Reichsgericht das llrtheil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück. Zu Unrecht sei ein Religionsvergehen nicht angenommen worden; für die Feststellung der Beschimpfung genüge es, wenn eine absolut ehrenrührige Thatsache (Meineid u.s.w.) behauptet worden sei. Von grobem Unfug könne deshalb keine Rede sein, weil die Beunruhigung nicht die unmittelbare, sondern nur die mittelbare Folge der Handlung des Angeklagten gewesen sei. Die Wanderung landwirthschastlicher Arbeiter scheint in diesem Jahre noch bedeutender werden zu wollen als vorher. Aus der Provinz Posen sollen mehr als 60000 Landarbeiter nach dem Westen gezogen sein. Ebenso soll die Zahl der Abwanderer aus Äst- und Westpreußen und die der Preußen- und Sachsengänger aus Rußland größer sein als je vorher. Aus Paris, 5. April, wird der Münchner „Allg. Ztg." ge schrieben: „Ein an sich gewöhnlicher Gerichtshandel über die Zugehörigkeit eines Kindes geschiedener Ehegatten nahm vor der vierten Civilkammer, die man ihrer Bestimmung für Ehesachen wegen die „gelbe Kammer" zu nennen pflegt, eine große Be deutung an, weil sie dem internationalen Gebiet angehört, und die Sache abwechselnd vor französischen und deutschen Gerichten behandelt worden ist. Ein ehemaliger preußischer Offizier, Friedrich v. Daum, heirathete 1890 in London die Russin Anna .Leon, die er in Paris als Dolmetscherin im Louvre-Bazar kennen gelernt hatte. Kurz nach der Geburt ihrer Tochter Frieda ver ließ Frau v. Daum sammt ihrem Kinde heimlich London und tauchte bald darauf in Paris unter dem Namen Olga Daschkow als Dame der Halbwelt auf. Daum, der sich 1893 in Paris als Uebersetzer und Journalist niedergelassen, wollte durch die Polizei Nachforschungen austellen lassen, um seiner Frau das Kind zu entziehen. Die Polizeipräfektur forderte jedoch zuvor ein Scheid ungsurtheil. Um dies zu erlangen, nahm Daum den unentgelt lichen Rechtsbeistand in Anspruch, da es ihm an den Mitteln zur Prozeßsührung fehlte. Er erlangte so die Scheidung und die Zusprechung des Kindes, ohne daß seine Frau etwas davon erfuhr. Erst jetzt erhielt er die Adresse des Kindes, holte es in einer Pariser Pension, wo es übrigens gut verpflegt und erzogen wurde, ab und übergab es einer in Paris wohnenden deutschen Familie, wo das Kind nicht minder gut aufgehoben war. Nun erhob aber die Mutter Einspruch, weil das Urtheil ohne ihr Vorwissen er gangen war, und erlangte ein neues Urtheil, wodurch das Kind ihrer unbescholtenen Schwester, der Frau des russischen Bank angestellten Naumow, zugesprochen wnrde. Den Eltern wurden zum Besuch zwei Sonntage im Monat und je die Hälfte der Schulferien, zum Alleinbesitz des Kindes eingeräumt. Daum be- 'nutzte nun die Hälfte der Osterferien 1897 dazu, das Kind nach Straßburg zu bringen und dort bei dem Regierungsbeamten Scheuermann und seiner Frau in Pflege zu geben. Im Oktober 1898 entdeckte aber die Mutter diesen Aufenthalt, nahm in Straß burg die Gerichte in Anspruch, und es gelang ihr, den dortigen Richter nach flüchtiger Prüfung des französischen Ürtheils, wodurch das Kind dem Ehepaar Naumow zugesprochen wurde, zu bewegen, das Kind zuerst in' eine Klosterschule versetzen und dann nach Nancy bringen zu lassen, wo es von Naumow abgeholt wurde. In Paris machte hierauf Daum mehrere vergebliche Versuche, von Naumow den neuen Aufenthalt des Kindes zu erfahren. Es wurden ihm nicht einmal die 14tägigen Sonntagsbesuche, die das Urtheil ihm erlaubte, gestattet. Gleichzeitig ließ er aber in Berlin an höchster Stelle Klage führen über die Straßburger Aus lieferung des deutschen Kindes an die unwürdige Mutter au Grund eines französischen Urtheils und erlangte nicht nur die Revision des Straßburger Rechtsspruchs, sondern sogar die Maß regelung des schuldigen Beamten. Der,Frhr. v. Hammerstein wird am 26. Juni d. I. aus dem Zuchthaus zu Moabit entlassen werden. Das gegen ihn am 22. April 1896 gefällte Urtheil, lautend auf drei Jahre Zuchthaus, 1500 Mk. Geldstrafe oder noch 100 Tage Zuchthaus nnd fünf Jahre Ehrverlust, wurde erst am 26. Juni 1896 rechts kräftig, da an diesem Tage die Revision vom Reichsgericht ver-
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