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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 23.03.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189903232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990323
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990323
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-03
- Tag 1899-03-23
-
Monat
1899-03
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 23.03.1899
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tN «ß» Men dl. Abend» ^ßt 10 Seit«, uß: lse: »twurft, I-t- /,SUH« ilW St. 10 Uhr jig Mklll er lieber s Onkel, ad HauS- ^r. 7. Anzeiger >t an Wittwe »L«» eider. swalve, 99. !t Freitag, n. 3 Uhr ernhauer- :de vorher spätesten» II s»Pedition t« gelangen erst lbdruck. Line m der Anzeige» gen kann nicht ^e. entschlief unglückung nn, unser wiegersoh» ssner ttvr« chmerz« a» iterlassenen Sittwe. >99. eitag Nach- tatt. im crt lk ach - cen och )er em : «raun an» kerantwortlich : Georg Bürt en Jnserate»- Freiberg. — rri uns Vel in Freiberg. Weilage zum Ireiöerger Anzeiger und Tageblatt. ,W 68. Donnerstag, sen 23. Mär,;.1899. Fröhliugsstörme. Roman von Nataly von Eschstruth. 46. Fortsetzung.) Nachdruck verboten.) Josef lachte, als er es anschlug. Wie heiser und kurzathmig klang es! Aber eS war immerhin besser, als nichts, und Fräulein von Damasus brauchte ihre Studien nicht zu unterbrechen. So Gott w>ll, kommt auch noch die Zeit, wo es durch einen schönen, neuen Flügel ersetzt werden kann, — vorläufig heißt eS noch säen, damit später desto reicher geerntet werden kann. Wie langsam die Morgenstunden vergehen! Es ist Sonntag, Arbeit giebt es heute nicht, und da die Pferde zur Station mußten, will Josef eine doppelte Stallarbeit ver meiden. Er hat die kleine Strecke nach Brembs zu Fuß zurück gelegt, um dort nach dem Rechten zu schauen. Die frische, klare Winterlust ist eine Erquickung gewesen, und seine kleine Wohnung im Jnjpektorhaus sah auch schon ganz einladend aus. Der Ofen ist zwar schon gesetzt, aber der CokS ist noch nicht zur Stelle. Gleichviel, tagsüber kann Josef noch in Lichtenhagen sein und deS Nachts bedarf er keiner warmen Stube. Endlich ist eS an der Zeit, zur Bahn zu fahren. Der Frei herr hat so wenig Erfahrung, er ist so selten mit Damen gereist, er hält den viersitzigen Landauer für völlig ausreichend. Er steigt ein und die Pferde ziehen an. Durch den munteren Tanz der Flocken geht es der Station entgegen. Die Landschaft bietet keine sonderlichen Schönheiten, sie ist flach und waldig, ein schmalspurige- Bahngeleise ist jetzt quer durch Wiesen und Acker nach Brembs gelegt, die Bergbau arbeiten zu fördern, heute am Sonntag ruht alles in tiefem, feierlichem Schweigen. Man ist sehr zeitig vom Hause fortgefahren. Josef schreitet harrend auf dem menschenleeren Perron der kleinen Bahnstation aus und ab. Endlich das Signal. Drei Minuten später blickt der Freiherr in daS runde, frisch- ^wangige Gesicht einer Dame, welche sich spähend aus dem Coupe senster beugt. Er tritt näher und grüßt empor: „Frau Geheim- rath von Damasus?" fragt er höflich. „O, Herr von Torisdorsf — Sie bemühen sich selber?" klingt es ihm aufs freudigste bewegt entgegen. Der Schaffner recht die Coupethür auf, und die kleine, korpulente Dame stecht mit Josefs Hilfe aus. Sie hält seine Hand fest umschlossen, ste will sprechen „Bitte, meine Herrschaften — nur zwei Minuten Aufenthalt — Ihr Handgepäck, meine Damen!" „Und es ist dessen so viel!" klingt eS lachend aus dem Wagen, zwei flinke Händchen werfen hastig eine Plaidrolle um die andere, Taschen, Kartons und verschnürte Pallete auf den Perron. „Darf ich Ihnen Helsen, mein gnädiges Fräulein?" Joses wartet die Antwort nicht ab, springt in den Wagen und Hilst ausräumen. Himmel, welch eine Unmenge Handgepäck! Schon schrillt die Signalpfeife. „So, hier noch den Fußsack! Nun ist alles draußen!" Toris dorff schwingt sich zur Erde, athmet auf und reicht Fräulein Rotbtraut die Hand entgegen, ihr zu helfen. Jetzt erst findet er Zeit, sie anzusehen. Ein frisches, rosiges lachendes Kindergesicht, mit großen, langbewimperten blauen Angen und hellblonden Löckchen, welche unter dem niederen Pelz- barctt hervorquelle». Ja, der Rechtsanwalt hat Recht, sie ist ein reizendes, lieb liches Kind, und der Gedanke, sie dem Schicksal einer vagabon- direnden Künstlerin preiszugeben, ist entsetzlich. Sie winkt ihm unbefangen zu, strahlend glücklich, voll unend licher Dankbarkeit, welche beredter aus den Kinderaugen leuchtete, als alle Worte, welche sie dazu spricht. „O wie gut von Ihnen, lieber Herr von Torisdorff, daß wir kommen dürfen! Wie freundlich von Ihnen, daß Sie uns aufnehmcu! Sie glauben ja gar nicht, wie unsagbar wir uns freuen, wie von ganzem Herzen wir Ihnen danken! Ich habe vor lauter Aufregung die halbe Nacht wachgelegen, die ganze Nacht konnte ich mich nicht munter halten, ich war doch gar zu müde, aber es that mir ordentlich leid, als mir die Augen so schwer wurden; ich hätte mich gern noch weiter gefreut, ohne Aufhören, immerzu!" Die Worte sprudelten der erregten Kleinen nur so von den Lippen, und dabei schüttelte sie ihm die Hand so aufgeregt und glückselig, daß Josef bei dieser Ehrlichkeit der Empfindung ein Gefühl der Rührung überkam. Aber kein sentimentales, er lächelte und schüttelte das k eine Händchen nach Kräften wieder. „So Gott will, werden Sie all' den versäumten Schlaf in Lichtenhagen doppelt nachholen, mein gnädiges Fräulein!" sagte er, und der Versuch zu scherzen stand seinem ernsten Gesicht sehr gut. „Daß Sie sich freuten, zu uns zu kommen, ist mir schon im Voraus eine Bürgschaft, daß es Ihnen in dem alten Gutshaus auch gefallen wird!" Er wandte sich zu Frau von Damasus und reichte ihr verbindlich den Arm. „Dars ich die Damen nicht zu dem Wagen führen, gnädigste Frau? ES zieht gewaltig hier auf dem Perron, und das Gepäck wird uns sofort nachbesorgt." Die Geheimräthin blickte mit feuchten Augen zu ihm empor. „Wie gütig Sie für uns sorgen! Mein lebhaftes Töchterchen ist mir mit Wort und Dank zuvorgekommen, da bleibt mir nur die That, es Ihnen zu beweisen, wie sehr erkenntlich ich Ihnen bin!" Sie schritten dem Wagen entgegen, und der Freiherr zog die Hand der Sprecherin respektvoll an die Lippen. Er sah wieder so ernst aus wie zuvor. „Sie haben mir nicht zu danken, meine hochverehrte gnädige Frau, sondern mir viel zu vergeben und zu gestatten, daß ich die schwere Verschuldung meines armen Stiefvaters nach Kräften aus zugleichen suche!" Fcau von DamasuS schüttelte mit mildem Lächeln das Haupt. „Ihren Herrn Stiefvater trifft keinerlei Vorwurf, Baron! Das Unglück, welches über uns hereinbrach, hat nicht er verschuldet, das wissen wir!" „Dennoch knüpft sich daS Geschehene an seinen Namen, und verpflichtet uns, die wir ihm nahe standen, dieses Namens Ehre zu retten! Ich danke Ihnen von ganzem He«en für Ihre milden Worte, meine gnädige Frau, und für die Willfährigkeit, meiner Bitte zu folgen und mir Gelegenheit zu geben, schon jetzt in be scheidener Weise für Sie sorgen zu dürfen!" Er hob die Geheimräthin in den Wagen und wandte sich zu Rothtraut zurück, ivelche hochbeladen mit Gepäckstücken herzueilte. „Werden wir all die sieben Sachen unterkriegen?" fragte sie munter. „Nicht wahr, der reine Auszug der Kinder Israel! Aber Sie dürfen keine falschen Schlüffe daraus ziehen, als ob wir so besonder» gern der Unsitte solcher „Aeppelsuhren" fröhnten, eS ist diesmal bittere Nothwendigkeit! So, nun hole ich eine neue Auf lage, stopf' derweil die Ecken voll, Mütterchen!" und wie der Wirbelwind flog sie zurück. Josef reichte just einen kleinen Handkoffer auf den Kutschersitz, und die Geheimräthin griff nach einem Schirmpacket. „Wir führen all unsere Habseligkeiten mit uns, Herr von Torisdorff!" sagte sie wie entschuldigend, „und da ich die Ueber- racht gern sparen wollte, mußten wir so viel zu uns in das §oupä nehmen." „Aber selbstverständlich, meine gnädigste Frau! Ich mache mir nur Vorwürfe, daß ich unbeholfener Junggeselle nicht an olche Eventualität dachte, und einen besonderen Gepäckwagen chickte. Es wird nun daS Einfachste sein, wir laden den Landauer o voll wie möglich, und ich folge den Damen zu Fuße nach." „Um keinen Preis", wehrte die Geheimräthin ab, und Noth traut, welche abermals neue Schachteln und Taschen heran schleppte, hob ganz erschrocken das geröthete Gesichtchen. „Das wäre noch besser! Nur diesen Handkoffer gebrauchen wir für heute Nacht, alles Andere hat lange Zeit! Können die Sachen morgen hier abgeholt werden, Herr von Torisdorff?" „Natürlich, nöthigenfallS heute Abend noch!" „Nein, die Sonntagsruhe behauptet auch im Pserdestall ihr Recht. Wir gebrauchen die Sachen wirklich nicht. Was wir aufladen können, nehmen wir mit, und das Andere kommt morgen nach!" , Du l'as voulu, Oeorxs vanckin!" lächelte Josef. „Ich hoffe nur, daß Sie sich um meinetwillen keine Entbehrungen auserlegeu! Wenn Sie gestatten, meine gnädige Frau, werde ich das Noth wendige veranlassen und bitte um Ihren Gepäckschein." Er schritt hochausgerichtet durch ven wirbelnden Schnee davon und Frau von DamasuS sah ihm mit langem Blicke nach. „Welch ein lieber, prächtiger Mensch!" sagte sie leise, „möge Gott eS ihm lohnen, was er an uns thut!" Rothtraut schob die letzte Schachtel unter den Sitz; sie richtete sich auf und schlang voll stürmischen Jubels die Arme um die Mutter. „Ach Mamachen! nun sind wir bald da! haben wieder eine hübsche, warme Stube, und keine Sorge und Noth mehr! Ach, mir ist's, als müßte ich immer laut in die Welt hinan» jnbeln, die Wonne erstickt mich! Ich möchte mit den Schneeflocken tanzen und mit dem Sturm um die Wette jagen!" Die Geheimräthin streichelte zärtlich die rosigen Wangen ihres glückseligen Kindes. „Gott sei gelobt dafür, mein Liebling! Ach, der junge Mann ahnt es gewiß garnicht, wie sehr er uns beglückt!" , „Junger Mann?" fragte Rothtraut erstaunt und riß die Augen weit auf, „meinst Du TorlSdorsi?" „Gewiß, wen sonst?" „Den nennst Du jung? Auf den Gedanken wäre ich nie gekommen." Frau von DamasuS lachte. „Du wirst ihn mit seinen füns- oder sechsunzwanzig Jahren doch noch nicht alt neunen?" „Sechsundzwanzig? O ja, das ist doch schon recht alt!" versicherte die kleine treuherzig; „und dann ist er so furchtbar groß und so ernst — so merkwürdig ernst wie ein guter, alter Onkel — selbst wenn er lächelt und scherzen will. Das ist etwas Ungewohntes für ihn, man merkt's gleich. Siehst Du, Mama, Herrn von Torisdorff werde ich stets für einen sehr würdigen Herrn halten, so einen, vor dem man gar nicht verlegen zu werden braucht. Und daS ist riesig nett! Ich werde ihn darumdoppelt gern haben!" (Fortsetzung folgt.) Verschiedenes. * Der Aberglaube von Fürstlichkeiten. Der Aber glaube ist nicht bloß ein Kind des Volkes. Er findet auch leicht Eingang in Palast und Salon. Wo gewann der Spiritismus den größten Anhang? In der guten Gesellschaft. In aller Stille bringt man Opfer, um den Dämonen des Unglücks Ein halt zu gebieten, und märe es anch nur durch eine Hand voll Salz, das man über die Schulter wirst; denn dieses gilt als sicherstes Sühneopfer, damit jedes gesprochene üble Wort sich in Segen verwandle, wäre es auch nur durch drei gebrochene Näh nadeln, die in ein neues Kleid genäht, der Trägerin den Mann ihrer Wahl binnen Jahresfrist zusichern, oder durch einen — großen, langen Schritt, den man nach der Trauung aus der Kirche macht. Die aus England stammenden Prinzessinnen z. B. bringen fast alle den am dortigen Hofe herrschenden Aberglauben mit, daß die Braut, welche mit kurzen Schritte» die Kirche ver läßt, nachdem sie eben getraut worden ist, eine Tochter als erstes Kind ihrem Gatten schenken wird. Da aber die Söhne als Erst geborene allgemein bei Hofe höher im Kurse stehe», so will man bemerkt haben, daß sämmtliche englische Prinzessinnen nach der Trauung ungewöhnlich lange Schritte über die Schwelle der Kirche gemacht habe», um sich ja den Prinzen zu sichern. Kaiser Franz Josef 1k. unternimmt weder in Regierung»- noch Familien angelegenheiten etwas, wenn er während der Nacht vom Tode und von Särgen geträumt hat. Fürst Bismarck hegte seine kleinen und großen Aberglanben. So kehrte er um, wenn ihm eine Katze über den Weg lief. Bekanntlich glaubte er auch an die Fatalität des Freitags, der, wie er sagte, ihm von jeher ein böser Tag gewesen sei. Die Königin von England vermeidet es, an diesem Unheilstage Anordnungen zu treffen. Nie unterzeichnet sie ein Dokument, wenn es ein Freitag ist, der zufällig auf den 13. des Monats fällt. Ihre Umgebung läßt die Königin über haupt an einem solchen Tage nicht die Schwelle überschreiten, weil ihr etwas UnbeüvolleS begegnen könnte. Die Königin Christine von Spanien glaubt an das glückvringende Kräien- auge, das sie am Halse trägt und nie ablegt. Das „gecheckte Krähenauge" erhielt die Königin, damals noch Erzherzogin von Oesterreich, von ihrer Großmutter; es galt als ei» legenstistendes Amulet, wenn es ohne Schmerz direkt auf dem Herze» getragen würde. Tas letztere aber ist leichter gesagt als gethan; de»» da das Krähenange ohne jegliche Einfassung und nnr durchstochen ist, um an einer Schnur befestigt zu werde», jo kratzt es immer noch, selbst wenn es durch deu Gebrauch schon ziemlich abge glättet ist. Gewöhnlich denkende Menschen glaubten bisher, daß an dem letzten für Spanien unglücklich verlaufenen Krieg die Ueberlegenheit der Flotte Nordamerikas schuld sei. Nicht doch! Der verwünschte Talisman „der Ring der Castigliones"! Der Opal gilt in der vornehmen Gesellschaft Spaniens als Unglücks stein, und das Volk selbst ist fest davon überzeugt, daß die vielen Heimsuchungen, von denen sein Herrscherhaus in den letzten Jahren befallen wurde, nur jenem fluchbeladenen Ovalringe zu« pischreiben seien, der sich im Besitz der Königin Christine bv» ludet. (Wir haben vor einiger Zeit schon über den Unglücksring irrichtet.) Ebenso soll das gebrochene Krähenange, das di» Königin am Halse trägt, den unglücklichen Ausgang des Krieges mit den Vereinigten Staaten verschuldet haben. Am dänisches Hofe wurde einem Landesaberglauben von der Köuiqin LuisS gehuldigt. Es war das Einnäben von drei beim Nähen ge brochenen Nadeln in daS erste Konfirmationskleid ihrer Töchter^ Dadurch sollten diesen gute Partieen gesichert werden. That- ächlich ging der Wunsch in Erfüllung. — Unfehlbar soll auch das Salzwerfen wirken. Deshalb steht dieser Aberglauben am Zarenhofe und bei allen slavischen Fürstinnen stark in Ansehen: Dem Gatten, der Familie, den Fremden bei der Tafel mundet das Essen; kurz es ist unmöglich, daß etwaS Unerfreuliches bei der Tafel vorkommt, wenn die Haussrau, bevor man sich setzt, eine Hand voll Salz schnell über ihre Schulter wirft. Die Hand voll Salz bannt auch jedes andere Unglück. So erzählt Stokew ein artiges Geschichtchen von der jüngst verstorbenen Fürstin Lnise von Bulgarien und dem Metropoliten Michael. Beim Geburtstag des Prinzen Boris war großes Diner am Hose zu Sofia. Metropolit Michael brachte deu Toast auf den Fürsten, die Fürstin und daS Gedeihen des Fürstenhauses aus, „aus daß es blühe und prange zum Heile Bulgariens". Alles brach bei diesem Toast in Jubel aus. Fürst Ferdinand trat, um mit dem Metropoliten anznstoßen, an dessen Sitz, welcher sich neben dem der Fürstin befand. Der Metropolit, gerührt durch die hohe Gnade, stand, den Herrscher von Bulgarien erwartend, hinter dem Sitz der Fürstin, ohne daß diese, die in ein Gespräch mit dem russischen Konsul vertieft war, es bemerkte. Plötzlich hörte sie jedoch laut den Metropoliten zum Fürsten sagen: „Ich bete des Himmels Segen aus das Wohl des fürstlichen Hauses herab". Mit Eleganz nahm die Fürstin schnell Salz aus der vor ihr stehenden Schale und warf eS mit einem geschickten Wurf über die Schulter — dem Metropoliten gerade ins Gesicht! * Ein Monvschein-Abenteuer im Kolosseum in Rom. Ein höchst amüsanter Vorfall wurde dieser Tage von der vornehmen römischen Gesellschaft viel belacht. Unter den aristokratischen Besuchern der „Ewigen Stadt" befindet sich auch der zweite Sohn eines englischen Lords, der auf der Suche nach einer reichen Gattin ist. Sir Barton L. hat das Ideal seiner Träume und Wünsche auch bereits in einer sehr hübschen jungen' Wittwe entdeckt. Beide begegneten sich, fanden Gefallen an einander und die anfangs harmlose Flirtation hatte bald jenen Grad erreicht, da eS nur noch einer hochpoetischen Situation be darf, um die Sache zum Abschluß zu bringen. Der junge Lord erinnerte sich, einmal gehört zu haben, daß nichts einen wirk sameren Eindruck auf verliebte Seelen mache, als ein Besuch de- Kolosseums bei Mondenschein, und so machte Sir Barto» seiner Angebeteten den Vorschlag, nach dem Diner nm acht Uhr eine Ausjahrt zu unternehmen. In ehrfurchtsvollem Schweigen betrat man dieses Riesendenkmal altrömischer Baukunst. Gerade als dcm jungen Liebhaber etwas Geeignetes einfallen wollte, um poetisch zu werden, trat die Gestalt eures Maunes aus der dunklen Tiefe der Arkaden und strich so dicht vorüber, daß er den Eng länder fast umstieß. Dieser griff hastig nach seiner Uhr und richtig, sein kostbarer Chronometer war verschwunden. Ohne sich zu besinnen, stürzte Sir Barton dem vermeintlichen Taschendiebe nach, während die Lady, das Peinliche ihrer Lage begrenend, es sür angebracht hielt, Weinkrämpse zu bekommen. Der Fliehende hatte jedoch flinkere Beine als sein Verfolger und war bald dessen Blicken entschwanden. Das Rendezvous hatte also ein plötzliches Ende, und die Rückfahrt wurde angetreten. Trotz des Verlustes war der Abeud doch kein verlorener gewesen. Jnr Zimmer angelangt, fiel der erste Blick des jungen Lords auf den Tisch. Dort lag unversehrt seine Uhr, die er in der Aufregung vergessen hatte. Am nächsten Morgen aber erschien in einigen Tagesblättern eine kleine Notiz, in der es hieß, daß ein Vertreter der höchsten Aristokratie, ein Prinz Soundso gestern zwischen acht und neun Uhr von einem frechen Strolch angerempelt und ver folgt worden sei. Die hübsche Wittwe war indiskret genug, die Identität des Strolches zu verrathen, und obwohl sie heute noch nicht ausgehört hat, den armen Seladon zu necken, scheint sie doch nicht abgeneigt zu sein, ihn schließlich auch ohne eine Mondscheln- szene im Kolosseum zu erhören. * Mezzofanti. Am 16. März waren es fünfzig Jahre, seitdem der jprachenreichste Mann der Welt in das Land des ewigen Schweigens ging. Es war der Kardinal Giuseppe Mezzofanti, der am 17. September 1774 in Bologna als Sohn eines Zimmermanns geboren wurde. Sein beispielloses Talent, fremde Sprachen mit spielender Leichtigkeit zu erlernen, trat schon ans der Schule zu Tage. Er besaß schon eine stattliche Svracben- kcuntmß, als er 1797 an der Bologneser Universität als Professor des Arabischen angestellt wurde — eine Anstellung, aus die er bereits im folgenden Jahre verzichtete, weil er der neu errichteten Republik sich nicht unterwerfen wollte. Er war ein höchst an spruchsloser, bescheidener Mann, der von ein paar hundert Lire des Jahres lebte und nur in seinen Studien Vergnügen fand. Mit Begier stürzte er sich auf jede Grammatik einer fremden Sprache, ans die Literatur der ausländischen Völker; jeder Bologna passirende Reisende mußte ihm zur Erhöhung der Befestigung seines Sprachenschatzes dienen; und so konnte er schon im Jahre 1800, als die Soldaten des österreichischen HeereS Bologna füllten, den Ungarn und Deutschen, den Slavoniern und Czechen, die damals in den Hospitälern lagen, die Beichte abnehmen. Wer durch Bologna reiste, verfehlte nicht, dwieS vielbernfene „Sprachcn-Chamäleon" aufzusnchen. 1817 schrieb der Engländer Stnart Rose von Mezzofanti, er lese zwanzig und schreibe achtzehn Spcachcn und zwar die, über die er zu urthecken vermöge, mit der höchsten Präzision. Lord Byron war (1818) über dies „Sprachenuiigeheuer" ganz erstaunt; „der hätte", so meinte er, „zur Zeit des Thurmbaues von Babel als all gemeiner Tolmeticher leben müssen." Sein Englisch überraschte ihn außerordentlich. Was seine Beziehung zur deutschen Sprache angeht, so erzählt der bekannte Däne Molbech, daß er ihn in der deutichen Literatur sehr bewandert gefnnden, und daß er Schiller und Goethe in Bologna emgejührt habe; dem Baron Zach nöthigte er ein Lächeln ab, wie er ihn nacheinander im sächsischen, schwäbischen und österreichischen Dialekte und jedeSmat mit dem genauen Tonfalle der Mundart anredete. Auch der damalige Kronprinz, spätere König Friedrich Wilhelm 1V., schrieb an vr. Tholuck, Mezzofanti habe mit ihm deutsch wie ein Deutscher, mit seinen Begleitern aber nicht minder gut französisch,- englisch und schwedisch gesprochen. 1830 schrieb ihm Baron Zach 32 Sprachen zu; Mezzofanti selbst bezifferte 1886 die Zahl
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