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und — er ist kein böser Mensch, so borstig er sich auch zu geben vermag. Er besitzt ein warmes Herz. Selbst klerikale Blätter rühmen ihm seine Wohlthätigkeit nach, von der namentlich arme Studenten viel zu erzählen wüßten. Als Politiker ist ihm das fortwährende Schwanken seiner Anschauungen übel genommen worden. Aber wer sein Blatt aufmerksam verfolgt, wird leicht den rothen Faden finden, der durch seine Stellungnahme hindurch geht. Manches sagt überhaupt nur er. Er weiß mehr als je ein Publizist, wie es hinter den Vorhängen der Oeffentlichkeit zugegangen ist und zugeht. Ans diesen Erfahrungen heraus weiß sein Stil —> je nachdem — Gist oder Honig zu entnehmen. Daß der Mann weiß, was er will, zeigt schon der Umstand, daß »er den ursprünglichen kleinen Umfang seines Blattes um keinen Preis verändert. Ein Blatt muß nicht groß sein, um interessant zu bleiben! vr. Sigl ist auch nicht geldgierig. Würde er sein Blatt im Jnseratenweg ausbeuten lassen, er würde ein großes Vermögen erwerben. Aber standhaft und man darf hinzusetzen, leichten Herzens hat er alle Vorschläge nach dieser Richtung ab gelehnt. Eines muß man auch sagen: vr. Sigl und sein Blatt repräsentiren ein Stück bayerischer Eigenart und in dieser Be ziehung hat er eine Rolle gespielt und spielt sie noch immer. Untergekriegt hat ihn dabei noch Keiner und noch kein Mißgeschick. Die beiden Buchdrnckerlehrlinge Kowalski und Kopicki zu Graudenz, welche wegen Zeugnißverweigerung s. Zt. verhaftet wurden, sind am Montag aus der Haft entlassen worden, üachdem sie 4'/., Woche im Gefängniß zugebracht haben. Damit ist also das Zeügnißzwangsverfahren gegen die Angestellten des polnischen Blattes „Gazeta Grudziadska", das bekanntlich auch im Reichstag zur Sprache gekommen ist, beendet. Oesterreich. Die „Ostdeutsche Rundschau" in Wien ist zur Kenntniß eines Erlasses gelangt, welchen das österreichische Re ichs-Kriegs mi n i ste r iu m in den letzten Tagen an alle Kommandos und Truppen gerichtet hat und der die viel erörterte „2äe"-Frage zum Gegenstände hat. Dieser Er laß lautet: „Nach dem bestehenden Militär-Strafgesetz (Z 150) ist die Weigerung oder absichtliche Unterlassung der Vollziehung Anes Dienstbesehles immer als Verbrechen der Subordination zu betrachten. Wenn sich daher bei dec Kontrolversammlnng, während welcher die anwesenden kontrolpflichtigcn Soldaten Degen militärischer Delikte (K 62 des Wehrgesetzes) der Militär- Jurisdiktion unterstehen, Soldaten weigern, dem Befehle zu ge horchen, sich mit „Hier" zu melden, so machen sie sich des Ver brechens der Subordinations-Verletzung schuldig. Wenn keine nachtheiligeu Folgen eingctreten sind, so unterliegen die Schuldigen der Kerkerstrafe von sechs Monaten bis zu einen: Jahr, bei er schwerenden Umstände» oder bei eintretendem erheblichen Nach theile noch strengeren Strafen. Weisen die Umstände jedoch auf «ine im Vorhinein getroffene Verabredung oder Auflehnung Mehrerer gegen die bestehende Dienstordnung hin, so wird dieses Verhalten die Merkmale des Verbrechens der Meuterei in sich tragen. Die Aufreizung von Reservisten zur Verweigerung des Gehorsams gegen einen Dienstbefehl ist daher die im H 222 Militär-Strafgesetz bezeichnete strafbare Handlung. Das Reichs- ^riegsministerium muß aus die strengste Handhabung der straf gesetzlichen Bestimmungen gegen die Verleitung von Soldaten zu Militärverbrechen großes Gewicht legen. Die bisher bei den Kontrolversammlunge» in Böhmen vorgekommenen Fälle der Gehorsam-Verweigerungen wurden allerdings nur im Disziplinar wege behandelt, da bisher die Nothwendigkeit nicht unbedingt vorlag, die strengsten Maßnahmen anzuordnen. Es ist aber im Interesse der absoluten Verhinderung der Wiederholung ähn licher, die Heeresdisziplin gefährdender Geschehnisse, Sorge zu tragen, daß in Zukunft militärischerseits nach der vollen Strenge des Gesetzes vorgegangen werde." Vierzehn in Arco (Südtirol) lebende Katholiken kündigten ihren Uebertritt zum Protestantismus an, falls der Dekan nicht für Anstellung eines deutschen Priesters sorge, der deutsche Predigten hält und den Religionsunterricht in der deutschen Schule besorgt. Aus Troppau wird der „Neuen Freien Presse" berichtet: Der Kaiserlich rassische Hofjagdmeister, Herr Ruff von Ruffen, ist vor einigen Tagen in Troppau gewesen und hat daselbst Jagdhunde, lebende Hirsche, Rehe und Fasanen für den Thiergarten von Skiernewice gekauft, wo angeblich Heuer um Spätherbst eine Zusammenkunft der dreiKaiser von Deutschland, Rußland und Oesterreich stattfinden und große Jagden dabei abgehalten werden sollen. (Wir geben diese Nach richt unter aller Reserve.) Niederlande. Nunmehr ist auch der letzte vorbereitende Schritt für die in der zweiten Hälfte des Mai geplante Friedenskonferenz im Haag gethan. Die niederländische Regierung hat die formellen Einladungsschreiben erlassen, und dabei stellt es sich auch heraus, daß der Papst nicht zu den Ein geladenen gehört. Die näheren Einzelheiten über den Inhalt des Rundschreibens werden in folgendem Telegramme übermittelt: London, 6. April. Tie niederländische Regierung schickte die formelle Einladung zur Friedenskonferenz an die niederländischen Vertreter in England, Rußland, Deutschland, Oesterreich, Frank reich, Italien, Türkei, Spanien, Portugal, Schweden, Dänemark, Belgien, Luxemburg, Serbien, Rumänien, Montenegro, Griechen land, Schweiz, Amerika, Siam, Persien, China und Japan ab behufs Ueberreichung an die Minister des Aeußeren. Die Note, welche vom Minister des Aeußeren abgesandt ist, rekapitulirt kurz die vom Zaren gethanen Schritte, um allen Nationen die Segnungen des Friedens und eine Verringerung der Rüstungen zu verschaffen. Die Note weist dann darauf hin, daß nach dem zweiten russischen Cirkular, welches die Hauptpunkte für die Kon ferenz auseinandersetzte, eine weitere Mittheilung des Zaren er klärte, aus politischen Gründen halte er es für besser, daß die Konferenz nicht in der Hauptstadt einer der durch dieselbe haupt sächlich berührten Nationen stattfinde, weshalb er die Abhaltung der Konferenz in Holland vorschlug. Die Königin Wilhelmina habe sich durch diese Murheiluug des Zaren höchst geschmeichelt gefühlt und habe die ihrer Regierung angebotene Ausgabe huld vollst angenommen. Namens der Königin wird den nieder ländischen Vertretern daher ausgetragen, ihre respektiven Regier ungen zu ersuchen, Vertreter für die Konferenz zu schicken, deren Eröffnungs-Versammlung auf den 18. Mai fest gesetzt sei. Besonders hervorgehoben wird in der Note, daß nur die im zweiten russischen Cirkular spezifizirten Fragen verhandelt werden, dagegen alle nationalen und politischen Fragen rigoros von den Berathungen der Konferenz ausgeschlossen sein würden, Frankreich. Der „Figaro" veröffentlichte gestern die Aus sage des Untersuchungsrichters Bcrthulus. Dieser übergab dem Kassntionshofe Briese Esterhazys an Roth schild, sowie einen mit Beauval unterzeichneten Bries, in welchem es heißt, daß Esterhazy glaubte, mit einer Bitte Rothschild an- gehen zu müssen. Berthulns ist der Ansicht, daß dieser Brief nickt von der Hand Beanvals hcrrühre, sondern zweifellos von Esterhazy selbst geschrieben ist. Berthulus lenkte die Aufmerk samkeit des Kassationshofes auf einen Brief Esterhazys vom 29. Juni 1884, in dem die Worte vorkommen: „Im Augen blicke meiner Abreise ins Manöver." Er übergab ferner ein Memorandum Esterhazys an den Polizeikommissar Martin, in welchem Esterhazy Aufklärungen über die K.age seines Vetters Christian Esterhazy giebt. Dieses Schriftstück hat in den Augen des Untersuchungsrichters ein wirkliches Interesse. Es enthält die besondere Angabe Esterhazys, daß er seinen Vetter Christian ersuchte, Vermittler zwischen ihm und dem Generalstabe zu sein. Christian Esterhazy nahm dies an. Berthulus übergiebt sodann ein Notizbuch von Frau Gusrard, der Pförtnerin des Hauses Rue Douai Nr. 49, in welchem sich Geständnisse der Madame Pays befinden. Er erzählt dann, daß er einige Zeit nach der Affäre Henry-Picquart Henry begegnet sei und ihn gefragt habe, weshalb er Picquart vor den Schranken des Gerichts in so ent schiedener Weise Lügen gestraft habe. Henry erwiderte, das sei im Kreuzfeuer des Verhörs geschehen; er habe jedoch niemals die Absicht gehabt, Picquart als Lügner hinzustellen. Picquart sei ein Starrkopf, aber ehrenhaft. Berthulns sah du Paty de Clam zweimal. Dieser versicherte ihm, er sei von der Schuld Dreyfus' überzeugt; dieselbe werde durch das Bordereau, die, Schristprüfung Berthillons und durch sein eigenes Verhalten bewiesen, du Paty de Clam äußerte, er halte Picquart für einen ehrenhaften Mann. Berthulns giebt ferner Aufklärungen über die Angelegenheit Christian Esterhazy und sagt, er habe Vertrauen zu ihm, der sich niemals widersprochen nnd in seinen Aussagen eingeschränkt habe. Auf Ersuchen des Präsidenten setzt Berthulus den Vorfall mit der verschleierten Dame aus-- einander und spricht die Ueberzeugung aus, die verschleierte Dame sei niemand anderes gewesen als du Paty de Clam. Ivi der Zeit vor dem Zola-Prozesse habe der General Gonse zu ihiri geäußert: „Sie treffen mit Picquart zusammen. Halten Sü: ihm mit eindringenden Worten vor Augen, daß von seine r Haltung im Prozesse seine ganze Laufbahn abhänge." Als Be weis der Schuld Dreyfus' zeigte General Gonse Berthulus einen mit „Alexandrine" unterzeichneten Brief. Einige Monate später wurde die Fälschung Henrys bekannt. Berthulus berichtet über die Angelegenheit der falschen „Speranza- und Blanche-Tele gramme". Madame Pays, die Geliebte Esterhazys, gestand ein, daS „Speranza-Telegramm" geschrieben zu haben; das „Blanche- Telegramm" rühre von du Paty de Clam her. Nach einer Unterredung mit dem Advokaten Tszenas zog Madame Pays ihr Geständniß zurück. Der in der Wohnung derselben gefundene Brief, in welchem Esterhazy Beeinflussung der Sachverständigen verlangt, war, wie Esterhazy sagte, an den General de BoiSdeffne gerichtet. Bei Esterhazy sei ferner ein Brief beschlagnahmt worden; dieser Brief war ein Beweis dafür, daß Esterhazy iin Nachrichtenbureau verbrecherische Beihülfe gefunden habe. Ain 18. Juli 1898 begab sich Henry im Auftrage des KriegU- ministers in Paris zu Berthulus. Als Henry die verschiedenen beschlagnahmten Papiere sah, geneth er in große Aufregung und beschwor Berthulus, die Armee zu retten, und gestand ferner, daß Esterhazy und du Paty de Clam die Urheber der Speranz-a- und Blancha-Telegramme feien. Als Henry im Begriffe woir, sich zu entfernen, sagte Berthulus zu ihm: „Das ist noch nicht alles. Esterhazy und du Paty de Clam sind schuldig. Wür-de du Paty de Clam sich heute eine Kugel durch den Kopf jagen und Esterhazy als Fälscher vor das Strafgericht kommen, so ist doch noch eine Gefahr vorhanden: diese Gefahr sind Sie! Ich habe einen von Esterhazy an den Deputirten Jules Roche ge richteten Brief in der Hand, in welchem von Ihren Fähigkeiten und Charakter das erschreckendste Bild entworfen wird. Es hestßt in demselben auch, daß Sie immer Geld brauchen und Esterhazys Schuldner geblieben sind. Das rührt alles aus der Zeit vor dum Dreyfusprozesse her. Wenn nun derartige Papiere in die Hände Ihrer Kameraden fallen, würde man daraus den Schluß ziehen, daß Sie Esterhazy militärische Schriftstücke übermittelten." Hemry brach in Thränen aus, umarmte und küßte mich und ries schluchzend: „Netten Sie uns!" Dann änßerte er: „Esterhuzy ist ein Bandit!" Ich sagte: „Esterhazy ist der Urheber des Bordereaus." Henry erwiderte: „Bestehen Sie nicht auf dieser Frage. Die Ehre der Armee über alles!" Reinach erörtert im „Siecle" die AussagenCavaignacs und erklärt im Anschluß an den Text des geheimen Schreibens, dem Cavaignac eine ganz andere Auslegung giebt als Picquart: „Die schreckliche, aber genaue Wahrheit schreibe ich unter doller Verantwortlichkeit nieder, ohne eine Widerlegung einer Autorität befürchten zu müssen. Diese Wahrheit ist, daß Schwartzkoppen wiederholt erklärt hat, Esterhazy habe ihm versichert, er habe die Mitteilungen, die er an Schwartzkoppen verkauft, von Henry erhalten und von einer zweiten Persönlichkeit, die ich vorläufig nicht nenne. Esterhazy hatte Schwarzkoppen zuerst Misstrauen eingeflößt; er wollte nicht glauben, daß solch ein Gauner zur französischen Armee gehöre. Um Schwartzkoppen zu betveisen, daß er ein Offizier sei, hat Esterhazy gebeten, in Unifcwm zu Pferde und in Begleitung eines Generals vor Schwartzckoppen vorbeireiten zu dürfen. Das ist thatsächlich geschehen. Ich weiß das von einem Zeugen aus dem Prozeß der Wittwe Henry. Esterhazy bezeichnete Henry als denjenigen Generalstabs-Offizier des zweiten Bureaus (Bureau 88 --- ssrvioe statistique), der ihm seine Mittheilungen überbrachte. Dies hatte Schwartz koppen auf einem Papier notirt, das im Dreyfus-Prozeß in der Berathungskammer mit dem Kommentar du Paty de Clam s aus- getheilt worden ist. Der Präsident der Republik, Loubet, ist in Begleitung des Ministerpräsidenten Dupuy gestern in Montälimar eingutroffen und von den Behörden empfangen worden. Der Einzug urfolgte unter unaufhörlichen begeisterten Zurufen. Die 86jährige Mutter des Präsidenten erwartete diesen auf einer vor der Mairie er richteten Tribüne. Loubet ließ dort den Zug halten, verließ den Wagen und umarmte seine Mutter voller Rührung, eine Szene, welche in ihrer Einfachheit großen Eindruck machte. Türkei. In der Zeit vom 23. Februar bis zum 4. April sind in Tjeddah 76 Personen an der Pest gestorben. Nach Athener Meldungen haben die Kabinette der vier Mächte den Antrag des Oberkommissars Prinzen Georg, die zomenweise Okkupation aus Kreta durch eine gemischte Okkupation der Städte Kandia, Rethymno und Kanea zu ersetzen, mit der Be gründung abgelehnt, daß eine solche Maßregel die Sicherung einer ersprießlichen Verwaltung auf der Insel beeinträchtigen würde. Von englischer Seite werden in Kandia Vorkehrungen getroffen, die auf eine sehr lange Dauer der jetzigen Okkupation schließen lasten. — Aha! China. Nach in Berlin eingegangenen telegraphischen Nach richten erfolgte die Besetzung von Jtschau in Ruhe. Mit den Gerichtssitzungen zur Bestrafung der Schuldigen im Falle Stenz wurde begonnen. Das deutsche Vorgehen hatte bereits den Er folg, daß durch einen Befehl des Kaisers von China zum Schutze der Missionen und Bergwcrksbeamten Militär nach Jbschan-fu gelegt wurde. Ueber das Erwachen des Deutschthums in den Ber einigten Staaten wird der „Voss. Ztg." auS New-York ge- schrieben: Wohl eine der interessantesten und zugleich unerwartetsten Folgen des Krieges ist das erneute mächtige Ausflammen des deutschen Stammesbewußtseins in den Vereinigten Staateu. Die englischen Hetzereien und ihre nur zu bereitwillige Verbreitung in der hiesigen englisch-amerikanischen Presse, sowie die anglo amerikanische Freundschaftsduselei sind von den Deutschen im Liande mit Recht als eine Beleidigung ihrer Nation und Ab stammung empfunden worden. Das erste Anzeichen dieser Stimmung unter dem Deutschthum bot, abgesehen von den Ent- nüstungsartikeln der deutsch-amerikanischen Presse, das Vorgehen der Deutschen von Chicago. Einen heitern Beigeschmack gewannen die Proteste der Chicagoer Deutschen dadurch, daß sich ihnen sogar die Irländer brüderlich anschlossen. Eine Abordnung der Irländer wohnte der Protest-Versammlung bei. Deren Sprecher hielt eine scharfe Rede vor Allem gegen die sogenannte anglo amerikanische Allianz und verwahrte sich dagegen, Amerika einfach als angelsächsisches Land bezeichnet zu sehen. Jetzt hat nun auch der deutsche Kriegerbund von Long-Island, dessen Mitglieder aus schließlich ehemalige deutsche Soldaten sind, mit dem Haupt quartier in Brooklyn, energische Beschlüsse gegen die feindselige Haltung der New-Yorker englisch-amerikanischen Presse gegenüber )em Deutschthum hüben und drüben angenommen. Aber auch onst hat diese Haltung der Presse zur Folge gehabt, daß sich das Deutschthum aller Orten auf sich selber besinnt. Kaum hat das ganze Deutschthum von Pennsylvania gegen die Versuche, die persönliche Freiheit und den harmlosen Lebensgenuß zu beschränken, wie ein Mann Stellung genommen, so folgt das Deutschthum von Cleveland, in Ohio, mit einem wüthenden Angriff auf die dortigen Feinde des Deutschthums in der Schulfrage. Es handelt ich um die Neuwahl eines Schulrathspräsidenten. Die so genannten Vollblutamerikaner haben den als typischen ameri kanischen Ignoranten und Fremdenhasser bekannten Kendall aus gestellt, der von deutschem Schulunterricht nichts wissen will. Die Deutschen haben einen deutschen Kandidaten namens Janson ausgestellt. Besonders eifrig agitiren für diesen die deutschen Frauen, denn in Ohio haben die Frauen bei Schulwahlen Stimmrecht. Im „Wächter und Anzeiger", dem angesehenen deutschen Blatte Clevelands, wimmelt es von Einsendungen aus weiblicher deutscher Feder zu Gunsten Jansons. Eine dieser Einsenderinnen schrieb in einen, Aufruf: „Und so wie Eure Männer jetzt beim Bier Politik treiben, kommt Ihr Frauen zum' Kaffeeklatsch und bei den verschiedenen Tassen Mokka macht Stimmung für Janson, nicht weil er zufällig ein Deutscher ist, nein, weil er auch das Zeug dazu besitzt, diese Stellung zu ver-' sehen, und diesem Kendall heimgeleuchtet werden muß, daß er Respekt hat vor den deutschen Frauen und Männern. Vielleicht sängt er dann selbst an, noch die deutsche Sprache zu erlernen, nm besser deutschen Geist, deutsches Wissen und deutschen Charakter zu verstehen. Deutsche Frauen, greift zur Zuchtruthe des Stimmrechts und verhaut den Kendall. Am Ostermontag thut Eure Pflicht voll und ganz und stimmt mit Eurem Manne wenigstens an diesem Tage überein, alle beide aber für den deutschen Schulrathskandidaten Buchhändler Otto Janson." Wenn dieser kernige Appell nichts nutzt, dann muß am Deutschthum von Cleveland Hopsen und Malz verloren sein. Wie theuer die Amerikaner hinterdrein noch den Krieg mit Spanien bezahlen müssen, geht aus den nachstehenden Mit theilungen hervor: Zu den großen Soldsorderungen der cubanischen Freischaaren, welchen jetzt bereits 60 Millionen Mark bewilligt worden sind, kommen neuerdings rückständige Ansprüche einer Unmenge von Leuten, welche mit mehr oder minder Recht der Regierung lange Rechnungen machen. So hat die ganze fünfte Kompagnie des Illinois-Regiments Nr. 8 mit Ausnahme einiger wenigen Leute Pension verlangt, weil die Leute, wie sie durch ärztliche Zeugnisse beweisen, in Folge Fiebererkrankung in Cuba und deren Folgen für ihre früheren Beschäftigungen dienst untauglich geworden sind. Die Pensionsforderungen ähnlicher Art belaufen sich jetzt schon aus überzweitausend! Und noch weit mehr werden folgen. Man rechnet schon jetzt auf etwa 25 000 Pensionsansprüche aus den Feldzügen in Cuba und aus den Philippinen. Der „Hamb. Korr." theilt folgende Zuschrift mit: Einige in Süd-Brasilien erscheinende deutsche Zeitungen berichteten vor einigerZeit, daß ein Angestellter des deutschen Konsulats in Curitiba von brasilischen'Soldaten angegriffen und mißhandelt worden sei. Der Vorfall ist von den dortigen Blättern theilweise übertrieben worden und hat sich wie folgt zugetragen: Am 20. Januar d. I. abends 6 Uhr wurde ein bei dem erwähnten Konsulate beschäftigter Beamter beim Nachhausegehen von einem brasilischen Soldaten an der Brust gepackt, als er durch einen Trupp von etwa zehn Soldaten, die sich auf dem Bürgersteige befanden, hindurchgehen wollte. Der Angegriffene stieß den Soldaten zurück, worauf dieser ein Rasir- messcr hervorzvg und Miene machte, zum Angriffe vorzugchen, woran er indessen durch seine Kameraden gehindert wurde. Konsul Baerecke, der dem vor einiger Zeit in ein Berussamt um gewandelten Konsulate in Curitiba vorsteht, machte die An gelegenheit am nächsten Tage bei der zuständigen Militärbehörde anhängig. Der schuldige Soldat wurde ermittelt und nach er littener strenger Bestrafung aus der dortigen Garnison entfernt. Die Sache hat damit ihre prompte und zufriedenstellende Er ledigung gefunden. Colontalpottttsches. Eins der nach Deutsch-Lüdwestafrika entsandten deutschen Dienstmädchen hat einen in verschiedenen Zwischenräumen ge schriebenen Brief in die Heimath gesandt, aus dem die „D. Kol.- Ztg." Einiges mittheilt. Der erste Eindruck, den das Mädchen von der Küste empfing, war, wie vorauszusehen, nicht der günstigste. Sie schreibt: „Denk Dir den großen Ozean und dann eine fürchterliche, haushohe Brandung, und dann denk Dir eine große, gelbe Sandwüste. Kein Hälmchen Gras, kein Baum, nicht das allerklcinste Sträuchchen, nur Sand, Sand, soweit das Auge reicht. Und über diese Sandwüste brütet der tropische Himmel, und ist es ein bischen windig, kann kein Mensch draußen sein, dann jagd der Wind mit dem Sand. Es ist schauerlich, man, kann nicht sehen, nicht athmen. Und in diese Sandwüste denke Dir so schön weit verstreut 12—15 Häuser aus Brettern und> dann vielleicht ebenso viele Hottentottenkraals, das ist Swakopmund! Hier wächst nichts als Hunde und Flöhe; die giebts hier unzählige, kein Mensch kann sich davor retten. Alles in Allem sind hier vielleicht 200 Deutsche mit der Schutztruppe. Jeder Bissen, den die Leute hier essen, ist importirt aus allen Himmelsrichtungen. Am Meisten wird aus Kapstadt eingeführt. Wie das Essen hier ist, kannst Du Dir denken, Morgens Reis mit Büchsenmilch, Mittags Reis und Rindfleisch, Abends, was übrig bleibt. Butter, jeden Happen Wurst, alles in Büchsen. DaS Pfund Butter kostet 4 Ml., Brot (solches wie unser 25 Pfennig-Brot, bloß gröber und sandig) kostet 1,50 Mk., Kartoffeln sind am thenersten, der