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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 08.03.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189903080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990308
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990308
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-03
- Tag 1899-03-08
-
Monat
1899-03
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 08.03.1899
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HS 85. des Reichstags! Und dieS gilt nicht nnr von den An hängern und Befürwortern der Oertelschen Kandidatur, sondern auch von Denen, die derselben Anfangs kühl oder gar ablehnend gegenüberstanden, natürlich nur insoweit, als ihr Geist noch nicht von dem Redaltionslämpchen der „Dresdner Zeitung" „erhellt" worden ist. — Der »weile kirchliche Famillenabend wird Montag, 13. März, im Saale zum Bairischen Garten abgehalten. Herr Missionssekretär Just in Dresden hat einen Vortrag über „Leiden und Erlösung in der buddhistischen Weltanschauung und in der christlichen", zugesagt, während Herr Musikdirektor Anacker die Ausführung der Gesänge mit dem Kirchenchor übernommen hat. — Der Wohlthätigkeitsverein „Bruverbuuv", der sich der würdigen Armen und hilsbedüritigen Kranken Freibergs annimmt, veranstaltet zu Gunsten derselben heute Dienstag Abend im Saale zum „Schwarzen Roß" einen Familienabend, bestehend aus Theater vom hiesigen Stadttheater-Ensemble und Tanz. Zur Aufführung kommt Ludwig FuldasLustspiel: „Die Jugendfreunde". — Im hiesigen Nalurheilverein spricht Mittwoch Abend im Gewerbehaus Fräulein Hammacher aus Dresden über die Entstehung und Verhütung der Krankheiten junger Frauen und Mädchen, wozu Frauen Zutritt habe». — Bei der heute stattgefundenen Ziehung der König!, sächsischen Landeslotterie wurden (ohne Gewähr) folgende Gewinne gezogen: 10000 Mark auf Nr. 17143, 5000 Mark auf Str. 26033, 77758. *** Berthelsdorf, 7. MäH. Zur Ergänzung bez. Be richtigung des gestrigen Berichts über den Brand im Kunzeschen Beigut sei das Folgende mitgetheilt: Das Beigut gehört Herrn Heinrich Kunze und ist von Herrn Hermann Kunze erpachtet. Das Feuer brach in der Scheune, nicht im Nebengebäude aus. Dem Pächter sind Futtervorröthe, sowie Wagen und Ackergeräthe ver brannt. Von den auswärtigen Wehren erschien die von Zug und Langenrinne als erste und die von Weißenborn als zweite an der Brandstelle. Die Landabtheftung der Freiberger sreiw. Feuer wehr trat nicht in Thätigkeit. /X Weigmannsdors, 6. März. Am Sonntag Abend hielt im dekorirten Saale des Krumbiegelschen Gasthofes der hiesige Männerschützenverein sein diesjähriges Wintervergnügen ab. Während einer Tanzpause gab Herr Vorstand Reinhard Gründig den jüngsten Beschluß des Ausschusses dahin lautend bekannt, daß der als Gast anwesende Herr Erbgerichtsbesitzer Friedrich Klemm in Anbetracht der jederzeit dem Vereine erwiesenen Ge fälligkeiten und in dankbarer Anerkennung der um die Förderung der Interessen genannter Vereinigung erworbenen Verdienste als „Ehrenmitglied" ernannt morden sei. Diese Mittheilung fand allseitig freudige Ausnahme. Das Fest nahm nach allen Seiten hin einen sehr befriedigenden Verlauf. Die konservativen Vereine von Meißen, Siebenlehn, Nossen und Rohwein haben beschlossen, den seitherigen Kandidaten im 7. städtischen Landtagswahllreise, Bürgermeister Rüder-Noßwein, bei der bevorstehenden Landtagswahl als Kandidaten wieder anfzustellen. Der Rath zu Dresden schreibt einen Wettbewerb zur Er langung von Skizzen zu Neubauten für ein Gymnasium, sür eine Realschule und sür eine Bezirksschule aus dem städtischen Areale zwischen der großen Piauenichen Straße, der Dippoidiswalder Gasse, der Carolastraße, derNeitbah strnße und der geplanten verlängerten Weinligstraße unter den Dresdner Architekten ans. Wegen Todtschlages erfolgte vorgestern in Leipzig die Verhaftung des 46 Jahre alten Arbeiters Michael Wolf aus Freiersbach in Untersranlen. Derselbe gerieth im Fremdenzimmer eines Gasthofes in Lindenau wegen eines Stück Brods mit dem 36 Jahre alten Fleischer Carl Friedrich Boy aus Uffhofen in Streit und brachte Letzterem hierbei mittels eines Taschenmessers einen Stich in die linke Halsscite bei, der den sosortigen Tod zur Folge hatte. Im Kraukenhause St. Jacob zu Leipzig verstarb die 14 Jahre alte Tochter des Heizers Ulrich. Dieselbe wurde Tags zuvor wegen einer Gehirnhautentzündung daselbst ausgenommen. Im Juni 1897 wurde das Mädchen am Tische sitzend durch eine Teschinkugel, welche ein junger Mensch auS dem der elterlichen Wohnung gegenüberliegenden Hause abgeschossen hatte, am Kopf Kunst, Wissenschaft, Literatur. ** Stadttheater. Die gestrige Aufführung des Singspiels „Dichter und Bauer" von F. v. Suppö hatte sich trotz ver- chiedener anderweitiger Vergnügungen in unserer Stadt eines außerordentlich guten Besuchs zu erfreuen. Die ausgezeichnete Darstellung des Stückes sand wiederum beifällige Aufnahme. schwer verletzt. Ihr Zustand verschlimmerte sich immer wieder, auch hatte sich ein Gehirnabsceß gebildet. Die Acrmste ist nun an den Folgen der damaligen Schußverletzung gestorben. Gegen mehrere sozialdemokratische Vertrauensleute, die zum Zwecke der Protest-Begründung gegen die Wahl des Konservativen Zeidler im 23. sächsischen Reichstags-Wahlkreise — Plauen i. P. — angeblich falsche Beschuldigungen erhoben haben, soll jetzt amtlich eingeschritten werden. Die Wahl Zeidlers wurde kürzlich im Reichstage bekanntlich für giltig erklär t, doch zugleich beschlossen, den Kommissionsbericht durch den Reichskanzler der sächsischen Regierung zur Kenntnißnahme und weiteren Veran lassung zu übermitteln. Ein interessanter Fnnd wurde beim Bau der neuen Wasser leitung in der Nähe des Schützenhauses in Leisnig gemacht. Unter dem zweiten Packlager der ehemaligen (alten) Straße sand man in einer Tiefe von 170 cm verschiedene Eisentheile, Ketten, ein Hufeisen, einen Hemmschuh und eine Kanonenkugel. Da im Oktober 1813 beim Anzüge der Oesterreicher zur Leipziger Schlacht beim nahen Orte Seifersdorf zwischen ersteren und der Nachhut der Franzosen ein kurzes Gefecht stattsand, dem Napoleon selbst beiwohnte, so ist sehr wahrscheinlich, daß die Fundgegen stände ans jener Zeit stammen. Auf das von der Stadtvertretung zu Borna eingereichte Gesuch um Uebernahme des Realgymnasiums in staatliche Ver waltung theilte das Königl. Kultusmmistermm mit, daß eine Be rücksichtigung des Gesuches zwar für die jetzige Staatshaushalts periode von 1899/1900 nicht möglich sei, stellte dagegen in Aussicht, für die spätere Periode das Gesuch in Erwägung zu ziehen. Ein früh gegen 3 Uhr von DreSden-Friedrichstadt »ach Elster werda abgehender Güterzug zernß gestern aus der freien Sirecke zwischen Böhla und Grohenstain. Der abgetreunte Hintere Zugstheil ist im Laufen geblieben «nd einmal durch die große Last, dann auch infolge des Gesälles dieser Strecke begünstigt, io rasch vorwärts gegangen, daß er in der Nähe des Bahnhofes Großenhain auf den voranfgefahrenen vorderen Zngstheil ans- flihr. Der Anprall war so stark, daß 15 Güterwagen mehr oder weniger beschädigt wurden. Personen sind nicht verletzt, auch war es möglich, den Verkehr in vollem Umfange aufrecht zu er halten. „Geflogen" ist die namentlich im Vogtlande bekannte sozial demokratische Genossin Lina Vogel aus Netzschkau nach dem Rezept des alten Liebknecht. Ein Schiedsgericht der Genossen in Leipzig hat die Genossin aus der sozialdemokratischen Partei ausgeschloffen. Neueste Nachrichten. Berlin, 8. März. Das Kaiserpaar trifft, wie man der „Voss. Ztg." aus Metz schreibt, mit den jüngeren Kindern zwiichen dem 10. nnd 15. Juni zu etwa achttägigem Besuch in Urville ein. Außer der feierlichen Grundsteinlegung des von dein Kaiser selbst entworfenen Gesammtdenkmals aus dem Schlachtjelde von Gravelotte sind alle größeren Festlichkeiten abgelehnt worden. Berlin, 6. März. Eine abermalige Verhaftung hat im Gesängmß Plötzensee stattgesunden. Es handelt sich um einen Ausseher, welcher beschuldigt wird, Durchstechereien mit Gefangenen betrieben zu haben. Hamburg, 6. März. Infolge deS Tariskampfes zwischen den nordatlantischen Schnelldampfer-Linien hat die Hamburg- Amerika-Linie ihren Uebersahrtsprels für die erste Kajüte ab Southampton von zwanzig aus zehn Pfund Sterling herabgesetzt. lElVing, 6. März. Die Provinzialstenerdireltion bestrafte, wie die „Elbinger Zeitung" nieldet, den früheren Mühlenbesitzer Albert Meyer in Elbing, jetzt in Berlin, wegen Zollhinterziehung in Höhe von 63000 Mk. zur Zahlung des vierfachen Betrages der defraudirten Summe, sowie zum Werthersatz des unrecht mäßig in den Jnlandverkehr gebrachten russischen Roggens. Die Strafe beträgt insgesammt über eine halbe Million. Bei Meyers Verurtheilung wegen Nahrungsmittelverfälschnng hatte sich herausgestellt, daß Meyer russischem Transitroggen 12 Proz. entzogen und dafür Kehrichtmehl zugesetzt hatte. Graz, 6. März. Der protestantische Pfarrer Fritz May »wurde vom Bezirksgericht zu 30 Gulden Geldstrafe verurtheilt, Arelverger Anzeiger «nd Tageblatt. Seit« 4.-8. März Verschiedenes. * Die Ursache ver Explosion in Toulon konnte bis her nicht festgesteUt werden; vielleicht wird sie, da die meisten der am Orte weilenden Personen das Leben verloren haben, niemals genau zu ermitteln sein. Gutachten über die Explosionsgefahr' der im Magazin ausbewahrten Pulverarten älterer und neuerer Systeme wurden eingehvlt. Daneben werden allerdings allerlei Glossen und Verdächtigungen über die in letzter Zeit im Arsenale aushilfsweise beschäftigten fremden Arbeiter verbreitet und finden beim großen Publikum Glauben. Neben dem verkohlten Leichnam' einer der Scknldwachen am Pulvermagazin wurde ein geladenes Geivehr gefunden. Das Reglement für die Pnlverwache schreibt vor, das Gewehr nur zu laden, falls irgend etwas Verdächtiges wahrgenommen wird. * Die Brennnessel als Heilmittel bei Blutarmuht empfiehlt nach eigenen Beobachtungen ein schwedischer Arzt vr. Hjalmar Aguer. Die Brennessel bildet von jeher in Schweden ein sehr beliebtes und allgemein verbreitetes Heilmittel gegen Blutarmnth. Angewandt wird hanpriächlich die gewöhnliche Brennnessel (Urtica ckioiea), aber auch eine Abart, die vrtiea nrsns, hat die gleichen Eigenschaften. AuS den am besten im Frühjahr gesammelten Wurzeln nnd Stengeln mit halber'chlosjenen Blättern wird in frischem Zustande eine Suppe, in getrocknetem ein Aufguß (eine Hand voll ans V, Liter Wasser) bereitet, und alle ein bis zwei Tage werden mehrere Tassen davon genommen.' Aguer selbst giebt an, daß er verschiedene Male unzweifelhafte Lrsolge nach Anwendung der Brennnessel gesehen habe. Jeden alls verdienen seine Beobachtungen beachtet zu werden und ein Veriuch würde bei der Unschädlichkeit des Mittels durchaus' unbedenklich sein. * Die feinvlichen Millionäre. Der kürzlich verstmbene Exsenator Calvin Brice von Ohio versinnbildlichte so recht den Begriff der Eigenschaften, die der Amerikaner in dem Worte „smart" zusammenfaßt. Er ist eines der besten Beispiele sür die echt amerikanische Karriere, die als armer Junge begonnen wurde/ um bis zum Multimillionär und politisch einflußreichen Manne zu gelangen. Die Spekulationen Brice'S waren die waghalsigsten und gaben der ganzen Union Stoff zu bewundernder Betrachtung. Sein Meisterstück hat er aber mit dem Baue und der Fruktifizirung der „Nikei Plate Bahn" geliefert. Brice war damals schon ein recht wohlhabender Mann, aber sein Ehrgeiz strebte höher, und o ließ er sich denn verleiten, sich Hals über Kops in eine wag- ;alsige Spekulation zu werfen, aus der es nur ein Ende mit Schrecken zu geben schien. Er nahm jeden Dollar, den er hatte oder zusammeuborgen konnte, und verwendete ihn zum Baue der genannten Bahn, die er als Konkurrenzbahn sür tue „Lake Shore and Michigan Southern Bahn", eine Schöpfung des Eis-nbahn- königs Vanderbilt, gedacht hatte. Er rechnete dabei auf den Plan, diese" Bahn den Va-d-rbilts theuer zu verkaufen, da diese sich doch die drohende Konkurrenz vom Halse schaffen mussten. Aber Vanderbilt wollte nicht anbeißen. Er konnte warten, nm die Bahn billiger zu haben, da die Verhältnisse Brice's allgemein als nicht glänzende bekannt waren; auch konnte er nicht wissen, ob es nicht Brice beifallen werde, eine neue Konkurrenzbahn zu bauen, sobald er die Nikel Plate gut an den Mann gebracht Haven würde. Brice ging zu dem mächtigsten und erbittertsten Konkurrenten der Vanderbilts, Jay Gonld, dem er die Bahn zum Kaufe anbot. Aber auch dieser wollte die Bahn, die sich nicht rentirte, nicht kaufen. Da zeigte sich Brice's geriebener Handelsgeist. Er machte Gould einen Vorschlag: dieser solle gestatten, daß er, Brice, in allen Zeitungen verkünde, daß Gould die Bahn ankausen wolle; durch acht Tage dürfe er kein Dementi erscheinen lassen, und nach Ablauf der acht Tage müsse Gould eine langsame Fahrt per Extrnzug auf der Nikel Plate Bahn machen, als ob er dieselbe ans das Eingehendste inspiziren wolle. Er bot Gould für diese Mit wirkung eine halbe Million Dollars, wenn es ihm gelänge, die Vanderbilts „hineinznlegen". Gonld war es zwar nm die halbe Million nicht zu thun, aber eine Gelegenheit vorübergehen zu lassen, die gehaßten Vanderbilts zu schädigen, nein, das kvimte man von Gould nicht verlangen, und er willigte rin. Der P an wurde in meisterhafter Weise inszenirt. Die Zeitungen be richteten, daß Gould behufs Ankaufes der Nikel Plate in Unter handlungen stehe; man interpellirte Gould, aber dieser erwiderte kurz, daß er nichts zu sagen habe. Am Ende der Woche fuhr er langsam über die ganze Bahnstrecke von Buffalo nach Chicago, stand am Hinteren Ende des Zuges und rauchte seine Cigaretten. Von allen Stationen kamen Depeschen über Goulds Ankunft und Treiben, und noch ehe Gould Chicago erreicht hatte, hatte Vanderbilt schon an Brice telegraphirt, daß er die Bahn zu dem kürzlich verlangten Preise kaufe. Brice war nicht allein vor dem Ruine und der Schande gerettet, sondern sein Profit bei dem Stückchen betrug sieben Millionen Dollars ---- 29 Millionen Mark. verdanvs wurde die Aenderung der Statuten (Anpassung an . das neue Handwerkergesetz) berathen. Der Verband will künstig 'freie und Zwangsinnnngen umschließen, von der Aufnahme von Einzelmitgliedern wurde abgesehen. Zur Genehmigung der neuen Statuten wird in diesem Jahre, in dem der Verband übrigens 10 Jahre besteht, ein außerordentlicher Verbandstag in Döbeln abgehalten. Im Anschluß daran soll ein Besuch der Fachschule zu Siebenlehn stattfinden und auch Vertreter der Königlichen Regierung eingeladen werden. Eine lebhafte Aussprache ent stand über den Erlaß deS Reichskanzlers, durch welchen die Gründung eines allgemeinen deutschen Verbands abgewiesen worden ist. Der Vorstand wurde beauftragt, geeignete Schritte zu thun, damit dieser Erlaß rückgängig gemacht werde. — Die gestern in Freiberg unter Vorsitz des Herrn Bankier Arthur Mittasch auS Dresden stattgefundene 27te ordentliche Generalversammlung Ver Freiberger Papierfabrik zu Weitzenborn, welche von 12 Aktionären mit 1697 Stimmen besucht war, genehmigte den Rechnungsabschluß für 1898, sowie die sofort zahlbare Dividende von 8 °/g. Das ausscheidende Mitglied Herr Bankier Arthur Mittasch wurde durch Zuruf wieder- und der frühere Direktor Herr Paul Büttner z. Z. Rentier in Dresden neu in den Aufsichtsrath gewählt. — Auf Veranlassung des hiesigen Reichsvereins hielt gestern Abend im Saale des Gewerbehauses der Sekretär des Alldeutsche» Verbandes, Herr Karl Sohlich einen Bortrag über deutsche Weltmachtspolitik. Leider war der Vortrag, zu dem seitens des Reichsvereins an verschiedene Vereine Einladungen ergangen waren, nicht sehr zahlreich besucht. Im Hinblick auf das interessante Thema, hätte man einen regeren Besuch voraussetzen dürfen. Herr Rechtsanwalt Blüher eröffnete die Versammlung durch Begrüßung der Erschienenen und unter Hinweis auf das Vortragsthema, worauf Herr Sekretär Sohlich das Wort nahm zu seinen fesselnden Ausführungen. Er gab zunächst ein Bild über den hohen wirthschaftlichen Aufschwung, den das deutsche Reich seit seiner Schaffung genommen, über die bedeutende Ent wickelung des deutschen Welthandels, wodurch Deutschland erst in die Lage versetzt ward, Weltwirthschastspolitck zu treiben. Im Anschluß hieran behandelte der Vortragende die Answanderungs- srage und ihre Einwirkung auf die deutsche Weltwirthschastspolitik. lDas Hauptmoment sür deren Gestaltung nnd Weiterentwickelung bildet die Nothwendigkeit, unsere Jndustrieprodnkte auf über seeischen Märkten abzusetzen. Viele Industriezweige sind geradezu aus den Absatz ihrer Produkte nach dem Anslande angewiesen. Unsere hauptsächlichsten Absatzgebiete sind die Vereinigten Staaten, Argentinien, Ostasien, Australien. Für Deutschland ergiebt sich jedoch die Nothwendigkeit, andere Absatzgebiete zu suchen, da mit den gegenwärtigen mit der Zeit ein Ausgleichstattfinden wird. Des Weiteren erörterte Redner die Ursachen, denen der Aufschwung der deutschen Industrie in Bezug auf den Export besonders zu danken ist. Die deutschen Interessen im Auslande können jedoch nur in vollem Umfange durch wirksamen Schutz vertreten werden. Redner ver breitet sich eingehend über das Konsulatswesen, er spricht sich für Einschränkung des Instituts der Wahlkonsuln aus, die nicht so nachdrücklich eintreten können wie die besoldeten Rcichsbeamten, die keine Rücksicht zu nehmen brauchen und welche die deutsche Macht eventuell in Gestalt ihrer Kriegsflotte hinter sich wissen. Neben einer mächtigen Flotte ist zur Aufrechterhaltung unserer Weltmachtspolitik auch die Errichtung von Kohlenstationen in fernen Welttheilen unbedingt nothwendig. Es ist von ungeheurem Werth für den Ernstfall, daß zwischen der deutschen Kohlenstation in Kiantschou und Wilhelmshaven und Kiel noch Zwischenstationcn geschaffen werden. Auch Docks müssen im Auslände angelegt werden, um uns immer mehr vom englischen Monopol unabhängig zu machen. Auch der Abhängigkeit vom englischen Kabelnctz müssen wir uns entziehen. Zur Förderung der deutschen In dustrie im Auslande wird auch die Gründung deutscher Handels kammern nothwendig sein, wie sie alle anderen Staaten im Auslande bereits besitzen. Auch der Besitz unserer Kolonien ist für unsere Weltmachtspolitik nothwendig. Nach Darlegung des Werthes der Erhaltung der deutschen Reichsangehörigkeit für unsere Jntereffen-Entwickelung trat der Vor ragende zum Schluß sür die Goldwährung ein, womit er freilich in Freiberg nicht viel Glück haben dürste. Herr Rechtsanwalt Blüher dankte nach Schluß des beisällig ausgenommenen Vortrags den Anwesenden für ihr Erscheinen und schloß die Versammlung. — In ihrer gestern, am 6. März abgehaltenen Quartalver sammlung beschloß dle Lohgerberinnung, die seit »lehr als 400 Jahre bestehende Innung aufzulösen und ihr Vermögender deutschen Gerberschnle zn Freiberg zu überweisen. — Unter der Spitzmnrke „Zur Erheiterung" schreibt die „Deutsche Tageszeitung" des Herrn vr. Oertel: Die „Dresdner Zeitung", ein börsenliberales Blatt, das den Liberalismus der „Nationalzeitung" in einer noch etwas schärferen Abtönung ver tritt, veröffentlichte gestern, also 4^ Woche nach der Dresdener Versammlung des „Bundes der Landwirthe", einen Leitartikel, der von Liebenswürdigkeiten gegen den „Bund der Landwirthe" und die damaligen Redner strotzt und mit folgenden allerliebsten Worten schließt: „Die sogenannte „nationale, christliche und königstreue Wirthschoftspolitik", von der vr. Oertel in Dresden behauptete, ihr gehöre das neue Jahrhundert, steht nicht höher als wie der Aberglaube, daß Viehkrankheiten durch Verhexung entstehen können. Tiefbetrübend sür den Stand der Geistcskultur in Sachsen ist es, daß die wirthschastspolitischcn Quacksalbereien des Bundes der Landwirthe noch immer große» Anklang finden. In einem Lande, in dem die gewerbliche Bevölkerung über drei Viertel der gesammten Einwohnerzahl ausmacht, sollte es denn doch zu den Unmöglichkeiten gehören, daß die herrschende Partei im Landtage mit den Bündlcrn Hand in Hand geht. Noch trauriger ist es, daß derselbe vr. Oertel, von dem hier des östern die Rede war, in dem Jndustrielande Sachsen den Reichstagswahlkreis Freiberg erobern konnte. Wenn man nicht wüßte, vatz ein Narr viele Narren machen kann, so konnte man an der sprichwörtlichen Helligkeit unserer Sachsen verzweifeln." Wir auittiren dankend über vir Anerkennung des Anklangs, den der „Bund der Landwirthe" im Königreiche Sachsen findet. Nicht minder werden sich die „Narren" >m FreibergerWahlkreise über die außerordentlich erfreuliche Anerkennung ihrer Helligkeit bedanken." — Auch wir begnügen uns damit, das Geseire des Börsenblattes niedriger zu hängen. Daß dem Organ der Dresdner Judenschast das Verständniß für die Begriffe „national", „christlich" und „königstreu" abgeht, und das; cs dieselben im Bereich des Aberglaubens und der Viehkrankheiten sucht, wundert nns nach den bisherigen Leistungen des Blattes nicht. Wie weit übrigens das „Narrenthum" in unserem Kreise um sich ge griffen hat, kann man daran erkennen, daß in Stadt und Umgebung nur eine Stimme herrscht und zwar die unumwundener, enthusiastischer Anerkennung des mannhaften, geschickten und erfolgreichen Auftretens unseres Abgeordneten Vr-Oertel in den Verhandlungen
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