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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 08.03.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189903080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990308
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990308
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-03
- Tag 1899-03-08
-
Monat
1899-03
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 08.03.1899
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8r Freiberger Anzeiger «nd Tageblatt. Seite 2. — 8. März 1889 SS König dem ze unter „Fran Künstl in Lei damals Sachs, felde 40000 Die Za , bere tS geri theilungen! di« sittliche also mrrllic Personen u verurtheiler 1882 wurd gesetzt ven sind die Bi Unter diese 117 wegen schlagS un brutalsten! von Person sonst noch 1 traurige B Die Er tritt, sonde reich und trachtungen ganzes Bol mit ein pa allen Erns systematisch um sich gr und diese! 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Hof kaplan Simons hat jedoch seit Sonntag Abend ein Zimmer neben der Patientin bezogen, um im Nothfalle zur Hand zu sein. In der französischen Deputirtenkammer beantragte Allard einen Kredit von 200 000 Fres, für die Hinterbliebenen der bei der Katastrophe in Toulon Getödteten zu gewähren. Minister präsident Dupuy giebt in ergreifenden Worten seinem Mitgefühl an dem Unglück Ausdruck und unterstützt den Antrag Allards, welcher alsdann der Bndgetkommission überwiesen wird. — In Beantwortung einer Anfrage über den Zwischenfall in Maskat erklärte der Minister deS Auswärtigen Delcassö, das französisch-englische Uebereinkommen vom Jahre 1862 habe Frankreich gleichwie England das Recht gegeben, ein Kohlendepot in Maskat zu besitzen, auch habe England nicht Bedenken ge tragen, das Recht Frankreichs anzuerkennen. Delcasss fügt hinzu, jetzt wo England mit Frankreich wegen der Abgrenzungen ihrer beiderseitigen afrikanischen Besitzungen verhandele, sei nicht der Moment, wo dasselbe trachten könne, Frankreich in Maskat Schwierigkeiten zu bereiten, oder wo es die bedauerliche Initiative eines se ner Bevollmächtigten billigen werde. England habe viel mehr der französischen Regierung ihr Bedauern hierüber aus- gedrückt (Beifall). Hiermit schließt der Zwischenfall und das Haus tritt in die Berathung des Budgets der Kolonialver waltung ein. Ans Paris, 4. März, schreibt man der „Voss. Ztg.": Der Strassenat hat den Heldenmnth gehabt, nach seiner Ueberzengung zu uriheilen. Er hat den Oberstleutnant Picquart demausihn lauernden Militärgericht entzogen und vor die Geschworenen ver wiesen. Ob der ausgezeichnete Mann da nicht aus dem Regen in die Tranfe kommt, ist eine andere Frage. Es sind zehn Wahr scheinlichkeiten gegen eine, daß die Geschworenen andächtige Leser des „Petit Journal", der „Libre Parole" und dergl. sind, nnd an lauen, sternhellen Abenden auf den Boulevards bas los RutzlanV. AuS St. Petersburg, 28. Februar, wird der Wiener „Politischen Correspondenz" geschrieben: „Die Be wegung unter den Studenten dauert nicht nur in St. Petersburg fort, sondern sie hat sich llon der Universität auf alle Lehranstalten der Residenz und auf alle Universitäten des Reiches verpflanzt. In St. Petersburg haben die Universitäts hörer beschlossen, keiner Vorlesung beizuwohnen, ehe sie nicht Genugthuung für die an ihnen von der berittenen Polizei be gangenen Gewaltakte erhalten haben. Letztere bestanden darin, daß die Polizei mit Reitpeitschen auf die Studenten loshieb. Nachdem die Studenten diesen Beschluß ins Werk gesetzt hatten,^ schloffen sich ihnen die Hörer aller anderen hiesigen Hochschulen an, so die des technologischen Institutes, der militärärztlichen- Akademie, das Bergcorps, das Forstcorps und die Hörer des marine-elektrischen Institutes in Kronstadt. Ebenso faßten die Hörer der Universitäten von Moskau, Kiew und Charkow den Entschluß, dem Beispiele ihrer Petersburger Kollegen zu solgen. Es ist somit thatsächlich eine Art allgemeinen Studentenstreikes eingetreten, dessen Ende und Lösung noch nicht abgesehen werden kann. Der Ausstand giebt sich jedoch, wie betont werden muß, nur in einem Fernhalten von allen Vorlesungen kund, ohne daß von Seiten der Studenten die Ruhe der Stadt durch lärmende Aus schreitungen gestört würde. Die Studenten beschränken sich darauf, durch Obstruktion die normale Thätigkeit der Anstalten unmöglich zu machen, nnd selbst ihre Versammlungen, zn denen sie sich täglich schr zahlreich einfinden, haben keinen lärmenden Charakter. Im äußeren Anblicke der Hauptstadt giebt sich aber das Vorhanden sein eines anormalen Znstandes dennoch kund. Denn man sieht seit einigen Tagen in den Straßen eine anfsallend große Anzahl von Stndenten, unter denen gar kein studentisches Element fehlt. Selbst die Theologen und die Hörerinnen der höheren Töchter schulen haben für die Universitätshörer Partei ergriffen und ebenso wie diese die Höriäle verlassen, ohne irgend welche öffent liche Unordnung zu verursachen. Studenten, welche sich in die Anstalten begeben wollten, um dort Berathungen abznhalten, wurden daran von der Polizei gehindert, welche ihnen den Ein tritt verbot. Die leitenden Persönlichkeiten der Lehranstalten nnd die Professoren werden die Maßregeln seststellen, die ergriffen werden sollen, damit der kritischen Situation ein Ende gemacht werde." — Eine neuere Meldung besagt: Der Befehl des Zaren, den Generaladjutanten Manowski mit der Untersuchung der Ur sache des Studentenkrawalls zu betrauen, hat in studentischen Kreisen lebhafte Freude erweckt. Die Studenten beabsichtigen, wieder die Höisäle zu besuchen. Manowski hat sich Meschtschninow und Stremouchow zu Gehilfen gewählt, beide hohe Beamte, die sich im Justizministerium eines vorzüglichen Ncuommes erfreuen. setzen und Versammlungen und Vorträge, in denen zum Ucber- tritt ausgefordert werden soll, verbieten, wo es nur angeht. So fand dieser Tage in Karlsbad eine Versammlung statt, an welcher 600 Personen, durchweg geladene Gäste, theilnahmen. Mitten während des Vortrages über „die neue deutschkirchliche Bewegung" erschien ein Negierungskommissar und ließ sich von ungefähr 100 Personen die Einladungskarten vorzeigen, um sich zu über zeugen, ob Alle wirklich im Besitze von solchen seien. Da kein Anstand vorlag, mußte er unverrichteter Dinge wieder abziehen. In Karbitz wurde eine Versammlung, in welcher Or. Estenkolb über ein ähnliches Thema sprechen wollte, verboten, trotzdem gerade in diesem Orte die Bewegnng so zugenommen, daß die evangelische Gemeinde in Teplitz beschlossen hat, in Karbitz einen evangelischen Pfarrvikar anzustellen. Ju Dux, wo ebenfalls schon viele Personen übergetreten sind, soll von nun an jeden Sonntag ein evangelischer Gottesdienst stattfinden. I» Karlsbad sind bis jetzt über 100 Personen übcrgetreten, doch werden in der nächsten Zeit noch mehrere Hundert solgen. In Pirkenhammer bei Karls bad ist fast der ganze Ort entschlossen, übcrzntreten; die Firma Mieg u. Co. will dort auch ein evangelisches Bethaus aus eigene Kosten errichten. In Eger soll die Zahl derer, die sich zum .Uebcrtritte bereit erklärt haben, bis heute an 1200 betragen. — .Auch in den Alpenländern mehrt sich die Zahl der Uebcrtritte; auch der auS Lem Franziskanerorden ausgetretene Priester k. Ferk, welcher einer der Vorkämpfer des christlichen Bauernbundes im Kampfe gegen die katholische Volkspartei war, soll, wie Grazer Blätter melden, zum Altkatholizismus übergetreten sein. — Die ungeahnte Ausbreitung der Bewegung jagt denn auch den Kleri kalen einen ordentlichen Schrecken ein und die römische Kirche sucht in der letzten Zeit den Wünschen der Deutschen nach Mög lichkeit entgegenzukommcn. So ließ der Prälat des Prämon- stratenser Klosters in Gralowetz in Mähren dem Vorstand des Deutschen Vereins in Jglau, welcher gemeinsam mit der Stadt- Nertretung die Abberufung des czechischen Kaplans in Jglau gefordert hatte, mittheileu, daß er den betreffenden Geistlichen nmerhakb 14 Tagen abberufen werde. Auch die Gemeinde So etwas macht natürlich Eindruck. In Wahrheit aber hatte Kardinal Oreglia, der zuckerkrank ist und sich erst vor Kurzem von einer schweren Lungenentzündung erholt hat, das Haus nicht verlassen. Ein Spaßvogel druckte darauf die andere Nachricht, daß Kardinal Oreglia auf dem Heimwege den silbernen Hammer verloren habe. Bei der strengen Abgeschlossenheit des Vatikans, die in den letzten Tagen bis zur völligen Undurchdringlichkeit gesteigert worden ist, fehlt jede Möglichkeit, die Richtigkeit der zahlreichen in die Welt hinausgedrahtcten Einzelheiten über Befinden, Verhalten und Aeußerungen des Pap st es aus ihre Wahrhaftigkeit zu prüfen. Am meisten Vertrauen darf man den von den behandelten Aerzten unterzeichneten Berichten vom Krankenbette Leos Xllk. entgegenbringe», und diese erwecken den Eindruck, daß der Papst sich thatsächlich aus dem besten Wege zur Genesung befinde. So erfreulich dies ist, so muß doch immer wieder betont werden, daß die Gefahr um so weniger als ganz beseitigt betrachtet werden kann, als der Papst offenbar ein recht unsügsamer Patient ist, von dem die Aerzte sich jeden Augenblick einer Eigenwilligkeit zu versehen haben, die all ihre Kunst und Mühe zu Schanden machen kann. — Bemerkenswert!) ist auch die nachstehende Meldung aus München: Privatnachrichten aus Nom zufolge, die auf der hiesigen Nuntiatur eingelausen sind, befürchtet man beim Papst den Eintritt von Alters brand (Anngraena senilis). Die Besserung sei nur vorüber gehend, der Ausgang der Krankheit müsse in kurzer Zeit unbe dingt tödtlich wirken. gefetzt. Die Konservativen werden am Dienstag zu diesen Ver suchen Stellung nehmen. Aus konservativer Seite hofft man, daß der Kommissionsbeschluß wegen Verlängerung des Bank privilegs aus 20 statt 10 Jahre im weiteren Stadium wieder umgestoßen werden würde. Der Freisinn hat wieder einmal eine kleine Freude gehabt. Eines seiner Organe wußte mit strahlendem Gesicht zu melden, daß an dem letzten Bierabende bei dem Herrn Reichskanzler auf dessen Tische die „Freisinnige Zeitung" zu sehen gewesen wäre. Wir erwarten, diese Thatsache demnächst in dem Richterschen Organe zu besonders wirksamer Reklame (Anfang: Der Herr Reichskanzler Schluß: 3 Mk. 60 Pfg.) verarbeitet zu sehen. Wie bescheiden doch der Freisinn geworden ist und wie sehnsüchtig er „nach oben" schaut! Unter dem Vorsitze des Kontre-Admirals Frhrn. v. Seckendorfs fand gestern im Seemannshause zu Kiel die Generalversammlung der Gesellschaft „Seemannshaus für Unteroffiziere und Mann schaften der Kaiserlichen Marine" statt. In der Versammlung wurde festgestellt, daß Dank der den Zielen der Gesellschaft in ganz Deutschland und in den deutschen Kolonien des "Auslandes gewidmeten Sympathien bisher 200000 Alk. für die Erbauung von Seemannshäusern in Wilhelmshaven und Kiautschou zu- fammengeflosfen sind. Einstimmig wurde beschlossen, die Tnätig- keit zur Beschaffung der noch sehlcnden Mittel auf das Kräftigste fortzusetzen, damit womöglich noch vor Eintritt des Herbstes nnt der Anlage der so dringend nothwendigen beiden Seemannsheim stätten begonnen werden kann. Oesterreich. Zur „Los von Rom"-Bewegung in Deutsch-Böhmen wird der „T. Rdsch." von dort gemeldet: Die Uebertrittsbewegung nimmt von Tag zu Tag zu, trotzdem ihr die Behörden die denkbar möglichsten Schwierigkeiten entgegen- Langenau bei Trautenau soll nunmehr einen deutschen Pfarrer erhalten, nachdem sie erklärt hatte, wenn ihr Wunsch nicht erfüllt werde, zum Protestantismus überzutreten. Italien. Ueber die Krankheit deS PapsteS wird der „Franks. Ztg." aus Rom, 2. März, geschrieben: Die Stunden der Aufregung scheinen vorüber zu sein. Die Krankheit des Papstes war wieder einmal ein Alarm schuß von der Art, wie er sie im August vorigen JahreS und im heurigen Januar beliebte. Die meisten Zeitungen außerhalb Italiens wußten von der Auf regung des Volkes zu melden; die ganze Stadt schien in Be wegung zu sein, und doch war das Gegentheil-wahr. Nur die politische Welt von Parlament, Presse und Börse verriethen einige Bewegung; die eigentlichen Römer blieben ihrem skeptischen Phlegma treu, und die Sensationszeitungen, die auf gute Ernte hofften, fanden sich enttäuscht. Das niedere Volk beruhigte sich mit der Behauptung, daß der Papst schon todt sei. „Die Leute vom Vatikan", so argumentirte es, „verheimlichen den Tod nur o lange, bis die meisten fremden Kardinäle hier eingetroffen ind." Das Bezeichnendste an dieser Auffassung ist nur das §ine, daß der populus von Rom nicht Alles glaubt, was vom Vatikan aus gemeldet wird. Dieser Zweifel an der vatikanischen Wahrheit erschwerte auch wieder die Berichterstattung; es war keine leichte Ausgabe, auS der Fluth von Lügen und Gerüchten die wenigen Tropfen Wahrheit zu schöpfen. Bezeichnend ist auch, daß heute noch wenige Personen außerhalb des intimen Vatikan mit Bestimmtheit zu sagen wissen, wo eigentlich der Sitz des Uebels ist, das durch die Operation geheilt werden sollte. Die Bulletins der Aerzte, die übrigens auch meistens nur mit Miß- rauen ausgenommen wurden, hielten sich über daS Operations- eld nur in ganz vagen Redewendungen. Mißtrauen erregte es auch, daß Prof. Mazzoni immer nur betonte, daß die Wunde an und für sich harmlos sei, aber daß das hohe Alter ihm Sorge mache. Dieselbe Sorge yatte auch der Papst selbst; denn, als er nach der Operation aus einem halbstündigen Schwächezustand erwachte, soll er zum Operateur gesagt haben: „Professor, es gehört viel Muth dazu, einen Mann von meinen Jahren zu operiren." Weiteren Anlaß zum Mißtrauen bot der Umstand, daß, wie gemeldet, verschiedene Kardinäle und Ordensgeneräle schon Vorversammlungen abhielten, um sich über die Chancen des Konklaves zu berathen, und daß auch die Regierung schon das Terrain ebnete, um ihren Kandidaten Serafino Banutelli durch zubringen. Die römischen Zeitungen halfen getreulich, die Un gewißheit zu mehren. So erfand ein Mitarbeiter der „Opinnione" am Dienstag Abend die romantische Geschichte, daß Kardinal Oreglia, der Camerlengo des Pavstes, an das Krankenbett geeilt sei, den traditionellen silbernen Hammer in der Tajche, mit dem durch Aufklopsen auf des Papstes Stirne der Tod konstatirt wird. Politische Umschau. Freiberg, den 7. März. Die zweite Lesung der Militärvorlage im Plenum des Veutschen Reichstages soll bereits nächsten Montag beginnen. Die Budget kommission läßt mündlich Bericht erstatten. Für die zweite Lesung des Bankgesetzes in der Reichstags-Kommission werden die Bemühungen, ein Kompromiß zusammen zu bringen, fort- den Streich zu vergelten gedenken. Einstweilen freilich sitzt der Hieb. Man wird mit der Zeit gegen Alles abgestumpft, was sich läufig und regelmäßig wiederholt; auch gegen das Ungeheuerlichste. Us seiner Zeit die Anklageschriften der Ravary, Ormescheville und Pellieux veröffentlicht wurden, riesen sie einen Schrei der Verblüffung und Empörung hervor. Die Anklageschrift des Hauptmanns Tavernier gegen Herrn Picquart erregt bis jetzt noch nicht dieselbe Wirkung, obichon sie ihre Muster gewaltig übertrumpft. Man möchte es nicht für möglich halten, daß ein unbescholtener Mann seinen Namen unter diese Schrift setzen konnte, und man erklärt es sich nur durch die besonderen Seelen- zustände, in die der Fall Dreyfus, mit Allem was darum und >aran hängt, die Offiziere des französischen Generalstabes versetzt ;at. Doch ist es schade, über den Gegenstand noch ein Wort zu verlieren. Das Drama drängt ja, wenn nicht seiner Lösung, doch seinem Schluffe zu. Montag beginnen die vereinigten Senate des Höchsten Gerichts das Wiederaufnahmegesuch zu prüfen und das Urtheil kann dann nicht lange auf sich warten lasten. In diesem letzten Aufzug des Schauerstückes ist die Fälschungs- klage gegen Herrn Picquart nur eine Episode, die den Gesetzen des Dramas entsprechend die Aufmerksamkeit und Theilnahme von der Haupthandlung nicht ablenken darf. Neues kann die Welt über Herrn Picquart nicht erfahren. Man weiß, daß er ein Ehrenmann voll antiker Pflichttreue, Selbstverleugnung und Todesverachtung ist, und es bedarf keiner Urkunden von der Art )er Tavernierschen Anklageschrift mehr, um dies zu beweisen. Die angekündigten Enthüllungen Esterhazys füllen im „Daily Chronicle" 13 Spalten. Sein früheres Bekenntniß, daß er das Bordereau geschrieben habe, ignorirt er vollständig. Dagegen schildert er ausführlich und belegt mit Dokumenten, wie Du Paty de Clam, Henry und Andere seit dem Oktober 1897 ür ihn Partei nahmen, um ihn vor einem Komplott zu schützen und wie er seitdem täglich von diesen Leuten und dem Kriegs ministerium Instruktionen und Nachrichten erhielt, und wie er alles nur im Auftrage dieser Herren that. Die Erzählung be ginnt mit dem „Esperance"-Brief, der ihn warnte und nach' Paris rief. Esterhazy schildert dann die geheimen Besprechungen mit Paty Henry und anderen. Ein Bries wird abgedruckt, den Paty dem Esterhazy diktirte und worin Esterhazy dem Kriegs minister mittheilte, wie Dreyfus dazu gekommen sein könne, Ester hazys Handschrift zu fälschen. Interessanter ist ein Schriftstück, das im Faksimile wiedergegeben wird — cs ist angeblich von derMarquise Du Paty de Clam geschrieben und von Paty korrigirt. Paty in- formirt darin Esterhazy, was er vor Pellieux alsZenge aussagen will. Er wolle, schreibt er, zugeben, daß er Beziehungen zu Esterhazy» unterhielt, um ihn vor dem Komplott zu warnen und vor einem verzweifelten Schritte zu retten; dagegen wolle er über die Be ziehungen selbst nichts Näheres sagen, um dritte Personen nicht zu kompromittiren. Ferner theilt Esterhazy mit, Pellieux selbst habe ihn ersucht, das Verlangen zu stellen, daß man ihn vor ein Kriegsgericht bringe. Dieses Gesuch Esterhazys wurde der Presse übermittelt. Der Entwurf dazu, mit Pellieux^Korrekturen, wurde vom Untersuchungsrichter Bertulus gefunden. Während des Zola- Prozesses habe Esterhazy täglich Instruktionen erhalten. Maitre Tezenas entwarf die Ansprache, die Boisdeffre an die Jury rich te te. Pellieux sagte Esterhazy, er solle, wenn der Verthcid.ger ihm Fragen stelle, ans dieselben nicht antworten. Nach dem Pro zesse sagte Pellienx zu Zola, er solle Picquart fordern. Henry bemerkte gegenüber Esterhazy, Jeder im Ministerium wisse davon und das Ministerium besorgte die Sekundanten. Eine Note Henrys in dieser Sache wurde von Bertulus gefunden. Zuletzt änderte das Ministerium seinen Entschluß und Henry mußte sich duelliren. Nach aus Cayenne eingelaufenen Berichten ist Dreyfus physisch und moralisch leidend. Die Hoffnung nach Paris citirt zu werden, ist völlig geschwunden. Spanien. Die Gerüchte von einer carlistischen Agitation entbehren jeder Begründung. Ebenso ist es unrichtig, daß 2000 spanische Deserteure sich in der Nähe der sranzösischcu Greuze vereinigt haben, um an der carlistischen Bewegung theil- zunehmen. und nicht, wie eS in der That der Fall, unwahr oder übertrieben, so würde daS immer noch einer Armee von über 400 000 Mann ein glänzendes Zeugniß ausstellen. Giebt es, so sagte Herr Graf v. Klinckowstroem sehr treffend, in ganz Europa auch nur eine Armee, die sich in dieser Beziehung mit der deutschen messen kann? Mochte sich Herr Bebel winden wie er wollte, er wurde -vollständig geschlagen — und daS Erfreulichste bei der Sache war, daß alle Parteien in der Verurtheilung der Sozialdemokratie sich einig zeigten. Der sozialdemokratische Führer suchte sich durch den Hinweis herauSzureden, daß „in Einzelheiten jedem Menschen Jrrthümer unterlaufen." Herrn Bebel laufen aber besonders bei seinen „Anklagen" gegen den „Militarismus" geradezu gewohnheitsmäßig so viele „Jrrthümer" unter, daß Tatsächliches fast nicht mehr übrig bleibt. Wäre die sozialdemokratische Presse nicht in ihrer bekannten Unehrlichkeit bemüht, die Eindrücke, die eine wahrheitsgemäße Darstellung der Reichstagsverhandlungen auch auf die „Genoffen" machen müßte, zu verwischen, so würde es Herrn Bebel für die Folge direkt unmöglich sein, noch weiter nach seiner Methode im Reichstage „Jrrthümer in Einzelheiten" vorzubringen. Der „Vorwärts" ist aber schon dabei, aus der Bebelschen Niederlage einen Erfolg zu machen. Er schreibt u. a.: „Bebel hatte -gestern an einer Reihe von Einzelfällen die Mängel und Flecken des Militarismus nachgewiesen (I). Der Knegsminister konnte auch heute seine.Beschwerden nicht entkräften; der Versuch, Bebel Unrichtigkeiten vorzuwerfen . . . . mißglückte völlig." Gegen so schamlose Verdrehung der Wahrheit ist man aller dings machtlos; man ersieht aber daraus, daß Herr Bebel ab sichtlich auf seinen „Jrrthümern" verharrt, weil er ehrliche Waffen gegen den „Militarismus" nicht zur Verfügung hat. „Für die Sozialdemokratie sind — so lehrt der „Vorwärts" noch ,— die Einzelsälle Kennzeichen des Systems selbst und die An klage gegen das einzelne Ereiguiß erhebt sich und erweitert sich zur Anklage gegen Aufbau und Wesen der gesammten militärischen Organisation." So könnte das Blatt nicht einmal schreiben, wenn die Bebelschen Anklagen wahr wären; denn wie gesagt, 7 oder 8 Fälle bei einer Armee von fast einer halben Million find noch lange nicht als „Symptom" anzusehcn. Vielleicht erinnert sich aber der „Vorwärts" einer vor längerer Zeit er schienenen Schrift eines schweizer Offiziers, in welcher über vielfache Soldatenmißhandlungen in dem eidgenössischen Heere bitter geklagt wurde. Will die Sozialdemokratie diese Einzelsälle auch als Anklage gegen daS Wesen des Milizsystems gelten lasten? Xoupins! Llort aux Contres!" schreien. Es waren Geschworene, die Zola verurtheilt haben, und unschuldiger als Zola ist Picquart auch nicht, denn weniger als nichts ist keine arithmetische Größe. Aber die That des Strafsenats war trotzdem mannhaft und be- wundernswerth. Er weiß nicht, welchen Gefahren, welchem Un gemach er sich aussetzt; Niemand weiß es; aber er hat, als er über das Urtheil berieth, nicht daran gezweifelt, daß er irgend eine Rache der Nationalisten aus sein Haupt herabbefchwor. Die nächsten Tage schon werden vielleicht lehren, wie die Nationalisten >
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