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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 22.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189901227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990122
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990122
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Fehlende Seiten in der Vorlage.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-22
-
Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 22.01.1899
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18 Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Seite 2. — 22. Januar. zufrieden, wenn man endlich mit dem Schreckgespenst der Vorlage zum Schutz der Arbeitswilligen ans Licht käme. Vizepräsident v. Frege erklärt den Ausdruck Schreckgespenst alS unparlumentarisch. (Zuerst Unruhe links, dann andauernde Heiterkeit von allen Seiten des Hauses.) Staatssekretär Graf Posadowsky führt auS, derBorredner behauptete, daß in den Ziegeleien ein ungesetzliches Trucksystem herrsche. Nach der Gewerbeordnung sei aber der Verkauf von Lebensmitteln gegen Anrechnung des Werthcs bei der Lohnzahlung nicht verboten. Uebertretungen der Gewerbeordnung müssten von den Betheiligten angezeigt werden. Ebenso sei die Beschäftigung der Kinder in Ziegeleien nur dann erlaubt, ivenn diese nur vorübergehend oder in geringem Umfange betrieben werden; andernfalls liege eine Verletzung der Gewerbeordnung vor, die zur Anzeige gebracht werden müsse. Tie Mißstände in den Ziegeleien seien theilweise erklärlich, weil sie vielfach weit ab gelegen und der Kontrolle entzogen sind. Aber die Bundesraths- verordnungen haben schon Vieles gebessert. Vorredner wies darauf hin, daß die Verordnungen betr. das Konsektlonswesen umgangen werden. Das glaube er, wo kein Kläger sei, sei auch kein Richer; Fälle der Umgehung der Gewerbeordnung müßten angezeigt werden. Bezüglich der weiblichen Fabrikinspektoren verweist er auf Bayern, wo man zwei bis drei weibliche In spektoren auzustellen beabsichtige: die Frage sei aber noch zweifel haft. Benn er gestern den „Vorwärts- gelobt habe, so werde er dieS immer thun, wenn das sozialdemokratische Blatt Handlungen und Absichten der Regierung unparteiisch be- urtheile. (Bravo!) Abg. Heyl v. Herrnsheim (nat.) betont, daß die Aus führungen des Abg. Bassermann über die sozialdemokratischen Grundsätze in der Etatsrede durchaus im Sinne der national liberalen Partei gemacht seien. Die bezüglichen Angriffe des Sekretärs des Centralverbandes deutscher Industrieller in der „Jndustriezeitung" haben das Mißfallen der nationalliberalen Partei erregt. Die Arbeitgeber hätten einen schweren Beruf; in einigen Distrikten sei ihnen das Gewissen wohl durch die Sozial demokratie geschärft worden. Der Kampf gegen die Sozialdemo kratie müsse fortdauern. Die Nationalliberalen wünschten, daß ein frischer Zug in die Sozialpolitik hereinkomme. Die Ver- elendunastheorie des Abg. Wurm werde widerlegt durch die großen Geldmittel, welche die Sozialdemokraten selbst für ihre Agitation verwendeten. (Beifall bei den Nationalliberalen.) Abg. Hitze (C.s begrüßt den frischen sozialpolitischen Zug in der Rede des Vorredners und betont, daß die kaiserliche Botschaft vom Jahre 1890 noch nicht in dem Sinne erfolgt sei, wie Stumm es behauptete. Der Beweis, daß die bestehenden Gesetze gegen den Terrorismus der Ausständigen nicht ausreichen, sei noch nicht erbracht. Die zahlreichen sozialpolitischen Anträge von allen Seilen deS Hauses hätten die Hoffnung erweckt, daß die Durch führung der sozialen Reformen sich in aussteigcnder Richtung bewege; das zeige sich auch in der Novelle zum Juvaliditätsgesetz, das eine Reihe von Verbesserungen enthalte. Bei den Fabrik inspektionen müssen die Arbeiter als Assistenten herangezvgen werden. Dieselben müßten auch aus sozialpolitischem Gebiete an der Spitze marschiren. Abg. Singer (Soz.) führt auS: Wir werden nach wie vor alle Gesetze, die ein Minimum von Schutzmaßregeln für Arbeiter nicht enthalten, ablehnen. Ohne die Sozialdemokraten wären die Arbeitrrschutzgesetze nicht eingeführt. Redner bekämpft die Aus führungen Heyls und erklärt, daß die der Sozialdemokratie zu- fließenden Geldmittel ein Beweis der Opferwilligkeit der Arbeiter des Arbeiterstandes sei. Stumm sei nicht mehr ernst zu nehmen. (Oho! rechts.) Deutschland könne heute keine Gesetzgebung im Sinne Stumms einführen. Herr v. Berlepsch soll der einzig richtige Interpret der Erlasse sein; was meint Hcrrv. Posodowsky zu der ihm angewiesenen Subaltern-Stellung? In der sozialen Reform heißt es heute: „Stumm ist Trumps!" Abg. Zwick (Fr. Vp.): Die ganze Entwickelung der Schutz- gesetze hat mir und meinen Freunden nicht immer genügt; aber wir sind bereit, an ihrem Ausbau mitzuarbeiten. Ter Kinder arbeit in den verschiedenen Betrieben müsse allerdings ernsthafte Aufmerksamkeit zugewendet werden. Staatssekretär Graf Posadowsky: Was die Frage der Maßregeln gegen die bei der gewerblichen Beschäftigung der Kinder aufgetretenen Uebelstände angeht, so kann ich zugestehen, daß eine vorläufige Zusammenstellung der Ergebnisse der hierauf bezüglichen Erhebungen durch das statistische Amt bereits erfolgt ist und die Prüfung des Materials im Gauge ist. Ich bitte dabei zu erwägen, daß es sich um die Entscheidung handelt, ob die ge werbliche Arbeit für Kinder ganz und gar verboten, oder ob nur die gewerbliche Kinderarbeit untersagt werden soll. Im ersteren Falle gehen auch die pädagogischen Momente verloren, die da, wo die Kinderarbeit nicht gemißbraucht wird, vorhanden sein könnten. Wird aber nur die regelmäßige Kinderarbeit verboten, so liegt die Gefahr der Umgehung ganz außerordentlich nahe. Jetzt kann ich schon sagen, das; man wahrscheinlich über die Be stimmung des Z 154 der Gewerbeordnung wird hinausgehen müssen, denn die größten Mißstände der Kinderarbeit liegen eben in der Kinderarbeit innerhalb der Familie. Der Abg. Hitze hat weiter die Frage an die verbündeten Regierungen gerichtet, ob die Zusammenstellung der Verordnungen betreffend die Sonntags ruhe in den Betrieben mit nuregelmäßiger Wasserkraft abgeschlossen sei. Ich muß zu meinem Bedauern die Antwort darauf ertheilen, daß man zwar Erhebungen bei den verschiedenen Landesregierungen angestellt hat, daß aber das Ergebniß derselben dem hohen Hause nicht vorgelegt werden kann, weil der Herr Reichskanzler nicht von allen Regierungen die Zustimmung erhalten hat. Frhr. v. Stumm bemerkt persönlich, daß es ein Widerspruch sei, ihn nicht ernst nehinen zu wollen und ihm doch eine solche Machtsülle zuzuschreibeu. Weiterberathung Sonnabend. Politische Umschau. Freiberg, den 21. Januar. Verdeutsche Kaiser suhr gestern Mittag beim hiesigen englischen Botschafter Sir Frank Lascelles vor und hatte mit diesem eine etwa einstündige Unterredung. Man wird nicht fehl gehen, diesen Besuch, der in den begleitenden Umständen Aehnlichkeit hat mit demjenigen, den der Kaiser vor etwa 8 Tagen beim fran zösischen Botschafter abstattete, mit dem augenblicklichen Stand der englisch-französischen Beziehungen in Zusammenhang zu bringen. — Ferner hat, wie aus London telegrapyirt wird, Lord Salisbury die Mitglieder seines Kabinetts sür heute Nachmittag zu einem Ministcrrath zusammenberusen, der sich zweifellos eben falls mit der gleichen Angelegenheit beschäftigen wird. Wahr scheinlich sind bei dem Besuche des Kaisers auch die neuesten Vorgänge auf Samoa berührt worden. Ueber den Aufenthalt des Prinzen und der .Prinzessin Heinrich meldet der „Ostas. Lloyd", daß Prinz und Prinzessin Weihnachten sowie Neujahr in Hongkong ver brachten. Mitte Januar gedachten sie eine Reise nach Siam an- zutreten, um dem Könige und der Königin von Siam einen Be such abzustatten. Vom Lande des weißen Elefanten begiebt sich das prinzliche Paar nach Kiautschou, via Shanghai. Die Prinzessin beabsichtigt, mit dem Reichspostdampfer „Prinz Hein rich" im April wieder die Heimreise anzutreten. Die deutsch-französischeAnnäherung beschäftigt, wie man der „T. R." aus Bayern schreibt, dort die öffentliche Meinung in ganz ausgedehnter Weise. In maßgebenden diplo matischen Kreisen würde man die endliche Herstellung eines ge diegenen freundnachbarlichen Verhältnisses auf das Freudigste begrüßen und sucht sie in Berlin wie in Paris auf das Kräftigste zu unterstützen, zumal sich die bayerische Industrie viel von der kommenden Weltausstellung in Paris verspricht. Dagegen herrscht wie im Norden, so auch im Süden Deutschlands begreifliche Erbitterung über die jüngsten amerikanischen Anmaßungen. Angesichts der bekannten Aeußerung des Abgeordneten Berry im Repräsentantenhause zu Washington: „Wir werden vielleicht noch Deutschland dieselbe Tracht Prügel ertheilen, wie Spanien!!" läßt sich selbst — man höre und höre nicht auf zu staunen! — vr. Sigl im „Vaterland" zu folgenden Ergüßen Hinreißen: „Es könnte aber in dieser Beziehung leicht umgekehrt gehen. Allein wenn Deutschland um einiger Bänder, Seide u. s. w. willen, deren Ausfuhr es vielleicht im anderen Falle verlieren müßte, jede moralische Ohrfeige, die über das „große Wasser" herüberkommt, ruhig einsteckt, und aus demselben Grunde überdies noch den „guten Spezeln" der Dankees, den gleichwerthigen englischen Schreiern unverdrossen nachlänst und die Stiesel ableckt, von denen es kurz vorher noch getreten worden ist, dann ist es freilich ganz erklärlich, daß die Achtung vor dein deutschen Namen sich in ihr Gegeutheil verkehrt und den amerika nischen Maulhelden, die ohnehin schon fast am Ueberjchnappen sind, ordentlich der Kamm wächst. Wahrlich, man könnte manch mal versucht werden, sich nach den „kalten Wasser strahlen" Bismarcks zurückzusehnen, wenn man sieht, wie Deutschland jetzt sogar von einem halbwilden Räuber- Volke auch die größten Frechheiten ruhig hinnimmt!" — Ein Sigl, der sich nach Bismarck zurücksehnt! — wer hätte das je gedacht! Dem preußischen Herrenhause ist ein Gesetzentwurf betr. den Charsreitag zugegangen. Der Gesetzentwurf bestimmt, daß der Charfreitag sür den ganzen Umsang des Staatsgebietes als all gemeiner Feiertag zu gelten habe. Bisher wurde der Charfreitag nicht als gesetzlicher Feiertag in Theilen der Rheinprovinz, sowie der Provinz Posen, in Westphalen und einigen anderen kleinen Bezirken angesehen. Der Gesammtvorstand deS Reichstags war gestern zu sammengetreten und besprach außer anderen internen Angelegen heiten besonders das Restaurationswesen im Reichstag. Da wegen der ganzen Anlage und der strengen Absperrung des Raumes der Besuch nur ein sehr spärlicher ist, kommt der Re staurateur durchaus nicht aus die Kosten, wie anderseits die Aus wahl eine sehr ungenügende ist. Vornehmlich wird auch von den Journalisten geklagt, die sür hohen Preis nicht einmal die Möglich keit haben, ein reguläres Mittagsmahl zu erhalten. Man wurde heute dahin schlüssig, dem Restaurateur einen Zuschuß aus der Reichstagskasse zu bewilligen, dessen Höhe festzustellen man sich noch vorbehielt. Die Kellner sollen außer freier Beköstigung zwei Mark täglich erhalten, wovon die Hälfte der Restaurateur, die andere Hälfte die Reichstagskasse tragen soll. Wenn nicht das ganze System geändert und sür die Journalisten der Zutritt herbeigeführt wird, dürften die Klagen der Reichsboten, der Presse und — des Restaurateurs nicht so bald aushören. Der neue Titel „Oberleutnant", schreibt die „Voss. Ztg.", beschäftigt die betheiligten Kreise immer mehr, und der Unter leutnant zur See sieht seiner Umwandlung in einen „Leutnant zur See", welche zur Zeit noch eine Beförderung bedeutet, mit derselben Spannung entgegen, wie der Leutnant zur See seiner doch wohl binnen Kurzem zu erwartenden Ernennung zu einem „Oberleutnant zur See". Auch der viel und mit Recht angefochtene „Oberarzt", eine Bezeichnung, die den Divisionsärzten unseres Heeres vermöge deren Stellung und Dienstobliegenheiten bei Weitem mehr zukommen würde, als einem jungen Ansäuger im militärärztlicheu Berufe, wird in die Gespräche über diesen Gegen stand natürlich mit hereingezogen. Es werden in der Unterhaltung Stimmen laut, die dem „Geueral-Oberarzt" und dem „Oberarzt" ein gleich kurzes Leben wie dem „Korvetlen-Kapitäu mit Oberst leutnantsrang" Vorhersagen, der kaum nach Jahresfrist dem „Fregattenkapitän" Platz machen mußte. Uud iu der That, es wäre jetzt gerade die geeignetste Gelegenheit, nach Analogie der Leutnants auch die jungen Aerzte in „Ober-Assistenzärzte" und „Assistenzärzte" zu scheiden und die General-Oberärzte m „Ober ärzte" uiuzutauscn. Unsere Militär- und Mariueärzte bilden in ihrer Gesammtheit neben dem Osfiziercorps des Heeres ebenfalls ein geschlossenes Osfiziercorps, das Sauitäts-Ojfiziercorps, wie auch bei anderen Armeen. Beide Corps stehen mit den ver schiedenen Abstufungen ihres Dienstranges und in ihren Gc- bührnissen ganz gleich, nur daß iu der Bezeichnung der ver schiedenen Rangklassen bis jetzt noch keine Uebereuistinimung hcrbeigesührt ist; die Assistenz- und Ober-Assistenzärzte entsprechen auch in ihren Rangabzeichen den Leutnants und Oberleutnants, die Stabsärzte den Hauptleuten, die Oberstabsärzte den Majors u.s.w. Es steht nichts entgegen, sie auch äußerlich dem Osfiziercorps des Heeres in der Betitelung gleichzustellen. In Italien ist dies grundsätzlich schon längst durchgeführt: da giebt es den LlaAMi'v Esnerals Neäieo und Oolonello Llsäieo (Generalarzt), den Dements 6olonöllo Usäieo (Divisionsarzt^, den Nabors Asäieo (Oberstabsarzt), den 6apitano Llsäieo (Stabsarzt), den Dsuents und Sottatsnsnts Llsäleo (beide Klassen der Assistenzärzte). Viel leicht empfiehlt es sich, diesem Beispiele zu folgen und bei uns Sanitäts-Generale, Obersten, Oberstleutnants, Majors, Haupt leute, Ober- und Leutnants einzuführen. Im Interesse der Reinheit der Sprache kommen wir dann möglicherweise auf den otäeisi van xsrwnäliöiä, wie der Sanitätsoffizier in Holland heißt. Oesterreich. Noch ein zweites Obstruktionsinittel gebrauchte man im österreichischen Abgeoronetenhause am Donnerstag außer den namentlichen Abstimmungen, indem so umfangreiche Anfragen an die Regierung überreicht wurden, daß deren Verlesung allein Stunden dauerte. In Folge dessen wurde die Verhandlung ab gebrochen, ohne daß auch nur der Inhalt der eingelausenen Petitionen bekannt gemacht werden konnte. — Vor Schluß der Sitzung kam es aber noch zu einem Zusammenstoß zwischen der deutschen Opposition und den Sozialdemokraten. Letztere verlangten nämlich, daß aus die Tagesordnung der nächsten Sitzung als erster Gegenstand die Aufhebung des Zeitungsstempels gestellt ivcrde. Abg. Kaiser erklärte dem gegenüber, für die Deutschen sei die Aufhebung der Sprachenverordnungen wichtiger. Das deutsche Volk, dem der Fürst des Reiches entstamme, werde täglich ge ¬ knechtet und niedergedrückt. Die neue Sprachenordnung für Schlesien sei die größte Brutalität, wie sie in keinem andern Staate Europas vorkomme. Es kam nun zu einem heftigen Aus tritt. Der Sozialist Schrammel ruft: „Volksbetrüger." Wolf zu Schrammel: „Sie sind ein Schurke und Lügner." Schrammel: „Elender Volksbetrüger!" Großer Lärm. Bei der Abstimmung wurden dann die Anträge der Sozialisten abgelehnt. Das ungarische Magnatenhaus lehnte mit 99 gegen «9 Stimmen einen Antrag des Grafen Emerich Szecheni ab, welcher dahin lautete, das Haus möge an den König eine Adresse richten mit der Bitte, die verfassungsmäßigen Zustände baldmöglichst wiederherzustellen. Ministerpräsident Baron Banffy hob hervor, der Antrag könne so mißdeutet werden, als wenn die Krone die Verfassung verletzt hätte. Es sei schon deshalb überflüssig, den Antrag auf die Tagesordnung zu setzen, weil man sich auf dem Wege zur Lösung befinde, welchen die Regierung aufrichtig suche und weil die Verhandlungen, welche die Sanirung bezweckten, noch im Zuge seien. Italien. Wie die „Agenzia Stefani" aus Maffauah von gestern meldet, zeigte Ras Makonnen dem Gouverneur Martini den Abschluß des Friedens in einem folgendermaßen abgefaßten Briefe an: „Nunmehr ist der Friede geschlossen. Tigre »st ik meinen Besitz gekommen. Infolgedessen sind wir Nachbarn. Ich theile Ihnen dies mit, damit Sie eingedenk seien unserer Freund schaft, die eine feste bleiben soll." Der Papst litt in den letzten Tagen an einer leichten Er kältung, die ihn auf Anrathen des vr. Lapponi zwang, keine Audienzen zu geben und das Zimmer zu hüten. Ein gleiches war auch gestern der Fall. vr. Lapponi ist jedoch ermächtigt zu erklären, daß durchaus kein Grund zu irgend welcher Beun ruhigung vorliege, daß der Papst heute das Bett verlaffen und am 26. d. M. eine gemeinsame Audienz zahlreichen Familien des: römischen Patriziats geben werde. Frankreich. Die vorgestrige Senatserörterung über das Höchste Gericht veranlaßte den ersten Zusammenstoß der Antisemiten und Republikaner in dieser Versammlung, de Cha- maillard rief: „Die Juden sind an allem schuld. Sie befehlen dem Höchsten Gericht, wie es urtheilen soll, und das Höchste Ge richt beeilt sich, den Juden zu gehorchen!" Strauß, der einzige Jude des Senats, erhob sein schüchternes Stimmchen und erklärte würdevoll: „Ich verwahre mich gegen diese Sprache, die Bürger gegen einander zum Hasse aufreizt". Ganz anders klang die Erwiderung des Republikaners Girard: „Nach der Rasirmeffer- Tragövie vom Mont Valerien" rief er, „mußte man zum Wieder aufnahmeverfahren schreiten. Ich klatsche daher der Maßregel rückhaltlos Beifall, die der muthige Bürger Brisson getroffen hat. Der theatralische Rücktritt Quesnays ist eins der betrübeudsten Ereignisse dieser Tragödie. Er ruft Gendarmen undHausdiener zu Hilfe, aber mit allen diesen Eideshelfern bringt er nur eine Anklage zu Stande, die er sich beeilen würde, auch gegen die vereinigten Senate des Höchsten Gerichts zu wiederholen, wenn sie über die Angelegenheit zu richten hätten; es ist Zeit, diesen Leuten das Handwerk zu legen. Sie arbeiten für die Parteien, die Frankreich zu Grunde gerichtet haben, und erfreuen sich jetzt, der Republik ein Bein zu stellen. Jaures schreibt in der „Pet. Röpubl.": Die Regierung ver kündete vor einigen Tagen durch „Havas", Kaiser Wilhelms Brief, echt oder falsch, sei in den Schriften nicht vorhanden, und es gebe übrigens kein diplomatisches Geheimschriftenbündel. Seitdem aber hat man dieses nicht vorhandene diplomatische Geheimschriftenbündel in Folge der Zeugenaussage Paleologues dem Höchsten Gerichte mittheilen müssen. Daran ermesse man den Werth amtlicher Ableugnungen! Die Regierung nehme sich in Acht! Wenn sie zu sagen wagt, die ungeheuerliche Fälschung habe nie bestanden, so wird man ihr allernächstens mit Zeugen dienen, die sie vernichtend Lügen strafen. Wir versichern, daß die Fälschung begangen wurde, daß man sie im Auswärtigen Amte gekannt und einer Prüfung durch Sachverständige unter zogen und daß sie dazu gedient hat, Dreyfus Verurtheilung herbeizusühren. Es ist der bekannteste Kniff der Fälscherpartei, daß sie jedes Mal, wenn sie erfährt, daß eins ihrer Verbrechen entdeckt ist, mit schlauen Mienen in ihrer Presse verkündet: „Das Syndikat bereitet wieder einen Streich vor, in wenigen Tagen wird man dies und das lesen. Aber das Publikum wird hiermit gewarnt und wird die neue Lüge nicht glauben". Einige Tage später erscheint in der That die „neue Lüge", und sie heißt z. B. das Geständniß Henrys, die Flucht Esterhazys, die Verab schiedung du Paty de Elams u. s. w. Heute veröffentlicht die ganze Generalstabspresse eine gleichlautende Mittheilung, wonach bei der Verhandung Wittwe Henry-Reinach mindestens drei Frauen vor Gericht erscheinen werden, die mit Hen.ry Verhält nisse batten und von ihm große Geldbeträge empfingen. Da Henry keine andere sichtbare Einnahmequelle hatte als seine Offizwrbesoldung, so wird der Ursprung dieser Gelder zu unter suchen sein. Die Generalstabspresse sucht den Schlag mit ihrer gewohnten Methode abzuwehren, indem sie hinzufügt; „Natürlich sind die drei Frauenzimmer vom Syndikat gekauft, es fehlt in Paris nicht an armen Verlorenen, die für Geld zu jeder Aussage bereit sind". Der Kassationshof hielt gestern Nachmittag eine Sitzung bei verschlossenen Thürcn ab und prüfte die diplomatischen Schrift stücke der Geheimakten; hierüber wurden Hanotaux und Paleo- logue vernommen, welche daun mit den Generälen Meiner, Boisdeffre, Gonsx und Billot confrontirt wurden. — Es heißt, Esterhazy werde erst in der nächsten Woche verhört werden. Im Ministerrath ließ Dupuy einen Gesetzentwurf unterzeichnen, welcher bestimmt, daß künftig den in Algerien Naturali- sirten das Wahlrecht erst vom 30. Lebensjahre ab zustehen soll und daß die französischen Staatsangehörigen in Algerien zu dreijährigem Militärdienst verpflichtet sind. Bereinigte Staaten. Wie die Amerikaner ihre neuen Kolonien amerikanisiren möchten! Annektirt werden sie also nicht, die Filipinos, Portorikos und Kubanos, dafür aber sollen sie amerckauisirt werden, und damit das sofort und gründlich ge schieht, haben sich eine Anzahl besonderer Gesellschaften gebildet, die alle mit einander wetteljern werden, die neuen Brüder geistig und sittlich aus die richtige Höhe zu bringen. Da ist zuerst die „Gesellschaft zur Verhinderung von Grausamkeiten an schutzlosen uud herrenlosen Thieren auf den Philippinen", die ohnö Zweifel dort ein weites und dankbares Feld finden wird, ohne daß man dabei an die gefangenen spanischen Mönche zu denken braucht. Schon die „herrenlosen Thiere" dürften genügen, die amerikanischen Thierfreunde zu beschäftigen. Daun kommt die „Christliche Union zur Bekämpfung der Stier-, Hahnen- und ähnlicher Kämpfe in den neuen Kolonien." Ihr wird das Leben in den alten spanischen Besitzungen wohl noch recht schwer gemacht werden, und wenn sie den „Kampf gegen die Kämpfe" ernstlich aufnehmen will, so hat sie alle Aussicht, es auf eine ganz hübsche Anzahl von Märtyrern ihrer Sache zu bringen, denn iu xuueto Hahnenkämpfe und Stier»
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