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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 21.01.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189901212
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18990121
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18990121
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- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Vorlagebedingter Textverlust.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-01
- Tag 1899-01-21
-
Monat
1899-01
-
Jahr
1899
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 21.01.1899
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Nretderger Anzeiger ««d Tageblatt. Sette 2. — A . Januar. ^17 L8S9. Sffentlichungen der Berichte der Gewerbebeamten sehen wir ein Privileg der Arbeiter gegenüber anderen Berufsklassen. ES liegt «ir fern, die Arbeitgeber in Schutz zu nehmen, die in gewinn süchtiger Absicht sich über gesetzliche Vorschriften hinwegsetzen. Infolge einer Anregung vr. Fischer- im vorigen Jahre sind die einzelnen Berichte der Aufsichtsbeamten organisch zusammengefaßt. Die Bemängelung der Berichte seitens WurmS sei ungerechtfertigt. Ich bin bereits die darin niedergelegten Klagen über ungenügenden Schutz der Gesundheit der Arbeiter einer ernsten Prüfung zu unterziehen. Bei der Vorbereitung der erforderlichen Ver ordnungen werde ich von einem hervorragenden Sachverständigen unterstützt werden. Der Abg. Wurm malte heute schwarz in schwarz und schädigte damit seine Partei. Seine Rede wäre wirksamer gewesen, wenn sie nicht so viel übertrieben hätte. Im -vorwärts- befand sich da- Zugeständniß, daß wir bezüglich deS Arbeiterschutzes au der Spitze marschiren; ich freue mich darüber. Wir werden in der Fürsorge für die arbeitenden Klassen nicht ruhen, aber unS auch nicht durch nervösen Dilettantismus zu Vorlagen verleiten lasten, die wir für unpraktisch und undurch führbar halten. Aba. Agsten (Eoz.) betont unter Unruhe deS Hause- die Möglichkeit deS neunstündigen Arbeitstages. Die Regierung habe beim Hamburger Streik die Arbeitgeber begünstigt, und die Lrbecker-Schutzbeftimmungen würden systematisch um gangen. Rach persönlichen Bemerkungen vertagt daS HauS die Weiter- berathuug auf Freitag. VaNtisch« Mascha«. Freidel, den 20. Januar. In einem deutschen Blatte war kürzlich der Gedanke ausgesprochen, eS wäre gut, wenn sich das deutsche Volk «ehr al- bisher um die Vorgänge aus dem Welttheater und um die sie bewegenden großen Fragen kümmern würde. Denn einer seits brauch« «ine starke nach außen gerichtete nationale Politik einen verständnißvollen Rückhalt im eigenen Volke, anderseits werde die Beschäftigung mit weltpolitischen Angelegenheiten dazu beitrage«, den öden Zank und Streit um Lappalien im Innern zu verscheuchen. Wir halten deu Gedanken für vollkommen richtig und glauben in der That, daß da» deutsche Volk ein wichtiges und für die Pflege seiner nationalen Größe geradezu nothwendigeS Stück Selbsterziehung zu bewirken hat, indem es sich gewöhnt, den Blick von den kleinen, ärgerlichen Dingen in der nächsten Umgebung hinweg inL Weite zu richten. WaS unS Kops und Herz erhitzen und erwärmen sollte, daS liegt draußen auf dem Meer«, in dem großen weltgeschichtlichen Umschwung, der sich gerade in unsern Tagen dort vollzieht. Einem italienischen Staatsmann« wird daS Werk zugesckrieben, «S gäbe eigentlich nur noch vier Großmächte: Deutschland, England, Nordamerika und Rußland. Demnach würde die nächste Zukunft drei ganz «wer überwiegend germanischen und einem slavischen Reiche ge- Lören. Tatsächlich haben wir auS der jüngsten Zeit zwei Er scheinungen vor unS, die demnächst die Weltgeschichte vielleicht al- höchst bedeutsam verzeichnen wird: daS Hervortreten des amerikanischen Eroberungsgeistes und eine neue Kriegspolitik der größten Seemacht der Welt, die darin besteht, daß England zu de« Entschluß gekommen zu sein scheint, seme Kriege, die eS bis her unter geschickter Benutzung der Kontinentalwirren durch andere führen ließ, künftig «ol««» volens selber auSfechten zu wollen. Beide Erscheinungen haben bisher ihre Wirkung gegen tue romanische Welt auSgeübt; Spanien verlor seine Kolonien, Frankreich wich vor dem sich reckenden englischen Riesen scheu zurück. Wir meinen, daß diese Dinge in der That die gespannte Aufmerksamkeit jedes guten Deutschen verdienen und daß dagegen dÄs Interesse deS deutschen Philisters am Dreschen von leerem Stroh in innen» Angelegenheiten allmählich ganz zurückgedrängt werden sollte. Die -Deutsche TageSztg.- schreibt: ES ist eine bezeichnende, aber auch beschämende Thatsache, daß neuerdings nicht sowohl die freisinnigen Blätter die Sache Amerikas führen, sondern solche, welche hin- und wieder offiziös bedient und benützt werden; — bezeichnend deshalb, weil jene Blätter sich eines GebahrenS nicht schämen, daS erst kürzlich vom Ministertische auS als den nationalen Interessen widerstreitend aufs Schärfste ver- -u Kind -er Stricht. Roman von H. Schobert. (88. Fortsetzung.) «Nachdruck verboten.) „Ich darf näher kommen, nicht wahr?- fragte seine leise, müde Stimme, während er über den Teppich ihr schon ent gegenschritt. Maria PaulownaS Depesche traf mich nicht zu Hause, ich war in Madrid. AIS ich sie dorthin erhielt, diu ich Tag und Nacht gereist. Ich hoffe, ich komme noch nicht ließ sich mit der lässigen Grazie, die ihm immer eigen gewesen, in einen Sessel gleiten und sah unverwandt in Ferras schönes» seh? errötheteS Gesicht. „Wie Sie sich verändert haben,- sagte er endlich. „Und wie Sie jetzt jenem Bilde gleichen, daS mich mein lebenlang immer so entzückt hat. Sie sind noch schöner geworden, Ferra — wer hätte daS alles gedacht." „Und Ihnen verdanke ich es!- rief sie mit jenem inpulsiven Ausflammen, das ihr immer so sehr verdacht worden war, während sie nach seiner Hand griff. „Mir! Jawohl! Ich war da» Werkzeug, dessen sich Ihr Schicksal bediente. Aus Frau von Bogdanoffs Brief erfuhr ich übngenS, daß Sie sich zum zweiten Mal zu verheirathen gedenken — meine schöne Stiefmutter!" Er hielt ihre Hand fest und strich langsam über die feinen Finger. „Ja!" sagte sie, etwas schneller athmsnd, „das heißt, wenn alles aufgeklärt ist. Detlev muß wissen, daß meine Vergangenheit tadellos war, er soll es wenigstens." „Bah! Ist das vöthig, neben Ihrem Besitz?" „Ich will eS," rief sie eifrig. „Kein Schatten darf auf mir ruhen — er soll ganz glücklich werden." „Sie lieben ihn also sehr?" „Ich kann eS Ihnen nicht klar machen, wie sehr — Sie werden mich doch nicht verstehen, Fürst." Ihr rothgoldener Kopf bog sich ihm entgegen, ihre Augen strahlten, sie lachte auf. „ES kommt vielleicht daher, daß ich in der Rue Rochefort ge boren wurde und es niemals lernen werde, so kaltblütig zu werd««, wie die ganze vornehme Gesellschaft." „Schade!" sagte er nachdenklich und ließ unerörtert, waS er damit bezeichnen wollte. „Nun, Ferra," sagte Achille, „Sie können nicht mehr ver langen, als ich Ihnen geben kann, nämlich Wahrheit. Ätzer sagen Sie mir doch, wer kann, aus irgend welchen eigennützigen Motiven, Sie bloßzustellen versucht Haven? Ahnen Sie es?" urtheilt wurde, — beschämend deshalb, weil die Amerikaner auS solchen Preßerörterungen den Schluß ziehen kounten, daß ihre Unverschämtheiten die deutsche Regierung und daS deutsche Volk mürbe gemacht hätten. Wir haben mit voller Absicht den Ausdruck „Unverschämtheiten" gebraucht, da eS keinen anderen genügend bezeichnenden giebt. Oder wie sollte man den Vertragsbruch, die unverfrorene Auslegung deS Meistbegünstigungs verhältnisses, die gegen Deutschland gerichtete Auffassung des WerthzollbegriffS, die angedrohten Maßnahmen gegen die deutsche Spielwaareneinfuhr, den bekannten Ausspruch des amerikanischen Volksvertreters von der Tracht Schläge, die uns gebühre, anders bezeichnen, ganz abgesehen von den manchmal pöbelhaften Aus fällen der führenden amerikanischen Presse? Es säüt uns nicht ein, die deutsche Regierung oder die deutsche Volksvertretung auf zufordern, auf denselben niedrigen Standpunkt hinabzusteigen, welchen die Amerikaner einnehmen. Wir verlangen nur, daß wir unS nicht länger geduldig daS Fell über die Ohren ziehen lasten. Ruhiges Gewährenlasten wirkt vielleicht im Verkehr mit einem verständigen, ruhigen Volke, macht aber Leute wie die Dankees nur noch unverschämter. Es ist ein Jammer, daß die deutsche Presse nicht wie ein Mann gegen diese kecken Unverfrorenheiten auftntt, sondern daß sog. führende Blätter in derselben Zeit, wo die Amerikaner uns dreist von oben herab behandeln, demüthigst um weitere Gunst betteln, daß in einer Zeit, in der Amerika den Zollkrieg gegen unS eigentlich schon begonnen, den Vertrag gebrochen hat und unsere Einfuhr widerrechtlich behandelt, deutsche Blätter winseln und jammern über die fürchterlichen Folgen, die ein Zollkrieg mit Amerika haben würde. Las würde Bismarck zu diesem Gebühren sagen, wenn er noch unter unS weilte? Wir vermuthen, daß es ähnlich klingen würde wie folgende zutreffenden Sätze der „Hamburger Nachrichten": „Die wirthuba tlichen Beziehungen der europäischen Völker zu den Vereinigten Staaten verschlechtern sich von Jahr zu Jahr, und jetzt scheinen die Yankee» , bsichilich daraus auSz geben durch Beleidigungen und Heran« sorderungen auch die politischen Beziehungen zwischen der alten und der neuen Welt möglichst «ngü> stig zu gestalten. Da» kann Emopa allerdings auf die Dauer nicht ruhig mit ansehen, sondern e» r uh dem B uder Jonathan klar machen, haß er noch lange nicht in der Loge ist, sich al» Her n der Welt aufzuspielen. Je mehr dem Deutschen zum Bewußtsein gebracht wird, wie unverschämt ihn der Yankee nicht allein in politischen Fragen sondern auch in wirth- schas lichen behandelt, um so schneller wird ihm wohl auch die sprich wörtliche «e uld auSgehen und ihn zu dem festen Entschluß bringen, sich von einem Laute wtrthschaftltch unabhängig zu machen, da» nur Ausbeutung«-, aber keine AuSlausch-Poiiiit, wenigsten» Deutschland gegenüber, kennt." Der bereits telegraphisch angezeigte Artikel der „Köln. Zeit." lautet: In Frankreich mehren sich tue Stimmen, die in voller Offenheit dafür eintreten, daß mit der bisherigen Deutschland gegenüber verfolgten Politik gebrochen und eine Annäherung angeswebt werden müffe. Bor einigen Tagen war eS der infolge seiner persönlichen Stellung und seiner Verbindungen als ein sehr ernster Politiker zu betrachtende Whist, der im „Figaro" ein enges Einvernehmen mit Deutschland empfiehlt. Er ist der Ansicht, daß ein Bündniß zwischen Deutschland und Frankreich heute noch auf starken Widerstand bei Denen stoßen würde, die den Krieg miterlebt haben, er glaubt aber, daß ein gemeinsames Einvernehmen über die zu befolgende Kolonialpolitik zu den Möglichkeiten gehören würde, bei denen beide Nationen ihre Rechnung finden könnten. Wir müssen gestehen, daß wir uns keine genaue Vorstellung davon machen können, waS hier unter „kolonialem Einvernehmen" verstanden werden soll, denn alle wesentlichen Grenzfrahen zwischen Deutschland und Frankreich haben bereits durch Vertrüge ihre Erledigung gefunden. Immerhin kann eS den beiderseitigen kolonialen Interessen nur förderlich sein, wenn Deutschland und Frankreich auf kolonialem Gebiete ihre Aufgabe darin suchen, gute Grenznachbarschaft zu behalten, statt sich gegenseitig Schwierigkeiten zu verursachen. Jetzt schlägt nun auch der „Gaulois" in dieselbe Kerbe und be fürwortet rin Bündniß zwischen Deutschland und Frankreich, da nicht mehr Deutschland, sondern England der Feind Frankreichs sei. Daudet, der Verfasser dieses Artikels, theilt folgenden Aus spruch eines französischen Ministers mit, den dieser vor Kurzem einem befreundeten Politiker gegenüber gethan haben soll: „Zwischen Deutschland und uns ist die Politik deS Schmollens und der Verstimmungen vorbei. Ueberall, wo es meinem Lande von Nutzen sein kann, mit Deutschland Hand in Hand zu marschiren, werde ich marschiren und werde eS mit lauter Stimme sagen. WaS eine wirkliche Allianz betrifft, so ist da- «twaS Anderes." Wir haben keinen Grund, in die Richtigkeit dieser Mittheilung Zweifel zu setzen. DaS BemerkenSwertyest« scheint unS, daß heute französische Blätter und Politiker mit solchen Glaubensbekenntnissen hervortreten, waS vor Kurzem noch eine reine Unmöglichkeit gewesen wäre. Noch beachtenSwerther ist eS, daß sie daS thun können, ohne von Ausbrüchen der Ent rüstung weggeschwemmt und zum Stillschweigen vernrtheilt zu werden. Wir sind unS wohl bewußt, und Whist sowohl wie Daudet ist aufrichtig genug, zuzugestehen, daß die Annäherungs wünsche Frankreichs nicht selbständig auS dem französischen Volke heraus entstanden sind, sondern ihren Grund in dem Borarhen Englands haben, daS eS nach ihrer Meinung darauf abgesehen habe, Frankreich seine maritime Uebermacht schmerzlich empfinde» zu lassen. Wenn aber diese Erkenntniß, daß Frankreich in Deutschland noch lange nicht den übelwollendsten Nachbar besitzt, erst an der Hand von Faschoda und anderen Enttäuschungen aufzudämmern beginnt, so ist daS Ergebniß, soweit eS den Zwecken deS allgemeinen Friedens dient, immer ein erfreuliches. ES giebt, Menschen wie Nationen, die nur durch bittere Lehren dahin ge-' bracht werden können, eine ihnen unangenehme Wahrheit anzu erkennen. Wenn die Enttäuschungen, die Frankreich jetzt erfährt, den Erfolg haben, daß Frankreich durch sie aus dem Hypnotismus aufgerüttelt wird, mit dem es nach dem Vogesenloche starrte, so ist daS ein Ereigniß, daS im Interesse des Friedens und der Civilisation nur mit Freude zu begrüßen ist. Durch einen wirklichen Umschwung in der französischen Politik würde — vorausgesetzt, daß er von Dauer ist — die Stetigkeit der Ver hältnisse in Europa ein« neue Stärkung erhalten. Die dem BundeSrathe vorliegende Novelle zur Ge werbeordnung nimmt zuerst eine Kontrolle der Gesinde« vermiether und Stellenvermittler in Aussicht. Der Betrieb diese- Gewerbes soll von besonderer polizeilicher Konzession ab hängig gemacht werden. Ferner schlägt die Novelle neue Be stimmungen vor über die Einführung von Lohnbüchern und ArbeitSzetteln, sowie über die Mitgabe von Arbeit nach Hause an Arbeiter und jugendliche Arbeiterinnen, namentlich im Kon fektionsbetriebe. Sodann werden eingehende Vorschriften vorge schlagen über die Beschäftigung der Gehilfen, Lehrlinge und Arbeiter in offenen Läden. Schließlich enthält die Novelle eine Ergänzung von Bestimmungen über das Verfahren bei Errichtung genehmigungspflichtiger Anlagen und Erweiterung der Zahl der vom Gewerbebetriebe im Umherziehex ausgeschlossenen Gegen stände. Beim Reichstage sind bi- jetzt nicht weniger als 3619 Petition« emgegangen. Der frühere Kriminalkommissar v. Tausch ist von der Ver sicherungsgesellschaft „Iduna" mit dem Posten eines Platz- inspcktors für Berlin betraut worden, v. T., dessen Gesammt- einnahme sich auf jährlich etwa 10 000 Mk. beziffern soll, wird daher seinen Wohnsitz in Berlin beibehalten. Im österreichische« Abgeordnetenhaus befindet sich unter dem eingegangenen, nach seinem ganzen Inhalte verlesenen Material ein Dringlichkeitsantrag Hofmann v. Wellenhof, Kaiser und Genossen auf Versetzung des Unterrichtsministers Grafen v. Bylandt in Anklagezustand wegen der Ernennung des Direktor» des czechischen Staatsgymnasiums in Troppau; ferner ein Antrag Schönerer auf Versetzung des Gesammtministeriums in Ankla^ zustand wegen der letzten kaiserl. Verordnungen auf Grund des Z1«; endlich eine Interpellation des Czechen Breznovsky wegen des Vor falles Biberle-Linhart, wobei die Interpellanten behaupten, daß deutsche Couleurstudenten in nicht vereinzelten Fällen mit Re-' volvern bewaffnet in den Straßen Prags herumgehen und ruhige Passanten angreifen. Der Präsident schreitet gegen 3 Uhr zum Schluß der Sitzung. Sozialdemokrat Rieger wiederholt den Antrag, daß der Preßausschuß über die Aufhebung des ZeitungsstempelH binnen 48 Stunden zu berichten habe und dieser Bericht als erster Gegenstand aus die Tagesordnung der nächsten Sitzung gelangt Darüber entspinnt sich eine längere, lebhafte Debatte. Abg. Kaiser betont, so dringend auch die Aufhebung des Zeitungsstempels sei, müsse dieselbe vor den nationalen Forderungen der Deutschen zurücktreten, und beantragt, daß der Bericht deS Preßausschuffes nach den Ministeranklagen auf die Tagesordnung komme. Abg. „Leroy!" sagte sie mit einer Bewegung der Entrüstung. „Leroh hier? Welch' sonderbares Spiel des Zufalls!" Achilles Stimme klang plötzlich heiser, seine braunen, halbver schleierten Augen sahen aus, als habe man hinter ihnen eine Kerze entzündet, so durchsichtig klar und glänzend. „Ist er Ihnen je zu nahe getreten?" Sie sah unschlüssig auf. „Zu mir dürsten Sie doch gewiß Vertrauen haben," fuhr er mit leisem Lächeln fort. „Habe ich nicht immer redlich Vater stelle an Ji,.,en vertreten?" Er hielt noch immer ihre Hand und sah auf das feine blaue Geäder herab, das sie durchzog; Ferra erröthete wieder, dann warf sie mit einer schnellen Bewegung den Kops zurück und er zählte entschlossen ihr Zusammentreffen mrt Leroy. Achille unter brach sie mit keinem Wort, keiner Bewegung. Auch als sie schwieg, sagte er zunächst nichts. Endlich: „Es ist gut, daß Sie unter starken Schutz kommen, Ferra. Sie würden sonst stets die ganze Welt gegen sich haben — Frauen — aber auch Männer." Sie schüttelte lächelnd den Kopf, als ob sie an seinen Worten zweifelte. In demselben Augenblick riß Frau von Bogdanost heftig die Thür auf. „Ha! ich wußte es doch!" rief sie, ganz roth im Gesicht und schüttelte Achille derb die Hand, „da sind Sie endlich! Ein Bote ist schon an Rammingen fort; ich schickte gleich, als ich in meinem Salon Ihre Karte fand." Wieder erröthete Ferra, während Achille sagte: „Es freut mich, theure Tante, daß Sie wenigstens nicht an meiner Stiefmutter gezweifelt haben —" „Larifari," unterbrach sie ihn schnell. „Niemand kann mir das Zeugniß geben, daß ich leichtgläubig bin! Im Gegentheil, ost selber falsch und boshaft, aus Nothwehr, aber ihr habe ich ohne weitere Frage geglaubt und Konstantins Ehre ebenfalls. Nun foll sie eine glänzende Genugthuung erhalten." „Ich suche um Audienz beim Prinzen Dagobert nach." „Das ist gut. Rommingen soll Sie an Deuren weisen, dann geht es sofort. Unter uns — Prinz Dagobert ist selbst ein guter Kerl, und Prinzeß " Frau von Bogdanoff be kam einen Hustenanfall und fuhr dann fort: „Wie lange wollen Sie hier bleiben, Achille?" „Bis ich eine Mission erfüllt habe," sagte er ernst und sah mit den wieder halbgeschlossenen Augen in das Grüne hinaus, „aber ich denke, das geschieht sehr bald." Maria Paulowna bezog die Worte auf Ferra und nickte zu stimmend. „Wir sehen Sie also noch?" Er zuckte die Achseln. „Erlassen Sie es mir, über meine Zeit vorher zu diSponiren, es lähmt meine Thatkraft." — Mit einem Ruf der Freude eilte Ferra ihrem Bräutigam ent gegen und lehnte sich an seine Brust; in dieser Bewegung lag die ganze Hingabe deS Weibes an ihren Herrn und Geliebten. Achille sah es. „Gestatten Sie mir, Ihnen Glück zu wünschen," sagte er m seiner etwas müden, lässigen Art. „Ich sehe, auch Sie halten an dem fest, was Ihnen einmal geworden; alles, was die Welt sagt, ist eine Lüge!" „Die Welt lügt immer — oder doch meistens, man muß ihr nicht glauben!" fiel ihm Mana Paulowna in die Rede; „nun lassen wir die Herren wohl einen Augenblick allein. Komms Ferra." Sie zog sie mit sich hinaus. „Ich war ihm immer eine un willkommene Last," sagte sie leise zu ihrer Cousine, denn die alten Zeiten wachten mächtig in ihr auf. — Rommingen und Achille Arbanoff standen sich allein gegenüber. „Mein Kommen, Graf Rommingen, mag Ihnen die. bestt Widerlegung alles dessen sein, womit man hier dem Namen meines Baters, meiner eigenen Ehre und derjenigen meiner Stief« mutter zu nahe getreten ist. Bedarf eS noch weiterer Worte unter uns Männern?" „Nein, gewiß nicht!" — Sie standen sich gegenüber, einer laS in dem Gesicht des andern. Achille sah dasjenige des Grafen aufleuchten, sah seine Brust sich heben und seufzte leicht. „Es ist mein Schicksal, überall den rechten Augenblick zu verpassen," sagte er mit leiser Selbstironie. „Ich stand im Be griff, meiner Schutzbefohlenen Namen und Hand anzubieten, um zu sühnen, was ich durch eitle Unüberlegtheit, durch falsche Freunde beeinflußt, in den Augen der Welt an ihr gefehlt. Ich zögerte zu lange — mein Vater, jugendlicher fühlend als ich — sein Sohn — kam mir zuvor! — Ich glaube nicht, daß Ferra bei dem Tausch verloren hat." Detlev von Rommingen bot dem Sprechenden die Hand. „Ich danke Ihnen, Fürst Arbanoff! sagte er mit einem unwillkürlichen Ausdruck der Hochachtung. „Ich danke Ihnen herzlich." „Ja! Man ist ein Thor! ein Narr! und straft sich selbst dadurch am meisten. Wunderbar, daß die Erkenntniß überall so spät kommt," meinte Achille mit melancholischem Lächeln. (Fortsetzung folgt.)
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