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WulmiM TagMlM Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Beiträge sind erwünscht und werden eventuell honorirt. Annahme von Inseraten für die nächster scheinende Nummer bis Mittags 12 Uhr des vorhergehenden Tages. und aldenburger Anzeiger. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 50 Pf. Alle Postanstalten, die Expedition und die Colporteure dieses Blattes nehmen Be stellungen an. Inserate pro Zeile 10 Pf., unter Eingesandt 20 Pf. Amtsblatt für den Stadtrath zu Waldenburg. Mittwoch, den 15. December 1880. "Waldenburg, 14. December 1880. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Die Besuche von Diplomaten in Friedrichs- ruh waren in letzter Zeit sehr zahlreich. Zuletzt hat sich Prinz Reuß dorthin begeben, es handelt sich um die griechische Frage und um ihre Vertagung. Im preußischen Abgeordnetenhause klagte am 13. d. der Abg. Reichensperger darüber, daß auf den Universitäten zu wenig studirt und gelernt werde; es seien zu viele Ferien, der Collegienbesuch werde nicht controlirt, Kneipereien seien vorherr schend; die Gymnasialschüler würden überbürdet, die Professoren hätten zu wenig christliche Richtung rc. Minister von Puttkamer anwortete: Die gesetzliche Feriendauer betrage nicht 6, sondern nur etwas über 3 Monate. Die Mensuren arteten vielfach aus. Der Director der Irrenanstalt zu Braunschweig vr. Hasse habe behauptet, daß die Gymnasiasten in Folge der Ueberbürdung durch die Ansprüche der Schule das größte Contingent für die Irrenhäuser stellten. Er habe darauf ca. 20 Direcloren der Irrenanstalten Deutschlands um Mittheilung ihrer diesbez. Erfahrungen ersucht. Darnach bestätigte sich die Hasse'sche Behauptung nicht. Nur zwei Berichte sagten, es könne wohl sein, das geistige Ueberbürdung zu Geistesstörungen Anlaß geben können, doch bringen sie hierfür keiner lei praktische Erfahrungen. Die Zahl der Gymna siasten unter den Geisteskranken stehe mit der der übrigen Berufsarten in keinem Mißverhältnis Die Krankheitsursachen bei den jungen Leuten von 14—20 Jahren beständen nicht in Ueber- bürdunq, sondern seien mannigfache andere, nament lich auch geschlechtliche Verirrungen. Uebrigens sei er fortdauernd bemüht, eine Ueberbürdung, wo immer sie hervortrete, zu beseitigen. Viel sei aber auch von Seiten der Eltern zu erwarten. Es würden unfähige und körperlich schwächliche Kinder den hö heren Schulen zugesührt, Kinder, welche den Anfor derungen, die nun einmal die Schule stellen müsse, nicht genügten. Dazu komme nun noch die krank hafte Eitelkeit von Leuten der niedrigen Stände, ihren Kindern eine Schulbildung geben zu wollen, die sie (durch genügende Ernährung rc.) nicht för dern können. Leider hätten oft die Eltern nicht genügend Zeit, die Arbeiten ihrer Kinder zu prüfen. Im preußische,-. Abgeordnetenhause citirte am Sonnabend Or. Petri im Laufe der Discussion unter großer Heiterkeit des Hauses einen Brief des Domherrn Künzer an den Redacteur der „Schles. Volksztg." vom Jahre 1874, worin von einer im Jahre 1870 stattgehabten Unterredung Künzers mit Windlhorst die Rede ist, bei welcher Windthorst Zweifel an der päpstlichen Unfehlbarkeit und großen Ingrimm gegen die Jesuiten geäußert habe, bei deren Vertreibung er keinen Finger rühren würde. Windthorst erwiderte dem Abg. Petri, daß das Privalgespräch zwischen ihm und Künzn vor dem Beschluß des Valicanums über die Unfehlbar keit stattgefunden habe, daß er, Redner, damals im Jrrthum gewesen sei, jetzt aber die Ueberzeugung habe, daß der Beschluß des Vaticanums ein Glück gewesen sei, indem derselbe manche Dunkelheit auf gehellt und eine Trennung derjenigen, die nicht in die Kirche gehörten, von derselben bewirkt habe. Im Uebrigen entsinne er sich jenes Privatgespräches nicht mehr, überlaste aber dem Hause das Urtheil über einen Mann, der vertrauliche Mittheilungen veröffentliche. Die kurhessischen Agnaten hatten sich zu einem Vergleiche mit der Krone Preußen über die streitigen Vermögensobjecte bereit erklärt, aber einer derselben, Prinz Wilhelm, beharrte darauf, den ge richtlichen Weg zu beschreiten. Er verlor seinen Prozeß in erster Instanz und meldete die Berufung an. Indessen hat auch er jetzt einen gütlichen Ver gleich vorgezogen und dieser hat bereits die Geneh migung des Königs erhalten. Frankreich. In der Sorbonne (theologische Facultät der Pariser Universität) fand am 12. d. eine Preisvertheilung der poli'echnischen Gesellschaft statt, wobei Gambetta eine Rede hielt. Gambetta beglückwünscht die Ge sellschaft dazu, daß sie in Beziehungen zu den Ar beitern getreten sei und daß sie dieselben zum Vor aus waffne gegen den Jrrthum, von welcher Seite derselbe auch kommen möge, und gegen die eitelen und leeren Declamalionen, welche Frankreich ruhig ließen. Die Ordnung sei vollkommen gesichert. Der Triumph der Demokratie sei ehevem beunruhigt worden durch die Sophismen der dem Rückschritt huldigenden Partei; das sei heule aber vorüber. „Wir Franzosen haben angesichts unserer auswär tigen und inneren Unglücksfälle den alten Menschen ausgezogen; die Jugend hat es gelernt, sich selbst zu leiten und kennt keinen andern Ehrgeiz, als den, Frankreich wieder auf seinen Platz zu stellen durch Arbeit, durch Wissen, durch Tugend, durch Solidari tät." Gambetta schloß seine Rede mit den Worten: „Alles für das Vaterland! für das Wissen! für den Ruhm!" Als Gambetta die Sorbonne verließ, wurden ihm von der versammelten Menge Ovationen dargebracht. Spanien. Nach einer aus Madrid kommenden Mittheilung erwartet man in spanischen Hofkreisen für den August 1881 wieder die Geburt eines Königskin- des. Die Sache macht sich. England. Lord Beacousfielo scheint sich noch immer der Gunst seiner Souveränin in hohem Grade zu er freuen. Kaum war die Königin nämlich aus ihrem schottischen Buen Retiro in Windsor angelangt, so erhielt der Ex-Premier und Verfasser von Endy- mion eine Einladung, im Palaste zn diniren. Daß auch Gladstone schon eingeladen worden sei, hört man nicht, und in England wird täglich auf das Genauste von dem Hof-Chronisten berichtet, wer in Windsor ein- und ausgeht. Infolge der ernsten Lage in Irland ist auf den 13. unerwartet ein Kabinetsrath anberaumt worden. Das Kabinet hat wichtige Beschlüsse zu fassen. Der Obersekcetär für Irland, Forster, hat erklärt, ohne die Gewährung außerordentlicher Gewalten müsse er die Verantwortung für die Regierung Irlands ablehnen. Der sofortige Zusammentritt des Parla ments ist möglich. Nach einer Meldung aus der Capstaüt vom 9. d. ist im Leribedistrikt ein auf Fourage ausge sandtes Detachement genöthigt gewesen, sich zurück zuziehen, nachdem es 13 Mann an Todlen verloren halte. Der Stand der Angelegenheiten im Trans vaal ist fortgesetzt ein sehr ernster. Die Boers rot ten sich in großer Zahl zusammen und drohen, mit Gewaltmaßregeln vorzugehen. Es ist eine Procla- mation veröffentlicht worden, worin die Boers auf die Folgen ihrer fortgesetzten Agitationen hingewiesen werden. Rußland. Das Leben des Czaren schildert ein Correspon- dent der „Köln. Ztg." aus Petersburg: Wie ich erfahre, ist der Aufenthalt des Hofes in Lioadia ein ziemlich langweiliger gewesen, der alte Glanz des Czarenhofes scheint überhaupt erloschen. Große Festlichkeiten, glänzende Schaustelluugen gehören längst entschwundenen Zeiten an. Das Leben des Selbstherrschers aller Reußen und gleichfalls oder besonders das des Thronfolgers, sowie auch der Prinzen gleicht eher dem eines Privatmannes, wie dem eines einst sehr prunkliebenden Fürstengeschlechts. Alexander II. zieht sich so viel nur irgend möglich von der Oeffentlichkeit zurück, ein Spielchen Karten mit Giers, Werder und Adlerberg und der Verkehr mit der Fürstin und deren Kindern bilden so ziem lich seine ganze Unterhaltung. Getäuschtes Ver trauen, unerfüllte Erwartungen und Sorge um sein Leben haben ihn menschenscheu gemacht. Das Volk liebt und ehrt ihn dennoch und als er seinen Ein zug vor einigen Tagen in der Residenz hielt, waren Tausende auf den Beinen, die ihn mit begeisterten Hurrahrufen begrüßten. Amerika. Herr Hasselmann fängt in New-Jork an, fürchterlich zu werden. Er hat dort eine Partei des Umsturzes gegründet, welche er die Partei der „Social-Revolutionäre" getauft hat. Herr Hassel mann verwirft die Abstimmung der politischen Wahlen; es bleibt also nur an ihrer Stelle die Möglichkeit einer allgemeinen „Keilerei" übrig. Vor läufig zittert New-Jork vor den „Social-Revolu tionären" noch nicht, da die Partei bis jetzt im Ganzen — 27 Mitglieder zählt. Die „New-Dorker Staats-Zeitung" prognosticirt Herrn Hasselmann beim ersten Versuch, seine Idee ins Praktische zu übersetzen, „jämmerliche Hiebe". Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 14. December. Heute früh ver mißte der Amtsgerichts-Wachtmeister hier bei dem Aufschließen der im dritten Stockwerke nach dem Hofraume gelegenen Gefängnißzelle, in welcher sich der wegen Gelddiebstahls bei seinem Dienstherrn Kirmse inOertelshain internirteHandarbeiter Thiemer aus Remse befand, diesen seinen Pflegbefohlenen, bemerkte aber auch bei dem offenen Fenster die Beschädigung des davor angebrachten Gitters; die weitere Nachsuche im Hofe ergab, daß Th. durch das enge Fenster sich von solcher Höhe kopfüber hinabgestürzt hatte und am Kopfe schwer verwundet liegen geblieben war. Man transportirte ihn mit tels Siechkorbes vorläufig in das h-esige Kranken haus, woselbst er ebenfalls hinter Vergitterung, Schloß und Riegel wieder bei vollem Bewußtsein sitz! und Zeit hat, sich zu überlegen, was ihm dieser Sprung einbringen wird. — Die Stadt Zwickau hat mit ihren Vorstadt- und Außendörfern etwa 83,000 Einwohner. Seit 1875 beträgt die Zunahme dieser Orte 9228 Seelen. — Durch einen plötzlich herabfallenden, mit Eisen stücken gefüllten Kasten ward am Sonnabend in der Zwickauer Maschinenfabrik (vormals Brod und Stiehler) der Eisengießer Emil Kunstmann aus Neidhardtsthal erschlagen. Kunstmann ist Vater von vier Kindern. An der Schafbrücke in Colditz schwamm am 10. der Leichnam eines nur mit Hemd und Hosen be kleideten älteren unbekannten Mannes an. Der Leichnam war schon ganz verwest und mußte gleich am Ufer eingescharrt werden. Aus dem Tachsenlande. — Se. Maj. der König und Se. kgl. Hoheit der Prinz Georg sind in der Nacht zum 13. d. von Berlin wieder in Dresden eingstroffen.