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feindlichen Kundgebungen in Böhmen und Ungarn bekundet und den Minister angewiesen haben, den zerstörenden Agitationen entgegenzuwirken. Frankreich. Dis Morgenblätter besprechen die Zusammen setzung des neuen Kabinets. Die republikanischen Blätter geben der Hoffnung Ausdruck, daß Barthe- lsmy Saint Hilaire und seine Mäßigung für Europa ein Pfand für die friedlichen Absichten Frank reichs sein werden. Die Journale der consorvativen Partei und der Intransigenten sind der Ansicht, daß das Ministerium Ferry keine ruhige Existenz haben werde; sie betrachten indessen ebenfalls die Ernennung Barthelemy Saint Hilaire's zum Minister des Auswärtigen als eine Garantie für die Aufrecht erhaltung der bisherigen friedlichen Politik. Nach dem Pariser Corresponventen der „Times" soll der Präsident der Republik, Herr Grevy, auf die Frage, warum er nicht Herrn Gambetta die Bildung eines Cabinets übertrage, die merk würdige Antwort gegeben haben: „Weil er sich wie die übrigen Häupter der Regierung abnutzen würde." Welchen Gedanken der Präsident der Republik des Weiteren wie folgt erläuterte: Wollte er persönliche Politik treiben, so würde er darauf ausgehen, Gambetta sich abnützen zu lassen, weil er sich so am leichtesten von einem M mne befreien könne, dessen Ausfluß ihm stets im Wege sei. Aber er denke nicht an sich selbst. Er wisse, welche schwere Nachtheile ein Sturz Gambetta's für die Politische Zukunft des Landes haben werde. Gam betta sei nicht nur der Führer der Linken, sondern auch im Augenblick der einzig mögliche Führer. Er sei der Einzige, der sie zusammenhalten könne und dem sie gehorche. Ware er abgenützt, so trete das Chaos, der allgemeine Wirrwarr, ein. Das wolle er verhüten. England. Die Muthmaßung, daß der Versuch, einen Zug der Nordwestbahn mittels Dynamit in die Lust zu sprengen, mit einem nihihistischcn Anschlag im Zu sammenhangs stand, gewinnt an Boden. Als der russische Großfürst Constantin sich am Donners tag vor 8 Tagen von London nach Glasgow begab, um die kaiserliche Jacht Livadia zu besichtigen, wollte er anfänglich die Reise nach Schottland auf der Nordwestcahn zurücklegen. In Euston Station war der Salonwagen bereit, als es in Folge „ge wisser Andeutungen" für räthllch erachtet wurde, die Route zu ändern. Die erhaltenen Andeutungen und die gehegten Befürchtungen erwiesen sich als völlig begründet, als am Montag Morgen das Dynamit und der dazugehörige mörderische Spren gungsapparat in der Nähe des Schienengeleises ge funden wurde. Türkei. Riza Pascha hatte den Dulcignoten für die gutwillige Räumung ihrer Stadt telegraphisch ange ¬ boten, daß ihnen 30,000 türkische Pfund ausgezahlt werden sollen und ein neues Dulcigno auf dem Gebiete von Makia aufgebaut werden würde. Die Häupter der albanesischen Partei in Dulcigno sand ten hierauf an Riza Pascha folgende telegraphische Antwort: „Von Ihrem Anerbieten haben wir den selben Gebrauch gemacht wie Sie von unserem Pro test. Wir wissen, daß jede Regierung sowohl auf ihr eigenes wie auf das Wohl ihrer Unterthanen bedacht sein soll; unser Sultan dagegen bietet uns Geld an, daß wir seine Stadt aufgeben und ver lassen sollen. Wir haben erkannt, daß die otloma- nischen Beamten noch ärger sind als die ungläubi gen Giaurs und wir bitten Sie, den Boten, den Sie an uns senden wollen, bei sich zu behalten, denn die Stunde seiner Ankunft in Dulcigno würde zugleich die Stunde seines Todes sein." Dieses Te legramm wurde unterzeichnet von Haschi Saly. Den Consuln der auswärtigen Mächte in Skutari ist ein von 35 Notablen von Dulcigno unterzeich neter Protest überreich! worden, in welchem erklärt wird, daß sie sich niemals von der türkischen Regie rung trennen wollten, unter welcher sie seit Jahr hunderten gestanden hätten. Wenn die Montene griner versuchen sollten, vorzudringen, so würde man ihnen mit Gewalt begegnen. Von mehreren Consuln ist dieser Protest zurückgewiesen worden. Asien. In der mohamedanischen Welt herrscht jetzt keine geringe Aufregung, da die Saison der Wallfahrt nach Mekka soeben begonnen hat und zu Tausen den strömen schon die Gläubigen nach der heiligen Stadt. Die Reichen unter den Pilgern bringen auch kostbare Geschenke mit, die sie an die Moscheen und sonstigen heiligen Stätten in Mekka vertheilen. Ein indischer Fürst brachte diesmal auch einen goldenen Eimer mit, den er dem heiligen Brunnen Semsem spendete. Dieser Brunnen befindet sich im Vorhofe der Kaaba, ist 40 Ellen tief und soll noch vom Großvater des Propheten gegraben wor den sein. Jeder Pilger, der nach Mekka kommt, eilt sogleich zu diesem Brunnen hin, um sich dort eine Schale Wasser zu kaufen, die er oft mit schwerem Golde bezahlt. Fanatische Pilger trinken sogar ein ganzes Dutzend solcher Schalen aus. Die Ein nahmen aus diesem Brunnen (1877 betrugen die selben mehr als 800,000 Frcs.) gehören theils dem Groß-Scherif, theils dem Heiligthum, der Kaaba. Afrika. Aus Capetown wird gemeldet: Am 20. Sep tember griffen 1200 Basutos die Stadt Mohales- hoek, am 21. September 5000 Basulos Mafeteng an; beiden Orten dauerte der Kampf den ganzen Tag, die Basutos wurden schließlich zurückgeschlagen. Aus dem Muldenthale. — In Zwickau hat am 21. d. abends ein Schlos sergeselle auf der über die Schwarzenberge- Eisen bahn hinwegführenden Brücke aus bloßem Muthwillen das 7jährige Töchterchen des Handarbeiters Neef, welches sich auf dem Fußwege in einen Tragkorb gesetzt hatte, mit sammt dem Korbe umgeworfen, wobei aber das K>nd durch das weite Geländer der Brücke hindurch aus einer Höhe von etwas 9 Meter auf das Gleis der Eisenbahn stürzte und sich ver schiedene schwere Verletzungen, u. A. auch den Bruch des rechten Vorderarmes zuzog. Der unbesonnene Mensch, der keineswegs die Absicht hatte, dem Kinde ein ernstliches Leid zuzufügen, mag nun in Ver zweiflung sein und kommt auch, wenn die kleine Unglückliche sterben sollte, in schwere Strafe. Atts dem Suchsenlande. — Se. Maj. der König wird sich infolge einer Jagdeinladung Sr. Maj. des Kaisers von Oesterreich am nächsten Sonntag, den 16. d., abends, nach Wien begeben. — Die Königin von Sachsen war einst Besitzerin der Herrschaft Morawetz in Mähren, wo sie ihre Jugendjahre verlebte und bisher alljährlich die Dürftigen von Morawetz mit Geld und Kleidungs stücken in reichem Maße unterstützte. Ihre Majestät macht fast alle zwei Jahre einen Ausflug nach Morawetz. Um aber die Armen von Morawetz für immerwährende Zeiten zu unterstützen, hat die Königin Carola von Sachsen ein Stiftungskapital bestimmt, von welchem Genüsse Arme aus Morawetz in einem dort auf ihre Kosten zu erbauenden .Spitals lebenslang verpflegt und bekleidet werden. — Die Garnisonfrage bezüglich der Ostern folgen den Jahres neu zu gründenden Truppentheile ist nunmehr vollständig entschieden und zwar wird das eine der neuen Regimenter nach Leipzig, das andere nach Zwickau, die Artillerieabtheilung gleichzeitig mit der in Geithain garnisonirenden reitenden Artillerie nach Riesa zu liegen kommen. Außerdem beab sichtigt man noch den Städten Meißen, Grimma, Lausigk, Pegau und Roßwein den Garnisonscharakter zu nehmen, sobald in den anderen Garnisonstädten die nöthigen Kasernements- und Wagazinbauten vollendet sein werden. — In Zschopau hat sich am Mittwoch früh der 13jährige Pflegesohn des Handelsmanns Ludwig Franz von einem Eisenbahnzuge überfahren lassen. Der jugendliche Selbstmörder, der sich vor einer Züchtigung gefürchtet haben soll, ward entsetzlich zerrissen und starb erst gegen Mittag. — In Frohburg fiel am 20. d. ein Papier drache aus der Luft herab, wodurch ein Pferd scheu wurde, durchging und den Kutscher überfuhr. Letz terer brach ein Bein. — Auch in Borna gingen zwei Pferde durch, weil sie durch einen Papierdrachen aufgeschreckt wor den waren. Feuilleton. Eine silberne Hochzeit. Erzählung von Kerdinand Hilles. (Fortsetzung.) So war ein Versöhnungsversuch, den das junge Ehepaar so heiß erstrebt hatte, unmöglich. Die Mutter aber war wie vom Schlag getroffen, als sie die Nachricht von dem Tode des Rechtsanwalts er hielt; denn nach der Verheirathung ihrer Tochter sehnte sie sich nur um so mehr nach einer Verstän digung mit Kuno, der Rechtsanwalt aber war der einzige, von dem ihr Mann eintretenden Falles ihre Adresse hätte erfahren können. Sie war untröstlich, sah sie doch keinen Weg, auf welchem Rheinfeld, wenn er wirklich einmal zu ihr zurückkehren wollte, würde zu ihr gelangen können; denn vor der Oef- fentlichkeit schreckte sie zurück, schon um ihrer Toch ter wegen, und in den Verlustlisten der preußischen Armee hatte sie gelesen, daß auch der vortreffliche Hauptmann, an den sie sich möglicherweise hätte wenden können, bei Königgrätz gefallen war. — Ach, wie bereute sie jetzt ihren Stolz! Aber was half da auch die bitterste Reue, die Vergangenheit war nicht zurückzurufen. -t- Das Leben ist eine Schule und der beste Lehr meister ist die Zeit. Da genügt oft ein flüchtiger Moment, ein ganzes, langes Leben zu vergiften; ein vorübereilender Windstoß wirft ein stolzes Gebäude um, und in Trümmern liegt die Arbeit von tausend Händen. Kuno und Therese waren Beide noch nicht in die Schule des Lebens gegangen, als ihre Her zen sich fanden und als sie zu „ewigem Bunde" einander die Rechte reichten. Sie waren im Stru del der Welt unmündige Kinder, dem stattlichen Hause ihres Glückes fehlte das schützende Fundament, die Lebenserfahrung. Als da die Stunde der Prü fung kam, unterlagen sie Beide, wie Schüler, die ihr Examen nicht bestehen. Die Lehrmeisterin Zeit trat an die Unterliegenden heran und nahm sie in ihre Schule. . . . Es war an einem milden Herbsttage, als in Ham burg mit dem Dampfer „Frisia" ein amerikamüder Mann von vielleicht 47—48 Jahren anlangte und mit dem Ausruf: „Gottlob, wieder auf deutscher Erde!" das Schiff verließ. Der Ankömmling war vor zwanzig Jahren ausgewandert, hatte sich am Mississippi eine Farm gekauft, dieselbe bald wieder verkauft, dann ein ruheloses, wcchselvolles Leben geführt und endlich den amerikanischen Boden recht satt bekommen. Damals, ehe er nach Amerika ab- dampfte, war er ein wackerer Lieutenant in einem preußischen Infanterie-Regiment gewesen und zudem glücklicher Gatte einer ihn zärtlich liebenden, schönen Frau. Sein Eheglück ging unter durch einen ver- rätherischen Freund, und mit dem verschwundenen Frieden seines Herzens war auch seine Lust am Officierstande dahin, war ihm die deutsche Heimath verleidet. So war er fort in die Fremde gegan gen. — Wenn in der Griechenzeit die Vaterstadt zu enge ward für alle ihre Kinder, dann wanderte ein Theil derselben aus, sich eine neue Heimath zu gründen. Doch nicht Ueberfüllung allein, auch politische Zwiste trieben griechische Staatsbürger von dem heimischen Heerde, nach fremden Strande die schützenden Pe naten zu tragen, und mancher auch zog dahin, dem nur ein rein persönliches Leid den vaterländischen Boden vergällt hatte; er zog dahin, im Herzen Ver wesung, in der Ferne neues Leben oder auch ein stilles Grab zu suchen. So hatte der junge Officier sein Vaterland geflohen, um in der neuen Welt neuen Frieden für seine Seele zu finden. Doch den Frieden, den er dort suchte, fand er nicht. Er konnte nicht vergessen, und die Erinnerung an die Tage früherer Glückseligkeit entfachte bald immer stärker in seiner Brust die Sehnsucht nach dem Vater lands, die Sehnsucht nach Herzen, die ihm einst in Liebe und Freundschaft geschlagen hatten und viel leicht noch freundlich seiner gedachten. Er hatte sich damals von seiner braven Frau getrennt, ohne sich mit ihr auszusprechen, ohne Versöhnung auch nur zu versuchen — das hatte er längst bereut, um so mehr bereut, als seine Zweifel an ihrer Schuld mit der Zeit zur peinigenden Gewißheit ihrer Unschuld geworden waren, ja, er war überzeugt, daß nicht sie, sondern daß er damals im Unrecht gewesen, und seine Gewissensbisse ließen ihm keine Ruhe, er mußte seine schwerbeleidigte Frau aussuchen, sie um Verzeihung bitten, und — wenn möglich — den alten schönen Bund wieder von Neuem begrün den. — In Hamburg blieb er nur die nächste Nacht, gleich am andern Morgen setzte er sich auf die Eisenbahn und fuhr nach seiner ehemaligen Garnisonstadt, um dort seine Forschungen zu beginnen. Vom Bahnhof der kleinen Stadt, die ehemals die Stätte seines Glückes war, wollte er sich eben nach dem nahen Hotel begeben, als er plötzlich von einem Herrn in seinem Alter angehalten wurde. „Wie, sehe ich recht? Du bist es, Kuno?" sagte der Fremde. „Mein Name ist Kuno Nheinfeld. Wen habe ich die Ehre?" antwortete der Reisende. „O, Du bist es also wirklich! Und Du erkennst mich nicht wieder? Es ist wahr, ich habe mich sehr verändert, und es sind auch schon zwanzig Jahre her, seitdem wir uns zum letzten Male gesehen ha ben. Dalberg ist mein Name, weiland Assessor und jetzt Director des hiesigen Kreisgerichts!" (Fortsetzung folgt.)