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stattfinden wird, erstreckt sich über fünf Tage. Am Montag beginnt es mit einem großen Bankett, wel ches der Kriegsminister giebt. An das Bankett schließt sich ein Empfang und Erleuchtung des Gartens des Kriegsministeriums, Dienstag Diner und Empfang beim Präsidenten der Republik, Mittwoch Fahnen verleihung auf dem Hippodrom von Longchamps, Erleuchtung und Feuerwerk, Donnerstag Galavor» stellung in der Oper, Freitag Empfang beim Präsi denten der Deputirtenkammer. Das Socialistencomits zur Unterstützung der Amnestirten und Nichlamnestirten hat beschlossen, den Versuch vom 23. Mai zu wiederholen: in großen Massen mit Trauerkleidern nach dem Päre Lachaise zu wallfahren und dort für die 1871 gefallenen Auf ständischen sympathisches Zeugniß abzulegen. Gambetta spielt bereits den Dictator. Mit dem Augenblick, in welchen der Senat Miene machte, die Amnestie nicht anzunehmen, erklärte Gambetta's Organ, die „Republique fran^aise", daß die Re-' gierung alle Communards ohne Ausnahme begna digen werde; die Begnadigten würden ohne Weiteres in den Genuß aller ihnen abgesprochenen bürger lichen Rechte eintreien, die Unwählbaren würden als Candidaten vorgeschlagen und ohne Schwierig keiten gewählt werden, und die Kammer werde ihre Wahl als gültig anerkennen. „Die in contumaciam Verurtheilten",sagt die „Rcpublique fran^aise" „wer den unbehindert nach Paris zurückkehren. Wird man sie zu verhaften und Kriegsgerichten zu über liefern wagen? — Nachdem die Regierung die Am nestie als nothwendig erklärt hat, nach der feier lichen Abstimmung der Kammer, nachdem die Rede des Herrn Gambetta in allen Gemeinden Frank reichs angeschlagen worden, ist es nicht mehr er laubt, daran auch nur zu denken." Das Organ Gambetta's spricht es offen aus, daß die Amnestie nach der ihr im Senate widerfahrenen Ablehnung nun auf ungesetzlichem Wege zur Thatsache gemacht werden müsse. Es proclamirt, — natürlich kraft des Willens Gambettas, — die vollständige Amnestie, trotzdem der Senat dieselbe nicht angenommen hat. In der That rücksichtsloser ist die Verachtung des Gesetzes noch niemals zum politischen Grundsatz ge macht worden. In demselben Augenblicke, in wel chen man bei Ausführung der Märzdecrete sich so sehr auf das Gesetz beruft, ist ein solches Auftreten des leitenden Organes, wie es die „Republique franyaise" doch sein will, doppelt bedenklich. Den schon weit gediehenen Agitationen der Intransigen ten für die Abschaffung des Senates wird durch eine solche Sprache ein sehr wesentlicher Vorschub geleistet. Wenn Gambetta den Forderungen der Communards so willfährig entgegen kommt, wird seine Diktatur für das Fortbestehen der Ord nung im Staate nur eine sehr zweifelhafte Bürg schaft sein. Die Organe der Extremen drohen ihrer seits bereits mit einem Aufstand der Vorstädte, Feuilleton. Olga. Original-Erzählung von Weodor Kerman» Lange. (Fortsetzung.) „Und die Schmerzen des Körpers, selbst wenn sie durch heftige Krankheiten hervorgerufen werden, sind oft nicht so aufreibend, als die Leiden des Geistes und geistig läßt allerdings mein Zustand viel zu wünschen übrig." „Sie müßen Muth fassen, Olga, und sich nicht ihrem Schmerze überlassen, der dann nur um so stärker sie niederdrückt. Das Schicksal können wir zwar nicht vertreiben, aber wir können ihm Trotz bieten durch Beharrlichkeit und Kaltblütigkeit. Glau ben Sie mir, mein Herz hat oft brechen wollen in bittterem Schmerze und harte Seelenkämpfe habe ich erfahren müßen, aber ich habe sie durchgekämpft und bin nicht untergegangen." Hier wurde Paul's Stimme bewegter. Olga hing mit Begeisterung an seinen Lippen und als er gar ihre zarten Hände ergriff und sie flehentlichst bat, nur Muth zu fassen, da schämte sie sich plötzlich ihrer Schwachheit und Verzagtheit. Noch öfters trafen sie sich auf dem stillen Kirch hofe in der Mittagsstunde oder in den Nachmittags stunden auf „Dessels-Ruhe." Und was sie sich an diesen Orten sagten, gelobten und schwuren, wir wißen es ja Alle. Es ist dies nicht anders geworden seit Jahr tausenden und wird nicht anders werden in Jahr tausenden bei allen Völkern und in allen Sprachen. Und doch ist auch hier ein Unterschied und Nichts ist so weit von einander und wieder so nahe zu sammen Liebe und Liebe. Denn auch die Liebe kann Täuschung sein, und wird als Täuschung miß- i wenn der Senat die Amnestie nochmals ablehnen j sollte; sie führen überhaupt eine so aufreizende Polemik, daß es kaum Wunder nehmen würde, wenn Paris eines schönen Morgens durch Flinten schüße in den Straßen geweckt werden sollte. Italien. Nach einem römischen Briefe der „National-Ztg." hat der Papst zu einem Prälaten jüngst in amt licher Audienz gesagt, daß die Vorsehung ihm in den gegenwärtigen schweren Leiden der Kirche einen mächtigen Trost in dem neuen preußischen Kir chengesetz gewährt habe, welches die Kirche für alle Widerwärtigkeiten in Frankreich und Belgien ent schädige. Türkei. Zu verdenken ist es der Pforte eigentlich nicht, daß sie nicht gutwillig die Conferenzbeschlüsse acceptirt und dieselben zur Ausführung bringt, denn mir nichts dir nichts ein Stück Land abzutre ten, ist eine starke Zumuthung. Ein türkischer Di plomat äußert sich in dieser Beziehung: „Wir ver hehlen uns nicht, daß unseres Bleibens in Europa nicht mehr lange ist, allein man kann nicht von uns verlangen, daß wir uns durch Feder und Dinte auch nur aus dem kleinsten Theil des Gebietes, wel ches nur Jahrhunderte hindurch besessen, hinausde- creliren lassen. Wir haben die Balkanhalbinseln mit dem Schwert erobert, nur mit dem Schwert wird man uns von derselben vertreiben können." Oester reich hat es bei der Occupatio» Bosniens spüren müssen, welchen Widerstand die Pforte zu leisten vermag. Nach in Ragusa eingegangenen Nachrichten sollen die Montenegriner die bisher bei Dulcigno inne gehabten Positionen geräumt haben und sich auf d:m Marsche nach Tust und Podgorizza befinden.' Zwischen Türken aus Iakova und Christen aus Faudesi hat ein Zusammenstoß stattgefunden, bei welchem einige Türken getödtet wurden. Hassan Pascha soll gar nicht todt sein. Die „Polit. Corresp." meldet aus Belgrad: Hassan Pascha, Gouverneur von Novibazar, deßen Tod nach den Aussagen christlicher Flüchtlinge verbreitet wurde, ist verwundet dort eingetroffen, um Heilung zu suchen. Der Pascha von Sienitza übernahm mit dem Kaimakam die Verwaltung von Novibazar. Ejub Bay benachrichtigte die Liga von seiner That, die dieselbe nicht nur approbirte, sondern sogar ferner jede Unterstützung versprach. Amerika. Für die Anschauungen des Generals Gar field, dem republikanischen Candidaten für die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten, ist nach stehende Anekdote charakteristisch und deshalb mag sie hier stehen: Ein Freund, der den General in Washington besuchte, fand denselben umgeben von einem hohen Stoß Bücher; Garfield erklärte seine Beschäftigung, indem er sagte: Ich finde, daß ich braucht, aber doppelt schön für den, dem das Ver- ständniß aufgegangen, für die ewige Liebe, die Alles, selbst den Tod überwindet, und dem den Himmel in die Brust legt, der sie wahr besitzt und wahr von sich giebt. Denn ohne Liebe, sagt ja schon die alte Bibel, wäre unser Herz ein kaltes Erz und keine tönende Schelle. Eines Tages kam Olga nicht zur festgesetzten Stunde, sie kam überhaupt nicht. Paul hatte ihr ein kleines Geschenk mitgebracht. Es war Scheffel's „Trompeter von Säkkingen," in elegantem Einbande und mit prachtvollen Illu strationen. Außerdem hatte er ein feingesticktes Buch zeichen, es stellte einen Strauß Vergißmeinnicht dar, an jene Stelle gelegt, in der der Dichter den ersten Liebeskuß besingt. Zwei, drei und vier Mal las Paul diese wunder schöne Stelle durch, bis er sie auswendig konnte und die mit den Worten schließt: Und sie lag in seinen Armen, Und sie ruht an seiner Brust Und es flammte drauf der süße Kutz der ersten Liebe Süßer Kuß der ersten Liebe, dein gedenkend überschleicht mich Freud' und Wehmuth. Freude, das auch ich ihn küssen durfte, Wehmuth, daß er schon geküßt ist. Am Abend deßelben Tages, wo Paul Olga ver gebens erwartet hatte, saß Frau Gryziewicz mit ihrer Tochter im Wohnzimmer. Frau Gryziewicz hatte vor sich erst das Crucifix auf dem Tische stehen und ein Gebetbuch in der Hand. Ihre Züge blickten feierlich und ernst. Mutter und Tochter schwiegen. Nur zuweilen konnte ein aufmerksamer Beobachter gewahr werden, daß über Olga's Wangen eine Thräne rollte. Nach längerer Pause begann Frau Gryziewicz: „Wenn eine Mutter für ihr Kind das Beste im mich überarbeitet habe und der Unterhaltung bedarf. Da ich der Ansicht bin, daß die Ruhe des Geistes sich nicht durch Nichtsthun, sondern vielmehr durch ein Abschweifen auf eine der gewöhnlichen Be schäftigung durchaus fremdes Gebiet am besten er langen läßt, so erhole ich mich, indem ich mich mit Allem vertraut mache, was die Bibliothek des Con- greffes über Horaz und die verschiedenen Ausgaben und Uebersetzungen seiner Gedichte besitzt. Aus dem Muldenthale. "Waldenburg, 9. Juli. I. D. Frau Ida Neichs- gräfin von Wartensleben ist gestern Abend von hier wieder abgereist. *— Schüler der hiesigen Fortbildungsschule un ternehmen nächsten Sonntag einen Feldmarsch nach Chemnitz, um dort einige Etablissements zu besuchen. Es geht früh 6 Uhr vom Kirchplatze aus ab und wird bis Limbach zu Fuß gegangen, von dort mit der Bahn bis Chemnitz gefahren. Einem jeden Schüler der Fortbildungsschule ist es gestattet, an dieser Turnfahrt theilzunehmen. — Am 7. d. vormittags 11 Uhr verunglückte auf dem Friedrich Ebert's Schacht in Oberhohndorf bei Zwickau der 15 Jahre alte Bergarbeiter Franz Ull mann aus Niederhaßlau, indem er durch einen Sturz vom Kohlenschuppen den rechten Oberschenkel brach und deshalb in das Kreiskrankenstift unterge bracht werden mußte. Aus dem Sachsenlande. — Am 8. Juli früh 8 Uhr beehrte Sc. Maj. un ser geliebter König Albert, von Bad Elster kommend, Markneukirchen, das im festlichsten Gewand prangte, mit seinem hohen Besuche. Zunächst besichtigte Se. Maj. die Lokalitäten des Amtsgerichts, sadann die Jnstrumentenfabriken von M. Schuster und Schu ster L Paulus und endlich im großen Schützenhaus saale die vom Markneukirchener Gewerbeverein ver anstaltete, überaus reich und schön ausgestattete Aus stellung von Musikinstrumenten und Musikwaaren, wie solche dort gefertigt werden. Mit dieser Aus stellung war zugleich eine Ausstellung verschiedener Arbeiten, Zeichnungen und der Lehrmittel der dor tigen Fachschule verknüpft, welcher Se. Maj. viel Aufmerksamkeit schenkte. ^10 Uhr verließ der König die Stadt wieder und fuhr mittelst Extrazuges über Siebenbrunn nach Rautenkranz. — In Wilzschhaus besuchte der König die Kirche, in welcher der Pfarrer eine Ansprache an den ge liebten Monarchen richtete. — Am 8. Juli, Vormittags 11 Uhr, fuhr der königliche Extrazug im reichgeschmückten Bahnhofe Rautenkranz ein, woselbst er vom Hammerwerksbesitzer Lattermann und vom Ortspfarrer begrüßt wurde. Schon nach S Minuten war der Aufenthalt beendet und unter dem Jubel der Bevölkerung verließ der königliche Extrazug Rautenkranz. Auge hat, trifft sie meist bei dem Kind auf den größ ten Widerstand." „Aber Mutter" — „Laß mich erst aussprechen und dir sagen, was ich dir zu sagen habe und dann sprich du!" „Nun dann sprich Mutter!" „Als dein guter seliger Vater auf dem Sterbe bette lag, war noch einer seiner letzten Wünsche das Wohlergehen seines einzigen Kindes. Mir und dem treuen Pfarrer vertraute er dieses an und während du aus dem Zimmer gegangen warst, mußten wir ihm zuschwören und gern haben wir es gethan, stets dein Wohl im Auge zu haben und dich so zu erziehen, wie dein Vater dich erzogen haben würde, wenn Gott ihm ein weiteres Leben geschenkt hätte." „Habe ich vielleicht mich je meines Vaters unwür dig gezeigt?" „Höre nur erst werter zu, Olga, denn es ist deine Mutter, die mit dir spricht und die, wie ich dir schon gesagt habe, nur dein Bestes will." „Weiter aber haben wir auch deinem Vater zu schwören müffen,daß, so lange wir beiden, die er in Schwur nahm, amLeben sein sollten,daraufBedachtsein müßten, wenn du einmal deine Geschicke nicht mehr der Leitung deiner Mutter, anvertrauen solltest, vielmehr sie den Händen eines Mannes nach deiner Wahl übergeben würdest, daß hierbei deine Wahl zweierlei nicht aus dem Auge ließe; einmal zum Lebensgefährten nur einen römisch-katholischen Mann zu erwählen, zum andern auch keinen Angehörigen der germanischen, sondern der slavischen Rasse. Olga hatte mit athemloser Spannung diesen Worten gefolgt. (Fortsetzung folgt.)