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Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 27.01.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1878454692-189801272
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1878454692-18980127
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1878454692-18980127
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Freiberger Anzeiger und Tageblatt
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-01
- Tag 1898-01-27
-
Monat
1898-01
-
Jahr
1898
- Titel
- Freiberger Anzeiger und Tageblatt : 27.01.1898
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Zwischen Sozialisten Vorredner, daß Püffe a nsgetauscht und dazu bestimmt Eine in der Nähe aus vr. Schill aus; putativ» vereroeraer nnv rafteviatt. «,i»e R. — rr. Ja««av Oertliches und Sächsisches. Freiberg, den 26. Januar. — Die Kronprinzesstn-Wittwe Stephanie von Oester» reich ist gestern srüh in Dresden eingetrvsfen und ha: im Hotel „Europäischer Hof" Wohnung genommen. — Titelverleihung. Dem Direktor unserer Bergakademie, Geheimen Bergrath Professor vr. Winkler in Freiberg, ward von Sr. Majestät dem König Titel und Rang eines Ge heimen Rathes verliehen. — Bom Landtag. Die Erste Kammer bewilligte gestern nach dem Vorgänge der Zweiten Kammer die in Titel 84 bis 89 deS außerordentlichen Etats aufgesührten Forderungen für Vermehrung deS Eisenbahn-Inventars, sowie für Ein richtungen zur Erfüllung der reichsgesetzlichen Sicherungs vorschriften. Kammerherr v. d.Planitz kündigte an, daher gegen die Höhe der in einer Anzahl Titel deS außerordentlichen Etats eingestellten Beträge Opposition machen werde und bat, in Zukunft die zusammengehörigen Titel im Etat auch nebeneinander zu gruppiren. Staatsminister v. Watzdorf sicherte dies zu, dieses Mal seien die Postulate je nach ihrem Eingänge chronologisch zusammengestellt worden. Bei Titel 86 (Vermehrung der Per sonen- und Güterwagen) sprach sich Rittergutsbesitzer Hempel für Beibehaltung der Wagen 1. K asse auS, welche geradezu ein Be- dürfniß seien, wenn Jemand häufiger weite Reisen zu machen habe. Wenn etwas abgeschafft werden solle, so habe er nichts dagegen, wen» man diePerronsperre wieder abschafsen wolle. Von einigen Seiten werde über die schmierige Zu gänglichkeit der neuen V-Wagen geklagt. Zur Verbesserung würde e» diene», wen» eine Thür in der Mitte de- WageuS angebracht nicht empfangen, sondern mit ihren Wünschen an die ungarische Regierung gewiesen werden. DaS Prager deutsch« Konsulat wird mit einem Berufskonsul besetzt, daher eS nicht dem Wiener Generalkonsulat, sondern un mittelbar der deutschen Botschaft untergeordnet wird. Zum Konsul, dessen Befugnisse sich über ganz Böhmen erstrecken sollen, ist ein reichsdeutscher der czechischen Sprache mächtiger Fabrikant in Prag auSersehen. Der italienische Ministerrath hat den Kriegsminister und den Minister deS Innern ermächtigt, im Hinblick auf die Viel fachen Unruhen „eventuell" eine JahreSklasse einzuberufen. Belgien. Der sozialistische Deputirte Demblon, welcher in der letzten Sitzung der Repräsentantenkammer ausgeschlossen wurde, betrat, am Vormittag von einer Gruppe von Sozialisten umgeben, Nachmittags 2 Uhr die große Vorhalle des Parlamentsgebäudes. Eine Abtheilung Soldaten bewachte den Eingang. Der komman- dirende Offizier trat auf die Gruppe zu und verbot Demblon auf Befehl oe» Kammerpäsidenten, den Sitzungssaal zu betreten. Demblon fügte sich dem Befehl-, indem er rief: „Es lebe die Armee!" „ES lebe die Republik!" Mehrere sozialistische Deputirte erhoben indessen Einspruch dagegen. Die Menschenmenge, welch« sich inzwischen vor der Kammer angesammelt hatte, drängte vor wärts und eS entstand ein furchtbares Handgemenge. Die Sol daten machten sich zum Eingreifen bereit. Zwischen Sozialisten und Antisozialisten wurden Schläge und! eS kam zu unbeschreiblichen Szenen. Posten befindliche Abtheilung CarabinierS und eine Brigade Polizeiagenten eilte herbei, um mit bewaffneter Hand eruzu- schrelten. Schlließlich wurde die Ruhe wiederhergestellt; eme Person wurde verhaftet. werd«. Er selbst habe aber diesen Uebelstand noch nicht empfunde»! Auf eine Anfrage deS Herrn v. d. Planitz, auS welchen Gründe« man von der Carpenterbremse abgegangen sei und d«e Westing housebremse benutze, erwiderte der Finanzminister, da» letztere System habe sich besser bewährt. — Die Zweite Kammer be schäftigte sich gestern zunächst mit der Vorberathung eine- Gesetze«, den Ersatz von Wildschaden und die Rechtsfähigkeit der Jagdgenossenschaft betreffend. Abg. vr. Schill-Leipzig (nat.-lib.) bezeichnet eS als eine sehr wesentliche und einschneidende Aenderung, wenn A 6 die Streitigkeiten über Wildschäden den Gerichte» abnehmen und den Verwaltungsbehörden »mveisea wolle. Der Deputationsbericht sage selbst, daß das bisherige Verfahren zu irgend welchen Nachtheilen nicht geführt habe. Ganz bedenklich sei ibm diese Bestimmung bei der Gestaltung der Sachen in zweiter Instanz, wo sie mittelst Rekurse- au die AmtShauptmannschaft behandelt werden sollen. Daß durch da» neue Verfahren die Streitigkeiten sür die Betheiligten einfacher und schneller erledigt seien, könne er ebenfalls nicht einsehen; denn auch bei den Gerichten ließen sie sich doch so beschleunige^ daß eine Verschleppung oder Erschwerung deS Verfahren» aus geschlossen sei. Auch einen Vergleich wurden sich dle Gerichte ebenso angelegen sein lassen wie die AmtShauplmannschaften. Im Uebrigen glaube er auch, daß dem Publikum wenig damit gedient sein werde, wenn man Wildschäden-Streitigkeiten de« Verwaltungsbehörden überweise und er werd« gegen den Z § stimmen. Staatsminister v. Metzsch erklärt gegen die Einwend ungen deS Vorredners, daß die Erwägungen, welche dazu führten, die Amtshauptmannschaften als die instanzmäßig ent schließende Behörde einzusetzen, lediglich praktischer Natur gewesen sei. Er glaube, nochmals darauf Hinweisen zu sollen, daß gerade die Amtshauptmannschasten und speziell der Amtshauptmann vor nehmlich in der Lage fein würden, in diesen Angelegenheiten, wo es besonder- auf lokal« Anschauungen ankomme, diejenigen Ent scheidungen zu treffen, die der Sach« angemessen seien. Auch werde der AmtShauptmann vermöge feiner Stellung im Bezirke wohl in der Lage sein, nach dieser Richtung entstehende Differenzen zu begleichen und einen Vergleich herbeizuführen. Die Befürchtung deS Abg. vr. Schill für ine Entscheidung in der ReturSinstanz könne nicht so unbedingt in den Vordergrund gestellt werden, denn dieselbe werde in der Praxis kaum zu Recht bestehe» könne« und sich verwirklichen. Ferner habe eS der Regierung durchaus fern gelegen, die Kompetenz der Gerichte und ihre Berechtigung zu schmälern und die Regierung sei bei Verweisung der Kom petenz an die Verwaltungsbehörden lediglich von der Rücksicht aus vaS Interesse der streitenden Parteien geleitet worden. (Bravo!) Abg. vr. Schill-Leipzig (nat^lib.) erklärt, er verstehe nicht, warum nicht auch die Amtsrichter ebenso gub vielleicht noch besser als der AmtShauptmann, namentlich in kleinere« AmtS- gerichtSbezirken, in derartigen Streitigkeiten wirken könne. Er möchte serner nicht so ohne Weitere- aunehmen, daß man di« Wohlthat m der 'zweiten Instanz mit abermaliger mündlicher Verhandlung im Publikum sehr gering schätzen würde und daß in der zweiten Instanz Vergleichsversuche ebenso energisch gemacht würden wie in der ersten, sei ja Allen bekannt, die sich mit " ;en hätten. Referent let de« Redakteur- aber auch deswegen, weil sie wieder einmal die au» Mißtraue» und Geringschätzung gemischte Gesinnung zeigt, di« man in NegierungSkreisen der nationalen Presse entgegenzuvringe» für gut hält. Man läßt sich ihre Mißarbest gerne gefallen, weil man ihrer schlechterdings nicht entrathen kann; aber wenn ein Mann, wie Trojan, der durch 36 Jahr« seine geistige Kraft den nationalen Ideen gewidmet hat, zu straucheln scheint, so fassen ihn die Häscher und insinmren ihm, daß er im 89. Jahre die Grundsätze der früheren 37 Jahre vergessen und verrathen hat. Einschüchternd mag dak Urtheil auf da- freie Wort ehrlicher nationaler Männer wirken, obwohl wir hoffen, daß die nationale Presse trotz alledem und alledem erst recht ihre Pflicht tbut; aber heilsam auf keinen Fall. Herr v. Miquel aber, der Vater der Politik der Sammlung, sollte nicht dulden, daß die Gerichtshöfe den Faden verwirren, den seine Politik fei» gesponnen, und daß nicht gerichtliche Verfolgungen inszenirt werden den Nationalen zum Leide und den Sozialdemokraten zur Freude. Oesterreich. Die „Ostdeutsche Rundsch." meldet: Statt halter Gras Coudenhove wurde nach Wien berufen. Man bringt diese Berufung mit einem Statthaltcrwechsel in Böhmen in Ver bindung. Graf Coudenhove soll durch den früheren Statthalter Grafen Franz Thun ersetzt werden, weil er da- Verbot deS FarbentragenS auf eigene Faust erlassen hat. Der Abgeordnete PinkaS hatte dem Abg. Wolf wegen einer angeblich von Letzterem im Landtage gemachten verletzenden Aeußerung eine Herausforderung zugehen lassen; der Ehrenrath entschied, daß kein Grund zur Forderung vorliege, weil dieser AuSruf nicht vom Abg. Wolf, sondern von einem anderen Abge ordneten gethan sei. Der Zwischenfall ist damit erledigt. Die in Wren weilende Abordnung sächsischer Frauen auS Siebenbürgen, welche dem Kaiser Franz Josef eine Adresse mit der Bitte, das ungarische Gesetz über die Ortsnamen nicht zu sanktioniren, überreichen will, wird, wie verlautet, vom Kaiser Frankreich. Die „Boss. Zeit." schreibt: Die Herrschaft deS Säbels über die Republik ist durch die gestrige Kammer sitzung anerkannt worden, wird dadurch versinnbildlicht werden, daß die von Zola vor die Schranken des Schwurgerichts als Zeugen geladenen Offiziere nicht erscheinen werden, denn wie Herr Msline, der bürgerliche Ministerpräsident, der bürgerlichen Republik schon am Sonnabend gesagt hat, „die Ehre von Generalen darf nicht einem Urtheil der Rechtspflege ausgesetzt werden". DaS ist ein sittlicher und politischer Zusammenbruch, dessen Folgen nicht auSbleiben können, das Bekenntniß, daß Frankreich reis für den Säbel ist. Und daS alles um der bevorstehenden Wahlen willen! So klein, wie gegenwärtig, ist die „große Nation" auch in ihren schlimmsten Unglückstagen nicht erschienen. Es würde gar nicht in Erstaunen versetzen, wenn die Regierung auS ihrem gestrigen „Erfolge" den traurigen Muth schöpfte, nun auch den Prozeß gegen Zola und die „Aurore" bei geschlossenen Thüren verhandeln zu lassen; auf eine Erschütterung des öffentlichen Rechtsbewußtseins mehr kommt es nun nicht mehr an. Ostaflen. Bezüglich der Petersburger Meldung über Ruß lands scharfe Haltung in Sachen Talienwans erfährt die „Köln. Ztg." aus zuverlässiger Quelle, daß die französische Regierung lebhaft besorgt sei über die neueste Wendung und, selbst zu einer milderen Auffassung und Behandlung der Dinge zuneigend, ihren Botschafter anwies, in London beruhigend und vermittelnd einzu wirken, um ernste Verwickelungen zwischen Rußland und England zu verhindern. derartigen Dingen regelmäßig zn beschäftig, Abg. vr. Kühlmorge»-Schellenberg (kons) entgegn, , ' ,ß hauptsächlich die Vorschrift i» ß 9 die Des bestimmt habe, dem Z 6 zuzustimme«. Die vom Abg. Schill ausgesprochenen Befürchtungen seien in sachlicher Be ziehung doch etwas übertrieben, denn innerhalb d«S Zeiträume» von 1879 biS jetzt seien nur außerordentlich wenig Fälle vo« Wildschäden zur gerichtlichen Entscheidung gekommen. Abg. Härtwig-Oschatz (kons.) schließt sich de» Ausführungen de»Abg. vr. Schill an, wenn auch au» anderen Gründen. In Städte« mit revidirter Städteordnung werde doch an erster Stelle der Stadtrath resp. der Bürgermeister der berufene Mann sein, die Entscheidung herbeizuführen. Da sich da» Stadtgebiet ost üb« 5 bis 6 Jagdbezirke erstrecke, werde e» nicht ohne Weitere» aw- gSngig sein, in solchen, lediglich dem Stadtrath unterstehende« Gebieten die Entscheidung der AmtShauptmannschaft zu überlassen. Auch könne er nicht zugeben, daß die Amtshauptmannschasten i« allen Fällen die gegebenen Verhältnisse am besten zu beurt heile« in der Lage seien. Für die Stadtgebiete treffe die» jedenfall» nicht zn. Mit dem Abg. vr. Schill werde er dah« gegen de« 8 6 in der vorliegenden Fassung stimmen. Abg. Opitz- Treue« (kons.): Die vorliegende Angelegenheit könne jedenfalls die Eigen schaft einer weltbewegenden Bedeutung nicht für sich in Anspruch nehmen. Der Herr Berichterstatter habe schon darauf hinaewiese«, daß seit nahezu 20 Jahren Jagdstreitigkeiten nur in den seltenste« Fällen zum gerichtlichen Austrag gebracht worden seien. Der Richter an sich sei auch nicht in der Lage, die etwa vorliegende« Schäden allein zu beurtheüen; er müsse Sachverständige zuziehe«. Ferner werde der Abg. vr. Schill wissen, daß keine Prozesse vo« Anwälten mehr gescheut würden, als gerade Schädenprozrsse, weil praktische Momente ausschlaggebend seien und kein einziger Fall ohne große Weitläufigkeiten bei Gericht zum AuStrag gelange. Auch seien die Kosten des gerichtlichen Verfahrens ungleich höhere. Es empfehle sich daher, den Vorschlag der Deputation unverändert anzunehmeu. (Bravo!) Vizepräsident vr. Streit-Zwickau (Fortschritt) erklärt, daß e» ihm schwer falle, für den tz S zu stimmen. Derselbe bezeichne doch einen Eingriff in die Zuständig keit der städtischen Verwaltungen, wie eS ihm überhaupt scheine« wolle, als ob die Kompetenzen dieser Behörden beschnitten würde«. Staatsminister v. Metzsch betont gegenüber den Ausführungen der Abg. Härtwig und Vizepräsident vr. Streit, daß Erwägungen, ob nicht den Stadträthen in ihren Bezirken eine entsprechende Kompetenz zugestanden werden solle, im Schooße dcr Regierung wohl stattgesunden hätten, weil unter Umständen Mitglieder eine» Stadtrathes gleichzeitig Theilnehmer der Jagdgenossenschast seien und sich Kollisionen ergeben könnten zwischen Stadtrath al» Be hörde und seinen Angehörigen als Jagdgenossenschastsmitgliedern. Im Uebrigen sei die Negierung weit.davon entfernt, irgendwie einen Kompetenzeingriff in die Rechte des Stadtrathes auSzuführen. Wenn Vizepräsident vr. Streit bemerkt habe, daß die Neigung bestehe, die Zuständigkeit der Stadträthe zu beschneiden, so kon- statire er, wenigstens von seinem Standpunkte aus, ausdrücklich, daß die Regierung weder die Absicht habe, die Zuständigkeit der Stadträthe in irgend einer Weise zu beschränken, noch daß sie sich überhaupt bewußt sei, eine derartige Absicht zur Geltung gebracht zu haben. (Bravo!) Abg. vr. Schill bemerkt, daß auch nach seiner Ansicht durch die Angelegenheit die Welt nicht aus den Angela gehoben werde. Nur müsse er entgegenhalten, daß nach dem Gesetzentwürfe doch auch der Amtshauptmann Sachverständige zuziehen müsse, wenn die Sache nicht durch Vergleich erledigt verde. Was die schnellere Erledigung anlange, so könne eine olche auch durch die Amtsgerichte erfolgen. 8 6 wird darauf wgen 17 Stimmen, die 88 1 dis 11 einstimmig angenommen, die Streichung des 8 12 ebenso genehmigt und dem ganzen Gesetz mit den anderweitigen Aenderungen ohne Debatte zugestimmt.— Ohne Debatte läßt man die Petitionen des Eisenschmidt in RanS- paH deS Schneider in Wildeuau, deS Klei» i» Cossebaude, sowie die anwalt vr. Eger beantragt, den Angeklagten der MajestätS- beleidiauna für schuldig zu erachten. Der „Kladderadatsch" sei über die Grenze de» Zulässigen hinausgegangen. Ein« solch« Art, die Ansichten d«S Kaiser» gewissermaßen «ä abinrcknw führe« zu wollen, ein derartige» Ausbauen von Gegensätzen unter Citiren eine» Kaiserswortes mit Anführungszeichen sn unzu lässig und enthalte «ine Majestätsbeleidigung. Solch« Scherz« über Aeußerung«» de» Kaisers seien Wasser auf die Mühle Der jenige», die der Monarchie Abbruch thun wolle«. Für den An- äellagten liegen persönliche Milderungsgründe vor, seine zweifels freie Gesinnung, sein Alter und der Umstand, daß schon die Thatsach« einer Verurtheilung überhaupt ihn schwer treffen werde. AuS diesen Gründen und weil der Angeklagte auf ein Leben »urückblicke, welche» ibm in den weitesten Kreisen Ehre und Achtung eingebracht habe, beantrage er daS Mindeststrafmaß: zwei Monate Festungshaft und Unbrauchbarmachung der betreffenden Nummer. Vertheidiger Justizrathvr. v. Gordongiebtohne Weiteres zu. daß in dem Bilde sowohl, als auch in dem Artikel selbstverständlich auch eine gewisse Kritik deS Kaiserwortes zum Ausdruck gebracht werden solle, behauptet aber, daß diese Kritik keinerlei Majestätsbeleidigung enthalte. In längerer juristischer Auseinandersetzung sucht der Vertheidiger den Nachweis zu führen, daß weder der Begriff der Majcstätsbeleidigung hier zutreffe, noch die thatsächlichen Voraussetzungen eineS solchen erfüllt seien. Der „Kladderadatsch" habe sich von seinem Standpunkte au» zu einer Kritik für berechtigt gehalten und gemeint, eine patriotische Pflicht zu erfüllen. Er beantragt Freisprechung deS Angeklagten. Hierauf nimmt der Angeklagte Trojan selbst daS Wort: Der „Kladderadatsch", an dem er jetzt 36 Jahre lang thätig sei, rüste sich gerade zu seinem 50jährige» Jubiläum, und e» sei daS erste Mal, daß er eine- so schweren Vergehens angeklagt werde. Er gesteh«, daß er sowohl den Artikel als daS Bild vor der Ver öffentlichung gesehen und Beides unbedenklich gefunden habe. Er sei nicht nur formell, sondern auch sachlich dafür verantwortlich. Gewiß sei eine Kritik deS Kaiserwortes beabsichtigt gewesen, aber diese Kritik habe die Grenzen des Erlaubten nicht überschritten. Gegen daS, waS in anderen Blättern über da» Kaiserwort ge stand«», seien Bild und Artikel des „Kladderadatsch" noch die reine Milch der frommen Denkungsart. Die Beschlagnahme habe in den weitesten Kreisen der Gesellschaft Befremden erlegt, wie zahlreiche Zuschriften von Gelehrten, Beamten, auch von Richtern und Staatsanwälten beweisen. Gemäßigte Blätter haben gesagt, eS sei keine glückliche Hand gewesen, die diesen Schlag geführt; befriedigt hätten sich nur zwei oder drei Blätter ausgesprochen, die nicht eben Verehrer der Monarchie seien. ES sei doch «ine unglückliche Hand, daß man gerad« an der lustigen Person ein Excmpel statuiren wolle, denn der Humor habe doch schon an sich etwas Versöhnendes und Gustav Freytag habe mit Recht ausge- führt, daß der Fürst an Volksthümlichkeit gewinne, wenn sich der Humor seiner Person bemächtige. AuS demselben Grunde hab« Fürst BiSmarck einmal bedauert, daß der Hofnarr nicht mehr existire. Der „Kladderadatsch" sei früher bei Hofe sehr beliebt gewesen, Friedrich Wilhelm IV. habe ihn so gern gelesen, daß man ihn lange Zeit für einen Mitarbeiter deS BlatteS gehalten habe. Jetzt herrsche ein Uebereiser im Verfolgen von MajestätS- belcidigungen. Seine Majestät liebe «S, direkt zum Volke zu sprechen; da müsse er auch darauf gefaßt sein, eine Antwort auS dem Volke zu hören. Viel schlimmer als ein offenes, stetes Wort würde eine im Geheimen geübte Kritik sein und eS würde nicht gut sein, daS alte Narrenrecht zu kürzen. Die Häufigkeit dcr MajestätsbelcidigungS-Prozeffe nehme den Charakter einer endemischen Krankheit an und laste wie ein Alp aus dem Volke. Friedrich der Große habe sich auch dadurch populär gemacht, daß er der Kritik seiner Person freien Spielraum ließ, und die Kaiser Honorius und ArkadiuS hätten sogar eine Bestimmung erlassen, daß sür solche Beleidigung ihrer Personen Strafe nicht erfolgen dürfe. Dieses „Kolumne" stamme auS einer byzantinischen Zeit. Wenn in unserer Zeit von bestimmender Stelle ein ebensolches „Uolnwns" ertönte, so würde die» mit großer Begeisterung von einem biS zum anderen Ende deS Reiches begrüßt werden! — Der Gerichtshof hielt eine MajestätSbeleidigung für vorliegend und verurtheilte den Angeklagten zu zwei Monaten Festungshaft. Der Person de» Herrschers müsse erhöhter Schutz gegen Verunglimpfungen gewährt werden; die Unverletz lichkeit deS Staatsoberhauptes müsse ihn gegen alle Angriffe schützen, welche die Richtung oder deit Erfolg hätten, sein Ansehen herabzusetzen. Bild und Artikel seien nicht auf daS Gezänk der Geistlichen und der Presse, sondern auf die bei heiliger Veran lassung geäußerten Worte Sr. Majestät gemünzt. An und für sich sei eine Kritik kaiserlicher Worte erlaubt; hier sei aber eine unzulässige satirische und pcrsiflirende Form gewählt. Nur diese Form erscheine strafbar. Das Bild sei em Spottbild und verfolge die Absicht, die Leser über die Worte des Kaisers zum Lachen zu bringen und zu sagen: wenn die Ansicht deS Kaisers richtig wäre, dann würden die lächerlichsten Konsequenzen daraus entstehen. Das sei offenbar beleidigend. Der Gerichtshof habe aus den Gründen des Staatsanwalt» die niedrigste zulässige Strafe sür angemessen erachtet. Die „TSgl. Rundschau" begleitet diese» Urtheil mit nach stehenden Bemerkungen: Ein Gerichtsurtheil, über da» die Sozialdemokraten jubeln und die Patrioten trauern werden, ist heute in Moabit gefällt worden. Ein anerkannt königstreuer, im nationalen Kampfe erprobter Mann, der Chef redakteur Trojan des „Kladderadatsch" ist wegen einer angeblichen MajestätSbeleidigung zu zwei Monaten Festung verurtheilt morden. Wir wollen hier nicht die formelle Berechtigung dieser Ver urtheilung anfechten; aber wir fragen, glaubt irgend ein Mensch, daß der Glanz der Krone und die Beliebtheit des Kaisers bei seinem Volk erhöht wird durch die Gefängnißverfolgung eines Mannes, der, wie der Staatsanwalt selbst anerkannte, in zweifels freier Gesinnung ein patriotisches monarchisches Blatt durch Jahrzehnte geleitet hat. Und will man uns wirklich glauben machen, daß der Kaiser, der sich so gern offen und oyne Rück halt zu seinem Volke ausspricht, es billigt, daß jede Kritik seiner Worte auf die Goldwaage gelegt wird? Wem nützt man denn, wenn man nun auch dem politischen Humor, der versöhnend auf die erregten Gemüther einzuwirken berufen ist, mit dem Polizei knüttel auslauert? Doch nur Jenen, die auS der heimlichen aber nachhaltigen Auswühlung der Mißstimmungen im Volke ein Ge werbe machen; denn sie können nun auch sagen, daß wir in Preußen bereits so weit seien, daß auch die berufenen Verfechter der Monarchie über die Kaiserreden entweder den Mund halten oder ins Gesängniß spazieren müßten. Und jene Blätter, die sich aus monarchischer Gesinnung die Abwehr der versteckten und offenen, gerichtlich aber nicht faßbaren Angriffe auf die Monarchie zur Pflicht machen, müssen sich nun von den sozialdemokratischen Blättern entgegenhalten lassen: Ihr redet so, wie Ihr dürft; wenn Ihr anders reden würdet, würde Euch der Staatsanwalt fassen. DaS ist beschämend und entmuthigend, und eS treibt Wass« auf die Mühlen d« giftigen, heimlichen Umsturz-Agitation. Beschämend ist die gerichtliche Verfolgung de» „Kladderadatsch"-
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